Erzählstrategien der Nachwendeliteratur


Hausarbeit, 2005

14 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Thomas Brussigs „Helden wie wir“
2.1 Kurze Inhaltsangabe
2.2 Die Erzählstrategie
2.2.1 Der regressive Witz
2.2.2 Selbstinszenierung
2.2.3 Moralische Einschübe
2.3 Schlussfolgerung

3. Jana Hensels „Zonenkinder“
3.1 Kurze Inhaltsangabe
3.2 Erzählstrategie
3.2.1 Das autobiographische <Ich>
3.2.2 Das Wir-Gefühl
3.3 Schlussfolgerung

4. Zusammenfassung

1. Einleitung

„Ostdeutsche Autoren haben es leichter. Weil die DDR verschwunden ist und mit ihr so viele Dinge, Gewohnheiten und Lebensweisen, haben sie um so mehr von ihr zu erzählen.“[1] Diese Aussage beschreibt zum einen die Themen der deutschen Nachwendeliteratur und zum anderen die Situation, aus der heraus viele literarische Werke in den Jahren nach 1989 in Deutschland entstanden sind. Autoren wie Ingo Schulz, Jens Sparschuh, Jana Hensel und Thomas Brussig haben es gemeinsam, einen gewissen Teil ihres Lebens in einem nicht mehr existierenden Staat mit einer als überholt geltenden Gesellschaftsform verbracht zu haben. Sie können aus einer bestimmten zeitlichen Distanz auf einen Lebensabschnitt zurückblicken, den sie, und mit ihnen Millionen andere Menschen, abgeschlossen haben bzw. abschließen mussten.

Den Werken der Nachwendeliteratur, die größtenteils von ostdeutschen Autoren geprägt ist, ist folglich ein übergreifendes Merkmal gemeinsam: „Das Moment der Erinnerung“[2], d.h. ein Abschiednehmen von der DDR und die Suche nach einem Neuanfang. Es geht dabei allerdings nicht nur um das bloße Berichten von Lebensumständen und Geschichten, die sich unter diesen abgespielt haben (könnten). Die Erinnerung an das Leben vor und nach 1989 ist vielmehr auch eine Form der Verarbeitung von Erfahrungen, die die Autoren in der politischen und sozialen Vergangenheit der DDR und durch die Umbrüchen, die nach dem Fall der Berliner Mauer in ihrer Heimat stattgefunden haben, machten. Und genauso, wie jeder Mensch entsprechend seines Charakters eine ganz eigene Strategie im Umgang und mit der Verarbeitung solcher existentieller Erfahrungen hat, so nutzt auch jeder Autor eine individuelle Form der literarischen Auseinandersetzung mit diesem Thema.

In dieser Arbeit soll es um einen Vergleich zweier prosaischer Texte der Nachwendeliteratur gehen, denen „das Moment der Erinnerung“[3] gemeinsam ist, die sich jedoch in der Strategie des Erinnerns unterscheiden. Es sollen der von Thomas Brussigs 1995 veröffentlichte Roman „Helden wie wir“[4] und Jana Hensels im Jahr 2002 erschienener Bericht „Zonenkinder“[5] miteinander verglichen werden, wobei ein besonderes Augenmerk auf die von den Autoren in diesen Werken angewandten Erzählstrategien gelegt werden soll. Dazu werden beide Werke nacheinander zunächst inhaltlich vorgestellt und anschließend hinsichtlich der Form des Erzählens untersucht.

2. Thomas Brussigs „Helden wie wir“

Der zum Zeitpunkt des Erscheinens seines Werkes 30jährige Thomas Brussig wurde 1965 in Berlin geboren und verbrachte seine Kindheit und Jugend als Bürger der Deutschen Demokratischen Republik. Im Jahre 1995 veröffentlichte der bis dahin noch unbekannte Autor seinen Roman „Helden wie wir“. Seitdem erfreut sich das Werk eines großen Verkaufserfolgs und somit auch eines hohen Bekanntheitsgrades in der Öffentlichkeit. Auch in der Literaturkritik wurde der Roman sehr beachtet und weitestgehend geschätzt.[6]

2.1 Kurze Inhaltsangabe

Formal ist der Roman in sieben Bände unterteilt, was inhaltlich mit dessen Ausgangssituation zusammenhängt: Ein Journalist der amerikanischen Presse, Mr. Kitzelstein von der New York Times, nimmt ca. zwei Jahre nach der Wende insgesamt sieben Tonbänder von einem Interview mit dem ehemaligen DDR-Bürger Klaus Uhltzscht auf. Dieser berichtet chronologisch von seinem bisherigen Leben, wobei alles auf seine Behauptung, den Fall der Berliner Mauer herbeigeführt zu haben, hinausläuft („Ich war’s. Ich habe die Berliner Mauer umgeschmissen.“ Brussig, S.7). Mr. Kitzelstein sagt während des ganzen Romans kein einziges Wort; seine Anwesenheit wird nur dadurch deutlich, dass Uhltzscht ihn an einigen Stellen direkt anspricht (vgl. z.B. Brussig, S.26: „Oh, Mr. Kitzelstein“). Es ist also kein Interview im eigentlichen Sinne, sondern ein einseitiger Monolog Klaus Uhltzschts.

Das erste Tonband hat die Funktion einer Exposition: Uhltzscht konfrontiert den Leser sofort mit seiner ganz eigenen Auslegung der Ereignisse vom 9.November 1989. Um seine Wahrheit erzählen zu können, müsse er möglichst ausführlich von der Geschichte seines Lebens berichten (vgl. Brussig, S.18f), womit er im zweiten Band beginnt. Geboren im Jahre 1968 als einziges Kind eines Mitarbeiters der Staatsicherheit (Stasi) und einer Hygiene-Inspektorin wächst Klaus im zur DDR gehörigen Teil Berlins unter kleinbürgerlichen Verhältnissen auf. Seine Kindheit und Jugend sind von der Gleichgültigkeit des autoritären Vaters Eberhard Uhltzscht und der Fürsorge der omnipräsenten Mutter Lucie Uhltzscht geprägt. Immer wieder versucht er, die Anerkennung seines Vaters zu erlangen, die ihm jedoch konsequent verweigert wird. Durch die von seiner Mutter vermittelte sexuelle Verklemmtheit entwickelt Klaus ein völlig gespanntes und unnormales Verhältnis zu seiner eignen Sexualität. So sträubt er sich z.B. „beharrlich dagegen, von fickenden Eltern abzustammen“ (Brussig, S. 65) und kann sich „jahrelang keinen runterholen aus Angst vor den Schreien der gemordeten Kinder“ (Brussig, S.64).

Nach seiner Schulausbildung beginnt Uhltzscht nach dem Vorbild seines Vaters für die Staatssicherheit zu arbeiten. Er wird von drei Stasi-Mitarbeitern u.a. im Observieren verdächtiger Personen ausgebildet, während er sehnsüchtig auf einen geheimen Sonderauftrag wartet und sich der Fiktion, ein „verwunschener Topspion“ (Brussig, S.169) zu sein, hingibt. In diesem Lebensabschnitt beginnt Klaus, sich mehr und mehr von seinen Eltern zu lösen: Er zieht in eine eigene Wohnung und hat erste sexuelle Erfahrungen, die allerdings mit einer Tripperinfektion enden.

Parallel zur Romanhandlung spitzt sich fast unmerklich die politische Lage der DDR zu; die Fluchtwelle über die ungarisch-österreichische Grenze nimmt immer größeres Ausmaß an. Nun erhält Klaus doch noch den ersehnten Sonderauftrag: Aufgrund seiner besonderen Blutgruppe rettet Uhltzscht mit einer Blutspende dem Staatssekretär Erich Honecker das Leben. Als Klaus am 4.November 1989 bei einer Demonstration die Rede von Christa Wolf hört, die er versehentlich mit der Eiskunst-Trainerin Jutta Müller verwechselt, gerät er so in Rage, dass er sich auf den Weg zum Rednerpult machen will. Dabei stürzt er eine Treppe hinunter und verletzt sich schwer an seinem Geschlechtsteil, das daraufhin überdimensional anschwillt. Er muss sich in einem Krankenhaus behandeln lassen und verlässt dieses schließlich am Abend des 9.Novembers 1989. Uhltzscht macht sich auf den Weg zu den Grenzübergängen der Berliner Mauer und erwirkt schließlich durch das spontane Entblößen seiner übermäßig großen Penis’ vor den Grenzsoldaten die Öffnung der Grenztore.

2.2 Die Erzählstrategie

Auf den ersten Blick erscheint der Roman als „groß angelegte Autobiographie“[7] des Ich-Erzählers Klaus Uhltzscht. Er beginnt mit seinen Ausführungen bei seiner Geburt und erzählt chronologisch sein Leben bis zum Tage des Interviews. Die Art und Weise seiner Ausführungen weist allerdings drei auffallende Merkmale auf: das kontinuierliche Lächerlichmachen der Lebensumstände und Personen seines Umfeldes in Form des „regressive[n] Witz[es]“[8], die Selbstinszenierung des Protagonisten und die gelegentlichen Einschübe moralischer Worte. Jeder dieser Aspekte soll im Folgenden untersucht werden, um die Besonderheit der Erzählstrategie näher zu bestimmten, mit der Brussig seinen Protagonisten von dessen Leben in der DDR berichten lässt.

[...]


[1] Kraft, Thomas (Hrsg.): aufgerissen. Zur Literatur der 90er. Piper Verlag, München/Zürich: 2000. S.41

[2] Nause, Tanja: Inszenierung der Naivität. Tendenzen und Ausprägungen einer Erzählstrategie der Nachwendeliteratur. Leipziger Universitätsverlag, Leipzig: 2002. S.19 [folgend zitiert als: Nause]

[3] ebd.

[4] Brussig, Thomas: Helden wie wir. Berlin, Volk und Welt: 1995 [folgend zitiert als: Brussig]

[5] Hensel, Jana: Zonenkinder. Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbeck bei Hamburg: 2002 [folgend zitiert als: Hensel]

[6] vgl. Nause, S.141

[7] Nause, S. 145

[8] ebd. S. 143

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Erzählstrategien der Nachwendeliteratur
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für niederländische und deutsche Philologie)
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
14
Katalognummer
V34815
ISBN (eBook)
9783638349284
ISBN (Buch)
9783638788083
Dateigröße
501 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In der Arbeit werden zwei wichtige Werke der Nachwendeliteratur hinsichtlich ihrer Erzählstrategie verglichen: Thomas Brussig "Helden wie wir" und Jana Hensel "Zonenkinder"
Schlagworte
Erzählstrategien, Nachwendeliteratur
Arbeit zitieren
Juliane Voigt (Autor:in), 2005, Erzählstrategien der Nachwendeliteratur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34815

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