Koloniale Mimikry in Shakespeares Othello


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

21 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ziel der Arbeit

3. Die europäische Überlegenheit
3.1. Schwarze im England des 16. Jahrhunderts
3.2. Die partielle Kolonisation

4. Die Terminologie race im 16. Jahrhundert
4.1. Kurzer Abriss der Geschichte des Rassismus
4.2. Die Interpretation schwarzer Hautfarbe
4.2.1. wissenschaftliche Erklärung der schwarzen Hautfarbe
4.2.2. religiöse Interpretation der schwarze Hautfarbe
4.2.3. Die Bedeutung des bibelorientierten Weltkonzepts

5. Das Konstrukt des Anderen
5.1. Die Farbensymbolik von Schwarz
5.2. Der orientalistische Split
5.3. Das Konstrukt des Anderen im kolonialistischen und orientalistischem Diskurs
5.4. Schwarz/Weiß Gegensätze im Stück: ist das Stück rassistisch ?

6. Mimikry als Diskurs „zwischen den Zeilen“
6.1. Die Sichtbarkeit der Mimikry
6.2. Die Offstage-Handlung
6.3. Das Hochzeitsbett
6.4. Die Offstage-Handlung in Othello als Diskurs zwischen den Zeilen

7. Die Rolle des Fetisches
7.1. Die Tragödie um das Taschentuch
7.1.1. Das Bindeglied zwischen Femininität und dem Monströsen
7.1.2. Othellos Tragödie: Das Taschentuch als feminine Trivialität
7.2. Der Verlust der Magie des Taschentuchs
7.2.1. Definition des Begriffs ‚Fetisch’ nach Pietz
7.2.2. Die Fetischisierung und Ent-Fetischisierung des Taschentuchs
7.3. Der Fetisch als Teil-Objekt

8. Othello als mimic man
8.1. Shakespeares und Bhabas Chamäleon-Menschen
8.2.Othellos zwiespältiges Selbstkonzept
8.2.1. Desdemona als Garantie für gesellschaftliche Akzeptanz
8.2.2. Othellos Persönlichkeitsspaltung
8.3. Othello als Quelle und Objekt einer endlosen textuellen Produktion.
8.4. Hat Othello seine Identität verloren?
Greenblatt unterstellt Othello, seine eigenen Ursprünge verloren zu haben:

9. Endbemerkung

1. Einleitung

Vielleicht ist Shakespeares Werk „ Othello, the moor from Venice “, welches in den Anfängen der Kolonialzeit entstand, im Hinblick auf den aktuellen kolonialen Diskurs gerade deshalb so interessant, da in der Entstehungszeit des Werkes der Grundstein für jeglichen kolonialen Diskurs gelegt wurde. England war zu einer bedeutenden Seemacht aufgestiegen und das Empire begann, sich auszudehnen. Neue Kolonien wurden erobert und einige der Kolonisierten wurden als Arbeitskräfte nach England gebracht. Der Umgang mit den kolonialisierten Menschen wurde einerseits von einem Gefühl der kulturellen Überlegenheit und gleichzeitig von Neugier und Furcht beherrscht. Man wollte die fremden Völker und ihre Kulturen erforschen, unzählige Reiseberichte der Renaissancezeit dokumentieren diese Etappe der Geschichte und liefern Einblicke über den Kontakt und die Einstellung der Kolonialmächte gegenüber den Kolonisierten in jener Zeit.

Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen stimmen darin überein, dass der dominante Diskurs von Shakespeares Kultur bezüglich Annahmen von Hautfarbe und fremden Sitten ethnozentrisch war. Die Diskurse sind nicht einstimmig, ob Shakespeare selbst diese Annahmen teilte. Bei allen Kritikern herrscht Einigkeit über Stereotypisierung der kolonisierten Völker. Nichtübereinstimmung herrscht bezüglich der Auswertung dieser Stereotypisierung. (Vaughan 64) Im Kontrast zum kolonialen Diskurs des 18. und 19. Jahrhunderts war die Mimikry des 16. Jh. nicht betroffen von der konfliktgeladenen Ökonomie des kolonialen Diskurses, welche Edward Said als Spannung zwischen der synchronischen panoptischen Vision der Beherrschung - dem Bedürfnis nach Identität, Stasis - und dem Gegendruck der Diachronie der Geschichte - Veränderung, Differenz beschreibt (Said, 240)

In der Renaissance wurde die Geschichte nicht als allumfassendes Konzept des ‚Ursprungs’, der Entwicklung und unvermeidlicher historischer Natur von allem und jedem Geschehen gesehen.

2. Ziel der Arbeit

Dem Werk Othello von Shakespeare wird im postmodernen Zeitalter besondere Aktualität hinsichtlich der Ambivalenz des kolonialen Diskurses beigemessen. Das Konstrukt Othellos oszilliert zwischen dem ‚ lascivious Moor ’ und ’noble moor’, zwischen dem Selben und dem Anderen.

Die vorliegende Arbeit ist ein Versuch, mithilfe der Terminologie Homi Bhabas den ambivalenten Diskurs von kolonialer Mimikry, welchen er definiert als „ the desire for a reformed, recognizable Other, as a subject of a difference that is almost the same, but not quite.” (Bhaba, 86) und dessen Erscheinungsform in Othello aufzuzeigen. Es ist anzunehmen, dass Bhabas Dictum, welches sich auf die Ambivalenz des postkolonialen Diskurses bezieht, auch auf manche Renaissance-Literatur angewandt werden kann.

Natürlich gestaltet sich der Diskurs von kolonialer Mimikry im 16. Jahrhundert anders als in der heutigen Zeit. Ziel der Arbeit ist aufzuzeigen, dass Mimikry sich zur Zeit Shakespeares Wirkens in Verbindung mit Zeichen, (auch in Form von Fetischen), Personen (Hautfarbe, sozialer Stand) und Besitz äußert.

Es macht insofern Sinn, koloniale Mimikry in Othello vor allem in Bezug auf die literarische Verarbeitung von Zeichen, Personen und Besitz sowie auf Sprache und die Art des Schreibens zu betrachten. Bevor hierauf eingegangen wird, sind die Rahmenbedingungen in England und die Entstehung des Rassendiskurses zu erläutern. Bhaba setzt sich mit der Entstehungsphase sowie den Folgen der Kolonisation in einem postkolonialen Diskurs auseinander und versucht, die postkoloniale Situation aus dezentrierter Sicht zu analysieren.

3. Die europäische Überlegenheit

3.1. Schwarze im England des 16. Jahrhunderts

Viele Afrikaner wurden während der Konfliktphase mit Spanien als Sklaven oder Diener nach England gebracht. Sie besetzten die wenigen Arbeitsplätze, die auch die Einheimischen bitter benötigt hätten; in elisabethanischen Worten ausgedrückt: “they are fostered and powered here, to the great annoyance of her own liege people that which co[vet?] the relief which these people consume, as also for that the most of them are infidels having no understanding of Christ or his Gospel”. (Hughes/Larkin 221) Es wurde befürchtet, dass eine zunehmende Zahl von farbigen Menschen die weiße Rasse „verschmutzen“ würde und sie mit der Zeit auch politische Rechte fordern könnten. Dies wurde als eine latente Bedrohung für die Staats- und Gesellschaftsordnung gesehen (Loomba 167).

3.2. Die partielle Kolonisation

Die Kolonisation der Urvölker ist ein Paradoxon. Zwar wollten die Kolonialmächte die Kolonisierten so schnell wie möglich „zivilisieren“, jedoch grenzten sie Bereiche, wie z.B. Bildung aus mit dem Hintergedanken, dass gebildete koloniale Völker später einmal eine Dominanz- oder Machtbedrohung für die überlegene europäische Rasse darstellen könnten.

Bhaba kritisiert an den Kolonialmächten, dass diese nur über partielles Wissen über die Ureinwohner verfügt hätten. Paradoxerweise kann die Konversion der „Wilden“ zu Subjekten der Englischen Monarchie nicht vollständig durchgeführt werden, indem diese vom europäischen Wissen, bzw. Lernen und der Technologie der Europäer abgehalten werden, was jedoch eigentlich die Basis für kollektive und individuelle Identität ist. Das Resultat hiervon ist ein partiell Kolonisierter. (Bhaba 128)

Er erläutert dies am Beispiel des kolonialen Bildungswesens bei orientalen Völkern. Am Schnittpunkt von europäischer Pädagogik und kolonialer Macht konnte man sich nur „eine Klasse von Dolmetschern zwischen uns und den Millionen, die wir regieren - eine Klasse von Menschen, indisch in Blut und Hautfarbe, doch englisch im Geschmack, in den Ansichten, in der Moral und im Intellekt“ vorstellen - mit anderen Worten, ein menschliches Chamäleon, einen mimic man. Dieser mimic man wurde, wie ein Missionar und Pädagoge 1819 schrieb, „in unserer englischen Schule“ ausgebildet, um „ein Korps von Übersetzern zu erhalten, die für verschiedenartige Arbeiten eingesetzt werden können“. Der Stammbaum der mimic men lässt sich von heute bis zu seinem jüngsten Auftreten zurückverfolgen. Laut Bhaba ist dieser das Ergebnis einer kolonialen, makelbehafteten Mimesis, in der Anglisiertsein ausdrücklich bedeutet, nicht Engländer zu sein. Die „ notion of origins “ wird als Konflikt zwischen Empire und Nation definiert, einer Differenz zwischen Englisch sein und angliziert sein. Dieser Konflikt strukturiert laut Bhaba den postkolonialen Diskurs. (Bhaba, 129)

Die partielle Konversion, bzw. Kolonisierung wurde von Europa vor allem mit dem Ziel betrieben, die eigene Vormachtstellung zu erhalten und Unruhen zu vermeiden.

4. Die Terminologie race im 16. Jahrhundert

4.1. Kurzer Abriss der Geschichte des Rassismus

Es wäre ein Fehler, einfach die oben genannte Variante der kolonialen Mimikry auf den Diskurs der Renaissance, welcher mit der Terminologie race besetzt ist, zu transferieren. Da Rassentheorien erst ab dem 18. Jahrhundert aufkamen, differenzierte man vorher nicht zwischen Menschenrassen als Basis der Zivilisationsstufen. Als im 16. Jahrhundert der Begriff race in die englische Sprache eingeführt wurde, bezeichnete dieser Abstammung, Genealogie oder den Stammbaum. Unterschiede zwischen Menschen wurden nicht mit Begriffen der ‚rassischen’ Charakteristika erfasst, sondern man bezog sich auf religiöse und/oder kulturelle Attribute. Die Art und Weise, in welcher Hautfarben zusammen mit moralischen Konnotationen untersucht werden, ist genau die Geschichte des Rassismus. (Loomba,166)

Weiter führt sie aus, dass die heutigen Einwanderungs- und Abschiebungsgesetze nicht zufällig formuliert wurden, sondern als Ergebnis kontinuierlichen Aufarbeitens der früheren Vorurteile in späteren dominanten Beziehungen zu sehen sind. Cedric Robinson spricht von der Art und Weise, in welcher Ideologien früherer feudaler Beziehungen erhalten und in die neue Kolonial- und Handelssituation transformiert worden sind. Die Assoziation von Schwarz mit Böse, so Robinson weiter, war nicht nur gegen Fremde gerichtet, sondern diente auch dazu, die Vormachtstellung der höheren Klassen zu sicheren, da der europäische Adel sich selbst als Nachkommen anderer ethnischer und kultureller Gruppen im Gegensatz zu anderen Völkern sah. (Loomba, 167)

4.2. Die Interpretation schwarzer Hautfarbe

Kommentatoren der Renaissance hatten für die schwarze Hautfarbe zwei Erklärungen parat.

4.2.1. wissenschaftliche Erklärung der schwarzen Hautfarbe

Die erste ansatzweise wissenschaftliche Vermutung war, dass die schwarze Hautfarbe ein natürlicher Schutz gegen die stechende Tropensonne sei. Dies wurde jedoch mit der Tatsache widerlegt, dass schwarze Männer und Frauen in nördlicheren Klimazonen ebenso schwarze Kinder zur Welt brachten. (Vaughan, 53)

[...]

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Details

Titel
Koloniale Mimikry in Shakespeares Othello
Hochschule
Universität zu Köln  (Englisches Seminar)
Veranstaltung
Renaissance Theatre and Postmodern Culture Theory
Note
2,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
21
Katalognummer
V35995
ISBN (eBook)
9783638357500
Dateigröße
565 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Koloniale, Mimikry, Shakespeares, Othello, Renaissance, Theatre, Postmodern, Culture, Theory
Arbeit zitieren
Silke Nufer (Autor:in), 2002, Koloniale Mimikry in Shakespeares Othello, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35995

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