Können Erinnerungen verloren gehen? Verweilt das einstige Ich lediglich als ein trüber, verschwommener Schatten in der jetzigen Gegenwart und inwieweit vermag das Medium der Literatur jenem fragwürdigen Schatten durch sein erinnerndes Aufleuchten Kontur zu verleihen? Diese Arbeit wird sich mit der von Imre Kertész bezeichneten Vergänglichkeit des „einstigen Ich[s]“ anhand seiner Erzählung "Der Spurensucher" befassen. Untersucht werden soll am Beispiel dieses Textes, welchen persönlichen Stellenwert Imre Kertész seinem autobiographisch geprägten Schaffen zuweist und wie diese Einschätzung weiterhin in ein allgemeines Literaturverständnis einzuordnen ist.
Um überhaupt näher auf den individuellen literarischen Umgang mit der Holocaustthematik in einem einzelnen Werk eingehen zu können, sollte vorab ein Blick auf die allgemeine Problematik des Schreibens über die Shoah geworfen werden. In Kapitel 2 wird daher einleitend die Tür zu diesem literarischen Raum geöffnet, sowie daran anknüpfend Kertész’ persönliche Strategie der literarischen Holocaustverarbeitung einführend vorgestellt.
Auf dieser Grundlage kann anschließend in Kapitel 3 auf die zu untersuchende Problematik der Vergänglichkeit in "Der Spurensucher", sowie der daraus abzuleitenden Unmöglichkeit, Erinnerungen im Medium der Literatur unmittelbar festzuhalten, eingegangen werden. Besondere Aufmerksamkeit soll bei der Erarbeitung dieser Erzählung einem konkreten Textbeispiel und dem aufklärenden Nachwort Kertész’ gewidmet werden. Aufgrund der kaum vorhandenen Sekundärliteratur zu dieser Erzählung wird, vor allem in Kapitel 3, überwiegend selbstständig sowie mit Zuhilfenahme weiterer Texte Kertész’ sowie Sekundärliteratur zum literarischen Gesamtwerk des Autors gearbeitet.
Abschließend beginnt anhand der beiden vorangegangenen Kapitel der Versuch, sich der Frage zu widmen, ob subjektiv wahrgenommene Vergänglichkeit nicht doch noch in eine der Literatur innewohnende Beständigkeit eingebettet werden kann.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Das Phänomen der Sprachlosigkeit
2.1 Die literarische Auseinandersetzung mit der Shoah
2.2 „Den Leser verletzen“ – Kertész und die Wunde des Ungesagten
3 Die Zeit als Gegner: „Der Spurensucher“
3.1 Die apokalyptische Rekonstruktion von Erinnerungen
3.2 Im Zwist mit der Vergänglichkeit
4 Das erschriebene Gedächtnis
4.1 Shoahliteratur und ihr Zeugnischarakter
4.2 Die fragwürdige Nichtigkeit des Schreibens
5 Fazit und Schluss
Bibliographie
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