Thomas von Aquins Ontologie des "malum". Eine Betrachtung "des Bösen" auf Grundlage der "Summa contra gentiles III"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2017

24 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Hinführung

2. Augustinus - Wegbereiter der Privationstheorie

3. Das malum nach Thomas von Aquin
3.1. Das malum ist unbeabsichtigt
3.1.1. Gründe dagegen und ihre Widerlegung
3.2. Das malum als non ens
3.2.1. Gründe dagegen und ihre Widerlegung
3.3. Implikationen

4. Thomas malum und die Theodizee

5. Kritische Betrachtung

6. Schlussbemerkung

7. Literaturverzeichnis
7.1. Primärwerke
7.2. Sekundärwerke

1. Hinführung

Mit Amokläufen, Völkermorden, Terroranschlägen und unverschuldetem Leiden - zu­sammengefasst das Böse bzw. das Schlechte - ist scheinbar notwendig die Frage des „Warum?“ und „Woher?“ verbunden (vgl. Frey/ Oberhansli-Widmer 2012, S. XII). Das Problem des malum weckt nicht nur das Interesse von Philosophen und Theologen, son­dern beschäftigt alle Menschen, die sich mit der Natur der Dinge auseinandersetzen.

»Das Böse« - schon das Wort an sich stößt ab und zieht an, erschreckt und fasziniert.

Kaum ein anderer Begriff kann die Ambivalenzen des menschlichen Daseins mitsamt sei­nen Abgründen so sehr fassen, kaum einer die menschliche Phantasie derart beschäftigen wie der des >Bösen<. Das Gute erscheint demgegenüber eigentümlich blass [...]. (Ebd., S. VII).

Besonders mit der christlichen Theologie scheint das Böse bzw. das Schlechte unver­einbar zu sein: „Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe es war sehr gut“ (Gen 1, 31). Thomas von Aquin - christlicher Theologe, Philosoph und Mitglied des Dominikanerordens - beschäftigte sich mit der Frage nach dem Bösen im christlichen Kontext. Sein Werk Summa contra gentiles[1] (1261-1274) schrieb er für seine Domini­kanerbrüder, die sich der Bekämpfung der Ketzerbewegung und Heidenmission hinga­ben (vgl. Flasch 2013 , S. 378). Dementsprechend lautet die deutsche Übersetzung des Titels Summe gegen die Heiden, welcher das Ziel seines dreibändigen Werkes bereits antizipiert, nämlich „die Wahrheit, die der katholische Glaube benennt, [...] darzulegen und dabei entgegenstehende Irrtümer auszuschließen.“ (Scg I, 2, S. 7). Die Auseinan­dersetzung mit dem Begriff des Bösen bzw. des Schlechten hat eine lange Tradition und ist bis heute nicht abgeschlossen. Doch wie lässt sich das malum in einer auf das Gute hingeordneten Welt - wie Aquin sie annimmt - integrieren und ist das Problem der Theodizee ein zu lösendes?

Die folgende wissenschaftliche Arbeit setzt sich mit dem thomistischen Ver­ständnis des malum auseinander. Dabei steht die zuvor aufgeworfene Frage im Zentrum der Arbeit. Darüber hinaus soll untersucht werden, welche Eigenschaften dem Bösen bzw. dem Schlechten auf Grundlage der Summa contra gentiles III zugeschrieben werden können und ob Thomas Theorie eine Differenzierung der beiden Begriffe erforder­lich macht. Bevor die Betrachtung der Theorie Aquins erfolgt, ist es zuvorderst sinnvoll, den Blick auf den Kirchenvater Augustinus zu richten, der in diesem Kontext als Weg­bereiter bezeichnet werden kann. Danach folgt die Auseinandersetzung mit dem Begriff des malum nach Thomas von Aquin. Dabei orientiert sich die Arbeit an der Argumenta­tionsstruktur Aquins, indem die ausgewählten Kapitel der Summa contra gentiles III chronologisch betrachtet und analysiert werden. Anschließend erfolgt die Beschäftigung mit Kapitel 71 des genannten Werkes mit Blick auf das Problem der Theodizee. Um die Arbeit zu komplettieren, folgt im Anschluss eine kritische Betrachtung der thomisti- schen Sichtweise in prägnanter Form. In einem letzten Schritt erfolgt ein kurzes Resü­mee, vordergründig jedoch die Reflexion und Rezension der gewonnen Erkenntnisse.

2. Augustinus - Wegbereiter der Privationstheorie

Augustinus Werk Confessiones[2] (396-398), das 13 Bücher umfasst, gilt als sein popu­lärstes Hauptwerk (vgl. Mayer 2003, S. 124f.). Das den Büchern übergeordnete „Ziel ist das Lob Gottes, der aus Gnade die Menschen aus ihrer Selbstgefälligkeit und Überheb­lichkeit aufrüttelt und ihnen so ermöglicht, ihn zu lieben“ (ebd., S. 125). In Anbetracht der Thematik dieser Arbeit liegt der Schwerpunkt der Betrachtung von Augustinus Con­fessiones auf dem VII. Buch, in welchem die Frage „ unde malum?“ zentral ist. Dabei wird sein „gedanklicher Weg vom Manichäismus zur Privationstheorie des Malum“ (Hermanni 2002, S. 31) besonders deutlich.

Getrieben durch die im vorherigen Passus bereits erwähnte Frage nach dem Ur­sprung des malum, setzte sich der Kirchenvater zuerst mit dem Manichäismus[3] ausei­nander. ,,[F]ast [...] ganze(n) neun Jahre [...] [hörte sein] ruhelos schleifender Geist auf die Lehren der Manichäer” (Conf. V, 10). Eine Abwendung von dieser Offenbarungsre­ligion fand erst statt, als Augustinus auf eine „inteme(n) Schwierigkeit” (Hermanni 2002, S. 31) stößt: Wenn Gott das höchste Gut ist und Unveränderlichkeit und Unver­derblichkeit über dem Veränderlichen und Verderbbaren stehen, dann kann Gott nur unveränderlich und un verderblich sein (vgl. Conf. VII, 6). Der Manichäismus erklärt den Ursprung des malum jedoch mit der Voraussetzung, dass ein Teil von dem Wesen Gottes veränderlich und verderbbar ist (vgl. Hermanni 2002, S. 32). Aufgrund dessen sieht Augustinus den Manichäismus als widerlegt an:

Sagten sie also, du seiest, so wie du bist, das heißt, deinem Wesen nach, unverderblich, so waren all diese Behauptungen falsch und lästerlich; sagten sie aber, du seist verderblich, so war eben dies falsch und augenblicks mit Abscheu zurückzuweisen. Das genügte also, die bedrängte Brust zu erleichtern und diejenigen ganz auszuspeien, die, wenn sie so von dir dachten und redeten, keinen Ausweg finden konnten, ohne mit Herz und Mund schändlich zu lästern. (Conf. VII, 3).

Zwar sah Augustinus von da an von dem manichäischen Dualismus ab, jedoch war sei­ne Gottesvorstellung immer noch eine materialistische. Von diesem Standpunkt aus stellt er im siebten Kapitel des siebten Buches der Confessiones fest, dass er so keine Antwort auf seine Frage nach dem Ursprung des Bösen finden würde: „Vor dir [Gott] war all mein Verlangen, und das Licht meiner Augen war nicht bei mir. Nein, im Rau­me war es nicht. Ich aber dachte nur an das, was sich in Räumen ausbreitet, und fand da keine Ruhestätte, nichts, was mich hätte aufnehmen können (ebd., 11). Schließ­ lich erkannte er durch die Lektüre neuplatonischer Schriften, dass es neben der phäno­menalen Welt auch eine noumenale gibt, dass Gott und das menschliche Denken - die beide nicht körperlich sind - einer intelligiblen Welt angehören (vgl. ebd., 14 u. 16-17) und verwarf die Vorstellung von einer materialistischen Ontologie: „Wenn nämlich zu sein nicht generell bedeutet, körperlich ausgedehnt zu sein, muß (sic) auch das Malum keine ausgedehnte Masse, keine körperliche Substanz sein [...]“ (Hermanni 2002, S. 35).

Nachdem er den ontologischen Status des malum nicht mehr ohne weitere Re­flexion voraussetzte, erkannte Augustinus, dass die Frage nach dem Ursprung des Bösen die fundamentalere Frage nach dem Wesen des malum - was ist das malum? - über­springt. Durch die Fokussierung der zuletzt genannten Frage kommt Augustinus zu sei­ner Privationstheorie. In Anlehnung an Plotin bestimmt Augustin, jedoch mit einer ei­genständigen Begründung, das malum als Privation. Davon ausgehend, dass das malum etwas verderbt und wiederum nur etwas Gutes verderbt werden kann (nicht aber Gott, „denn wäre es das höchste Gut, wär' es unverderblich" (Conf. VII, 18)), muss das We­sen des Bösen bzw. des Schlechten in einer Privation des Guten liegen: „Denn Verderb­nis schadet, und kein Schaden ohne Minderung des Guten“ (ebd.). Ergo spricht Au­gustinus dem malum einen „Schädigungscharakter“ (Schönberger 1998, S. 34) zu. Da­ran anschließend kommt er zu dem Schluss, dass alles, was ist, auch gut ist und dass dem malum kein Sein zukommt.[4]

3. Das malum nach Thomas von Aquin

Thomas von Aquin führt das Böse bzw. das Schlechte erstmalig im vierten Kapitel in seinem Werk Summa contra gentiles III ein, wobei er zuvor in Kapitel drei das Gute als Ziel alles Tätigen bestimmt, was die folgende Behandlung des malum notwendig macht. (vgl. Scg III, 3, S. 13-17). Eine Auseinandersetzung in extenso und unabhängig von anderen Gedankenzusammenhängen erfolgte später in seiner Schrift Quaestiones dispu­tate de malo bzw. De malo. Wie bereits in der Hinführung angedeutet wurde, legt diese Arbeit jedoch den Schwerpunkt auf die Betrachtung der malum-Theorie wie sie Thomas von Aquin in der Summa contra gentiles III im Verlauf von circa 15 Kapiteln darlegt. Hierbei steht die Theorie des malum unter dem übergeordneten Thema des Bandes: „Die Bewegung der rationalen Kreaturen auf Gott hin“ (Slenczka 2003, S. 672).

Signifikant für Aquins Auslegung des malum ist, dass er nicht zwischen ver­nunftbegabten und nicht vernunftbegabten Lebewesen differenziert und so potenzielle Wege, das Böse bzw. das Schlechte im Menschen zu erklären, offeriert (vgl. Schönber­ger 2001, S. 118). Demzufolge sind Menschen sowohl zu natürlichen Tätigkeiten (z.B. Fortpflanzungstrieb, Reflexe, etc.) wie die Tiere[5] als auch - im Gegensatz zu den Tieren - zu willentlichen Tätigkeiten fähig.

3.1. Das malum ist unbeabsichtigt

Das Fliehen vor dem Schlechten und das Streben nach dem Guten sind im Grunde dasselbe, so wie auch die Bewegung von unten und die Bewegung nach oben im Grunde dasselbe sind. Es zeigt sich aber, daß (sic) alles vor dem Schlechten flieht (Scg III, 3, S. 15).

Dies ist eins der vielen Argumente, die Aquin gebraucht, um im dritten Kapitel des drit­ten Buches der Summa contra gentiles zu zeigen, dass „alles um eines Guten willen tätig ist“ (Scg III, 3, S. 15). Darüber hinaus verdeutlich diese Textstelle, dass Thomas von Aquin das Böse bzw. das Schlechte nicht negiert. Für die folgende Betrachtung ist wichtig, dass „Thomas [...] hier also den Begriff des Guten als Implikat des Strebens- begriffs ein[führt]“ (Schönberger2001, S. 121).

Davon ausgehend, dass alles Tätige nach dem Guten strebt und dass dies nicht zufällig ist - wie Aquin darlegt (vgl. Scg III, 3, S. 17) - ergibt sich für den Theologen und Philosophen die logische Schlussfolgerung, „daß (sic) sich das Schlechte in den Dingen ohne Absicht des Tätigen einstellt“ (ebd., 4, S. 17). Diese These begründet er darin, dass das Gute und das malum konträr sind und wenn mit jeder Tätigkeit nicht zufällig das Gute intendiert wird, kann das Böse bzw. das Schlechte nur unbeabsichtigt sein (vgl. ebd.). Dies gilt nicht nur für natürliche Tätigkeiten, sondern auch für willent­liche Tätigkeiten, denn für Thomas ist die Absicht bzw. das angestrebte Ziel ausschlag­gebend. Wird dieses verfehlt, beispielsweise aufgrund einer falschen Einschätzung, so geschieht dies nicht mit Absicht: „Da nun dem durch den Verstand und dem durch den Naturtrieb Tätigen gemeinsam ist, nach einem Guten zu Streben, geht ein Schlechtes aus der Absicht eines Tätigen unbeabsichtigt hervor“ (ebd., S. 19).

Darüber hinaus, ausgehend von der eingangs angeführten These, dass der Tätige mit seiner Tätigkeit das Gute erstrebt, ist ein malum - in Form einer „mangelhaften oder ausgebliebenen Realisierung“ (Schönberger 2001, S. 124) des durch die Tätigkeit er­strebten Ziels - nur möglich, sofern ein „Mangel(s) in den Prinzipien der Tätigkeit“ (Scg III, 4, S. 17) vorliegt. Schönberger fasst das, was Aquin als Prinzipien der Tätigkeit bezeichnet, unter der ,,innere[n] Form der Dinge“ (Schönberger 2001, S. 124) zusam­men, die als Maßstab fungiert. Ist diese nicht mangelhaft, so wird mit der Tätigkeit das angestrebte Ziele - das Gute - erreicht, liegt jedoch ein Mangel vor und die Tätigkeit wirkt im Hinblick auf die dem Tätigen gegebene Kraft nicht optimal, so bleibt auch die Wirkung dessen hinter ihrem Maximum zurück, was jedoch nicht dem vorausgegangen Ziel der Tätigkeit entspricht (vgl. Scg III, 4, S. 17 und Schönberger 2001, S. 124). Auf­grund dessen ist das malum unbeabsichtigt.

In einem nächsten Schritt greift Thomas für seine Argumentation eine bereits im dritten Kapitel herausgearbeitete These auf, nämlich dass „jede [...] Bewegung um ei­nes Guten willen statt[findet]“ (Scg III, 3, S. 13), woraus sich für ihn die Schlussfolgerung ergibt, dass ,,[d]as Bewegbare [...] nach einem Schlechten nur zufällig und unbe­absichtigt [strebt]“ (Scg III, 4, S. 17). Indessen kann jedoch auch das Vergehen als eine natürliche Bewegung verstanden werden - ebenso wie das Entstehen. Beide Bewegun­gen bedingen sich insofern, dass etwas nur entstehen kann, wenn etwas anderes vergeht oder anders formuliert, wenn etwas anderes zerstört wird. Die Zerstörung schreibt Thomas jedoch dem malum zu (vgl. Scg III, 3, S. 13-17). Dies scheint auf den ersten Blick einen Widerspruch zu evozieren: Ist das Ziel des Strebens bei einer formverän­dernden Tätigkeit nicht doch das Vergehen bzw. die Zerstörung? Demgegenüber argu­mentiert Thomas, dass eine Materie, die von einer bestimmten Form bestimmt wird, sowohl in Potentialität zu einer anderen Form als auch in Privation zu der bereits vor­handenen Form steht (vgl. ebd., 4, S. 19). Entscheidend ist hierbei, dass ,,[d]ie Absicht und das Streben der Materie [...] aber nicht auf die Privation [geht], sondern auf die Form“ (ebd.). Mit der Änderung bzw. dem Vergehen der Form geht notwendig eine Privation der Form einher, wodurch sie lediglich Bedingung, nicht aber Gehalt des Strebens ist. Daraus resultierend „ist beim Entstehen und Vergehen die Umwandlung der Materie an sich auf die Form hingeordnet, die Privation tritt unbeabsichtigt ein“ (ebd.).

Infolge Thomas Argumentation kann konstatiert werden, dass das Schlechte bzw. das Böse unbeabsichtigt ist. In den zwei Folgekapiteln (siehe ebd., 5/6, S. 21-27) setzt sich der Theologe und Philosoph mit Gegenpositionen auseinander mit dem Ziel, diese anschließend zu widerlegen. Das folgende Kapitel dieser Arbeit setzt sich mit Thomas Umgang der entgegengesetzten Positionen auseinander.

3.1.1. Gründe dagegen und ihre Widerlegung

Wie im vorherigen Kapitel bereits angedeutet, beschäftigt sich dieses Kapitel mit The­sen, die zu belegen scheinen, dass das Böse bzw. das Schlechte nicht unbeabsichtigt ist. Darauf bezugnehmend hebt Slenczka „die tiefe Gewissenhaftigkeit [Aquins] im Um­gang mit Gegenpositionen, die auf der Basis ihrer eigenen Voraussetzungen widerlegt werden sollen“ (Slenczka 2003, S. 673) hervor. Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den Gründen, die für die Absichtlichkeit des malum sprechen, ist deshalb wichtig, da, wenn Thomas These falsch wäre, alles, was folgend von ihr logisch abgeleitet wird, nicht haltbar wäre. Schönberger unterstreicht prägnant die Konsequenzen, die sich so für die thomistische Theorie ergäben:

Wenn das Ziel nicht den Charakter des Guten hätte, ließe sich das Konzept des Strebens, d.h. die Lehre der Naturfinalität nicht aufrechterhalten. Dann könnte man zwar weiterhin sagen, dass die Welt die Schöpfung Gottes ist, aber nicht mehr sagen, dass diese Welt „gut“ ist (Schönberger 2001, S. 124f.).

Es ist evident, dass der Widerlegung der Einwände gegen die Unabsichtlichkeitsthese eine hohe Relevanz zukommt. Während Thomas in der Summa contra gentiles III zu­vorderst alle Einwände benennt und diese erst nachfolgend der Reihe nach widerlegt, zieht es diese Arbeit aufgrund des Kriteriums der Überschaubarkeit vor, unmittelbar nach der Darlegung eines Einwandes dessen Widerlegung anzuschließen.

Der erste Einwand basiert auf der Beobachtung, dass das Böse bzw. das Schlechte häufig und nicht nur selten eintritt, woraus zu resultieren scheint, dass es nicht unbeabsichtigt sein kann. Wenn nämlich eine Wirkung entsteht, ohne dass der Tätige diese zuvor intendiert hat, so sagt man, dass es sich unvorhersehbar oder zufällig ereig­net hat und nur selten vorkommt (vgl. Scg III, 5, S. 21). Bevor Thomas den Einwand widerlegt, differenziert er das malum in „zwei Weisen des Schlechten“ (Hermanni 2002, S. 97; Hervorhebung im Original): Zum einen das malum in substantia und zum ande­ren das malum in actione (vgl. ebd.). Ersteres ist das Böse bzw. das Schlechte an einer Substanz, das sich daraus ergibt, „daß (sic) ihr [der Substanz] etwas fehlt, worauf sie von Natur aus angelegt ist und was sie haben muß (sic)“ (Scg III, 6, S. 21). Die zweite Weise des malum ist das Böse bzw. das Schlechte an einer Tätigkeit, welches ,,[e]ine Privation der erforderlichen Ordnung oder Maßgerechtheit in einer Tätigkeit“ (ebd., S. 23) ist. Thomas führt „keine geringe Korrektur an seiner Theorie der Privation“ (Schön­berger 2001, S. 127), um den ersten Einwand zu widerlegen: Das Tätigwerden durch die Natur und das durch den Willen. Um den ersten Einwand zu entkräften, bezieht sich Thomas nur auf den an erster Stelle genannten Typ des Tätigwerdens, bei dem die Pri­vation lediglich die notwendige Bedingung zur Erreichung des erstrebten Guten dar­stellt. Dass das Entstehen auch immer mit einem Vergehen einhergeht,[6] ist weder un­vorhergesehen noch zufällig, jedoch richtet sich die Absicht nicht auf das Böse bzw. das Schlechte des Vergehens, sondern auf das Gute - das Entstehen - und ist somit „das Schlechte von etwas“ (Scg III, 6, S. 23-25). Folgt etwas Böses bzw. Schlechtes nicht notwendig auf das angestrebte Gute, so ist es „ein zufällig Schlechtes“ (ebd., S. 25) und steht im Widerspruch zu der Absicht (vgl. ebd.). Es wird deutlich, dass Thomas von

[...]


[1] Die folgende wissenschaftliche Arbeit setzt sich in erster Linie mit Thomas von Aquins Summa contra gentiles auseinander. Als Quelle dient dabei die Herausgeberschrift von Karl Albert und Paulus Engelhart unter Mitarbeit von Leo Dümpelmann, die sowohl den lateinischen Originaltext als auch die deutschspra­chige Übersetzung umfasst. Im Folgenden wird dem Beispiel „Scg I, 2, S. 7“ folgend zitiert, wobei die Abkürzung „Scg“ für den Titel des Werkes steht. Die Buchnummer wird jeweils in römischen Zahlen angegeben und im Anschluss daran in arabischen Zahlen das Kapitel und die Seitenzahl.

[2] Alle folgenden Zitate aus den Confessiones werden aus der Reihe Sammlung Tusculum, die neben dem lateinischen Originaltext eine Übersetzung von Wilhelm Thimme enthält, entnommen. Beim Zitieren der Confessiones wird der Titel im Folgenden mit der Abkürzung „Conf.“ benannt, während Nummer von Buch und Paragraph direkt folgend aufgeführt werden.

[3] Der Manichäismus basiert auf einem Dualismus, demzufolge Gott und das Böse sich gegenüberstehend, sich begrenzend, gleichursprünglich und körperlich sind. Dies ergibt sich aus zwei Prämissen: Zum einen aus der Annahme, dass alles, was ist, auch körperlich ist und zum anderen, dass nichts Böses von Gott geschaffen wurde (vgl. dazu Hermanni 2002, S. 31).

[4] „Also entweder schadet die Verderbnis nichts, was doch nicht möglich ist, oder aber, und das ist ganz gewiß (sic), alles was verderbt wird verliert etwas Gutes. Verlöre es aber alles Gute, würde es überhaupt aufhören zu sein. Denn wenn es wäre und nicht mehr verderbt werden könnte, wäre es ein Besseres ge­worden, weil es nun unverderblich bliebe. [...] Also was ist, ist auch gut, und das Böse, nach dessen Ur­sprung ich fragte, ist nichts Wesenhaftes, denn wäre es ein Wesen wäre es gut. Denn entweder wäre es ein unverderbliches Wesen - fürwahr ein großes Gut! - oder aber ein verderbliches Wesen, das nicht ver­derblich sein könnte, wäre es nicht auch gut“ (Conf. VII, 18).

[5] Diese Übereinstimmung zwischen Tieren und Menschen bezüglich der natürlichen Tätigkeiten legiti­miert das Zurückgreifen auf Beispiele aus der Tierwelt, um eine anschauliche Erläuterung spezifischer Aspekte des malum gewährleisten zu können.

[6] Siehe hierzu auch die Erläuterung zum Entstehen und Vergehen in Kapitel 3.1. dieser Arbeit.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Thomas von Aquins Ontologie des "malum". Eine Betrachtung "des Bösen" auf Grundlage der "Summa contra gentiles III"
Hochschule
Universität Mannheim
Veranstaltung
Thomas von Aquins theologische Anthropologie
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
24
Katalognummer
V370273
ISBN (eBook)
9783668481176
ISBN (Buch)
9783668481183
Dateigröße
585 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Malum, das Böse, Thomas von Aquin, Augustinus, confessiones, summa contra gentiles, Theodizee, das Gute, Privationstheorie, Privation, privatio boni, Aquin, Mittelalter, Philosophie, Christentum, Anthropologie
Arbeit zitieren
Lisa Maria Hoffmann (Autor:in), 2017, Thomas von Aquins Ontologie des "malum". Eine Betrachtung "des Bösen" auf Grundlage der "Summa contra gentiles III", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/370273

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