Die St.-Peter-und-Paul-Kirche in Krakau und die Bautätigkeit der Jesuiten in Krakau im 16. Jahrhundert


Masterarbeit, 2016

180 Seiten, Note: gut


Leseprobe


2
Inhaltsverzeichnis
Einleitung...5
Teil I - Der Jesuitenorden in Krakau ­ Niederlassungen und geplante Bauprojekte... 15
1. Plan des Noviziats der Jesuiten mit der Stephanskirche in Krakau ... 19
1.1. Historischer Hintergrund...20
1.2. Allgemeine Entwurfsbeschreibung...24
1.3. St. Stephanskirche und SS. Martins und Matthias Kapelle...25
1.4. Das Noviziat...28
2. Projekt des Ausbaus der St. Barbara Kirche und des Professhauses von Stanislaw Grodzicki ... 30
2.1. St. Barbara Kirche...32
2.2. Charakteristika des Plans...33
3. Projekt des Ausbaus der Kirche St. Barbara und des Klosters von Giuseppe Briccio ... 39
3.1. Fragestellungen zur Entstehung des Projektes...40
3.2. Topographie des Plans mit der Nr. 1047...41
3.3. St. Barbara Kirche - Beschreibung und Typus...42
3.4. Klosteranlage...43
4. Projekt der Kirche und des Klosters in der Wilnastraße von Giuseppe Briccio ... 45
4.1. Charakteristika der Pläne der Bibliothèque nationale de France mit den Nummern 1048
und 1049...47
4.2. Datierungsfragen...48
4.3. Vergleich der Pläne Nummer 1048 und 1049...49
4.4. Beschreibung des Plans mit der Nummer 1048...51
5. Idea domus professae Cracovia...52
6. Modellum templi futuri Cracoviensis Societatis Iesu 29 novembris 1596 ... 56
6.1. Beschreibung des Plans mit der Nummer 1055...56
6.2. Zur Autorenschaft und Entstehungsortes des Plans...58
7. Domus professa Cracoviensis Societ[atis] Jesu ... 61
7.1. Datierung und Autorenschaft... 62

3
7.2. Planbeschreibung...64
8. Projekte des Kollegiums von SS. Peter und Paul ... 66
8.1. Generalprojekt des Kollegiums SS. Peter und Paul von B. Molli, Plan des Erdgeschosses,
1651...68
8.2.
Zeichnungen der östlichen Außen- und Innenfassade des Kollegiums von B. Molli...69
8.3.
Zwei unbekannte Skizzen ... 71
Teil II - Die SS. Peter und Paul Kirche in Krakau...73
1.
Beschreibung der Kirche ... 75
1.1. Außenbau und Fassade ... 76
1.2. Grundriss und Vergleich des Entwurfs aus dem Jahr 1596 mit der heutigen Kirche .. 77
1.3. Innenraum ... 79
1.3.1. Stuckdekoration...79
1.3.2. Kuppel...81
1.3.3. Hauptaltar...81
1.3.4. Ausstattung... 82
1.4. Ikonographisches Programm der SS. Peter und Paul Kirche...83
2. Baugeschichte und Architekten...87
2.1. Giuseppe Briccio... 88
2.2.
Giovanni Maria Bernardoni ... 90
2.3.
Giovanni Battista Trevano ... 92
2.4.
Abschlussarbeiten und weitere Entwicklung ... 97
3. Vorbilder und Einflüsse ... 99
3.1.
Il Gesù ... 99
3.2. San Andrea della Valle...105
3.3.
Jesuitenkirchen in Lublin und Jaroslau ... 107
Conclusio ... 110
Abbildungen...113
Literaturverzeichnis...164
Abbildungsnachweis... 176
Abstract...181

5
Einleitung
Das Thema meiner Masterarbeit ,,Die SS. Peter und Paul Kirche und die Bautätigkeit der
Jesuiten in Krakau im 16. Jahrhundert" habe ich aufgrund meiner Herkunft und den damit
verbundenen Sprachkenntnissen gewählt. Über die barocke Jesuitenkirche gibt es fast
ausschließlich polnische Literatur. Aufgrund der Sprachdifferenzen ist sie bisher nur
eingeschränkt beachtet und gewürdigt worden. Zudem werden polnische Kunst- und
Architekturwerke meistens nur am Rande in west- und mitteleuropäischen Studien erwähnt.
Der Grund für diese ,,Randposition Polens" liegt meist darin, dass der Zugang zu den Quellen
sehr schwierig ist und deutschsprachige Übersetzungen von Fachliteratur fehlen.
Der erste Teil widmet sich architektonischen Plänen und Stadtansichten von Krakau, die in
der Bibliothèque nationale de France und im ARSI (Archivum Romanum Societatis Iesu)
aufbewahrt werden. Es werden hier insgesamt dreizehn
Entwürfe erstmalig geordnet, auf
Deutsch übersetzt, weitestgehend vollständig beschrieben, analysiert und zum Teil
miteinander verglichen. Manche Pläne wurden noch nicht publiziert. Es wird hier ein
nachvollziehbarer Weg vom ersten Domizil der Jesuiten in Krakau, der kleinen St.
Stephanskirche, zu Umbauplänen der St. Barbara Kirche und nicht realisierten Bauprojekten
in der Wilnastraße bis zur vollständig neu gebauten SS. Peter und Paul Kirche dargestellt.
Der hohe Stellenwert dieser Kirche für die Jesuiten in Krakau wird dadurch sichtbar, dass die
Kirche als königliche Stiftung großzügiger geplant werden konnte, da ihre Finanzierung
gesichert wurde. Die Pläne werden im Folgenden auch deshalb so umfangreich behandelt,
da sie einen großen Teil des Jesuitenordens in Polen im 16. Jahrhundert veranschaulichen.
Sie sind nicht nur ein Beleg für die rege Planungs- und Bautätigkeit sowie das edukative
Bemühen des Ordens in Krakau, sondern auch für die enge Zusammenarbeit mit der
römischen Ordenszentrale. Das grundlegende Werk für den ersten Teil der Arbeit ist Jean
Vallery-Radots ,,Le recueil de plans d'édifices de la Compagnie de Jésus conservé à la
Bibliothèque Nationale de Paris : suivi de l'inventaire du recueil de Quimper et de L'Inventaire

6
des plans des archives romaines de la Compagnie".
1
Vallery-Radots Publikation
berücksichtigt zwar nicht den neuesten Forschungsstand, allerdings ist sie bei der
Systematisierung der Pläne hilfreich.
Der zweite Teil behandelt die ausgeführte SS. Peter und Paul Kirche in Krakau und setzt sich
sowohl mit der architektonischen Gestaltung, der Baugeschichte sowie den römischen
Einflüssen auseinander. Hier werden die Wechselwirkung und die gegenseitige Abhängigkeit
zwischen der römischen Zentrale, den einheimischen Jesuiten, den Stiftern und den
ausführenden Architekten bestimmt und analysiert. Diese Arbeit soll eine Ordnung in die
Vielfalt von Theorien und Thesen bringen und auch deutschsprachigen Kunsthistorikern die
Problematik der Entstehung der Krakauer ,,SS. Peter und Paul Kirche" aufgrund der
mangelhaften Quellen näherbringen. Dabei konnten leider nicht alle aufkommenden Fragen
beantwortet werden. Die wenigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen zur SS. Peter und
Paul Kirche und zum Krakauer Jesuitenkollegium sind lediglich in polnischer Sprache
verfügbar. Im Jahr 2006 ist ein umfangreiches Werk von Jerzy Paszenda mit dem Titel:
,,Budowle jezuickie w Polsce, XVI- XVIII w."
2
(,,Jesuiten Bauten in Polen im XVI- XVIII
Jahrhundert") erschienen. Es ist der dritte von fünf Bänden, der sich hauptsächlich mit der
Jesuiten-Architektur in Krakau und der SS. Peter und Paul Kirche beschäftigt. Die 2006
erschienene Publikation ist eine Sammlung von früheren Aufsätzen des Autors, die nicht
chronologisch geordnet sind. Die Bearbeitung der einzelnen Themenbereiche wurde durch
diesen Umstand erschwert. Paszenda ergänzt seinen Band mit kunsthistorischen und
archäologischen Forschungsergebnissen aus den neunziger Jahren. Hier analysiert er aktuelle
Ausgrabungen und Messungen vor Ort, die teilweise ein neues Licht auf bisherige offene
Forschungsfragen werfen. Paszendas Aufsätze geben einen guten Einblick in die Entwicklung
der Geschichte der Jesuiten in Krakau und in die Suche des dortigen Ordens nach einem
passenden Baugrund für eine neue Kirche. Seine Aufsätze ,,Projekty architekta Józefa Briccio"
(,,Projekte des Architekten Briccio") und ,,Nieznane ródlo do dziejów budowy kociola w.
Piotra w Krakowie" (,,Unbekannte Quellen zur Geschichte des Baus der St. Peter Kirche in
1
Vallery-Radot, Jean, Le recueil de plans d'édifices de la Compagnie de Jésus conservé à la Bibliothèque
Nationale de Paris: suivi de l'inventaire du recueil de Quimper et de L'Inventaire des plans des archives
romaines de la Compagnie, Rom 1960.
2
Paszenda, Jerzy, Budowle jezuickie w Polsce, B 3 u. B. 4, Kraków 2006.

7
Krakau")
3
beschäftigen sich unter anderem mit der Zuschreibung und Analyse der Pariser
Pläne. Paszenda publiziert hier die Entwürfe, die den Um- bzw. Ausbau der St. Barbara
Kirche, das Projekt in der Wilnastraße sowie die beiden geplanten Vorgängerbauten von SS.
Peter und Paul betreffen.
Ein ebenso wichtiges Werk ist die Monographie ,,Kociól witych Piotra i Pawla" (,,SS. Peter
und Paul Kirche") aus dem Jahr 1985 von Adam Malkiewicz.
4
Die Untersuchung beschäftigt
sich vor allem mit der Geschichte der Kirche und dem heutigen Bau. Malkiewicz
veröffentlichte allerdings bereits 1967 einen Aufsatz, der neue Erkenntnisse zu den
erhaltenen Plänen und einzelnen Bauphasen ans Licht brachten.
5
Er polemisiert darin gegen
die Thesen der Forscher Franciszek Klein und Adam Bochnak. Klein veröffentlichte 1910 als
erster die Pariser Pläne ,,Modellum templi futuri Cracovienisis" und ,,Idea domus Cracoviae
facta et relicta a P. Gursone dum in Hispaniam proficisceretur" (Plan Nr. 1055 und Nr. 1056)
6
in seinem Werk ,,Kociól . Piotra i Pawla w Krakowie" (,,SS. Peter und Paul Kirche in
Krakau").
7
Zwar gehörte Klein, gemeinsam mit Bochnak, der
die Publikation ,,Kociól .
Piotra i Pawla w Krakowie i jego rzymski pierwowzór oraz architekt Królewski Jan Trevano"
(,,SS. Peter und Paul Kirche, ihr römisches Vorbild und der königliche Architekt Jan Trevano")
8
veröffentlichte, zu den ersten Forschern, die sich gründlich mit der Entstehung der Kirche
auseinandersetzten, jedoch sind viele ihrer Thesen inzwischen widerlegt worden.
Die neuere Forschung beschäftigt sich stärker mit der letzten Etappe der
Entstehungsgeschichte der SS. Peter und Paul Kirche, der sogenannten Trevano-Phase. Die
3
Paszenda, Jerzy, Projekty architekta Józefa Briccio. In: Rocznik krakowski, Towarzystwo Miloników Historii i
Zabytków Krakowa, Kraków, 1966; Paszenda, Jerzy, Nieznane ródlo do dziejów budowy kociola w. Piotra i
Pawla w Krakowie. In: Biuletyn historii sztuki, Pastwowy Instytut Sztuki; Stowarzyszenie Historyków Sztuki,
Warszawa, 1966.
4
Malkiewicz, Adam, Kociól witych Piotra i Pawla w Krakowie, Kraków, 1985.
5
Malkiewicz, Adam, Kociól witych Piotra i Pawla w Krakowie-Dzieje budowy i problem autorstwa. In:
Zeszyty Naukowe Uniwersytetu Jagielloskiego. Prace z historii sztuki, Kraków, 1967.
6
In:
http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b84487870
,
http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8448788d.r=jesuites%20cracovie
, zuletzt aufgerufen am 28.06.2016.
7
Klein, Franciszek, Kociól . Piotra i Pawla w Krakowie, Rocznik Krakowski XII, Kraków, 1910.
8
Bochnak, Adam, Kociól w. Piotra i Pawla w Krakowie oraz jego rzymski pierwowzór i architekt królewski
Trevano, Prace KHS V, Kraków, 1948.

8
Frage, ob der Architekt Giovanni
Trevano oder ein anderer Künstler beteiligt war, entstand
nicht ohne Grund: Der polnischer Kunsthistoriker Mariusz Karpowicz stellte 1994 die These
auf, dass Matteo Castello für die Autorenschaft der meisten, bisher Trevano
zugeschriebenen Werke verantwortlich ist.
9
Karpowicz widerspricht hier Malkiewicz, der
folgenden Aufsatz über diese Frage geschrieben hat: ,,Trevano czy Castello autorem ostatniej
fazy budowy kociola . Piotra i Pawla w Krakowie" (,,Trevano oder Castello? Wer war der
Autor der letzten Phase des Baus der Kirche SS. Peter und Paul in Krakau")
10
.
Dieses Problem ist auch in der Publikation von Andrzej Betlej zentral.
11
Er hat hier gestützt
auf die Zeichnungen von Giacomo Briano, des Architekten der Lemberger Jesuitenkirche, die
Frage gestellt, ob dieser auch an der Gestaltung der Krakauer Fassade beteiligt gewesen sein
kann.
Das Unterkapitel 1.4. im zweiten Teil ist dem ikonografischen Programm der Kirche
gewidmet. Jan Samek hat dazu die ausführlichste Publikation veröffentlicht. Sein Aufsatz
,,Oltarz glówny w kociele . Piotra i Pawla w Krakowie"
12
(,,Hauptaltar in der SS. Peter und
Paul Kirche") beschäftigt sich in erster Linie mit dem Hauptaltar der Krakauer Kirche.
Nachdem der ursprüngliche Altar nicht erhalten geblieben ist und der jetzige erst in den
Jahren 1726 bis 1735 von Kacper Baanka errichtet wurde, ist hier auf eine genaue
Beschreibung und Analyse verzichtet worden. Samek beschränkt sich jedoch nicht nur auf
den Altar, sondern gibt auch einen fundierten Einblick in das ikonografische Programm des
Krakauer Jesuitenbaus.
Für das Verständnis der Arbeit ist es notwendig einen kurzen Überblick über die politische
und wirtschaftliche Lage von Polen in der Zeit der Gegenreformation zu geben. Im
16. Jahrhundert erlebte Polen unter der mächtigen Regierung der Jagiellonen ein ,,goldenes
Zeitalter". Die polnische Kunst und Literatur feierten Hochkonjunktur. Im Gegensatz dazu
9
Karpowicz, Mariusz, Matteo Castello, Architekt wczesnego baroku, Warszawa 1994.
10
Malkiewicz, Adam, Trevano czy Castello autorem ostatniej fazy budowy kociola . Piotra i Pawla w
Krakowie, In: Folia historiae artium, Kraków 1966.
11
Betlej, Andrzej, ,,Lwowskie" projekty Giacomo Briana a fasada krakowskiego kociola witych Piotra i Pawla,
Kraków 1998.
12
Samek, Jan, Oltarz glówny w kociele . Piotra i Pawla w Krakowie. In: Prace z historii sztuki, Uniwersytet
Jagielloski, Kraków 1967.

9
verlor Krakau, nachdem Warschau 1596 zu Hauptstadt ernannt worden war, allmählich an
Bedeutung. Politisch musste sich die Stadt zwar mit der nun zweitrangigen Position
zufriedenstellen, dafür übernahm eine andere Macht in Krakau die Oberhand: die Kirche. Im
17. Jahrhundert gründeten u.a. die Jesuiten zahlreiche Konvente, Kirchen und Kapellen. Die
Jesuiten kamen nach ihrer Gründung im Jahr 1564 nach Polen und wurden bald zu einem
wichtigen Teil der Kirchenlandschaft. Im Anschluss an das ,,goldene Zeitalter" im 16.
Jahrhundert und nach der erfolgreichen Herrschaft der Jagiellonen-Dynastie und einem
Aufschwung in der Kunst, Literatur und Wissenschaft, begann in Polen die Zeit der
politischen und wirtschaftlichen Unruhen. Anarchie und innenpolitische Machtspiele
zwischen dem Königshaus und den mächtigen Magnaten (Hochadel) hatten die Position der
Polen auf der internationalen politischen Arena deutlich geschwächt. Hinzu kam, dass ein
Viertel der damaligen Bevölkerung an den Folgen von Seuchen und Hungersnot starb, auch
waren Plünderungen und Gewalttaten an der Tagesordnung.
König Sigismund August war der letzte polnische König aus der Dynastie der Jagiellonen.
Unter seiner Regentschaft war die Personalunion zwischen Polen und Litauen in eine
Realunion umgewandelt worden. 1569 wurde Polen-Litauen zu einer Adelsrepublik mit
einem vom Adel gewählten König. Die polnische Wirtschaft war zu diesem Zeitpunkt
komplett zerrüttet: Die sogenannte Schlachta
(polnischer Kleinadel) dominierte immer mehr
die polnische Wirtschaft, die Gesellschaft und die Politik. Dies führte im 18. Jahrhundert zu
einem langsamen Untergang des Staates in Form von Teilungen
13
. Die sogenannte ,,goldene
Freiheit",
darunter sind zahlreiche Rechte und Privilegien des Adels zu verstehen, reduzierte
die königliche Macht auf ein Minimum.
Die Reformation verbreitete sich schnell in Polen. Mit der pax dissidentium wurde 1573 den
Protestanten die uneingeschränkte Religionsfreiheit, einschließlich ihrer politischen
Gleichstellung und Zivilrechte staatsrechtlich zugesichert. Die adelige Oberschicht des
Landes hatte sich bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts in nicht unbedeutendem Maße dem
13
Unter den Teilungen Polens wird in erster Linie die Teilung des Doppelstaats Polen-Litauen, Ende des
18. Jahrhunderts verstanden. In den Jahren 1772, 1793 und 1795 teilten die Nachbarmächte Russland, Preußen
und Österreich den Unionsstaat schrittweise unter sich auf. Die Folge war, dass auf der Karte Europas bis zum
Ende des Ersten Weltkriegs 1918, also für über 120 Jahre, kein eigenständiger polnischer Nationalstaat mehr
existierte. In:
http://www.bliskopolski.pl/historia-polski/1772-i-rozbior-polski/
, zuletzt aufgerufen am
28.06.2016.

10
Protestantismus zugewandt. Die Bürger einiger Städte waren sogar mehrheitlich evangelisch
geworden, wenngleich die Zersplitterung zwischen Lutheranern, Calvinisten, Böhmischen
Brüdern und Unitariern groß war. Diese Spaltung war eine Schwäche, an der die
Gegenreformation ansetzte.
Allerdings hielten die polnischen Könige am katholischen Glauben fest. König Stephan
Báthory (1533­1586) unterstützte die Errichtung jesuitischer Ordenshäuser in Polen. 1579
hat er das Jesuitenkolleg in Vilnius zu einer Akademie mit der Bezeichnung Academia et
Universitas Vilnensis Societatis Iesu umgewandelt. Die Jesuiten begannen mit der intensiven
Rekatholisierung des Landes. Aufgrund ihres höheren Bildungsstands, einer straffen Disziplin
bei Predigten und einer intensiven Seelsorge und Armenpflege fanden sie immer mehr
Anerkennung. Neben den jesuitischen Bemühungen trugen zum Erfolg der
Gegenreformation in Polen auch die Tatsachen bei, dass die Landbevölkerung nur zu
geringen Teilen vom Protestantismus erfasst worden war und dass der Katholizismus quasi
als Nationalreligion angesehen wurde. Nach dem Tod Báthorys herrschten drei Wasa-Könige,
die mit ihrem Kampf gegen den Adel auch den Protestantismus immer weiter
zurückdrängten. Es folgten viele Kriegsjahre, vor allem mit den Kosaken und Schweden, aber
auch Unruhen und Seuchen.
14
Erst mit der Wahl Königs Johann III. Sobieski 1674 erlebte der
sich in einer tiefen politisch-ökonomisch-militärischen Krise befindende Staat noch einmal
eine kurze Wiederbelebung der politischen Macht. In seinen ersten Regierungsjahren
versuchte Sobieski wichtige Reformen zur Festigung der königlichen Macht gegenüber dem
Adel durchzusetzen. Während Sobieski dafür internationale Anerkennung fand, gelang es
ihm innenpolitisch nicht, die Machtansprüche des Adels zu begrenzen. Nach seinem Tod kam
es zu einem allgemeinen Verfall des Staates.
15
Ohne die zentral gesteuerte Machtausübung
des Königs wurden die Interessen der einzelnen Gesellschaftsschichten, abgesehen vom
Adel, vernachlässigt. Das Bürgertum und vor allem die Bauern litten am stärksten unter
diesen Zuständen. Verarmt und verschuldet stand das Land am Rand eines Bürgerkriegs.
Neben dem Königshaus und dem Hochadel gab es aber noch eine dritte Macht in Polen: die
Kirche. Sie war finanziell gut gestellt und besaß zahlreiche Landgüter und Besitztümer in den
14
Leniewski, Slawomir, Wielka historia Polski, Kraków 2012, S. 129f.
15
In:
http://instytuthistoryczny.pl/197-kalendarium/k0280-potega-rzeczpospolitej-k011
, zuletzt aufgerufen am
29.6.2016.

11
Städten und baute intensiv: Es entstanden großräumige Klöster und prachtvolle Kirchen, die
in einem großen Kontrast zu den heruntergekommenen bürgerlichen Häusern standen.
Für Krakau in der Zeit des ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhundert war es
bedeutsam, dass der polnische König Sigismund III. Wasa im Jahr 1592 Erbkönig von
Schweden wurde. Da Warschau geographisch näher zu Schweden lag, wurde es vier Jahre
nach seinem Amtsantritt die neue Hauptstadt Polens. Wie bereits erwähnt, bedeutete dies
für Krakau, dass weniger finanzielle Mittel zur Verfügung standen und das Prestige der Stadt
litt. Die Anzahl der Bewohner verminderte sich durch zahlreiche Kriege, Brände,
Kontributionen und Krankheiten. Mitte des 17. Jahrhunderts zählte Krakau etwa 30.000
Bewohner, einige Jahre später wurden nur noch 10.000 gezählt. In dieser Zeit verarmten die
Stadt und ihre Bürger. In der Zeit um 1660 besaß die Szlachta über 16 Prozent der
Immobilien in der Stadt und der Kirche gehörten 55 Prozent. Dem Bürgertum konnten
lediglich 27 Prozent zugerechnet werden. Diese Zahlen belegen die ungleichen Verhältnisse
dieser Zeit.
16
Im Laufe des 16. Jahrhunderts gewannen in Krakau die Familien italienischer Abstammung
an Bedeutung. Sie kamen meist aus Bologna, Florenz, Mailand und Siena. Es handelte sich
überwiegend um Kaufleute und Bankiers, aber auch um Architekten (Comasken). Im
17. Jahrhundert lebten in Krakau neben den polnischen Einwohnern noch immer
verhältnismäßig viele Italiener, einige Ungarn, Flamen und Schotten und vor allem viele
Einwanderer aus Schlesien.
17
Krakau war zu einem Zentrum für die verschiedenen Orden geworden, die zum Kampf gegen
die Protestanten mobilisiert worden waren. Jesuiten, Karmeliten, Kapuziner, Reformer,
Piaristen, Trinitarier, Visitantinnen und Missionarsorden waren nur einige von ihnen. In der
ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstanden etwa 20 Konvente. In dieser Zeit wurden
mehr als ein Dutzend Kirchen gebaut sowie acht Kapellen. Zudem sind fünf mittelalterliche
Kirchen umgebaut worden. Auch noch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hielt die
Bautätigkeit an.
18
In dieser Zeit lag das Mäzenatentum hauptsächlich in den Händen des
16
Dobrowolski, Jan; Tatarkiewicz, Wladyslaw (Hrsg.), Historia Sztuki Polskiej w zarysie, B.II, Kraków 1962. S.
371.
17
a.a.O.
18
a.a.O.

12
Königs bzw. des Hochadels. Nachdem die Hauptstadt nach Warschau verlegt worden war
und viele Adelsfamilien dem König dorthin folgen, übergaben sie ihre Residenzen teilweise
den Orden.
Wird die Geschichte der Jesuiten in Polen betrachtet, so lässt sich feststellen, dass sie sich zu
einem günstigen Zeitpunkt verbreiteten. Im Jahre 1564 hat König Sigismund August II. die
Beschlüsse des Konzils von Trient angenommen. Er nahm sie aus den Händen des
päpstlichen Nuntius Giovanni Francesco Commendone in Parczew entgegen. Damit
bestätigte er seine prorömische und prokatholische Haltung. Bereits im Jahr 1555 hatte der
ermländische Bischof Kardinal Stanislaw Hozjusz große Bemühungen unternommen, um die
Jesuiten zu veranlassen, nach Polen zu kommen.
19
Er verfasste in den Jahren 1553 bis 1557
die ,,Confessio fidei catholicae christiana", die bald in viele europäische Sprachen übersetzt
wurde.
20
Hozjusz wollte es nicht länger akzeptieren, dass die polnische Jugend oft
ausländische Universitäten besuchte und häufig zum Protestantismus konvertierte. Er
beschloss daher Schulen zu gründen, die das katholische Denken verbreiten sollten; dafür
eigneten sich die Jesuiten am besten.
21
So kam es, dass Hozjusz mit dem Jesuitenorden
Kontakt aufnahm. Nach längeren Verhandlungen begab sich im Jahr
1555 der Jesuit Alfonso
Salmeron, im Gefolge des päpstlichen Nuntius und Bischofs von Verona Luigi Lippomano,
nach Polen. Am 30. Oktober 1564 kamen die ersten elf Jesuiten nach Heilsberg (Lidzbark
Warmiski) im Ermland.
22
Das erste und wichtigste Jesuitenkollegium wurde 1565 in
Braunsberg (Braniew) gegründet; dort entstand auch eine der ersten Jesuitenkirchen Polens.
Es folgten die Jesuitengründungen in Vilnius (Wilno, 1568­1570), in Posen (Pozna, 1572),
Jaroslau (Jaroslaw, 1573) und Pultusk (Pultusk, 1572).
23
Die Entstehung der Gesellschaft Jesu entsprang aus dem Bedürfnis eines Reformgedankens
und des Kampfs gegen die Reformation. Ihre wichtigste Aufgabe bestand in der
Neugestaltung des katholischen Bewusstseins und der Erziehung der Jugend. Darum
19
Zalski, Stanislaw, Jezuici w Polsce (1587-1905), Kraków 1908, S. 4.
20
Litak, Stanislaw, Aus der Welt des Katholizismus und Anglikanismus. Das Schulwesen der Jesuiten in Polen.
Entwicklung und Verfall. In: Bildung, Politik und Gesellschaft. Studien zur Geschichte der europäischen Bildung.
München 1978, S. 124.
21
Obirek, Stanislaw SJ, Jezuici w Rzeczpospolitej Obojga Narodów w latach 1564-1688, Kraków 1996, S. 24.
22
Zalski 1908, S. 9.
23
Litak, S. 125.

13
richteten sie ihre Bemühungen vor allem auf die Entwicklung des eigenen öffentlichen
Schulwesens, das auch später der wichtigste Bereich ihrer Tätigkeit werden sollte. Es war ein
einheitliches, kohärentes und sehr dauerhaftes Schulsystem, das außerdem vermieden
hatte, dass die Jugend das Land verließ, um im protestantischen Deutschland zu studieren.
24
Dieses System fand bald innerhalb der polnischen Gesellschaft Anerkennung. Das Interesse
erwachte nicht nur in kirchlichen Kreisen, sondern auch unter dem wohlhabenden Adel.
25
Allmählich vertrauten die Szlachta und die Magnaten den Jesuiten die Ausbildung ihrer
Kinder an. Die Lehrer waren hauptsächlich ausländische Mönche, die sich auf dem Gebiet
der ganzen jesuitischen Provinz bewegten.
26
Die edukativ-erzieherische Arbeit des Ordens breitete sich auf dem ganzen Terrain des
heutigen Polens sowie auf Litauen, Lettland, die westliche Ukraine und Weißrussland aus.
Erst das 17. Jahrhundert und die Kriege mit den Kosaken, Schweden und Moskau haben zur
Schließung einiger Einrichtungen im Osten und Norden Polens geführt.
Bis zum Jahr 1575 waren die Jesuitenhäuser in Polen organisatorisch als eine polnische
Vizeprovinz der österreichischen Ordensprovinz untergeordnet. Als die polnische
Jesuitenprovinz 1576 ausgerufen wurde gab es in der Adelsrepublik Polen, wie bereits
beschrieben, fünf Jesuitenkollegien. Von 1578 bis 1598 gehörte zur polnischen Provinz auch
die Vizeprovinz von Siebenbürgen. Bedeutend gestärkt wurde die polnische Jesuitenprovinz
nach 1580, als die neuen Kollegien in Potock (1580), Riga (1582), Dorpat (1586), Neswisch
(Niewie) (1586) und weitere Kollegien in Kleinpolen, z. B. in Lublin (1582), und in
Großpolen in Kalisch (Kalisz, 1582) entstanden. Ende des 16. Jahrhunderts zählte die
polnische Jesuitenprovinz schon elf verhältnismäßig gut dotierte Kollegien und fünf weitere
Ordenshäuser in den wichtigsten polnischen Städten, nämlich Krakau, Danzig, Thorn,
Lemberg und Warschau. Diese Häuser wurden im 17. Jahrhundert in Kollegien umgewandelt.
Im Jahr 1590 zählte die polnische Provinz 337 und 1607 insgesamt 415 Angehörige des
Jesuitenordens. (Abb. 1)
1608 erfolgte die Teilung der polnischen Jesuitenprovinz in eine polnische und eine
litauische. Zur neuen polnischen Provinz gehörten Westpreußen, Großpolen, Kleinpolen und
24
a.a.O., S. 127.
25
a.a.O., S. 125.
26
Kostkiewicz, Janina, Pedagogie katolickich zgromadze zakonnych, B. 1., Historia i wspólczesno, Kraków
2012, S. 74.

14
die Ukraine. Zur polnischen Jesuitenprovinz gehörten 1608 14 Kollegien und
Ordensresidenzen mit 307 Jesuiten.
27
Die nächste Provinzteilung wurde erst 1758/59
vorgenommen; seitdem gab es die vier Jesuitenprovinzen Großpolen, Kleinpolen, Litauen
und Masowien. Unter den ersten polnischen Mitgliedern des Jesuitenordens befanden sich
Schriftsteller, Polemiker und Prediger, u.a. Jakub Wujek
28
und Piotr Skarga
29
.
1773 wird der Jesuitenorden in Polen aufgelöst. Im gleichen Jahr wurde eine Kommission der
nationalen Edukation gegründet. Ihre Mitglieder waren zumeist ehemalige Ordensbrüder,
daher stammten die finanziellen Mittel aus den Quellen des Ordens. Die Schulen, die durch
diese Kommission einberufen wurden, setzten die jesuitischen Traditionen fort. In den
Zeiten der Teilungen
30
haben die jeweiligen Besatzungsmächte eigene Gesetze und
Institutionen eingeführt. Nur Zarin Katharina II. setzte sich über die päpstliche Bestimmung,
den Orden aufzuheben, hinweg. Formal haben die Jesuiten auf dem Terrain des russischen
Teilungsgebiets weiter praktiziert. Dadurch wurde auch das Bildungsniveau in ganz Russland
angehoben. Der Orden durfte sich entwickeln und predigen, auch in polnischer Sprache ­ bis
zur Vertreibung durch Zar Alexander I.
31
Im Jahr 1814 wurde die Gesellschaft Jesu von Papst Pius VII. kraft der Bulle Sollicitudo
omnium ecclesiarum vom 7. August 1814 wieder zugelassen. Trotz immer neuer
Schwierigkeiten und Verbote wuchs der Orden schnell wieder zu alter Größe. In Polen hatte
der Orden einen großen Einfluss auf die Förderung der polnischen Entwicklung, speziell der
Kultur und der Sprache. Besonders hervorzuheben ist hier die Zeit nach der
Wiedererlangung der Unabhängigkeit 1815, als die Jesuiten große moralische und
erzieherische Hilfe leisteten.
27
Litak, S. 125f.
28
Jakub Wujek (1541­1597) war ein religiöser Schriftsteller und Autor einer einflussreichen, frühen,
katholischen Bibelübersetzung in Polen. In:
http://www.kosciol.pl/article.php/20070218222555931/print
,
zuletzt aufgerufen am 28.06.2016.
29
Piotr Skarga (1536­1612) war ein polnischer Jesuit, Prediger, Hagiograf, Polemiker und eine führende
Persönlichkeit der Gegenreformation in der polnisch-litauischen Rzeczpospolita (Republik Polen) des späten
16. Jahrhunderts. In:
http://www.piotrskarga.pl/nasz-patron,10121,1.html
, zuletzt aufgerufen am 28.06.2016.
30
siehe Fußnote 13.
31
Kostkiewicz, S. 81 f.

15
I. Teil
Der Jesuitenorden in Krakau ­ Niederlassungen und geplante
Bauprojekte
Für die Jesuiten war die polnische Metropole Krakau, die bereits eine Universität besaß, ein
geeigneter Ort für ihren Orden. Die Stadt lag auf dem Weg nach Rom und die Anwesenheit
des königlichen Hofs hat die Korrespondenz mit der Zentrale mithilfe der königlichen Boten
erleichtert.
32
Die Aufgabenschwerpunkte des Jesuitenordens reichten vom Schulwesen bis
zur pastoralen Tätigkeit. Dank ihrer großen inneren Organisation schafften sie es in kurzer
Zeit ihre Ziele umzusetzen. Gestützt auf die Krakauer Akademie
33
beabsichtigen sie ein
wichtiges Bildungszentrum zu gründen. Ihre Bestrebungen erweckten jedoch Misstrauen bei
der Krakauer Universität, die 1590 unter dem Titel Equitis Poloni in Jesuitas actio prima eine
antijesuitische Broschüre veröffentlichte.
Sie war erst der Beginn einer Reihe antijesuitischer
Pamphlete.
34
Da die Jesuiten auch weiterhin nicht darauf verzichten wollten, die Krakauer
Akademie zu dominieren, strebten sie die Gründung einer neuen Universität an. Dafür
installierten sie 1623 in Krakau ein eigenes nur für die jesuitische Ordensjugend bestimmtes
Theologiestudium (studium domesticum). Zwei Jahre später öffneten sie ihr Kollegium in
Krakau auch für Laien und begannen, Universitätsgrade an Mitglieder für den eigenen und
für andere Orden zu verleihen.
Der Konflikt zwischen den Jesuiten und den Anhängern der
Akademie begann dadurch stärker zu werden. Es mehrten sich Stimmen der Gegner des
Ordens und seiner Tätigkeit. Die Straßen Krakaus wurden zur Arena von Schlägereien, die
sogar Todesopfer mit sich brachte. Die antijesuitischen Stimmen wurden immer lauter. Die
Wende in diesem immer größer werdenden Konflikt kam mit dem Tod von König
Sigismund
III. Sein Nachfolger Wladyslaw IV. unterstütze die alteingesessene Akademie und ihre
nationale Tradition und bemühte sich, den Einfluss der Jesuiten zu begrenzen. Am 15. Januar
1634 musste auf Befehl Papst Urbans VIII. das Krakauer Jesuitenkollegium geschlossen
32
Paszenda 2006, S. 12.
33
Die
Krakauer Akademie ist die im 1364 gegründete Universität, die seit 1817 ,,Jagiellonen-Universität"
genannt wird. In:
http://www.uj.edu.pl/uniwersytet-z-collegium-medicum/historia
, zuletzt aufgerufen am
28.06.2016.
34
Litak, S. 134.

16
werden. Es war fortan nicht mehr öffentlich zugänglich. Somit endete der lange währende
Kampf um eine Akademie in Krakau mit einem Misserfolg für die Jesuiten.
35
Obwohl der Jesuitenorden in Krakau nicht überall willkommen war, gelang es ihm dennoch
eine eigene Niederlassung zu gründen. Die ersten Jesuiten, die 1579 aus Italien nach Krakau
kamen, waren Pater Aloisius Odescalchi und Basilius Cerini. Sie wurden von Pfarrer Tomasz
Plaza in der St. Stephanskirche aufgenommen. In Kapitel
1.1. in Teil I. wird über die ersten
Jesuiten in Krakau und die St. Stephanskirche noch ausführlicher berichtet. Aus Platzgründen
bemühte sich der Orden ab 1583 um ein neues Domizil. Dank der Anstrengungen des
bekannten jesuitischen Diplomaten Antonio Possevino (1534-1611) genehmigte der Stadtrat
nach langen Verhandlungen die Übernahme der St. Barbara Kirche durch die Jesuiten. Über
die St. Barbara Kirche und ihre Geschichte wird im anschließenden Kapitel 2.1. berichtet.
Diese Kirche hatte seit Jahrzehnten der deutschen Minderheit Krakaus gehört. Außerdem
wurde sie von der Literatenbruderschaft (Bractwo Literackie)
genutzt, zu der viele Kaufleute,
aber auch die Szlachta und Professoren der Krakauer Akademie gehörten. Die Übernahme
der St. Barbara Kirche durch die Jesuiten hatte zu großen Unruhen geführt. Die Bürger
deutscher Abstammung, die hauptsächlich Protestanten waren, und auch die Mitglieder der
Literatenbruderschaft wurden in die kleinere St. Adalbert Kirche übersiedelt.
36
Aber auch in
der St. Barbara Kirche wurde aufgrund der ständig wachsenden Mitgliederzahl der Platz für
die Jesuiten zu eng. Der Vorteil dieser gotischen Kirche war zwar ihre zentrale Lage, gleich
neben der Marienkirche am Krakauer Hauptmarkt, jedoch wurde die Notwendigkeit einer
Platzvergrößerung mit der Zeit immer dringlicher. In den Kapiteln
zwei und drei dieses Teils
der Untersuchung werden Umbaupläne vorgestellt
.
Es dauerte aber bis zum Jahr 1594 bis ein geeignetes Grundstück für einen Neubau gefunden
wurde, da die Krakauer Innenstadt dicht bebaut war. Im nachfolgenden Kapitel vier werden
die Pläne für den nichtrealisierten Neubau in der Wilna Straße dargestellt. Kapitel sechs und
sieben beschäftigen sich mit den Plänen der SS. Peter und Paul Kirche, das folgende Kapitel
mit den Entwürfen des dazugehörenden Kollegiums. Abbildung 2 zeigt die erwähnten
Niederlassungen des Jesuitenordens in Krakau im 16. Jahrhundert.
35
a.a.O.
36
Beide Gruppen beklagten sich über die Enge und Unbequemlichkeit der neuen Räumlichkeit. Paszenda 2006,
S. 56.

17
Das ordensinterne Baugenehmigungsverfahren ist nicht nur für das Verständnis der Pläne,
die in diesem Kapitel beschrieben werden von großer Bedeutung, sondern auch für den Bau
der SS. Peter und Paul Kirche. Denn in den Beschlüssen des Konzils von Trient sucht man
vergeblich nach Vorschriften und Gesetzen für sakrale Bauten. Auch in den Konstitutionen
des Ignatius von Loyola gab es keine verbindlichen Hinweise für die Gestaltung sakraler
Räume.
Kurz nach der Entstehung des Jesuitenordens hat man üblicherweise bereits vorhandene
Räumlichkeiten übernommen. Mit zur Ausbreitung des Ordens entstanden immer mehr
Neubauten und bald darauf bemühte sich die Zentrale in Rom um eine Reglementierung. Im
Jahr 1558 formulierte die erste Generalkongregation der Societas Jesu verbindliche
Richtlinien für die Baumaßnahmen des Ordens. Unter anderem sollten ,,die unseren
Gebäuden angemessene Bauform für unsere Zwecke tauglich, gesund und kraftvoll sein,
gleichwohl sei in den Bauten eine Erinnerung unserer Armut sichtbar. Deshalb sollen sie
weder verschwenderisch noch außergewöhnlich sein. Detaillierte Vorschriften zur
Ausstattung der Kirchen existieren allerdings nicht."
37
Die fünfte Generalkongregation bestätigte die Richtlinien 1593: Die Bauten sollten ,,nach Art
der Compagnia erstellt (werden, J.M.), nämlich machtvoll, bequem, bescheiden und gut
ausgelegt."
38
1549 schrieb Juan de Polanco im Auftrag Ignatius' von Loyola an die ersten Jesuiten in
Oberdeutschland: ,,Denkt daran, euch ­ was die Weise betrifft ­ dem Charakter und
Verlangen der Menschen anzupassen, geht klug und angemessen ans Werk und gießt keinen
neuen Wein in alte Schläuche".
39
Der Wunsch nach Repräsentation und die hohen
Ansprüche der Geldgeber verhinderten eine allzu modeste Bauweise.
Das ordensinterne Baugenehmigungsverfahren wurde auf der zweiten Generalkongregation
von 1565 beschlossen. Jedes Bauprojekt musste nach Rom gesandt werden, wo es der
sogenannte consiliaris aedificiorum (der architektonischer Berater des Ordensgenerals) einer
kritischen Tauglichkeitsprüfung unterzog. Erst nach positivem Befund des Planzensors setzte
37
Sauter, Marion, Die Oberdeutschen Jesuitenkirchen (1550-1650). Bauten, Kontext und Bautypologie,
Petersberg 2004, S. 21.
38
a.a.O.
39
a.a.O.

18
der Ordensgeneral seine Approbationsparaphe und sein Siegel auf das Papier, wodurch der
Entwurf vor unerlaubten Abänderungen geschützt und zur Verwirklichung freigegeben
wurde, um nun an die entsprechende Baustelle zurückgesandt zu werden. Ab 1613 mussten
alle Entwurfszeichnungen in doppelter Ausführung eingereicht werden. Ein Exemplar wurde
in Rom aufbewahrt. Auf diese Weise entstand im Laufe der Zeit ein umfassendes zentrales
Planarchiv. Es ist des Öfteren vorgekommen, dass ein nicht zufriedenstellendes
eingereichtes Projekt durch einen neuen Plan ersetzt werden musste. Für diesen war der
römische Planzensor selbst verantwortlich und zeichnete. Dabei griff er auf bewährte
Vorbilder zurück.
40
Jedem Projekt ging eine genaue Bestandsaufnahme des Orts, der Bedingungen des
Bauplatzes und der Nachbargrundstücke voraus. Der Kurie in Rom waren Unterlagen mit
Angaben der wichtigsten Straßenzüge der Stadt, die vorherrschenden Windrichtungen oder
die hygienischen Bedingungen vorzulegen.
41
Die Pläne der neuen Projekte wurden mit den
Grundrissen aller zu errichtenden Geschosse, manchmal auch mit Schnitten und Ansichten,
mit einem Kostenvoranschlag und einem Finanzierungsplan in der römischen Ordenszentrale
eingereicht. In der Regel genehmigte die Zentrale keine Neubauten, deren Finanzierung
nicht gesichert war. Seit den 1560er Jahren dokumentieren zahlreiche Bitten, um die
Übersendung
von
Planmaterial
aus
Rom,
den
Wunsch
nach
verbindlichen
Mustergrundrissen. Dies war eine gestalterische und konzeptionelle Hilfestellung durch die
Ordenszentrale. Diese Mustergrundrisse sollten auch das Genehmigungsverfahren
vereinfachen und beschleunigen. Im Jahr 1570 wurde versucht, unter der Ägide des
Ordensgeneral Everard Mercurian, SJ Idealpläne
für die Jesuitenniederlassungen zu
zeichnen.
42
Es entstanden sechs Mustergrundrisse, die dem Chefarchitekten des Ordens,
Giovanni de Rosis zugeschrieben wurden. (Abb. 3) Diese sechs Grundrisse mussten der
besseren Hörbarkeit der Wortverkündung der Jesuiten gerecht werden. Gemeinsam haben
sie die ,,gewölbt konzipierte Ausführung der Innenräume, eine Erschließung in Hauptrichtung
40
Diese Prozedur führte zur Verbreitung der römischen Baukultur in allen jesuitischen Bauprovinzen. Vgl. Bösel,
Richard, Jesuitenarchitektur. In: Cemus, Petronilla (Hrsg.), Bohemia jesuitica 115-2006, 2, Praha 2010. S. 1336.
41
Terhalle, Johannes, ...ha della Grandezza de padri Gesuiti. Die Architektur der Jesuiten um 1600 und St.
Michael in München. In: Baumstark, Reinhold (Hrsg.), Rom in Bayern. Kunst und Spiritualität der ersten
Jesuiten. Ausstellungskatalog, München 1997, S. 83.
42
Sauter, S. 22.

19
und ein insgesamt längsrechteckiger, kubischer Baukörper."
43
Dies kam den
gegenreformatorischen
Bestrebungen
der
Jesuiten
entgegen:
Volkspredigt,
Glaubenspropaganda und gemeinsame Andacht benötigen keine weitläufigen Umgänge und
Seitenschiffe, sondern einen einheitlichen, zentralisierten Raum.
44
Aufgrund der
innenstädtischen Lage der meisten Niederlassungen war eine Vereinheitlichung der
Architektur aber nicht möglich.
45
Ein Teil der Pläne aus der römischen Ordenszentrale gelangte nach der Auflösung des
Ordens 1773 in die Französische Nationalbibliothek. Ein kleinerer Teil befindet sich in den
Ordensarchiven in Rom, Neapel und auf Malta.
Die Überwachung der Bauarbeiter wurde einem Ordensmitglied, dem sogenannten
praefectus fabricae, übertragen, dem manchmal auch ein sachkundiger Assistent zur Seite
gestellt wurde. Üblicherweise beaufsichtigte der praefectus fabricae mehrere Bauprojekte
an verschiedenen Orten.
46
1.
Plan des Noviziats der Jesuiten mit der Stephanskirche in
Krakau
Der Plan mit der Bezeichnung ,,V.R. 1052" zeigt einen Teilbereich des Stephansplatzes und
des geplanten Noviziats der Jesuiten in Krakau. Dieses Noviziat wurde nur zum Teil
ausgeführt. Dieser Plan aus der Bibliothèque nationale de France, wird als ,,Idea Domus
fabricata et fabricanda ad S. Stephan Cracovia"
bezeichnet und ist auf das Jahr 1585
datiert.
47
(Abb. 4 und 5)
Paszenda hat 2006 diesen Entwurf auf das Jahr 1588 datiert, allerdings hat er diese Angabe
mit einem Fragezeichen versehen.
48
Wie kam es zu dieser späteren Datierung und warum ist
43
a.a.O., S. 23.
44
Thierse, Irmtraud, Zur Aufnahme antiker Raumvorstellungen im Barock ­ Der Einheitsraum der
Wandpfeilerkirche: Antike und Barock, Vorträge und Aufsätze, 1. In: Irmscher, Johannes; Kunze, Max (Hrsg.),
Winckelmann-Gesellschaft, Stendal 1989, S. 8.
45
Sauter, S. 22.
46
Moisy, Pierre, Les églises des Jesuites de l`anciennes assistance de France, Rom 1958, S. 57.
47
http://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb423138592
Provenance : Bibliothèque nationale de France. Date de
mise en ligne: 07/11/2011. In :
http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8448797c
, aufgerufen am 23.11.2015.
48
Paszenda 2006, S. 243.

20
sie noch ungesichert? Um diese Frage zu klären, ist es notwendig, kurz auf die historische
Situation der Jesuiten in Polen einzugehen. Es zeigt sich nämlich, dass es noch weitere
unterschiedliche Meinungen bei Datierungsfragen gibt, u.a. was den Einzug der Jesuiten in
die St. Stephanskirche betraf.
1.1.
Historischer Hintergrund
Wissenschaftler, die sich in einem Forschungsprojekt der Alpen-Adria Universität-Klagenfurt
mit der Geschichte der Jesuiten in Europa und auch in Polen auseinandergesetzt haben, sind
zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gründung des ersten Jesuitenkollegiums unter der
Hoheit der polnischen Krone im Jahr 1565 in Braunsberg (Braniewo) stattgefunden hat.
49
Von dort ausgehend, so berichten Jerzy
Paszenda, Michal Roek und Gregorz Bednarczyk,
kamen die ersten Jesuiten im Jahr 1579 in die Hauptstadt Krakau.
50
In seiner Untersuchung
über die St. Stephanskirche ,,Nieistniejacy kociól w. Szczepana w Krakowie",
(,,Nichtexistierende St. Stephanskirche in Krakau")
aus dem Jahr 1974 weist Roek auf
Probleme des Jesuitenkollegiums hin, ohne jedoch näher darauf einzugehen, da diese nicht
Gegenstand seiner Untersuchung waren. Auffällig ist allerdings, dass er hier von einem
Jesuitenkollegium bei der SS. Matthias und Martin Kapelle spricht und nicht von einem
geplanten Noviziat.
51
Die Anfänge der Jesuiten in Krakau sind in der Literatur gut belegt. Es sind sogar die Namen
derer bekannt, die als erste nach Krakau kamen: Der päpstliche Legat Antonio Possevino
brachte im Jahr 1579 zwei italienische Jesuiten, Cerini und Odescalchi, nach Krakau. Der
damalige Pfarrer der St. Stephanskirche Thomas Plazo hatte sie gebeten, vorübergehend in
Krakau zu bleiben. Kurze Zeit später etablierten sich die ersten polnischen Jesuiten in Krakau.
49
In:
http://eeo.uni-klu.ac.at/index.php?title=Jesuiten
, zuletzt aufgerufen am 16.1.2016. Die Alpen-Adria
Universität Klagenfurt hat sich in ihrer Online-Enzyklopädie ausführlich mit der Entstehung und Verbreitung des
Jesuitenordens in Ostmittel-, Ost- und Südosteuropa befasst.
50
Paszenda 2006, S. 243; Roek, Michal, Nieistniejcy kociól w. Szczepana, BHS 1974, S. 216; Bednarczyk,
Gregorz, Nieistniejce kocioly Krakowa, Online Publikation:
http://issuu.com/grzegorzbednarczyk/docs/nieistniejace?e=0, S. 45, zuletzt aufgerufen am 23.11.2015.
51
Roek 1974, S. 216.

21
Sie werden bei Roek
auch namentlich genannt: Pawel Boksza, Kasper aus Czarnków und
Justus Rab.
52
Ebenfalls im Jahr 1579, so berichtet Roek, hat der Bischof von Krakau
Piotr
Myszkowski die Pfarrkirche St. Stephan den Jesuiten überlassen. Vom König wurde diese
Übergabe im Jahr 1583 bestätigt.
53
Zwei Jahre später verzichtete König
Stefan Batory auf das
Patronat zugunsten der Jesuiten. Paszenda berichtet in seiner Publikation, dass im Jahr 1586
zwanzig Jesuitennovizen nach Krakau zogen.
54
Auch Grzegorz Bednarczyk schreibt in seiner Online-Publikation ,,Nieistniejce kocioly
Krakowa" (,,Nichtexistierende Krakauer Kirchen"), die im Jahr 2000 begonnen und 2014
abgeschlossen wurde,
dass der Jesuitenorden bereits im Jahr 1579 nach Krakau kam und ein
Missionarshaus in der Stephanskirche errichtete.
55
Paszenda ist hingegen der Meinung,
allerdings ohne eine Quelle zu nennen, dass sich der Jesuitenorden erst am 11. März 1589 in
den Räumlichkeiten der heute nicht mehr existierenden St. Stephanskirche niederließ.
56
Die
Abweichung von zehn Jahren bleibt leider ungeklärt. 1588 wurden seinen Angaben nach
mehrere Nachbarhäuser erworben, um dort ein Noviziat zu errichten. Diese Häuser sind in
dem Plan ,,V.R. 1052" im südwestlichen Teil erkennbar; allerdings sind sie nicht beschriftet
worden.
57
Bednarczyk berichtet, dass in der Zeit um 1585 am Stephansplatz ein großer Baukomplex
entstand. Dieser bestand nicht nur aus den zwei Kirchen, der St. Stephanskirche und der SS.
Martin und Matthias Kapelle, sondern auch aus einer Schule, einem Kloster und einem
Noviziat. Wenn an späterer Stelle dieses Kapitels der Plan dargestellt wird, werden diese
genannten Bauten örtlich noch genauer lokalisiert und baulich, soweit es aus den Quellen
hervorgeht, beschrieben. Im südlichen Bereich des Stephansplatzes sollen sich zudem ein
Spital und Pfarrhaus befunden haben.
58
52
a.a.O.
53
Roek bezieht sich hier auf: Zalski, Stanislaw, Jezuici w Polsce, t. IV, cz.1, Kraków 1908, S. 459ff.
54
Paszenda 2006, S. 243. Der Autor nennt dazu keine Quelle.
55
Bednarczyk, S. 45. Leider gibt Bednarczyk keine Quelle an.
56
Paszenda 2006, S. 237.
57
a.a.O., S. 243.
58
Bednarczyk, S. 45.

22
Bis zum Jahr 1732 war die St. Stephanskirche das Domizil der Jesuiten. Danach mussten sie
diese nicht nur aus Platzgründen verlassen und in die St. Barbara Kirche umziehen,
59
es lagen
noch andere Gründe für diesen Auszug vor. Zum einen konnten sie die Kirche nicht
renovieren, da sie keine finanziellen Mittel besaßen, zum anderen wurden ihnen eine
schlechte Administration und die Vernachlässigung der Kirche vorgeworfen.
60
Aber wie bereits oben erwähnt, schreibt Bednarczyk, dass im Jahr 1585 die Jesuiten auch die
SS. Martin und Matthias Kapelle zugesprochen bekommen haben. Vier Jahre später, also im
Jahr 1589, erhielten sie das Patronat. Die im Jahr 1450 im gotischen Stil erbaute SS. Martin
und Mathias Kapelle wird in der Literatur aufgrund der Größe meistens als Kapelle und nicht
als Kirche bezeichnet.
61
Im 17. Jahrhundert wurde sie im Innenbereich barockisiert. Der
Jesuitenorden blieb bis 1773, also bis zur Auflösung des Ordens durch Papst Clemens XIV. in
dieser Kapelle.
62
Aufgrund großer baulicher Schäden wurde die Kapelle jedoch 1801
abgetragen.
Der Vergleich der Untersuchung der drei Literaturquellen lässt den Schluss zu, dass sich der
Jesuitenorden im Jahr 1579 in Krakau langsam etablierte. Bei der Datierung, ab wann die
Jesuiten begannen, die St. Stephanskirche für sich zu beanspruchen, zeigen sich bei den
Autoren Differenzen. Bednarczyk und Roek nennen hier das Jahr 1579. Paszeda schreibt
hingegen von dem Datum des 11. März 1589 ­ ein exaktes Datum ­ beruft sich jedoch auf
keine Quelle.
Allerdings kann man Paszenda wohl zustimmen, was seine Datierung des Plans auf das
fragliche Jahr 1588 betrifft. Er begründet dieses mögliche Entstehungsjahr damit, dass im
südwestlichen Teil des Plans bereits zwei neue, von den Jesuiten gekaufte Zinshäuser
erkennbar sind.
63
Diese sind nachweislich erst im Jahr 1588 erworben worden. Allerdings
beabsichtigten die Bewohner dieser Zinshäuser nicht, von dort auszuziehen und den Platz für
das geplante Noviziat zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund erweiterte man den Plan
59
In:
http://issuu.com/grzegorzbednarczyk/docs/nieistniejace?e=0
, zuletzt aufgerufen am 23.11.2015.
60
In:
http://swszczep.linuxpl.info/historia-parafii/
, zuletzt aufgerufen am 23.11.2015.
61
In:
http://issuu.com/grzegorzbednarczyk/docs/nieistniejace?e=0
, zuletzt aufgerufen am 23.11.2015,
Bednarczyk, S. 32. Paszenda 2006, schreibt über die Kapelle St. Mathias, S. 20, Fabiaski und Purchla nennen
sie SS. Martin und Mathias Kirche. Fabiaski Marian; Purchla, Janina, Architektura Krakowa. Przewodnik,
Kraków 2012, S. 30. In dieser Arbeit wird in Zukunft die Bezeichnung ,,Kapelle" verwendet.
62
Bednarczyk, S. 45; Roek 1974, S. 216.
63
Paszenda 2006, S. 244.

23
laut Paszenda in die nördliche Richtung. Es wäre nach Aussage des Autors jedoch auch
möglich, dass dieser Plan erst später als 1588 entstanden sein kann, da die Zeit zwischen
Planung und Bautätigkeit, die ab 1593 begonnen hat, nicht näher dokumentiert wurde.
Aber nicht nur die Datierung des Plans ist unklar, sondern auch die Urheberschaft. Weder
die Bibliothèque nationale de France, noch Paszenda können hier genaue Auskünfte geben.
Garcias Alabiano
64
kommt wohl als Autor des Plans nicht in Frage. Er hatte sich zum einen für
einen neuen Standort einer Kirche für die Jesuiten eingesetzt, nämlich für die Grodzka
Straße, zum anderen beweist der von mir ausgeführte Handschriftenvergleich, dass es sich
nicht um Garcias Alabiano handeln kann. (Vergleich dazu: Idea Domus professae Cracovia,
Kapitel 5, Teil I).
Es ist wohl auch Stanislaw Grodzicki
65
auszuschließen, der das Projekt des Ausbaus der St.
Barbara Kirche entworfen hatte. Auch weist die hier erstmalig durchgeführte Schriftanalyse
nicht auf seine Autorenschaft. (Vergleich dazu: Projekt des Ausbaus der Kirche St. Barbara
und des Professhauses, Kapitel 2, Teil I.). In Frage würde noch Giuseppe Briccio
66
kommen,
der die meisten Pläne für die Jesuiten in Krakau ausgeführt hat.
Allerdings wissen wir aus
seiner Biographie, dass er sich nur im Jänner 1577 in Krakau aufhielt und dann nach Jaroslau
(Jaroslaw) ging, wo er mit dem Bau eines Kollegiums begann. Aus gesundheitlichen Gründen
hielt er sich danach längere Zeit in Italien auf und kehrte erst nach einer längeren Pause im
Jahr 1590 nach Polen zurück.
67
Eine Fertigung des Plans nach seiner Rückkehr nach Polen ist
demnach auszuschließen, da der Plan aufgrund der bereits dargestellten Argumente früher
entstanden sein muss.
64
Garcias Alabiano (1549-1624) war ein spanischer Jesuit, Rektor der Akademie in Vilnius und Beichtvater des
Kardinals Jerzy Radziwill, In:
http://www.litdok.de/cgi-bin/litdok
, zuletzt aufgerufen am 28.06.2016.
65
Stanislaw Grodzicki (1541-1613) war einer von den bedeutenden Jesuiten in Polen. Grodzicki war zweimal
das Oberhaupt des Professhauses bei der St. Barbara Kirche in Krakau. In: Frick, David A., Polish Sacred
Philology in the Reformation and the Counter- Reformation. In: Chapters in the History of Controversies (1551-
1632), University of California Publications in Modern Philology, vol. 123, 1989.
66
Über Giuseppe Briccio wird ausführlich im Kapitel 2.1. des Teils II. berichtet.
67
Paszenda 2006, S. 65.

24
1.2.
Allgemeine Entwurfsbeschreibung
Eine möglichst genaue Darstellung des Plans mit der Nr. 1052 ist bisher von keinem der
Forscher, die sich mit der Geschichte Krakaus, bzw. der Niederlassung der dortigen Jesuiten
befasst haben, durchgeführt worden. Paszenda verweist bei seiner Beschreibung lediglich
auf die St. Stephanskirche, die SS. Martins und Matthias Kapelle (hier Violett umrandet), den
Garten und die Vikarshäuser, ohne diese in dem Plan genauer zu bestimmen.
68
In dieser Arbeit soll deshalb erstmals eine möglichst genaue Beschreibung des Plans in den
folgenden Kapiteln erfolgen. Die lateinischen Inschriften waren aufgrund des schlechten
Erhaltungszustands nicht immer verständlich. Für eine bessere Lesbarkeit dieses Plans und
auch der nachfolgenden in den späteren Kapiteln werden die Himmelsrichtungen farblich
markiert. Der Norden wird grün, der Süden rot, der Westen blau und der Osten violett
markiert.
Im Norden des Plans (Septentrio) wurde handschriftlich notiert: ,,quae rubra su[n]t
fabrica[n]tur, nigra ia[m] f[a]c[t]a su[n]t." Das bedeutet, dass die Bereiche, die rot
angezeichnet sind, Teile markieren, die noch geplant waren. Die Teile des Entwurfs, die
schwarz bezeichnet und skizziert sind, wurden bereits ausgeführt. Auf dem Entwurf werden
lediglich die schwarzen Bereiche als grau und die roten Umgrenzungen sichtbar, da er
verblasst ist. Auch Paszenda hat dieses Problem erkannt. Zur besseren Sichtbarkeit hat er in
seiner Publikation eine deutlichere farbliche Abgrenzung vorgenommen, die jedoch
aufgrund seiner Farbwahl für Irritationen sorgt.
69
Schwarz dargestellt sind bei ihm jene
Bereiche, die im Ursprungsplan rot sind und grau gekennzeichnet sind die Felder, die auch
ansonsten grau sind, allerdings einmal schwarz waren. Im Anschluss an der kurzen
Beschreibung des Plans werden die geplanten, bzw. die bereits bestehenden Bauten
genannt.
68
a.a.O., S. 243.
69
a.a.O., Abb. 131.

25
Zur genaueren, allerdings auch schwierigeren Betrachtung, wird hier der Originalplan aus der
Bibliothèque nationale de France verwendet. Wie es auch bei anderen Plänen für
Bauprojekte üblich war, wurde zunächst ein Maßstab eingezeichnet. Hier ist wohl das Maß
der Elle vorgegeben. Wenn der Plan vom nordwestlichen zum nordöstlichen (der Osten ist
gelb markiert) Teil gelesen wird, sind folgende Örtlichkeiten bzw. Gebäude erkennbar, die
hier mit lateinischen Inschriften bezeichnet werden.
Das Areal der südlichen Hälfte des Plans zeigt eine schematische Darstellung der bereits
bestehenden St. Stephanskirche, die lediglich in Umrissen dargestellt ist, mit einer im
Norden geplanten Anlage des Noviziats. Nordöstlich von der St. Stephanskirche befindet sich
die gotische SS. Matthias und Martins Kapelle (sacellum Sancti Mathiae).
1.3.
St. Stephanskirche und SS. Martins und Matthias Kapelle
Beide Kirchen, die St. Stephanskirche und die SS. Martins und Matthias Kapelle, befanden
sich auf dem heutigen Stephansplatz (plac Szczepaski), der sich nordöstlich von dem
Hauptmarkt in Krakau befand. Die St. Stephanskirche ist hier quergestellt und nimmt einen
großen Teil des Stephansplatzes ein. Im südöstlichen Bereich des Stephansplatzes befand
sich laut Paszenda eine Pfarrschule.
70
Sie ist hier auf dem Plan nicht beschriftet.
Da die Jesuiten von 1579 bis 1732 in der St. Stephanskirche predigten, ist es notwendig, kurz
auf die historische und bauliche Situation einzugehen. Leider finden sich in den
Publikationen, die diese Kirche behandeln, lediglich Hinweise zu Mäzenen und
Beschreibungen zur Innen- und Außenausstattung und keine detaillierten Entwürfe.
71
Mit
dem Bau der St. Stephanskirche wurde Anfang des 14. Jahrhundert begonnen. Das genaue
Entstehungsdatum ist nicht bekannt. Die ersten Überlieferungen stammen aus dem Jahr
1310.
72
Roek weist in seiner Untersuchung darauf hin, dass das Presbyterium der älteste
70
a.a.O., S. 237.
71
Kanzler Stefan Koryciski(1617-1658) war einer der wichtigen Mäzenen der St. Stephanskirche. a.a.O., S. 242.
72
In: http://issuu.com/grzegorzbednarczyk/docs/nieistniejace, zuletzt aufgerufen am 23.11.2015.

26
Teil der Kirche ist, dort wurde mit dem Bau begonnen.
73
Die Bauzeit der Kirche erstreckte
sich, so Roek, bis ins 15. Jahrhundert. Bis Anfang des 16. Jahrhunderts wurde sie von
Laienpredigern geführt und stand unter königlichem Patronat.
Auf dem Plan ist deutlich erkennbar, dass die St. Stephanskirche zwei seitliche Eingänge im
Norden und Süden und einen Haupteingang im Westen besaß. Nördlich von der Kirche ist
ein Friedhof (,,cemeterium") eingezeichnet.
74
Roek weist drauf hin, dass der Friedhof später
im Jahr 1602 von einer Mauer mit Toren umgrenzt wurde, die allerdings bereits auf dem
Plan eingezeichnet wurden.
75
Die gotische St. Stephanskirche war dreischiffig (Abb. 6). An ein rechteckiges Presbyterium
wurde ein ebenfalls rechteckiger Chor angeschlossen. Nähere Hinweise auf das
Deckengewölbe werden bei Paszenda nicht genannt. Roek berichtet in seiner Publikation,
dass das Langhaus der Kirche ursprünglich ein Kreuzrippengewölbe hatte.
76
Es ist bekannt,
dass sich zur damaligen Zeit, als die Kirche von den Jesuiten bezogen wurde, sieben Altäre
und eine Orgel dort befanden.
Roek verweist zusätzlich noch auf zwei Sakristeien hin, die
sich dort bis 1599 befanden. Zeitgenössische Quellen belegen ein rechteckiges Presbyterium
und eine
einstöckige Sakristei im
nördlichen Teil.
77
Westlich befanden sich eine Vorhalle und
ein Turm, der niedriger als der höchste Punkt des Kirchendaches war.
78
(Abb. 7) Das Dach
der Kirche wurde mit Ziegeln abgedeckt, der Glockenturm war gemauert.
Als die Jesuiten die damals baufällige St. Stephanskirche übernahmen, adaptierten sie diese
für ihre Bedürfnisse. Paszenda schreibt, dass es in dieser Zeit noch keine baulichen
73
Er beruft sich hier auf archäologische Arbeiten, die zwischen 1963-65 durchgeführt wurden. Roek 1974, S.
216.
74
Die neulateinische Bezeichnung für ,,Friedhof" lautet ,,coemeterium", bzw. ,,cimiterium".
75
a.a.O., S. 217.
76
a.a.O., S. 218.
77
Paszenda 2006, S. 20.
78
a.a.O. Bei Bednarczyk ist zu lesen, dass die St. Stephanskirche anfangs eine dreischiffige Hallenkirche war. Sie
wurde auf einem rechteckigen Grundriss gebaut. Das Presbyterium war nicht so weit wie das Hauptschiff, was
dem Entwurf von der französischen Nationalbibliothek entsprechen würde. Erst aus dem Jahr 1748 gibt es in
den Quellen die genauere Beschreibung der Kirche, die den Friedhof rund um die Kirche erwähnt. Außerdem
wird die Sakristei im Norden, das Leichenhaus im Süden von der Kirche, eine Vorhalle und ein niedriger Turm
erwähnt. In:
http://issuu.com/grzegorzbednarczyk/docs/nieistniejace
, zuletzt aufgerufen am 26.11.2015.

27
Veränderungen gegeben hatte, sondern lediglich Renovierungs- und Ausbesserungsarbeiten.
Roek berichtet, dass Felix Schipper im Jahr 1588 einen Hauptaltar errichtet hat.
79
Bei Paszenda ist zu lesen, dass 1596 der aus Holz bestehende Hauptaltar übermalt und
zudem drei weitere Altäre restauriert wurden. Zudem wurden neue Kirchenbänke
angeschafft. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, so berichtet er, wurden zwei Kapellen
errichtet: Eine im nördliche Teil des Kirchenschiffes zu Ehren des Heiligen Stanislau Kostka
und eine im südlichen Bereich für den Heiligen Ignatius von Loyola.
Leider geben zeitgenössische Quellen und auch die neuere Literatur keine genauen Hinweise
auf die Umbauarbeiten, die Ende des 17. Jahrhunderts an der St. Stephanskirche
vorgenommen wurden. Paszenda berichtet lediglich, dass 1684 ein neues Gewölbe errichtet
wurde. Roek schreibt jedoch in seiner Untersuchung, dass im Laufe der Barockisierung das
Hauptschiff mit dem ehemaligen Kreuzrippengewölbe von einem Tonnengewölbe mit
Lunetten ersetzt wurde.
80
Auch die Außenfassade ist in den Jahren 1687-1692 erneuert
worden, jedoch gibt es hier widersprüchliche Ausführungen. Paszenda berichtet, dass nur
der Innenbereich der Kirche und nicht die Außenfassade barockisiert wurde, und geht auf
eine nähere Erklärung nicht näher ein. Er nennt keinen Architekten, sondern beschreibt nur
kurz die barocke Konzeption des neuen Eingangsbereichs im Inneren der Kirche mit einer
großen Vorhalle und Galerien.
Bednarczyk nennt für die Neukonzeption der Innenausstattung den italienischen Architekten
Jakob Solari. Dieser war in jener Zeit ein anerkannter Architekt, der mehrere Paläste u.a. das
Palais Krzysztofory in Krakau umbaute. Roek und Bednarczyk machen jedoch darauf
aufmerksam, dass es auch eine barocke Außenfassade gegeben hat. Nach Roeks
Ausführungen habe diese Pilaster und Voluten zwischen dem Ober- und Untergeschoss
enthalten; Bednarczyk schreibt, dass die neue Fassade an die von SS. Peter und Paul
79
Roek 1974, S. 217. Bei seinen Angaben beruft er sich auf die Literatur von Paszenda. Zudem auf: Poplatek,
Jan, Slownik Jezuitów artystów, Kraków 1972, S. 192.
80
a.a.O. S. 218.

28
angelehnt gewesen sei.
81
Nachdem die Jesuiten im Jahr 1732 St. Stephan verließen, wurden
größere Umbauarbeiten vorgenommen, u.a. wurde ein weiteres Kirchenschiff gebaut.
1.4.
Das Noviziat
Der Eingang des letztendlich nicht realisierten Noviziats befand sich in der damaligen
Judengasse (ulica ydowska), der heutigen St. Thomas Straße (ulica Tomasza). Vor der
Einfahrt (,,Ingressus curria") waren Sanitäranlagen geplant. Es folgt ein Gebäude, wo
ursprünglich die Küche (,,Culina") sein sollte. Die Beschriftung wurde allerdings
durchgestrichen. Hier sollte sich jetzt unten das Verwaltungsgebäude (,,infra dispensa")
befinden. Die Küche selbst (,,Infra Culina") sollte daneben im Untergeschoss sein. Darüber
waren Schlafräume (,,Cubiculum") geplant. Im nächsten größeren Gebäude sollten sich im
unteren Bereich das Refektorium und oberhalb Hörsäle befinden (,,Refectorium infra: Sala
visitors (?) supra ubi audit Lectiones"). Darauf folgt der Säulen- bzw. Laubengang (,,Porticus
infra curritorum (?) supra (?)"), der zweiseitig den ,,Hortus mortem (?)" einfasst.
Die Inschriften, welche die Gebäude des nordöstlichen Bereichs kennzeichnen, sind leider
nicht zu entziffern, mit Ausnahme der Sakristei und Wohnungen, die an die SS. Martin und
Matthias Kapelle angrenzen.
82
Bei dem großen Bereich unterhalb der Säulenhalle und neben
diesen Gebäuden, kann es sich um einen Garten handeln, denn dieser wird bei Paszenda
genannt.
Dieser habe sich in der Nähe der SS. Matthias und Martin Kapelle befunden.
83
Es
wird wohl eher ein Friedhof gewesen sein, denn hier ist ,,Hortus mortem" lesbar. Bei dem
nicht beschrifteten Gebäude im Osten handelt es sich um die von Paszenda erwähnte
Leichenhalle.
84
81
Roek schreibt zudem, dass 1655 geplant war, eine dreischiffige Basilika mit Emporen zu gestalten. a.a.O., S.
219 (vgl. Plan).
82
Auch hier ist nur lesbar: ,,Sacristia infra (?) domus supra".
83
Paszenda 2006, S. 237.
84
a.a.O.
83
a.a.O., S. 21.

29
Westlich von der Kapelle sind Wohnungen, Häuser und Bereiche von Vikaren, Priestern und
Pfarrherrn eingezeichnet (,,Domus vicaria", ,,Area vicanorum", ,,Plebami" und ,,Domus"). In
diesen Wohnungen wurden später ab 1586 laut Paszenda die Novizen untergebracht, die
nach Krakau kamen.
85
Im mittleren, nördlichen Teil des Plans ist erkennbar, dass sich dort
ein Hof mit Arkaden und eine Gartenanlage befanden. Dieser Bereich (,,Area silentio
novicias") war für die Novizen als Ort der Stille und des Rückzugs gedacht. Westlich davon
gab es einen Eingang zwischen zwei Gebäuden, die leider überhaupt nicht, bzw. sehr
schlecht lesbar beschriftet sind. In der Mitte der westlichen Achse findet sich ein besonderer
Bereich (,,Area opteris").
Es soll im Folgenden auf die am Beginn verwiesenen Bereiche eingegangen werden, die
farblich abgestuft sind. Zu den Gebäuden, die Ende des 16. Jahrhunderts noch geplant
waren, gehörten beinahe der gesamte nördliche Teil des Plans, der sich vom Westen zum
Osten erstreckt. Auffällig ist, dass der nördliche Abschluss des Refektoriums und der Säulen-
bzw. Laubengang hier auf dem Plan nicht rot eingezeichnet sind. Der ,,Bereich der Stille" ist
hier wohl mit Arkaden versehen worden, die mit roten, durchbrochenen einzelnen
Markierungen angedeutet sind. Ein weiterer geplanter Bereich, der in dem Originalplan rot
markiert ist, liegt auf der westlichen Seite im Süden. Er grenzt zum einen an die ,,Area
opteris" an und an Gebäude, die auf dem Plan nicht näher beschriftet wurden. Laut
Paszenda sollte hier ursprünglich das Noviziat ausgebaut werden. Da dieser Plan scheiterte,
weil die Bewohner nicht bereit waren, auszuziehen, wurde der nördliche Bereich für die
Umbauarbeiten vorgeschlagen.
Paszenda berichtet über die weitere Bautätigkeit, die auf jeden Fall nach der Anfertigung des
Plans durchgeführt wurde. Im Jahr 1593 wurde im nordöstlichen Bereich - er nennt hier
wieder den ,,Garten" - ein dreistöckiges Gebäude gebaut. Im unteren Teil befanden sich eine
Küche und ein Refektorium, darüber ein Saal für die Novizen und im oberen Stockwerk
Schlafräume. Im Jahr 1596 wurde eine Mauer gebaut, die den ,,Garten" von der Judengasse

30
abgegrenzte. Ein Jahr später wurde bei der Kapelle SS. Martin und Matthias die Sakristei
ausgebaut und eine Krankenstation errichtet.
86
2.
Projekt des Ausbaus der St. Barbara Kirche und des Professhauses von
Stanislaw Grodzicki
Der Entwurf mit der Nummer 1054
87
zeigt das geplante Projekt des Umbaus der St. Barbara
Kirche in Krakau. (Abb. 8) Bei diesem Entwurf hat die Bibliothèque nationale de France,
gestützt auf die Angaben Vallery-Radots aus dem Jahr 1960, allerdings abweichend von den
Forschungen Paszendas, eine unbestimmte Datierung vorgenommen. Der Plan wurde auf
die 1590er Jahre datiert: ,,Date(s): (159.)".
88
Paszenda weist nach, dass die Datierung und die
Urheberschaft dieses Plans gesichert sind, da Stanislaw Grodzicki der Zeichnung einen Brief
an die römische Ordenszentrale beigelegt hatte. Der Brief trägt das Datum des 3. April 1594
und Grodzicki schreibt als schriftliche Beifügung zu
der Zeichnung:
,,Mitto hisce adiunctam informationem copiosam de hoc loco s. Barbarae (...) mitto et
delineationem templi locique augendi et dilatandi (...) mitto et solutionem dubiorum et
difficaltum, quae occurrere possent."
89
(,,Beiliegend eine ausführliche Information bezüglich
des Platzes bei der St. Barbara Kirche [...] der Plan des Ausbaus des Hauses und der Kirche
mitsamt Lösungen und Schwierigkeiten".)
90
In der französischen Nationalbibliothek und in den Angaben von Vallery-Radot wird das
Projekt deutlicher als Professhaus der Jesuiten in Krakau bezeichnet: ,,
Maison professe des
Jésuites de Cracovie, Pologne: projet d'agrandissement de la Maison professe".
Es ist an dieser Stelle notwendig kurz auf die Bedeutung eines Professhauses einzugehen.
Richard Bösel schreibt im Zusammenhang mit dem römischen Professhaus: ,,Als Sitz der
86
Paszenda 2006, S. 244.
87
In:
http://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb42313285z
, zuletzt aufgerufen am 5.11.2015.
88
a.a.O.
89
ARSI Germ. 172, f. 221v. In: Paszenda 2006, S. 72.
90
Paszenda schreibt hier nicht von einem Professhaus, sondern von einem Haus. Allerdings dürfte er damit ein
Professhaus gemeint haben: ,,Przesylam w zalczeniu obszern informacj o miejscu w. Barbary (..) plan
rozbudowy kociola i domu , rozwizanie wtpliwoci i trudnoci". a.a.O.

31
Generalskurie war das römische Professhaus oberstes Verwaltungszentrum der Gesellschaft
Jesu sowie Schaltstelle weltweiter Kultur- und Missionspolitik".
91
Seine Bewohner sind
Professen, also Mitglieder des Jesuitenordens, ,,die in alle Ordensgeheimnisse eigeweiht,
ordiniert und im Besitz der höchsten Ämter sind" und in besonderen Professhäusern
wohnen.
92
Paszenda definiert das Wesen eines Professhauses noch genauer und spricht sich
auch eher dafür aus, dass hier Jesuiten arbeiten. In diesem größeren Ordenshaus sind nach
seiner Aussage ca. 30 bis 40 meist ältere Ordensbrüder nach der Weihe tätig, aber keine
Novizen. Jede Jesuitenprovinz und auch jede größere Stadt sollte mindestens ein
Professhaus besitzen.
93
Der Plan mit der Nummer 1054 ist nicht nur ein wichtiges Dokument für die Krakauer
Geschichte, da hier in recht deutlicher Weise die Umgebung der St. Barbara Kirche und die
geplante Neuplanung erkennbar sind, sondern vor allem für die vorliegende Arbeit, da diese
Kirche 1583 von den Jesuiten übernommen wurde. Der geplante Umbau der Kirche, mitsamt
des geplanten Professhauses und der Reorganisation wurden ebenso wie der Plan von
Briccio, der im nächsten Kapitel dargestellt wird, nicht realisiert. Dies lag zum einen daran,
dies zeigt insbesondere die folgende Analyse des Plans und die Aussage von Alabiano, die
anschließend dargestellt wird, dass sich eine Umsetzung der baulichen Veränderungen als
sehr schwierig gestaltet hätte, zum anderen entschied sich der Jesuitenorden in die größere
SS. Peter und Paul Kirche zu ziehen. Allerdings war der Jesuitenorden, der von 1583 bis 1773
in der St. Barbara Kirche amtierte, nach Wiedergenehmigung des Ordens nach 1874
wieder
in dieser Kirche aktiv.
91
Bösel, Richard, Jesuitenarchitektur in Italien 1540-1173, Die Baudenkmaler der römischen und der
neapolitanischen Ordensprovinz, Teil 1, Wien 1986, S. 160.
92
Siehe dazu u.a.
http://www.retrobibliothek.de/retrobib/kuenstler/index_kuenstler_AE.html
. In:
www.enzyklo.de
, aufgerufen am 15.1.2016. Manfred Barthel führt in seiner Zeitgeschichte des Jesuitenordens
auf, dass im Jahr 1600 der Orden aus 23 Provinzen besteht, 245 Kollegien, 25 Noviziaten, 67 Residenzen und 16
Professhäusern. Barthel, Manfred, Die Jesuiten: Legende und Wahrheit - Der Gesellschaft Jesu ­ Gestern,
Heute, Morgen, Düsseldorf, Wien 1982, S. 394.
93
Paszenda 2006, S. 67.

32
2.1. St. Barbara Kirche
Die Abbildung 9. zeigt eine frühe Ansicht des Baus, der im Jahr 1338 auf dem Friedhof als
,,Wierzynek-Kapelle" gebaut wurde. Hier sind auf der Südseite ein langgezogenes Zinshaus
und eine Mauer erkennbar und auf der nördlichen Seite der Eingang des Friedhofs. Eine
Untersuchung der Krypten, die in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts durchgeführt wurde,
hat zu dem Ergebnis geführt, dass es in den Jahren zwischen 1394-97 eine um zwei Joche
erweiterte Bauphase gab. Die Kapelle wird ab dieser Zeit als saalartiger Raum bezeichnet.
Die nunmehr fünfjochige Kirche war einschiffig, hatte kein Presbyterium, keine Kapellen und
vier Altäre an den Wänden. Auf der Südwand wurden drei Altäre aufgereiht und auf der
Nordseite stand ein Altar.
94
Leider ist nicht bekannt, welches gotische Gewölbe in dieser Zeit in der Kirche vorhanden
war. Nach Paszenda kann es sich dabei um ein dreiteiliges Gewölbe bei den äußeren Jochen
gehandelt haben und einem Kreuzgewölbe in der Mitte oder um ein Netzgewölbe im
gesamten Bereich.
95
Ob nach der zweiten Bauphase, also ab 1397 noch weitere Umbauten
stattgefunden haben ist nicht bekannt. Erst im 17. Jahrhundert wurden bauliche
Erweiterungen vorgenommen. Es kamen zwei Kapellen und eine Apsis hinzu, zudem
entstand ein neues Gewölbe, wobei die vorhandene Literatur keine Auskünfte über die Art
des Gewölbes gibt. In den Jahren von 1760-67 wurde der Innenraum, allerdings nicht die
äußere Ausstattung, barockisiert. (Abb. 10)
Der Grundriss der bestehenden und der geplanten St. Barbara Kirche ist auf dem Pariser Plan
mit der Nummer 1054 zentral dargestellt. Vallery-Radot
hat diesen Plan mit der St. Barbara
Kirche aufgrund der Nachbarschaft von der Marienkirche identifiziert
96
, die hier nur zum Teil
gezeigt wird und die den nordwestlichen Bereich, den Hauptmarkt, dominiert.
94
a.a.O., S. 61.
95
a.a.O., S. 113.
96
Vallery-Radot, S. 325.

33
2.2. Charakteristika des Plans
Der ursprüngliche Bau der St. Barbara Kirche befindet sich gemeinsam mit dem geplanten
Umbau in der Mitte des Plans. Die Umbaupläne sind hier über den damals noch
bestehenden Gebäuden und Einrichtungen gezeichnet. Im Vergleich mit der Marienkirche
(grün markiert) erscheint sie hier auf dem Plan sehr dominant. Außer den rot markierten
Stellen zum Umbau der St. Barbara Kirche wird auch der geplante Bereich des Professhauses
deutlich hervorgehoben.
Zum besseren Verständnis ist es notwendig den geosteten Plan mit seinen farbig markierten
Stellen und seinen lateinischen Bezeichnungen genauer zu beschreiben. Auf dem Plan sind
östlich von der St. Barbara Kirche Metzgereien erkennbar. Sie reichten vom nordöstlichen bis
zum südöstlichen Bereich. Sie befanden sich auf dem ,,Kleinen Markt", der ca. ein Drittel des
Plans ausmachte (im Plan von mir bezeichnet). Sie sind hier als quadratische Formationen in
Längsreihen gekennzeichnet und in der oberen Reihe mit dem Buchstaben ,,H" markiert.
Möglicherweise existierte zu diesem Plan eine Legende, die jedoch nicht mehr erhalten ist.
Es werden leider bei Paszenda nur wenige Buchstaben identifiziert, wie im Folgenden noch
deutlich werden wird. Zu den meisten Lettern in diesem Plan finden sich keine weiteren
Angaben in der Literatur, bzw. auch nicht in der französischen Nationalbibliothek.
Wenn Paszenda in seiner Beschreibung zu diesem Plan den Buchstaben ,,H" als Metzgereien
bezeichnet, ohne dabei eine Quellenangabe zu nennen, fällt auf, dass dieser nur in der
ersten Reihe auftaucht und nicht in dem zweiten quadratischen Streifen. Es ist jedoch
anzunehmen, dass sich auch dort Metzgereien befanden. Denn nach den Angaben von
Paszenda waren die südlichen Reihen der Metzgereien, die auf dem Plan nur mit einer
einfachen Linie gezeichnet sind, bereits nicht mehr in Betrieb.
97
Eine Untersuchung der
handschriftlichen Vermerke zwischen den beiden Reihen unterstützt die Aussage Paszendas.
Auf der nördlichen Seite findet sich die Inschrift: "Macella carnium qua sunnt in usu". Dies
weist darauf hin, dass die Fleischereien auf dieser Seite in Betrieb sind. Während sich im
97
Paszenda schreibt, dass diese bereits verlassen waren. Paszenda 2006, S. 73.

34
südlichen Teil folgender Hinweis findet, der darauf verweist, dass die Fleischereien
größtenteils eingestürzt sind: ,,Macella carnium g fere sunnt collapsa".
Das Projekt sah laut Paszenda vor, das Grodzicki in seiner Planung die Metzgereien abtragen
und auf den freien Platz östlich von der Marienkirche verlegen wollte. Dieser Bereich ist hier
auf dem Plan im nordöstlichen Teil nicht nur mit dem Doppelbuchstaben ,,FF" versehen,
sondern auch mit ,,G". Für beide Lettern findet sich, wie bereits oben angemerkt, keine
Legende, die auf die genaue Bedeutung verweist. Seine Informationen entnahm Paszenda
den Unterlagen des Jesuitenarchivs ARSI.
Hier ist folgender Vermerk von Grodzicki zu finden, der aufgrund seiner Handschrift
identifiziert wurde. Der Titel des einen Dokuments lautet: ,,Quomodo difficultates, quae in
delatando loco s. Barbarae occurrunt, superari possint".
98
(,,In welcher Weise man die
Schwierigkeiten bei der Vergrößerung der St. Barbara Kirche überwinden kann"). Der zweite
Titel des Dokuments fragt danach, ob man die St. Barbara Kirche in Krakau verlassen soll:
,,An templum s. Barbarae, quod Societas habet Cracoviae sit relinquendum"
99
Leider fehlen auch Hinweise, die auf die einzelnen kleinen Buchstaben verweisen, die
oberhalb der ersten Reihe zwischen dem Buchstaben ,,H" stehen.
100
Und auch für die
Bestimmung der Lettern ,,D" und zweimal ,,E" gibt es keine Hinweise auf eine bestimmte
Klassifizierung. Mit dem großen Buchstaben ,,A" wurde laut Paszenda die städtische Küche
beschriftet.
101
Sie befand sich im südöstlichen Teil, direkt neben der Siennastraße. Hier
befindet sich neben dem Buchstaben die lateinische Bezeichnung: ,,Culina seu domus
civitatis". Es muss hier die Aussage Paszendas korrigiert werden, denn diese Inschrift
verweist auch darauf, dass sich hier nicht nur eine Küche, sondern möglicherweise auch ein
Bürgerhaus befand.
Unterhalb dieses Bereiches sowie südlich und nördlich von dem geplanten Querhaus der St.
Barbara Kirche steht der Buchstabe ,,G". Dieser findet sich, wie bereits oben angemerkt,
auch im nordöstlichen Bereich. Die Literatur gibt uns hier keine Hinweise auf die Bedeutung,
98
ARSI Pol. 72, f. 23-24, in: a.a.O., S. 72.
99
a.a.O., f. 25-30, in: a.a.O., S. 72f.
100
Es wird hier zweimal der Buchstabe ,,B" und einmal ,,C" genannt.
101
Paszenda 2006, S. 73.

35
es ist jedoch wahrscheinlich, dass hier der Bereich des ,,Kleinen Marktes" bezeichnet wird,
der noch unbebaut war.
In dem südlichen Bereich des mit ,,G" bezeichneten Feldes werden Hinweise auf die
Besitzverhältnisse gegeben und indirekt wichtige Information auf die geplante Bautätigkeit:
"Color iste cineritius designat ea q[uae] nu[n]c Societas possidet, videlicet duo t[antu]
templu[m] s. Barb[arae], et domu[m] angusta[m]; rubeus vero color significat in quibus
accessio fieri potest; et ta[m] templu[m] novu[m] per modu[m]...quam locu[m] p[ro] horto et
habitatione nostror[um]."
Diese Inschrift besagt, dass die grauen Bereiche auf dem Plan den Jesuiten gehörten und die
roten Felder jene sind, die man zu erwerben beabsichtigte. Mit der grauen Linie werden
lediglich der ursprüngliche Bau der St. Barbara Kirche markiert und zwei angrenzende
Zinshäuser auf der südlichen Seite. Allerdings gehörten laut Paszenda den Jesuiten lediglich
die Kirche und ein Zinshaus, welches er als Eckhaus bezeichnet und welches hier mit Domus
Societatis Jesu beschriftet ist.
102
Es ist also fraglich, warum auf dem Plan das zweite Haus,
welches hier den Buchstaben ,,L" und die Bezeichnung Domus civium trägt, auch eine graue
Linie neben einer orangenen hat.
Es ist an dieser Stelle notwendig, die unterschiedlichen kolorierten Bereiche auf diesem Plan
noch genauer zu analysieren. Auffällig ist, dass nicht nur graue und rote Sektionen
gekennzeichnet sind, sondern auch orangefarbene Linien. Diese finden sich im südlichen
Bereich, in jenem Feld, das mit dem Buchstaben ,,A" bezeichnet ist, wie bereits gesagt,
zwischen den Feldern, die mit ,,L" und ,,M" beschriftet wurden und auslaufend zum
westlichen Bereich. Die gesamte Umgebung im nördlichen Teil, vom Westen zum Osten ist
ebenfalls orange bemalt, mitsamt den Segmenten der Metzgereien im Osten, die sich mit
dem Erweiterungsbau der St. Barbara Kirche überschneiden. Handelt es sich hierbei um eine
Umgebung, die aufgrund der städtischen Eigentümer noch für den Erweiterungsbau
problematisch war? Eine genaue Antwort lässt sich wohl nicht finden, da die Literatur hier
keinerlei Hinweise gibt, bzw. nicht einmal auf diese Problematik hinweist. Festzustellen ist
lediglich, dass die Neuplanung der St. Barbara Kirche sich mit den orange gekennzeichneten
102
a.a.O.

36
Bereichen an vielen Stellen deutlich überschneidet und hier Teilbereiche von Gebäuden wie
der städtischen Küche und der Metzgereien abgetragen werden müssten.
Doch zurück zur Beschreibung des Plans. An der Südseite der St. Barbara Kirche, angrenzend
an die Siennastraße, lagen wie bereits oben genannt drei Zinshäuser. Eines davon, es ist hier
unterhalb des Bereichs, der mit ,,G" gekennzeichnet ist, befand sich im Besitz der Jesuiten.
Eine Notiz verweist hier deutlich auf die Besitzverhältnisse: ,,Domus societatis Jesu" (,,Haus
des Jesuitenordens"). Außerdem gibt der Plan die Größenverhältnisse an: Es werden hier die
unterstrichenen Zahlen ,,60." im mittleren Feld und ,,17." rechts am Rand angeführt. Da wir
auch hier von dem Maßstab der Ellen ausgehen können, bedeutet dies: 60 X 17 Ellen (ca. 35
x 10 Meter). Jenes Feld unterhalb mit dem Buchstaben ,,L" und der Inschrift ,,Domus civium"
trägt die hervorgehobene Zahl ,,11". Das Bürgerhaus hatte also ein Ausmaß von 11 Ellen (ca.
6 Meter). Auf die Besonderheit des zweiten Bürgerhauses, das hier ebenfalls als ,,Domus
civium" bezeichnet wird und den Buchstaben ,,M" trägt, wurde bereits hingewiesen. Es
befand sich nicht im Besitz des Jesuitenordens und ist zum einen mit einer orangenen, zum
anderen mit drei roten kräftigen Linien umrandet. Es hatte ein Ausmaß von 18 Ellen (ca.
10,40 Meter).
Wie bereits oben erwähnt, hätte die Vergrößerung der Kirche laut Paszenda einen Ankauf
und wohl den Abriss von den zwei benachbarten Zinshäusern, hier markiert mit den
Buchstaben ,,L" und ,,M", vorausgesetzt sowie das Abtragen von Teilbereichen der
Metzgereibetriebe und der städtischen Küche.
103
Auf dem freigewordenen Platz von den
Zinshäusern
sollte neben der Kirche ein großes Professhaus für 40 bis 50 Jesuiten sowie ein
Garten entstehen.
104
Doch zurück zur Planbeschreibung. Es fällt auf, dass beinahe auf der gesamten Länge der
Südseite, der Siennastraße, eine gepunktete, eingegrenzte Linie eingezeichnet ist, die
folgende lateinische Beschriftung trägt: ,,Hoc longitudo est ulnazu circiter 100" (,,Die Länge
beträgt ungefähr 100 Ellen.") Dies entspricht ca. 58 Meter.
103
a.a.O., S. 71f.
102
a.a.O., S. 84.

37
Handelt es sich bei dieser besonders markierten Linie um eine Grenzlinie? In der Literatur
findet sich kein Hinweis, es ist jedoch anzunehmen, dass hier eine Umgrenzung geplant war.
Der handschriftliche Vermerk mit der Angabe des Maßes könnte ein Hinweis darauf sein.
Auch in dem eingefassten östlichen und im westlichen Teil, der hier mit einer roten Linie
gekennzeichnet ist, wurde wahrscheinlich ebenfalls eine Abgrenzung zum restlichen
städtischen Bereich geplant. Der westliche äußere Teil, der an die Siennastraße angrenzt,
wurde mit folgender Inschrift versehen: ,,Domus Sacerdotii B. Virgil". Hier befand sich also
das Haus des Priesteramtes der Marienkirche.
Folgt man der roten Linie im westlichen Teil des Plans weiter, dann führt er zu dem
Vergrößerungsentwurf der St. Barbara Kirche. Hier ergeben sich zwei Möglichkeiten der
Lesbarkeit: entweder wurden die ursprünglichen Mauern des Langhauses, die hier in grau
eingezeichnet sind, entfernt, und der Bau somit in der Breite ausgebaut, oder sie blieben
erhalten und es wurden neue, breitere Mauern dazu gebaut. Letzteres würde bedeuten,
dass zwischen den alten Mauern und den neuen Raum für liturgische Zwecke
(Beichtstühle,
Kapellen etc.) vorhanden gewesen wäre. Von der Nordseite der Kirche wurde mit dem
Buchstaben ,,K", so Paszenda, die Sakristei und mit einer verstärkten Linie eine Tür zum
Friedhof markiert. Weiter nördlich, bezeichnet hier mit dem Buchstaben ,,J", standen zwei,
damals noch aus Holz gebaute kleine Häuser. Laut Aussage des Autors gehörten sie den
Mesnern der Marienkirche.
105
Allerdings ist zu bezweifeln, ob sie ihnen gehörten, bzw. ob sie
dort lediglich wohnten und/oder tätig waren. Paszenda stellt in seiner Publikation fest, dass
dieser Plan mit den Akten der Stadt Krakau übereinstimmt.
106
Grodzicki hatte eine Kirche geplant, die hier mit roter Farbe markiert ist, welche die alte
Hallenkirche integrieren sollte. In den Ausmaßen sollte sie fast doppelt so groß sein, wie der
ursprüngliche Bau. Die ursprüngliche, einschiffige Kirche
107
, hier in Grau markiert, wird auf
dem Plan mit ,,Templum S. Barbara" und mit der Maßangabe in Ellen ,,ulnae 24" und ,,46"
(ca. 26,40 x 10,80 Meter) bezeichnet. Auf dem Plan ist sichtbar, dass die ursprüngliche Kirche
an der Nordseite und an der Westseite jeweils einen Eingang hatte. Es war also möglich die
Kirche vom Friedhof ­ hier auf dem Plan mit Cementerium templi B. Vergil ­ zu begehen.
105
a.a.O., S. 73.
106
a.a.O.
107
a.a.O., S. 111.

38
Die Analyse des Plans verdeutlicht, dass die neue Kirche den Grundriss eines lateinischen
Kreuzes haben sollte. Das Hauptschiff sollte lediglich um wenige Ellen verbreitert werden.
Anschließend wurde das Transept mit einem Chorjoch und einer halbrunden Apsis geplant.
Das Chorjoch soll von zwei seitlichen Kapellen flankiert werden, die gleichzeitig an die
östlichen Transeptarme anliegen. Der neue Zubau sollte, dies zeigt die gepunktete Linie, die
Länge von 48 Ellen (ca. 28 Meter) haben.
Paszenda ist der Meinung, dass Grodzicki aus Platzgründen vorschlug die Metzgereien, die
hier im nordöstlichen Teil des Plans sichtbar sind, in die Nähe der Marienkirche zu
versetzten. Auf dem Plan wird dies durch den Bereich deutlich, der hier mit den doppelten
Buchstaben ,,F" markiert wird. Für seinen Ausbauplan wäre es auch notwendig gewesen, so
Paszenda, den Friedhofseingang zu verschieben und die Mesnerhäuser zu verkleinern.
Es ist zu erwähnen, dass Grodzicki bereits die römische Jesuitenkirche Il Gesù gesehen hatte,
da er sie in seinen Briefen erwähnte.
108
Sein Traum war es wohl aus der St. Barbara-Kirche
einen ähnlich prachtvollen Bau zu gestalten, der sowohl die praktischen als auch
künstlerischen Bedürfnisse erfüllen sollte.
109
Dieses Vorhaben erscheint jedoch unrealistisch
gewesen zu sein. Kritik kam hauptsächlich vom Superior Alabiano, der den Umbau als für zu
schwierig und kostspielig erachtete. Ihm ging es weniger um die Unannehmlichkeiten, die
mit der Besetzung des öffentlichen Bereichs zusammenhingen, vielmehr fürchtete er, dass er
keine Baubewilligung von der Stadt Krakau erhalten würde. Alabiano warnte auch vor
jeglicher möglicherweise gewaltsamen Einflussnahme königlicher Macht, denn dies würde zu
Streitigkeiten mit den Jesuiten führen.
110
Alabiano war der Meinung, dass der Umbau der Kirche nur nach dem Plan des ,,Meister
Josefs" realisiert werden könnte, und auch hier nur unter erheblichen Schwierigkeiten.
111
Im
folgenden Kapitel soll auf dem von Josef Briccio vorgeschlagenen Umbauplan der St. Barbara
Kirche und der Klosteranlage näher eingegangen werden.
108
Im Kapitel 3.1. des Teils II. wird auf den Bau Il Gesù noch näher eingegangen
.
109
Paszenda 2006, S. 74.
110
a.a.O., S. 75.
111
a.a.O., S. 77.
Ende der Leseprobe aus 180 Seiten

Details

Titel
Die St.-Peter-und-Paul-Kirche in Krakau und die Bautätigkeit der Jesuiten in Krakau im 16. Jahrhundert
Hochschule
Universität Wien  (Kunstgeschichte)
Note
gut
Autor
Jahr
2016
Seiten
180
Katalognummer
V375745
ISBN (eBook)
9783668533721
ISBN (Buch)
9783668533738
Dateigröße
9202 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Architektur, Krakau, Jesuiten, Polen, Baugeschichte
Arbeit zitieren
Joanna Mann (Autor:in), 2016, Die St.-Peter-und-Paul-Kirche in Krakau und die Bautätigkeit der Jesuiten in Krakau im 16. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/375745

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Titel: Die St.-Peter-und-Paul-Kirche in Krakau und die Bautätigkeit der Jesuiten in Krakau im 16. Jahrhundert



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