Seit der Entwicklung der Sinus-Milieus wurden diese von zahlreichen Unternehmen zur Zielgruppenfindung und Zielgruppenoptimierung verwendet (Sinus-Institut, 2011). Aber nicht nur im Marketing, auch in Medienunternehmen und in dem AGF/GfK Fernsehpanel wird mit den Sinus-Milieus gearbeitet.
In dieser Arbeit soll daher der Einsatz der Sinus-Milieus in der Fernsehforschung beschrieben werden. Hierfür wird
dargestellt, wie die Sinus-Milieus entwickelt wurden und wie die Daten erhoben werden, bevor nachfolgend die aktuellen Sinus-Milieus vorgestellt werden. Im Anschluss daran wird auf das AGF/GfK Fernsehpanel als Teil der Fernsehforschung und auf den Einsatz der Sinus-Milieus in diesem Fernsehpanel eingegangen. In dem nachfolgenden Kapitel wird anschließend ein Überblick über die Fernsehnutzung der Sinus-Milieus gegeben, wobei die Fernsehnutzungsdauer, die bevorzugten Genres und die favorisierten Fernsehsender der Milieus genauer beschrieben werden. Dass die Sinus-Milieus ihren Einsatz nicht nur bei der Fernsehnutzung, sondern darüber hinaus auch bei der Positionierung von Fernsehsendern und in der Programmplanung finden, soll anhand einer Studie des ProSieben-Vermarkters SevenOne Media belegt werden. Hierfür wird die Positionierung von bekannten deutschen Fernsehsendern innerhalb der einzelnen Sinus-Milieus vorgestellt. Im letzten Kapitel dieser Arbeit soll abschließend auf die Kritik an den Sinus-Milieus sowie auf deren Einsatz in der Fernsehforschung eingegangen werden und die
Frage beantwortet werden, ob der Einsatz der Sinus-Milieus in der Fernsehforschung gerechtfertigt ist.
Inhalt
1. Einleitung
2. Die Sinus-Milieus
2.1 Entwicklung der Milieus
2.2 Erhebung der Daten
2.3 Darstellung der einzelnen Sinus-Milieus
2.3.1 Die sozial gehobenen Milieus
2.3.2 Die Milieus der Mitte
2.3.3 Die Milieus der Unterschicht
3. Das AGF/GfK Fernsehpanel
4. Die Sinus-Milieus und ihre Fernsehnutzung
5. Senderpositionierung in den Sinus-Milieus
5.1 ProSieben - Sat.1 - kabel eins
5.2 RTL - RTL II - VOX
5.3 ARD - ZDF
6. Kritische Betrachtung
7. Literaturverzeichnis
8. Anhang
1. Einleitung
Seit der Entwicklung der Sinus-Milieus wurden diese von zahlreichen Unternehmen zur Zielgruppenfindung und Zielgruppenoptimierung verwendet (Sinus-Institut, 2011: 2). Aber nicht nur im Marketing, auch in Medienunternehmen und in dem AGF/GfK Fernsehpanel wird mit den Sinus-Milieus gearbeitet. In dieser Arbeit soll daher der Einsatz der Sinus-Milieus in der Fernsehforschung beschrieben werden. Hierfür wird dargestellt, wie die Sinus-Milieus entwickelt wurden und wie die Daten erhoben werden, bevor nachfolgend die aktuellen Sinus-Milieus vorgestellt werden. Im Anschluss daran wird auf das AGF/GfK Fernsehpanel als Teil der Fernsehforschung und auf den Einsatz der Sinus-Milieus in diesem Fernsehpanel eingegangen. In dem nachfolgenden Kapitel wird anschließend ein Überblick über die Fernsehnutzung der Sinus-Milieus gegeben, wobei die Fernsehnutzungsdauer, die bevorzugten Genres und die favorisierten Fernsehsender der Milieus genauer beschrieben werden. Dass die Sinus-Milieus ihren Einsatz nicht nur bei der Fernsehnutzung, sondern darüber hinaus auch bei der Positionierung von Fernsehsendern und in der Programmplanung finden, soll anhand einer Studie des ProSieben-Vermarkters SevenOne Media belegt werden. Hierfür wird die Positionierung von bekannten deutschen Fernsehsendern innerhalb der einzelnen Sinus-Milieus vorgestellt. Im letzten Kapitel dieser Arbeit soll abschließend auf die Kritik an den Sinus-Milieus sowie auf deren Einsatz in der Fernsehforschung eingegangen werden und die Frage beantwortet werden, ob der Einsatz der Sinus-Milieus in der Fernsehforschung gerechtfertigt ist.
2. Die Sinus-Milieus
Die von der Heidelberger SINUS Markt- und Sozialforschung GmbH entwickelten Sinus-Milieus sind eine Zielgruppen-Typologie, die ein „modellhaftes Abbild der sozialen Schichtung und der Wertestruktur unserer deutschen Gesellschaft" sein soll (Sinus-Institut, 2011: 14). Im folgenden Abschnitt wird erläutert, wie die SinusMilieus entwickelt wurden, wie sich diese zusammensetzen und wie die Daten hierfür erhoben werden. Anschließend sollen die einzelnen Sinus-Milieus näher vorgestellt werden.
2.1 Entwicklung der Milieus
Entstanden sind die Sinus-Milieus 1977 durch eine Hochschulstudie, bei der Studierende nach ihrem politischen Bewusstsein befragt wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass sich die politische Haltung der Studierenden an ihren soziokulturellen Merkmalen orientierte, woraus die Forscher folgerten, „dass Lebensstile für die soziale Zu- gehörigkeit bedeutsamer seien als sozioökonomische Faktoren" (Taubert, 2006: 162). Der Interpretation, nach der der Lebensstil „der regelmäßig wiederkehrende Gesamtzusammenhang der Verhaltensweisen, Interaktionen, Meinungen, Wissensbestände und bewertenden Einstellungen eines Menschen" (Hradil, 2001: 46) ist, folgte auch der damalige Forscher Berthold Bodo Flaig, heute Geschäftsführer des Sinus-Instituts, bei der Entwicklung der Sinus-Milieus. Er definierte soziale Milieus als „subkulturelle Einheiten innerhalb einer Gesellschaft, die Menschen ähnlicher Lebensauffassung und Lebensweise zusammenfassen" (Flaig et al., 1993: 55). Diese Gruppierung von Menschen nach ähnlichen Lebensweisen und Lebensauffassungen erfolgt auch bei den Sinus-Milieus und richtet sich nach grundlegenden Wertorientierungen und den Alltagseinstellungen von Menschen, beispielsweise zu Geld und Arbeit. Die Sinus-Milieus wollen „den Menschen und das gesamte Bezugssystem seiner Lebenswelt ganzheitlich ins Blickfeld" (Sinus-Institut, 2011: 3) rücken und sehen von einer Gruppierung von Menschen nach ihren soziodemogra- phischen Merkmalen wie dem Alter oder der Bildung ab, da dies nach der Ansicht des Sinus-Instituts nicht ausreichend für eine Zielgruppeneinteilung ist. Die SinusMilieus hingegen, die aus unterschiedlichen soziodemographischen Gruppen bestehen können, werden von dem Sinus-Institut als Entscheidungshilfe für das Marketing betrachtet und finden ihren Einsatz vor allem in der Beschreibung von Kunden- und Käufergruppen (ebd.).
2.2 Erhebung der Daten
Für das erste Milieumodell wurden 1979 und 1980 rund 1.400 narrative Interviews geführt (Taubert, 2006: 162), in denen die befragten Personen ihr Alltagsleben aus ihrer Sicht beschrieben (Haas, 2007: 61). Für die erste quantitative Erhebung wurden die Ergebnisse der qualitativen Datenerhebung 1981 in ein standardisiertes Erhebungsinstrument, den „Milieu-Indikator" überführt. Dieser setzt sich aus einer Statementbatterie von 41 bzw. 46[1] Items zusammen, wodurch sich die Milieuzugehörigkeit der Befragten ermitteln lässt. Die Sinus-Milieus lassen sich zum einen aus der Grundorientierung der Menschen bilden, dazu gehören Wertorientierungen, Einstellungen und das alltägliche Verhalten und zum anderen aus der sozialen Lage der Menschen wie Oberschicht, Mittelschicht und Unterschicht. Mit sogenannten „Milieu-Bausteinen" lassen sich die erhobenen Informationen verdichten und die sozialen Milieus voneinander abgrenzen (Drieseberg, 1995: 193f.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1
Quelle: Eigene Darstellung nach Flaig et al., 1993: 71
Das Milieumodell wird jährlich durch das Sinus-Institut überprüft und bei Bedarf, wie zum Beispiel bei einem Wertewandels innerhalb der Gesellschaft, aktualisiert (Tau- bert, 2006: 163). Zu diesem Zweck werden jährlich Repräsentativerhebungen mit 100.000 Fällen durchgeführt (Sinus-Institut, 2011: 13).
2.3 Darstellung der einzelnen Sinus-Milieus
In der Sinus-Modell-Grafik lassen sich die Sinus-Milieus veranschaulichen. Auf der vertikalen Achse wird die Schichtzugehörigkeit dargestellt, die sich in Oberschicht/Obere Mittelschicht, Mittlere Mittelschicht und Untere Mittelschicht/Unterschicht gliedert. Auf der horizontalen Achse wird die Grundorientierung der Milieus abgebildet, die sich in Tradition, Modernisierung/Individualisierung und Neuorientierung unterteilt. Je höher ein Milieu in der Grafik angesiedelt ist, desto höher ist dessen soziale Lage. Je weiter rechts ein Milieu in der Grafik zu finden ist, desto moderner ist seine Einstellung. Wie sich in der Grafik erkennen lässt, kann es zu Überlappungen der einzelnen Sinus-Milieus kommen, da sich Lebenswelten anders als soziale Schichten nicht exakt nach Einkommen oder Schulbildung voneinander abgrenzen lassen. Das Sinus-Institut nennt dies „Unschärferelation der Alltagswirklichkeit“ (Sinus-Institut, 2011: 13). Zudem zeigt die Grafik, dass einige Sinus-Milieus eindeutig einer sozialen Schicht zuzuordnen sind, wie beispielsweise das prekäre Milieu der Unterschicht. Andere Milieus wie die bürgerliche Mitte oder das hedonistische Milieu existieren jedoch über die Schichtgrenzen hinweg (Haas, 2007: 64).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Die Sinus-Milieus
Quelle: SINUS-Institut, 2013
Im Laufe der Zeit gab es fünf verschiedene Sinus-Milieus-Modelle, die Position der Milieus innerhalb der Grafik wurde jedoch weitgehend beibehalten. 2002 wurde das west- und das ostdeutsche Modell zu einem gesamtdeutschen Modell zusammengelegt (Taubert, 2006: 166ff.). Das letzte Update gab es 2010, bei dem aufgrund von demographischen Verschiebungen und Veränderungen in der Sozialstruktur die einzelnen Sinus-Milieus angepasst, teilweise neu gruppiert und umbenannt wurden. Das aktuelle Sinus-Milieu-Modell mit zehn verschiedenen Sinus-Milieus lässt sich in drei Gruppen unterteilen: die sozial gehobenen Milieus, die Milieus der Mitte und die Milieus der Unterschicht (Sinus-Institut, 2011: 16).
2.3.1 Die sozial gehobenen Milieus
Das konservativ-etablierte Milieu entspricht dem klassischen Establishment und zeichnet sich durch hohe Exklusivitätsansprüche aus. Diesem Milieu mit einem hohen Standesbewusstsein entsprechen 10,3 Prozent der Bevölkerung (Sinus-Institut, 2011: 16), die größtenteils zwischen 40 und 60 Jahre alt sind. Sie verfügen über mittlere bis höhere Bildungsabschlüsse, sind beruflich gut situiert und verfügen über ein gehobenes Einkommen (Sinus-Institut, 2010: 17).
Das liberal-intellektuelle Milieu ist die aufgeklärte Bildungselite Deutschlands mit einer liberalen Grundhaltung. Der Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben und vielfältige intellektuelle Interessen bestimmen dieses Milieu, das 7,2 Prozent der Bevölkerung ausmacht (Sinus-Institut, 2011: 16). Es besteht hauptsächlich aus Menschen zwischen 40 und 50 Jahren und hat den höchsten Anteil an akademischen Abschlüssen (Sinus-Institut, 2010: 31).
Das Milieu der Performer sieht sich als eine multi-optionale, effizienzorientierte Leistungselite und wird durch eine hohe IT- und Multimedia-Affinität gekennzeichnet. Das Milieu macht 7,0 Prozent der Bevölkerung aus (Sinus-Institut, 2011: 16) und der Altersschwerpunkt liegt zwischen 30 und 50 Jahren, wobei Männer in diesem Milieu überrepräsentiert sind. Das Milieu der Performer verfügt über überdurchschnittlich viele höhere Bildungsabschlüsse mit Studium und den höchsten Anteil an voll Berufstätigen (Sinus-Institut, 2010: 45).
Das expeditive Milieu empfindet sich als eine ambitionierte und kreative Avantgarde. Dieses Milieu, dem 6,3 Prozent der Bevölkerung entsprechen, ist sowohl mental als auch geografisch mobil und ist online wie offline vernetzt (Sinus-Institut, 2011: 16). Das expeditive Milieu ist das jüngste aller Milieus, so sind zwei Drittel unter 30 Jahren alt. In diesem Milieu herrscht ein vergleichsweise hoher Männeranteil vor, zudem gibt es viele Singles. Ein großer Anteil dieses Milieus lebt noch im Haushalt der Eltern und rund 40 Prozent des expeditiven Milieus befinden sich noch in Ausbildung (Sinus-Institut, 2010: 59).
2.3.2 Die Milieus der Mitte
Das Milieu der bürgerlichen Mitte ist mit 14,0 Prozent der Bevölkerung eines der größten Sinus-Milieus und kennzeichnet den leistungs- und anpassungsbereiten bürgerlichen Mainstream, der für eine gesellschaftliche Ordnung ist. Dieses Milieu verspürt den Wunsch nach beruflicher und sozialer Etablierung und nach gesicherten und harmonischen Verhältnissen (Sinus-Institut, 2011: 16). Der Altersschwerpunkt des Milieus der bürgerlichen Mitte liegt bei 30 bis 50 Jahren, ein Großteil des Milieus ist verheiratet und hat Kinder (SevenOne Media, 2004: 19).
Das adaptiv-pragmatische Milieu zählt zu der jungen, modernen Mitte der Gesellschaft mit einem ausgeprägten Lebenspragmatismus und einem starken Nutzenkalkül. Dieses Milieu, dem 8,9 Prozent der Bevölkerung angehören, ist zielstrebig aber auch kompromissbereit. Darüber hinaus ist es hedonistisch aber auch konventionell, flexibel aber auch gleichzeitig sicherheitsorientiert. Ein starkes Bedürfnis nach Zugehörigkeit zeichnet das adaptiv-pragmatische Milieu aus (Sinus-Institut, 2011: 16). Der Altersschwerpunkt dieses Milieus liegt bei unter 40 Jahre, wobei Frauen überrepräsentiert sind (SevenOne Media, 2011: 17).
Das sozialökologische Milieu mit einem Anteil von 7,2 Prozent der Bevölkerung ist ein konsumkritisches Milieu mit starken normativen Vorstellungen vom „richtigen" Leben. Dieses Milieu verfügt über ein stark ausgeprägtes ökologisches und soziales Gewissen (Sinus-Institut, 2011: 16) und ist vom Alter her sehr breit aufgestellt (SevenOne Media, 2011: 16).
2.3.3 Die Milieus der Unterschicht
Das traditionelle Milieu, dem 15,3 Prozent der Bevölkerung entsprechen, besteht aus der sicherheits- und ordnungsliebenden Kriegs- und Nachkriegsgeneration. Dieses traditionelle Milieu ist in der alten kleinbürgerlichen Welt sowie in der traditionellen Arbeiterkultur verhaftet (Sinus-Institut, 2011: 16) und hat seinen Altersschwerpunkt bei über 65 Jahren. Es besteht hauptsächlich aus älteren, häufig bereits verwitweten Frauen, die größtenteils bereits in Rente sind (SevenOne Media, 2011: 18).
Das prekäre Milieu repräsentiert eine um Teilhabe bemühte Unterschicht mit starken Zukunftsängsten, das 8,9 Prozent der Bevölkerung ausmacht. In diesem Milieu herrschen soziale Benachteiligungen und geringe Aufstiegsperspektiven vor. Es ist stets darum bemüht, Anschluss an die Konsumstandards der breiten Mitte zu halten (Sinus-Institut, 2011: 16) und hat einen Altersschwerpunkt von über 50 Jahren. In diesem Milieu gibt es überdurchschnittlich viele Geschiedene und Arbeitslose. Generell verfügt das prekäre Milieu über eine niedrige Bildung und ein geringes Einkommen (SevenOne Media, 2011: 18).
Das hedonistische Milieu zeichnet sich durch eine spaß- und erlebnisorientierte moderne Unterschicht aus und besteht aus 15,1 Prozent der Bevölkerung. Dieses Milieu lebt im Hier und Jetzt und verweigert Konventionen und Verhaltenserwartungen der Leistungsgesellschaft (Sinus-Institut, 2011: 16). Das hedonistische Milieu besteht aus einer jüngeren Altersgruppe bis 40 Jahre. Die Einkommensverteilung dieses Milieus ist recht breit, da sich sowohl viele Arbeiter, als auch Studenten und Schülerin diesem Milieu befinden (SevenOne Media, 2011: 17).
[...]
[1] Hier widersprechen sich die Angaben. Während Drieseberg von 41 Items spricht (vgl. Drieseberg, 1995: 194), berichtet Flaig, der Entwickler der Sinus-Milieus, von 46 Items (vgl. Flaig et al., 1993: 69).
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