Soziale Sicherung in Deutschland nach 1945: Renten- und Krankenversicherung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Grundlegende Probleme der Neuordnung der Sozialversicherung

2. Versuch einer gesamtdeutschen Lösung

3. Die Altersrentenversicherung in der SBZ/DDR
3.1 Die Renten im Jahre 1945
3.2 Reformen: Überlegungen und Umsetzung

4. Die Westzonen: Soziale Sicherung und Altersrenten
4.1 Die Ausgangslage
4.2 Reformdiskussion
4.3 Auswirkungen der Währungsreform und Neuorientierung

5. Die Neuordnung der Krankenversicherung in beiden deutschen Staaten
5.1 Die Sowjetische Besatzungszone
5.2 Die Westzonen

6. Schluss

7. Abkürzungen

Literaturverzeichnis

Einleitung

Mit der vorliegenden Arbeit soll ein Überblick über die Neuordnung der Sozialversicherung nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland gegeben werden. Dazu werde ich zunächst die grundlegenden Probleme der Nachkriegszeit und die damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Sozialen Sicherung darstellen. Eine herausragende Rolle wird dabei die Unterteilung des Staatsgebietes in die verschiedenen Zonen spielen, sowie der Versuch auf gesamtdeutscher Ebene zu einer Lösung zu gelangen.

Nach der etwas allgemeineren Darstellung der Reformvorstellungen sowohl auf Seiten der Militärregierungen als auch auf der der Deutschen, werde ich auf die Entwicklung der Alters-rentenversicherung in der SBZ und den Westzonen zu sprechen kommen. Dabei möchte ich zunächst die Situation der Rentenempfänger darstellen und auf spezielle Probleme bei der Neuorganisation der Rentenversicherung eingehen. Vor allem soll an dieser Stelle aber auch der Konflikt zwischen den Westalliierten und den Sowjets veranschaulicht und die Gründe für den Bruch der Zusammenarbeit erörtert werden. Auch eine getrennte Betrachtung der weiteren Entwicklung in der SBZ bzw. in den Westzonen wird hier nötig sein.

Im vorletzten Kapitel wird dann die Neuordnung der Krankenversicherung angesprochen. Nach der allgemeineren Darstellung soll hier auch die gewisse Auseinanderentwicklung innerhalb der Westzonen aufgezeigt werden. Vor allem die Betrachtung der französischen Zone wird hier eine wichtige Rolle spielen. Auch die spätere Rückkehr zu einem einheitlichen Krankenversicherungsrecht für die Westzonen wird angesprochen.

Zum Schluss möchte ich eine kurze Zusammenfassung geben und versuchen die Problematik der Neuorganisation der Sozialversicherung in einen größeren Rahmen zu stellen.

An dieser Stelle bleibt noch zu sagen, dass die Sozialversicherung in Deutschland nach 1945 ein sehr gut erforschtes Gebiet darstellt. Als Hauptwerk könnte man Hockerts „Sozialpoli-tische Entscheidungen“ bezeichnen. Aber auch Hoffmanns „Sozialpolitische Neuordnung in der SBZ/DDR“ sowie die „Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945“, heraus-gegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, bildeten einen wichtigen Ausgangspunkt dieser Arbeit

1. Grundlegende Probleme der Neuordnung der Sozialversicherung

Als eines der herausragenden Probleme der Nachkriegszeit kann man zweifellos die schlechte ökonomische Situation bezeichnen. Das Sozialprodukt pro Kopf lag in den Jahren 1946 und 47 bei 500 Reichsmark (RM). Im Vergleich dazu lag es im Jahre 1932 bei 700 RM und 1936 bei 1000 RM. Dies lässt sich hauptsächlich auf die nahezu stillstehende Produktion zurück-führen, sowie die Zersplitterung des Landes und die damit verbundene Zerschneidung wirtschaftlicher Beziehungen (Schmähl 2001: 420). Auswirkungen auf die Sozialversicherungen zeigten sich hier vor allem im schlechten Leistungsniveau und in den Einstellungen von Rentenzahlungen Mitte des Jahres 1945. Dies bedeutete für viele Rentner die Abhängigkeit von der Sozialfürsorge oder den Zwang, arbeiten zu gehen.

Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Neuorganisation der Sozialversicherung, war die Tatsache, dass es keine zentrale Organisation mehr gab: Das Reichsarbeitministerium und die Reichsversicherungsanstalt, die für Angelegenheiten bezüglich der Sozialversicherung verantwortlich gewesen waren, hatten keine Machtbefugnisse mehr. Ihre Aufgaben sollten nun an die Länder gehen. So wurde Sozialversicherungspolitik auf der Ebene der Zonen, Länder und Städte betrieben, was eine einheitliche Entwicklung schwierig gestalteten sollte (Hockerts 1980: S.21, Schmähl 2001: 425). Darauf soll im folgenden Kapitel ausführlich eingegangen werden.

2. Versuch einer gesamtdeutschen Lösung

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs stand das traditionelle System der Sozialversicherung[1], welches die Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung umfasste, in Frage. Die Vorstellungen der vier Besatzungsmächte zur Neuordnung des System ähnelten einander sehr, zumindest zu Beginn der Verhandlungen: Man wollte eine Vereinfachung und Vereinheitlichung des Leistungsrechts sowie eine Verbilligung bzw. Effektivierung der Verwaltung. Im Grunde bedeutete dies die Angleichung der Angestellten- und Arbeiterversicherung sowie eine Zusammenfassung aller Versicherungszweige zu einer Organisation (Hentschel 1983: 146f., Hockerts 1980: 26). Auch zahlreiche politische Akteure und Organisationen auf deutscher Seite strebten eine Einheitsversicherung an. Schon zur Zeit der Weimarer Republik hatten die Freien Gewerkschaften, die SPD und die KPD eine Einheitsversicherung gefordert (Wengst 2001: 99).

Dem gegenüber standen allerdings eine ganze Reihe von Vereinigungen, denen durch die Einführung der Einheitsversicherung die Lebensgrundlage entzogen würde, wie z.B. private Versicherungsunternehmer und selbständige Sonderkassen der gesetzlichen Krankenversicherung. Für die Erhaltung des traditionellen Sozialversicherungssystems plädierten auch Ärzte, die den freien Beruf des Arztes durch die Vereinheitlichung gefährdet sahen sowie die Arbeitgeber, die glaubten, eine Betriebskrankenkasse fördere die Betriebs- und Berufsverbundenheit. Ein weiterer Gegner der Vereinheitlichung bildete der selbständige Mittelstand, also Freiberufler, Handwerker, Händler und auch Bauern. Sie sahen den bürgerlichen Ehrenkodex der Selbstvorsorge durch Sparen und Eigentumsbildung angegriffen und waren zudem nicht bereit, die größeren Versicherungsrisiken anderer Berufsstände mit zu tragen. Unterstützung fanden diese Gruppen in den bürgerlichen Parteien CDU/CSU, FDP und DP (Hockerts 1980: 41f., 45, Wengst 2001: 100f.).

Zunächst sah es ganz danach aus, als könne sich die Einheitsversicherung durchsetzen: Die Reformkräfte befanden sich in politisch dominanterer Stellung und hatten die Alliierten auf ihrer Seite. Zudem wurde während dem Krieg die soziale Sicherung in Großbritannien nach dem Beveridge-Plan neu geordnet. Dieser sah eine einheitliche Organisation sowie die Erweiterung des Versichertenkreises auf nahezu die gesamte Bevölkerung vor. Zudem sollte den Versicherten ein Mindesteinkommen garantiert werden. Doch nicht nur in Großbritannien, sondern auch in Frankreich wurde eine Reformpolitik betrieben, die auf eine Vereinheitlichung abzielte (Hockerts 1980: 31, Wengst 2001: 103). So kam es Ende des Jahres 1946 im Alliierten Kontrollrat zur Verabschiedung eines Gesetzesentwurfs zur organisatorischen Zusammenfassung, die eine Vereinheitlichung des Leistungsrechts und der Effektivierung der Verwaltung möglich machen sollte (Hentschel 1983: 148, Hockerts 1980: S.39, Wengst 2001: 103). Schon bald jedoch gab es Unstimmigkeiten über die Umsetzung des Entwurfs und Streitigkeiten bezüglich der Details. Vor allem in der britischen und amerikanischen Zone wurde Unmut laut: „Der Entwurf vergriff sich an traditionellen Besitzständen, verletzte partikulare Interessen in Fülle und blieb hinter lang gehegten Wünschen und nachdrücklich erhobenen Forderungen anderer interessierter Gruppen um vieles zurück. Deshalb war eigentlich niemand so recht zufrieden mit ihm.“ (Hentschel 1983: 148). Amerikaner und Briten stellten sich bald die Frage, inwiefern eine gesamtdeutsche Lösung überhaupt möglich sei und dachten an ein Einstellen der Beratungen. Die UdSSR und Frankreich hingegen drängten auf eine Fortführung der Verhandlungen. Mit der Zuspitzung des Ost-Westkonflikts und dem Austritt des sowjetischen Militärgouverneurs Sokolowskis aus dem Kontrollrat im März 1946 wurde der Entwurf zur Sozialversicherung jedoch hinfällig (Hentschel 1983: 150, Hockerts 1980: 51, Wengst 2001: 104). Obwohl gerade in der Französischen Zone noch länger an der Idee der Einheitsversicherung festgehalten wurde, sollten die SBZ und die Westzonen von nun an getrennte Wege gehen. Dies soll in den folgenden Kapiteln anhand der Altersrenten- und Krankenversicherung deutlich gemacht werden.

3. Die Altersrentenversicherung in der SBZ/DDR

3.1 Die Renten im Jahre 1945

Zunächst muss man noch einmal festhalten, dass in der SBZ eine grundlegende Erneuerung und Vereinheitlichung der Sozialversicherung angestrebt wurde. Neben der Vereinheitlichung wollte man eine ausreichende Leistung erreichen und gleichzeitig ein System schaffen, das sich vom privatkapitalistischen unterscheiden sollte. Zuständig für die Umsetzung dieser Vorstellungen war die Zentralverwaltung für Arbeit und Sozialfürsorge (ZVAS)[2], die unter der Kontrolle der Sowjetischen Militärregierungsadministration Deutschlands (SMAD) stand (Schmähl 2001: 435f.).

Die Rentenfrage erwies sich in der SBZ als ein sehr akutes Problem: Die noch vor dem 8. Mai festgesetzten Sozialrenten stellten sich als viel zu niedrig heraus und hätten dringend einer Aufbesserung bedurft. Die Vorschläge hierzu wurden jedoch von der SMAD entweder konsequent abgelehnt oder auf einen anderen Zeitpunkt verschoben, da die finanzielle Lage der Zone eine Verbesserung der Renten nicht zugelassen hätte. Im Gegenteil dachte man in diesen Kreisen eher an eine Einschränkung der Leistungen (Hoffmann 1996: 45f.). Unterdessen forderte die ZVAS die Einführung von einheitlichen Rentensätzen in allen Ländern, sowie die Erhöhung der Mindestrenten auf 30 RM. Dies schien jedoch angesichts der unterschiedlichen ökonomischen Situationen der einzelnen Länder unmöglich. So kam für Mecklenburg eine Anhebung nicht in Frage (Hoffmann 1996: 46). Zudem wurden sowohl in Thüringen als auch in Brandenburg im Juli 1945 die Rentenzahlungen aufgrund der Notlage ganz eingestellt (Schmähl 2001: 424). Schon besser ging es den Rentnern in Sachsen: Der Sozialversicherungsanstalt des Landes war es möglich seit dem 1.August 1945 eine Höchstrente von 90 RM zu gewähren. In überaus günstiger finanzieller Situation befand sich hingegen die Versicherungsanstalt Berlin (VAB), die am 1. Juli 1945 als einheitlicher Versicherungsträger für die gesamte Sozialversicherung Berlins errichtet worden war: Sie konnte Renten von 30 RM (Mindestrente) bis zu 170 RM (Höchstrente) auszahlen (Hoffmann 1996: 47). An dieser Stelle bleibt allerdings festzuhalten, dass der Kreis von Empfängern sehr eingeschränkt war: Renten sollten nur die bekommen, die arbeitsunfähig und mittellos und außerdem nicht Mitglieder der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen waren. Diese tief greifenden Einschränkungen –so Schmähl- wurden im Mai 1946 gelockert. (Schmähl 2001: 423). Hoffmann weißt allerdings darauf hin, dass die SMAD Ende April 1946 nochmals bekräftigte, dass Mitglieder der NSDAP von den Rentenzahlungen auszuschließen seien: „Ehemalige Offiziere und Beamte der militärischen Ämter, aktive Mitglieder der faschistischen Parteien, sowie Mitglieder von SS, SA, SD und Gestapo.“ (Hoffmann 1996: 49).

Ende des Jahres 1945 wurden einheitliche Pauschalbeträge eingeführt und ab März 1946 sollten die Renten regelmäßig ausgezahlt werden. Auch in Brandenburg konnten seit Februar die Leistungen wieder gewährt werden, wobei man sich hier an die Einschränkungen der VAB orientierte (s.o.). Dies führte dazu, dass viele Rentner arbeiten mussten, was von der SED nicht ungern gesehen wurde, da dies das Arbeitspotential erhöhte (Schmähl 2001: 424).

Als ein Problem bei der Rentenauszahlung erwies sich nun allerdings der Arbeitskräftemangel sowie das Fehlen von Papier und Bürobedarf. Dadurch kam es zu Verzögerungen bei der Bearbeitung von Rentenanträgen und es gab Verspätungen von bis zu sechs Monaten bei der Auszahlung. Dies wiederum verwies die Rentner an die Sozialfürsorge der Gemeinden, die nicht die finanziellen Mittel besaßen, den Mangel zu beseitigen. Somit war eine geordnete bzw. pünktliche Auszahlung in den ersten Monaten nicht möglich (Hoffmann 1996: 47f.).

[...]


[1] Traditionelles Sozialversicherungssystem: Einzelne Versicherungszweige sind organisatorisch und finanziell voneinander getrennt. Die Finanzierung erfolgt durch Beitragszahlungen von Arbeitnehmern und –gebern und ergänzenden staatlichen Zuschüssen (vgl. Wengst 2001: 99).

[2] Die ZVAS wurde später in Deutsche Verwaltung für Arbeit und Sozialfürsorge (DVAS) umbenannt.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Soziale Sicherung in Deutschland nach 1945: Renten- und Krankenversicherung
Hochschule
Universität Mannheim
Note
2,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
20
Katalognummer
V38550
ISBN (eBook)
9783638375733
Dateigröße
552 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziale, Sicherung, Deutschland, Renten-, Krankenversicherung
Arbeit zitieren
Catrin Nähr (Autor:in), 2002, Soziale Sicherung in Deutschland nach 1945: Renten- und Krankenversicherung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38550

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