Mehr Geld für Bildung oder Bildung für mehr Geld - Humankapitalbildung und Bildungsinvestitionen in Deutschland


Hausarbeit, 2004

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zum Begriff des Humankapitals
2.1 Begriffsbestimmung und Humankapitaltheorie
2.2 Humankapitalbildung im OECD – Vergleich

3. Ressourcenallokation im deutschen Bildungssektor
3.1 Aktuelle Bildungsinvestitionen in Deutschland – der Bildungsfinanzbericht
3.2 Studiengebühren – notwendig oder hinderlich?

4. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis.

1. Einleitung

Die Betrachtung menschlicher Arbeit im Sinne von Humankapital beginnt im ökonomischen Denken, wenn auch ohne Verwendung des expliziten Begriffs, bereits zu Zeiten von Adam Smith (1723 – 1790).

„A man educated at the expense of much labour and time … may be compared to one of those expensive machines. The work which he learns to perform … will replace to him the whole expense of his education, with at least the ordinary profits of an equally valuable capital.”[1]

Die Behandlung menschlicher Kenntnisse und Fertigkeiten als Kapital oder Produktionsfaktor hat sich jedoch erst Anfang der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts etabliert.[2] Heute ist die Bedeutung von Humankapital für die Entwicklung und Prosperität einer Volkswirtschaft unbestritten. Da Deutschland kaum über natürliche Rohstoffe verfügt, ist Humankapital in Form von Wissen und Qualifikationen von entscheidender Bedeutung für das Bestehen im internationalen Wettbewerb. Dank des Systems der dualen Ausbildung in Schule und Betrieb haben über 80 Prozent der 25- 60-Jährigen in Deutschland einen höheren als den Pflichtschulabschluss, was wiederum als positiver Standortfaktor interpretiert werden kann.[3]

In jüngster Vergangenheit kam es jedoch zu einer Stagnation des Wirtschaftswachstums in Deutschland, welches gegenwärtig nach Angaben des Wirtschaftsministeriums bei 1,5 bis 2 Prozent liegt. „Neben einer Verkürzung der Arbeitszeit pro Erwerbstätigen und einem Rückgang des Anteils der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung wird in einer im internationalen Vergleich fehlenden Bildungsexpansion eine zentrale Ursache dafür gesehen.“[4] Für großes Aufsehen sorgten diesbezüglich die jüngst veröffentlichten OECD-Studien zum internationalen Bildungsvergleich (PISA, TIMS u.a.), in denen Deutschland unterdurchschnittliche Werte erzielte. In politischen Aussagen wird daher häufig eine Erhöhung der Bildungsausgaben gefordert. Ökonomen empfehlen dagegen eine Steigerung der Effektivität und Effizienz der Bildungsausgaben, zum Beispiel durch ein höheres Maß an Privatisierung und Selbstbeteiligung im Bildungswesen. Denn bisher ist der Zugang zum Bildungssektor in Deutschland nur mit geringen finanziellen Kosten für die beteiligten Individuen verbunden. Diese entstehen vor allem in der beruflichen Aus- und Weiterbildung, während Schul- und Hochschulbesuch noch überwiegend kostenfrei sind. Bedenkt man, dass im Jahr 2000 die jährlichen Durchschnittsausgaben je Schüler und Student in Deutschland mit rund 6850 $ immerhin 1100 $ über dem OECD-Ländermittel lagen, so ist die Frage nach der Effizienz der öffentlichen Bildungsfinanzierung durchaus berechtigt.[5]

Gegenstand der vorliegenden Hausarbeit soll eine Analyse der aktuellen ökonomischen Entwicklungen im deutschen Bildungssystem sein. Um die Bedeutung des Produktionsfaktors Humankapital zu verdeutlichen, werden zunächst eine nähere Begriffsbestimmung sowie die Bedeutung der Humankapitaltheorie den Schwerpunkt bilden. Nach einem internationalen Vergleich der Humankapitalbildung wird anschließend das aktuelle Investitionsvolumen in Deutschland dargestellt, sowie die Bedeutung von Studiengebühren für die öffentliche Hochschulfinanzierung analysiert.

2. Zum Begriff des Humankapitals

2.1 Begriffsbestimmung und Humankapitaltheorie

In der wissenschaftlichen Betrachtung gibt es je nach Wissenschaftszweig unterschiedliche Definitionen des Begriffs Humankapital (engl.: human capital). In der Regel wird auf die Gesamtheit aller Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Individuums verwiesen, welche durch Wissen und Wesen einer Person verkörpert und durch Aus- und Weiterbildung, aber auch Erfahrungen weiterentwickelt werden können.[6] Die OECD gebraucht dagegen eine ökonomischere Definition und bezeichnet Humankapital als: „…the knowledge, skills, competences and other attributes embodied in individuals that are relevant to economic activity“.[7] Der US-Ökonom Jacob Mincer präzisiert den Begriff noch enger und definiert den Gegenwartswert aller Einkommensströme, die ein Wirtschaftssubjekt aus dem Einsatz seiner Arbeitskraft in Zukunft erwartet, als Humankapital.[8] „Der Begriff bringt zum Ausdruck, dass erst die Ausbildung ein Individuum wirklich befähigt, volkswirtschaftlich produktiv zu sein, so wie analog beim Boden die Urbarmachung nötig ist.“[9] Unterschiede zwischen Personen bezüglich ihres Humankapitals können durch Lebensalter, Gesundheitszustand und verschiede Sozialisations- und Bildungswege auftreten. Statistisch messbar ist Humankapital daher nur indirekt, beispielsweise über die Art und Menge der schulischen Ausbildung in einem Land. Die oben erwähnten Definitionsmöglichkeiten stammen aus dem Bereich der volkswirtschaftlichen Betrachtungsweise. In der Betriebswirtschaftlehre spricht man dagegen von „human resource“, was mit Humanvermögen übersetzt werden kann und die Gesamtheit der Arbeitszeit, Leistungsfähigkeit und Motivation der Arbeitnehmer eines Unternehmens erfasst.

Nachdem die Bedeutung des Begriffs näher erläutert wurde, sollen nun die Möglichkeiten und Notwendigkeiten betrachtet werden in Humankapital zu investieren. Als zentrales Modell zur Erklärung von Bildungsinvestitionen hat sich in der Bildungsökonomie die Humankapitaltheorie etabliert. Als einer ihrer „Väter“ gilt der amerikanische Ökonom und Nobelpreisträger Gary S. Becker. „Nach der Humankapitaltheorie (Becker 1964, Mincer 1974) kann die Bildung von Humankapital als eine Investition betrachtet werden, die aufgrund des Verzichts auf Einkommen während der Zeit der Ausbildung zunächst Kosten verursacht, später aber mit einem stärkeren Lohnanstieg verbunden ist.“[10] Die Humankapitaltheorie versucht die Investitionen in Humankapital analog zu Investitionen in Sachkapital zu analysieren. Je höher die individuellen Investitionen einer Person in seine Ausbildung sind, umso höher ist demnach sein später zu erwartendes Einkommen. Die Humankapitaltheorie trägt zur Theorie der Bildungsnachfrage und der Theorie der Einkommensverteilung bei.

In der neueren Literatur werden zwei Möglichkeiten der Humankapitalbildung unterschieden. „Die erste besteht darin, mittels der Schul- und Universitätsausbildung Humankapital zu bilden. Diese Möglichkeit wird als „Education“ oder „Schooling“ bezeichnet. Zweitens kann im Rahmen der beruflichen Fort- und Weiterbildung durch das so genannte „(Job-) Training“ Humankapital erworben werden.“[11] Des Weiteren lässt sich eine Unterscheidung bezüglich der Einsetzbarkeit treffen. Humankapital, welches durch Education erworben wurde, gilt als allgemein und daher in allen Firmen einsetzbar. Durch „Training“ erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten sind dagegen in allgemeine und firmenspezifische zu unterscheiden. Letztere verkümmern folglich bei einem Berufs- oder Firmenwechsel und müssen am neuen Arbeitsplatz erneut erworben werden, während das durch „Training“ erworbene allgemeine Humankapital überall eingesetzt werden kann.[12]

Neben der hohen Priorität für den Einzelnen erscheinen Humankapitalinvestitionen auch unter makroökonomischer Betrachtungsweise als absolut notwendig. In allgemeiner Form wird das Einkommen einer Volkswirtschaft durch den Bestand an Realkapital, das Arbeitskräftepotential und den Stand des technischen Fortschritts bestimmt.[13] Im Rahmen produktionstheoretischer Ansätze sind Bildungsinvestitionen demnach als Sekundärfaktoren zu betrachten, welche zu einer Qualitätssteigerung des Faktors Arbeitskräftepotential führen. Auch der technische Fortschritt wird durch Humankapitalinvestitionen positiv beeinflusst und führt in der Konsequenz zu einer Steigerung des Volkseinkommens. Die Investitionen treten in Form der Gesamtausgaben eines Staates für Bildung und Erziehung seiner Bürger in Erscheinung.

Im Anschluss an Form und Notwendigkeit für Humankapitalinvestitionen, soll nun die Frage nach der Höhe jener Investitionen beleuchtet werden. Basierend auf der Humankapitaltheorie ergibt sich diese aus dem „optimierenden Verhalten“ des Individuums. Ökonomisch rational handelt ein Individuum, wenn die Erträge der Humankapitalinvestition die persönlichen Kosten deutlich übersteigen. Die Bildungsrendite ist ein Indikator für den Nutzen der Bildungsinvestition. Sie zeigt an, inwiefern sich ein weiteres Jahr Bildung tatsächlich auszahlt. Schüler mit geringen Kompetenzen nach dem Schulbesuch müssten, um sich optimierend zu verhalten, eine Ausbildung von geringer Dauer anstreben. Dies ermöglicht es ihnen früher und damit länger zu ihrem Lebenseinkommen beizutragen. Für Schüler mit hohen Kompetenzen lohnt sich eine längere Ausbildungsdauer, beispielsweise in Form eines Hochschulstudiums, da sie später über ein höheres Einkommen verfügen. In rein marktwirtschaftlich orientierten Systemen ist diese Entwicklung leicht nachvollziehbar. „In den USA mit eher markt- und damit knappheitsorientierter Entlohnung steigt die Lohnprämie einer tertiären Ausbildung an, was darüber hinaus zu einem leichten Anstieg des Akademikeranteils führt.“[14] In Deutschland gibt es aus institutionellen Gründen jedoch nur eine geringe Lohnspreizung zwischen hoch und gering ausgebildeten Arbeitskräften. Daraus resultiert ein verhältnismäßig geringer Anreiz für Individuen, in ihre Ausbildung zu investieren und entstehende Kosten in Form von Einkommensausfall und Zeit zunächst selbst zu tragen. So verwundert es nicht, dass Deutschland im OECD- Vergleich bei der beruflichen Weiterqualifizierung aufgrund der niedrigen Bildungsrendite als Schlusslicht rangiert. Als Konsequenz einer abgeschlossenen Schulung oder Qualifikation stieg das Jahreseinkommen deutscher Arbeitnehmer um lediglich 5,6 Prozent. Im Vergleich dazu stieg das Jahreseinkommen nach Bildungsabschlüssen in den USA um 24,6 Prozent.[15] Eine Bildungsinvestition bedeutet in Deutschland demnach nicht automatisch einen immensen Lohnvorteil, dafür aber relative Sicherheit vor Arbeitslosigkeit, denn die zunehmende Wissensintensivierung der Volkswirtschaften hat in Deutschland zu einer steigenden Arbeitslosigkeit bei geringer Gebildeten geführt.[16]

[...]


[1] Smith, Adam (1993): An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations. Oxford et al.: Oxford University Press, 1. Auflage von 1776, S.61.

[2] Vgl.: Wöhlbier, Florian (2002): Humankapitalbildung und Beschäftigung: Eine finanzpolitische Analyse.

Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag GmbH. S.5.

[3] Vgl.: Monatsbericht Deutsche Bundesbank (2003). Band 55/10. Frankfurt. S.58.

[4] Plünnecke, Axel (2003): Bildungsreform in Deutschland. Eine Positionsbestimmung aus bildungsökonomischer Sicht. Beiträge zur Ordnungspolitik. Köln: Institut der deutschen Wirtschaft. S.5.

[5] Vgl.: Monatsbericht Deutsche Bundesbank (2003). Band 55/10. Frankfurt. S.68.

[6] Vgl.: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie: http://de.wikipedia.org [Stand: 25.08.04]

[7] OECD (1998): Human Capital Investment: An International Comparison. Paris: Centre for Educational Research and Innovation. S. 9.

[8] Vgl.: Wöhlbier, Florian (2002): a.a.O. S.6.

[9] Brockhaus Enzyklopädie (1998). 19.Auflage, 10.Band. Mannheim: F.A. Brockhaus GmbH.

[10] Steiner, Viktor / Lauer, Charlotte (2000): Private Erträge von Bildungsinvestitionen in Deutschland. Discussion Paper No. 00-18. Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH. S. 2.

[11] Wöhlbier, Florian (2002): a.a.O. S.7.

[12] Vgl.: Wöhlbier, Florian (2002): a.a.O. S.8.

[13] Vgl.: Alex Laszlo / Weißhuhn Gernot (1980): Ökonomie der Bildung und des Arbeitsmarktes. Theoretische und methodische Grundlagen der Analyse der Bildungsinvestitionen und der Beziehungen zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem. Hannover: Hermann Schroedel Verlag AG. S.107.

[14] Plünnecke, Axel (2003): a.a.O. S.8.

[15] Vgl.: Niedrige Bildungsrendite in Deutschland. In: Wirtschaft und Weiterbildung 05, 29. April 2002, S. 36.

[16] Vgl.: Plünnecke, Axel (2003): a.a.O. S.8.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Mehr Geld für Bildung oder Bildung für mehr Geld - Humankapitalbildung und Bildungsinvestitionen in Deutschland
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
19
Katalognummer
V40406
ISBN (eBook)
9783638389228
ISBN (Buch)
9783638816106
Dateigröße
843 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mehr, Geld, Bildung, Geld, Humankapitalbildung, Bildungsinvestitionen, Deutschland
Arbeit zitieren
Christian Dube (Autor:in), 2004, Mehr Geld für Bildung oder Bildung für mehr Geld - Humankapitalbildung und Bildungsinvestitionen in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40406

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