Limnoökologischer Vergleich des Bodensees mit den nordpatagonischen Seen in Chile und Argentinien. Trophiesysteme. Organismenstruktur. Nahrungsnetze.


Hausarbeit, 2004

34 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Beschreibung

3. Seentypisierung

4. Trophie

5. Biomasse der Planktongruppen

6. Produktion der Planktongruppen

7. Organismenstruktur

8. Biomasse-Größenspektren

9. Nahrungsnetze

10. Zusammenfassung

11. Zitierte Literatur

1. Einleitung

Sowohl der Bodensee als auch die meisten nordpatagonischen Seen lassen sich der „Gruppe“ der großen und tiefen, (ultra-)oligotrophen bis mesotrophen, warm monomiktischen Seen der temperierten Zone zuordnen. So ist es möglich sie limnoökologisch unmittelbar miteinander zu vergleichen.

Im Bodensee wurden bereits zu Ende des 19. Jahrhunderts erste hydrologische und limnologische Studien durchgeführt, es wurden von diesem See mehrere bedeutende allgemeine limnologische Konzepte abgeleitet und er gilt heute als einer der bestuntersuchtesten Seen Europas. Im Gegensatz dazu befindet sich die limnologische Forschung im Bereich der nordpatagonischen Seen in Chile und Argentinien noch verhältnismäßig in den Kinderschuhen. Beginnend mit den frühen 1960er Jahren wurden sie erstmalig von THOMASSON (1963) und später dann von CAMPOS und Mitarbeitern in einer Reihe von Arbeiten beschrieben, die sich aber vor allem mit der Morphometrie, der Hydrographie, der Wasserchemie und überwiegend deskriptiven Bestandsaufnahmen der Planktonzönose (v.a. Phytoplankton, Crustaceen, gelegentlich auch Rotatorien) beschäftigten. Auch existieren einige biogeographische Studien über die Crustaceengemeinschaft, die Copepoden, die Daphnien und die Rotatorien. Die Gruppe der Ciliaten, der Flagellaten und des Picoplanktons blieben weitgehend unberücksichtigt. Erstmalig von WÖLFL (1995) wurde versucht alle Gruppen zusammen zu erfassen.

In ähnlicher Weise existieren bis heute außer einigen Arbeiten von SOTO (Soto & Campos 1995; Soto & Stockner 1996; Soto 2002a; SOTO 2002b) und STEINHART (2002) ebenfalls kaum Studien die mehrere bzw. alle nordpatagonischen Seen vergleichend darstellen.

Für diese Arbeit wird deshalb vor allen Dingen auf Daten von WÖLFL (1995) für die beiden chilenischen Seen Pirehueico und Riñihue zurückgegriffen. Die beiden See stehen stellvertretend als Beispiel für den Typus des eher (ultra-)oligotrophen bzw. des oligo/mesotrophen Sees. Alle anderen nordpatagonischen Seen können weitestgehend einem von beiden Typen zugeordnet werden. Der Riñihuesee gilt neben dem Nahuel-Huapi-See auf der argentinischen Seite des Seendistriktes generell als der bestuntersuchteste der nordpatagonischen Seen.

2. Beschreibung

Das nordpatagonische bzw. araukanische Seengebiet befindet sich im südlichen Teil des südamerikanischen Kontinents in der Zone der warmtemperierten Regenwälder ungefähr zwischen 39° und 42° südlicher Breite. Es setzt sich zusammen aus einem chilenischen und einem argentinischen Distrikt mit zahlreichen großen (>5km2), tiefen (120-337 (-464) m) meist oligotrophen, warm monomiktischen Seen, die in die Andenkordillere eingebettet oder dieser vorgelagert sind. Die meisten Seen sind glazialen oder tektonischen Ursprungs und erhielten ihr heutiges Niveau und ihre heutige Morphologie ungefähr vor 10.000 bis 12.000 Jahren (SOTO & CAMPOS 1995; WÖLFL 1995).

Das Gebiet ist sehr wasserreich mit von Westen nach Osten zum Andenhauptkamm hin zunehmenden Niederschlägen (2000-6000 mm a-1), so dass die Abflussmengen, trotz der im Verhältnis zur Seengröße relativ kleinen Einzugsgebiete, sehr groß und die theoretische Wasseraustauschzeit der meisten Seen sehr kurz ist, in den meisten Fällen zwischen 1 und 4 Jahren (siehe Tab. 2.1) (WÖLFL 1995). Östlich der Anden nehmen die Niederschlagssummen wieder stark ab. Die Einzugsgebiete der meisten argentinischen Seen befindet sich aber noch in Räumen mit verhältnismäßig hohen Niederschlägen (500-2700 mm a-1). Der Großteil der Niederschläge ist im Herbst und Winter zu verzeichnen (MODENUTTI et al.1998).

Nach THOMASSON (1963) werden beide Seendistrikte als "Araukanische Seen" ("Araucanian Lakes") zusammengefasst. Als Synonym dafür wird in dieser Arbeit der Ausdruck nordpatagonische Seen verwendet.

Die Wasserläufe der chilenischen Seenregion orientieren sich von Osten nach Westen von der Andenkordillere zum Pazifischen Ozean. Es lassen sich die 17 größten Seen von Norden nach Süden im wesentlichen sechs Flusseinzugsgebieten zuordnen: Rio Toltén, der den Abfluss der Seen Villarrica, Caburgua und Colico vereinigt, Rio Valdivia der die Seen Lacar (Argentinien), Pirehueico, Neltume, Pellaifa, Calafquen, Panguipulli und Riñihue zusammenfasst, Rio Bueno, der die Seen Ranco, Maihue, Gris und Puyehue entwässert und die Flüsse Rio Maullin, Rio Petrohue und Rio Chamiza die jeweils dem Llanquihuesee (mit 870 km2 größter der nordpatagonischen Seen), dem Todos-Los-Santos-See bzw. dem Chaposee zuzuordnen sind (SOTO & CAMPOS 1995).

Die argentinischen Seen auf der Ostseite der Anden gehören alle zum Einzugsgebiet des Rio Negro. Die 16 größten Seen sind hier von Norden nach Süden Moquehue, Alumine, Quillén, Tromén, Huechulafquen, Currhue, Lolog, Lacar, Traful, Espejo, Correntoso, Nahuel Huapi, Gutierrez, Mascardi, Guilliermo und Puelo, wobei der Nahuel-Huapi-See mit einer Oberfläche von ca. 600 km2 und einer größten Tiefe von 464 m der bedeutendste auf der Andenostseite ist.

Die beiden wichtigsten Faktoren die den gegenwärtigen Zustand der temperierten Seen in Chile und Argentinien beeinflussen sind: a) Landnutzungsänderungen, die zu Zerstörung und Ersetzung von Urwäldern und zu einer zunehmenden Verschmutzung und Eutrophierung der Gewässer durch menschliche Aktivitäten (Landwirtschaft, Viehhaltung, Abwässer, etc.) führen und b) Einführung exotischer Süßwasserarten, wie Salmoniden, die sowohl auf die wilden Populationen als auch auf die ökologischen Prozesse negative Auswirkungen haben (SOTO & CAMPOS 1995).

Die folgende Karte zeigt einen Überblick über den nordpatagonischen Seendistrikt in dem die meisten der im Text erwähnten Seen namentlich gekennzeichnet sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.1: Übersichtskarte über das araukanische bzw. nordpatagonische Seengebiet (aus THOMASSON 1963)

Der Bodensee, nach dem Genfer See der zweitgrößte See Zentraleuropas, ist ebenfalls ein großer, tiefer, warm monomiktischer See glazialen Ursprungs am Nordrand der Alpen. An den See grenzen die drei Länder Deutschland, Österreich und die Schweiz, wobei allerdings der Verlauf der Grenzen im See selber nicht genau festgelegt ist. Der Bodensee ist traditionell unterteilt in zwei Becken, dem kleineren (62,4 km2), flacheren (hmax = 40 m, hmean = 13 m) und eutropheren Untersee und dem, durch den 4 km langen Seerhein damit verbundenen, Obersee. Der Obersee hat eine Durchschnitts- und Maximaltiefe von 101 m bzw. 253,3 m, eine Oberfläche von rund 472,3 km2 und ein Volumen von 47,6 km3 (WESSELS 1998). Für diese Arbeit wird dem Untersee weiter keine Beachtung geschenkt und es soll im Folgenden der Begriff Bodensee immer als Synonym für den Obersee verwendet werden.

Den Alpen vorgelagert nehmen für den Bodensee die Niederschläge von 800 mm am Westufer auf ca. 1400 mm am Ostufer zu. Der Hauptzufluss des Bodensee ist der Alpenrhein, der am Ostende des Sees mit einer Wassermenge von durchschnittlich 230 m3/s einmündet und durch den Seerhein und den Untersee im Westen den Bodensee als Rhein wieder verlässt. Das Einzugsgebiet des Bodensees beträgt ca. 11.890 km2 an dem allein der Alpenrhein mit 6.119 km2 einen Anteil von 51,5% hat (WESSELS 1998). Die durchschnittliche Wasseraustauschzeit beträgt 4,5 Jahre (BÄUERLE & GAEDKE 1998a). Während der Stratifizierungsperiode umfasst das gut durchmischte Epilimnion häufig nur einige Meter und geht nach unten über in ein mächtiges Metalimnion (ca. 15-30 m), was sich durch stetig abnehmende Temperaturen auszeichnet. Die Hypolimniontemperaturen betragen ungefähr 4-5 °C während des ganzen Jahres. Der Bodensee ist weitgehend autochthon und energetisch gesehen von den litoralen und benthischen Zonen unabhängig. Am intensivsten beforscht wurde bisher der im Nordwesten gelegene fjordartige Überlinger See, der kaum nennenswerte Zuflüsse besitzt. (BÄUERLE & GAEDKE 1998a). Während des 20. Jahrhunderts bis ungefähr 1980 vollzog der Bodensee eine intensive Eutrophierungsphase infolge stark zugenommener kommunaler Phosphorfrachten. In den fünfziger Jahren stiegen die Gesamtphosphorkonzentrationen während der Winterdurchmischung (TPmix) zunächst auf ungefähr 5-8 μg/l an und erreichten Werte von bis zu 80 μg/l während der späten siebziger und frühen achtziger Jahre. Zu dieser Zeit wurde der See als mesoeutroph klassifiziert. Es folgte ein stabiler und fortlaufender Reoligotrophierungsprozess auf Grundlage von umfangreichen Abwasserbehandlungen. Gegenwärtig befindet sich der See in einem Wechsel von mesoeutrophen zu eher oligotrophen Bedingungen. Im Jahr 1997 nahm die TPmix–Konzentration bereits wieder bis auf ungefähr 18 μg/l ab, so dass der Bodensee heute als mesotroph eingeordnet werden kann (GÜDE et al. 1998).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.2: Lage und Tiefenzonen des Bodensees. Grau schattierte Bereiche stellen Wassertiefen < 10 m dar (aus WESSELS 1998)

Die folgende Tabelle zeigt einige Kennwerte von neun Seen des chilenischen Seendistriktes im Vergleich mit dem Bodensee.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2.1: Charakterisierung einiger chilenischer Seen der IX. und X. Region im Vergleich mit dem Bodensee. Werte mit * bei den chilenischen Seen entsprechen mesotrophen Werten, weshalb es sein kann, dass sich die Seen Villarrica, Panguipulli und Rinihue gerade in einer Veränderung hin zu einem mesotrophen Zustand befinden. Die Daten für die chilenischen Seen stammen von SOTO & CAMPOS (1995) und die Daten für den Bodensee von BÄUERLE et al. (1998b), GÜDE et al. (1998) HÄSE et al. (1998) und WESSELS (1998).

3. Seentypisierung

Der nordpatagonische Seendistrikt ist noch in keiner vergleichenden Darstellung beschrieben worden. Seit der Übersichtsarbeit von THOMASSON (1963) wurden nur einzelne Gruppen der südchilenischen Seen, wie z.B. das Zooplankton, vergleichend behandelt. Eine das Ökosystem einbeziehende Darstellung fehlt hingegen. Die Argentinischen Seen auf der Andenostseite wurden, mit Ausnahme des Nahuel-Huapi-Sees, bis jetzt sehr unvollkommen oder gar nicht bearbeitet. WÖLFL (1995) versucht nun, aufbauend auf den Untersuchungen in den beiden chilenischen Seen Riñihue und Pirehueico, eine Typisierung der nordpatagonischen Seen vorzunehmen.

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Abb. 3.1: Lage der Seen Pirehueico und Riñihue im chilenischen Seendistrikt nahe der argentinischen Grenze (aus WÖLFL 1995)

Dazu wird versucht, ähnlich dem PEG-Modell, einen Modellsee eines idealisierten, nordpatagonischen Sees zu erstellen. Unter "idealisiert" wird in diesem Zusammenhang ursprünglich im Sinne eines anthropogen noch nicht alterierten Sees verstanden. Diesem wird dann der Typus eines alterierten nordpatagonischen Sees gegenübergestellt und versucht die nordpatagonischen Seen diesen beiden Seentypen zuzuordnen. Diese zwei Seentypen sind aber keinesfalls als starr zu sehen. Übergänge und Mischformen sind sicherlich vorhanden.

Als Modellsee dient der Pirehueicosee, der vier wesentliche Charakteristika aufweist, die den Typus eines (ultra-)oligotrophen, noch ursprünglichen Sees Nordpatagoniens auszeichnen:

1. eine geringe Produktivität und ein geringes Nahrungsangebot
2. mixotrophe Ciliaten dominieren
3. calanoide Copepoden sind wesentlich bedeutender als cyclopoide Copepoden und Cladoceren
4. mixotrophe Chrysophyceen und große Diatomeen dominieren das Phytoplankton.

Dieser Seentyp wird als Stentor-dominated-lake bezeichnet, da diese Gattung das auffälligste Merkmal dieses Typus darstellt. Es wird aber darauf verwiesen, dass Stentor nicht einen absoluten Trophieindikator darstellt, sondern nur ein typischer Bestandteil (ultra-)oligotropher Seen ist.

Als Weiterentwicklung im Zuge einer Trophieerhöhung lässt sich ein oligo/mesotropher Seentyp definieren, der als Calanoid-dominated-lake bezeichnet wird. Als Modellsee kann hier der Riñihuesee angesehen werden. Kennzeichen diese Typus sind:

1. erhöhte Chlorophyllwerte und eine erhöhte Primärproduktion
2. das (völlige?) Fehlen von mixotrophen Ciliaten
3. die weit größere Bedeutung der cyclopoiden Copepoden und Cladoceren (auch Daphnia)

Die Ciliaten werden v.a. durch Zunahme carnivorer Copepoden exterminiert. Fehlen Prädatoren von mixotrophen Ciliaten, so können diese auch in mesotrophen Seen dominieren.

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien lassen sich die nordpatagonischen Seen, soweit Daten existieren, folgendermaßen zuordnen:

Zum Stentor-dominated-lake (Typ: Pirehueicosee) gehören auf der Andenwestseite die Seen Pirehueico, Rupanco, Puyehue, Maihue, Chapo, Llanquihue und Villarrica (?) und auf der Andenostseite die Seen Nahuel Huapi, Espejo, Moreno, Guttiérez, Guillermo und Mascardi. Dem Calanoid-dominated-lake (Typ: Rinihuesee) sind auf der Andenwestseite die Seen Rinihue, Ranco (?), Calafquen (?) und Panguipulli (?) und auf der Andenostseite der Futalafquen zuzuordnen.

Die argentinischen Seen Nordpatagoniens gehören also zu über 90% dem ursprünglichen Seentyp an während die araukanischen Seen Südchiles zu einem größeren Anteil dem eutropheren Calanoid-dominated-lake zuzuordnen sind.

In WÖLFL (1995) wird im Weiteren nun versucht den Riñihuesee und Pirehueicosee mit dem Bodensee anhand des PEG-Modells (Plankton-Ecology-Group, SOMMER et al. 1986) zu vergleichen, für das der letztgenannte See als Modellsee herangezogen wurde.

Das PEG-Modell stellt die saisonale Phyto- und Zooplanktonsukzession eines mesotrophen Sees mit dem Grundmuster des Bodensees anhand von 24 Statements dar. Ebenso wie die anderen 23 Seen, die in SOMMER et al. (1986) mit dem idealisierten Modellsee verglichen wurden, nur teilweise Übereinstimmungen mit dem PEG-Statements aufweisen, konnte dies auch für den Riñihue- und den Pirehueicosee gefunden werden. Die Hauptunterschiede bestehen in den besonderen Gegebenheiten der Phytoplanktonentwicklung, die ein Wintermaximum aufweist, sowie in der Zooplanktonentwicklung mit nur einem Populationswachstum. Die dominierenden mixotrophen Ciliaten im Pirehueicosee schließlich nehmen auch im Vergleich mit den anderen 23 Seen, eine absolute Sonderstellung ein. Bessere Übereinstimmung ergeben sich jedoch mit dem idealisierten Modellsee des oligotrophen Seentyps nach SOMMER et al. (1986). Um dies zu verdeutlichen wurden in Abb. 3.2 schematisch die saisonalen Entwicklungen der Planktongemeinschaft im Riñihuesee und im Pirehueicosee den beiden Modellseen des oligotrophen und des eutrophen Typus gegenübergestellt. Es wurde dazu in schematischer Weise die Saisonalentwicklung der Phytoplankton- und Zooplanktongemeinschaft der beiden Seen Riñihue und Pirehueico in demselben Diagramm dargestellt. Die wesentlichen Unterschiede zwischen beiden Seen, wie beispielsweise die mixotrophen Ciliaten und die Blaualgenblüte, können der Abbildung entnommen werden. Abgesehen von dem, in den chilenischen Seen vorhandenen winterlichen Diatomeenmaximum, entspricht die Saisonalentwicklung im Riñihue- und im Pirehueicosee weitestgehend der des oligotrophen Seentyps der Nordhalbkugel. Wenngleich im Riñihuesee die Zooplanktonbiomasse, ähnlich wie in den mesoeutrophen Seen der Nordhalbkugel, größere Schwankungen aufweist, so ist doch die generell eingipfelige Zooplanktonentwicklung typisch für die oligotrophen Seen der Nordhemisphäre. Bezüglich der Phytoplanktonentwicklung lassen sich für den Riñihue- und den Pirehueicosee die großen Diatomeen und die phagotrophen Chrysophyceen als Gemeinsamkeiten nennen, welche auch in den oligotrophen Seen der Nordhalbkugel nachzuweisen sind. Das Auftreten von Cyanophyceen, wie im Riñihuesee, ist dagegen in den oligotrophen Seen der Nordhalbkugel seltener zu beobachten und ist auf die niedrigeren Stickstoffkonzentrationen im Riñihuesee zurückzuführen. Ein weiterer Unterschied zu den oligotrophen Seen der Nordhalbkugel dürfte in der generell geringen Bedeutung der Prädation, sei es durch Invertebraten oder durch Vertebraten, liegen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3.2: A-D stellt die Entwicklung des Phytoplanktons (A,B) und Zooplanktons (C,D) in einem idealisierten eutrophen (A, C) und oligotrophen See (B,D) nach SOMMER et al. ( 1986) dar. Leicht schraffierte Flächen bedeuten kleine Algen (A,B) bzw. kleine Herbivore (C,D). Dunkle Flächen bedeuten große Algen (A,B) und große Herbivore (C,D). Gestrichelte Linie in A,B = Zooplanktonbiomasse, gestrichelte Linie in C,D = Phytoplanktonbiomasse.

E stellt die saisonale Entwicklung (stark vereinfacht) in den Seen Riñihue und Pirehueico dar. Mixotrophe Ciliaten gelten nur für den Pirehueicosee. Die horizontalen Diagramme kennzeichnen Perioden, in denen bestimmte Faktoren von Bedeutung sind (nach WÖLFL 1995).

Im Folgenden ist nun nach WÖLFL (1995) der Vergleich des Bodensee - in Form der 24 PEG-Statements - mit dem Pirehueico- und dem Riñihuesee (als Beispiele der zwei Haupttypen der nordpatagonischen Seenregion) aufgelistet:

PEG 1: Gegen Ende des Winters erlaubt die Nährstoffverfügbarkeit und die Lichtzunahme unbeschränktes Phytotplanktonwachstum. Es entwickelt sich eine Frühjahrsblüte schnellwachsender Algen, wie Cryptophyceae und kleiner zentrischer Diatomeen.

Riñihue und Pirehueico: Eine Frühjahrsblüte von Nanoalgen tritt nur im Riñihuesee auf, ansonsten dominieren große Diatomeen, die in zunehmenden Maße von Blaualgen und Chrysophyceen (Pirehueicosee) ersetzt werden.

PEG 2: Diese Blüte kleiner Algen wird von herbivoren Zooplanktonarten verwertet, die durch das Schlüpfen aus Ruhestadien als auch durch die, durch das große Angebot an konsumierbaren Algen hervorgerufene, hohe Fekundität abundant werden.

PEG 3: Als erstes nehmen die Populationen planktischen Herbivoren mit kurzen Generationszeiten zu, auf die dann langsamer wachsende Arten folgen.

Riñihue: Weitgehende Übereinstimmung mit dem PEG-Modell.

Pirehueico: Die Zooplanktonentwicklung stimmt zwar prinzipiell mit dem PEG-Modell überein, der Ciliatenpeak besteht aber überwiegend aus mixotrophen Ciliaten, die im PEG-Modell nicht erwähnt werden. Sie bilden zusammen mit den Crustaceen (Boeckella) im Frühjahr hohe Populationsdichten.

PEG 4: Die Populationen der Herbivoren nehmen exponential zu, bis zu dem Punkt wo ihre Dichte ausreicht um eine so hohe Filtrationsrate zu erzeugen, dass ihre Grazingrate die Reproduktionsrate des Phytoplanktons übertrifft.

PEG 5: Als Konsequenz des Herbivorengrazings nimmt die Phytoplanktonbiomasse schnell auf ein sehr niedriges Niveau ab. Es folgt ein Klarwasserstadium, das so lange anhält bis sich die fressbaren Algenarten wieder in bedeutender Anzahl entwickeln. Nährstoffe werden im Grazingprozess recycelt und können sich während des Klarwasserstadiums akkumulieren.

PEG 6: Herbivore Zooplanktonarten werden nahrungslimitert und sowohl ihr Körpergewicht pro Längeneinheit als auch ihre Fekundität nimmt ab. Daraus ergibt sich eine Abnahme der Populationsdichte und der Biomasse.

Riñihue und Pirehueico: In beiden Seen kann eine durch das Zooplankton hervorgerufene Klarwasserphase nich t beobachtet werden, da die dominierenden Diatomeen vor allem durch Sedimentationsverluste abnehmen. Exponentielles Wachstum des Zooplanktons dezimiert das fressbare Phytoplankton und es kommt zu einer Nahrungslimitierung. Im Pirehueicosee üben mixotrophe Ciliaten und Crustaceen einen (potentiell) hohen Grazingdruck auf das Phytoplankton aus, das aber überwiegend aus schlecht fressbaren Algen besteht.

PEG 7: Die Prädation durch Fische beschleunigt die Abnahme der herbivoren Planktonpopulationen hin zu einem sehr niedrigen Niveau. Die Trend wird begleitet durch einen Wechsel hin zu kleineren Durchschnittskörpergrößen bei den Crustaceen.

Riñihue und Pirehueico: Im Gegensatz zum PEG-Modell kann ein nachhaltiger Prädationsdruck durch Fische weder im Riñihuesee noch im Pirehueicosee beobachtet werden. Als Hauptursache für den Zusammenbruch der Zooplanktonpopulation am Ende des Sommers kommt Nahrungslimitation in Frage.

PEG 8: Unter den Bedingungen von vermindertem Grazingdruck und den weiterhin ausreichenden Nährstoffkonzentrationen beginnt sich eine Phytoplanktonsommerblüte auszubilden. Die Zusammensetzung des Phytoplanktons wird im Sommer sehr komplex; sowohl aufgrund der Zunahme der Artenreichtums als auch wegen der funktionalen Diversifizierung in kleine "undergrowth"-Arten (die als Nahrung für Filtrierer verfügbar sind) und große "canopy"-Arten (die nur von einigen Spezialisten wie Greifern und Parasiten konsumiert werden).

[...]

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Limnoökologischer Vergleich des Bodensees mit den nordpatagonischen Seen in Chile und Argentinien. Trophiesysteme. Organismenstruktur. Nahrungsnetze.
Hochschule
Universität Potsdam
Note
1,5
Autor
Jahr
2004
Seiten
34
Katalognummer
V41517
ISBN (eBook)
9783638397605
Dateigröße
2870 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Dichter Text - einzeiliger Zeilenabstand
Schlagworte
Limnoökologischer, Vergleich, Bodensees, Seen, Chile, Argentinien, Trophiesysteme, Organismenstruktur, Nahrungsnetze
Arbeit zitieren
Andre Terwei (Autor:in), 2004, Limnoökologischer Vergleich des Bodensees mit den nordpatagonischen Seen in Chile und Argentinien. Trophiesysteme. Organismenstruktur. Nahrungsnetze., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41517

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