Das Zufluss- / Abflussprinzip des § 11 EStG und seine Grenzen


Diplomarbeit, 2005

80 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

Abkürzungen

1 Einleitung

2 Grundbegriffe des Steuerrechts
2.1 Einkommen als Merkmal persönlicher Leistungsfähigkeit und das Prinzip der Abschnittsbesteuerung
2.2 Einkünfte im Rahmen der Einkommensteuer
2.3 Steuerlich relevante Einnahmen und Ausgaben
2.3.1 Voraussetzungen für den Einnahmentatbestand
2.3.2 Voraussetzungen für den Ausgabentatbestand
2.4 Untersuchung des Einnahmen- bzw. Ausgabentatbestands an Beispielen
2.4.1 Buchgutschriften auf besonderem Konto beim Schuldner
2.4.2 Novation
2.4.3 Tausch
2.4.4 Ausgabentatbestand im Fall der Anschaffung von Vermögenswerten
2.5 Persönliche Zurechnung von Einnahmen und Ausgaben

3 Das Zufluss-/Abflussprinzip des § 11 EStG
3.1 Der § 11 EStG und seine historische Entwicklung
3.2 Geltungsbereich des § 11 EStG
3.2.1 Sachlicher Geltungsbereich
3.2.2 Persönlicher Geltungsbereich
3.3 Bestimmung des Zufluss- bzw. Abflusszeitpunktes
3.3.1 Allgemein
3.3.1.1 Zeitpunkt des Zuflusses
3.3.1.2 Zeitpunkt des Abflusses
3.3.1.3 Korrespondenz von Zufluss- und Abflusszeitpunkt
3.3.2 Spezielle Anwendungsfälle
3.3.2.1 Geldschulden
3.3.2.2 Instrumente zur Abkürzung des Leistungswegs
3.3.2.3 Zufluss- und Abflusszeitpunkte im Zusammenhang mit Sachwerten
3.3.2.4 Vorauszahlungen

4 Ausnahmen vom Zufluss-/Abflussprinzip
4.1 Regelmäßige Zahlungen um die Jahreswende
4.1.1 Gesetzliche Regelung und deren Zweck
4.1.2 Anwendungsvoraussetzungen
4.1.3 Kritische Beurteilung
4.2 Langfristige Vorauszahlungstatbestände
4.2.1 Grundlage der Einführung der Norm
4.2.2 Gesetzliche Regelung und Anwendungsbereich
4.2.3 Kritische Beurteilung
4.3 Zufluss von laufendem Arbeitslohn
4.3.1 Gesetzliche Regelung und Anwendungsbereich
4.3.2 Einnahmen aus laufendem Arbeitslohn vs. sonstige Bezüge
4.4 Weitere Durchbrechungen nach speziellen Vorschriften des EStG
4.4.1 Erhaltungsaufwendungen
4.4.2 Großspenden
4.4.3 Einmaltatbestände im Sinne der §§ 22 Nr. 3 und 23 EStG

5 Schlussbemerkung

Quellenverzeichnis

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Mit dem EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz (EURLUmsG) vom 9. Dezember 2004[1] wur­de kürzlich eine Änderung des § 11 EStG vorgenommen. Damit wurde die Vor­schrift, welche ursprünglich als eine einfach zu handhabende Regel zur zeitlichen Zuordnung von Einnahmen und Aus­gaben zu einem Besteuerungsabschnitt vorgesehen war, wieder einmal eingeschränkt.

In dieser Arbeit werde ich diese vermeintlich einfache Problematik des „Zufluss-/Abflussprinzips“ darstellen und werde untersuchen, inwieweit diese für steuerlich unkundige Personen noch verständlich und leicht anwendbar ist. Bevor ich jedoch zur Untersuchung des § 11 EStG komme, ist es notwendig, im folgenden Abschnitt zunächst einige Grundlagen des deutschen Steuerrechts darzustellen.

Bei der Regelung des § 11 EStG handelt es sich lediglich um eine Zuordnungsvorschrift, sie sagt nichts über die sachliche Qualifikation von Einnahmen und Ausgaben aus. Dies ist also im Vorfeld der zeitlichen Untersuchung zu klären. Wie wir noch sehen werden, ergeben sich hier erste Schwierigkeiten in der Bestimmung des Einnahmen- bzw. Ausgabentatbestands. Ich werde an einigen Beispielen darstellen, wo sich problematische Abgrenzungsfälle ergeben. Es handelt sich dabei nicht um eine abschließende Darstellung. Sie sollen le­dig­lich ein Grundverständnis vermitteln, welche Kriterien zur Beurteilung hilfreich und not­wendig sind. Bei der Auswahl der Beispiele habe ich mich daran orientiert, welche Fäl­le in Literatur und Rechtsprechung Diskussionen um den Zufluss- bzw. Abfluss­zeit­punkt ausgelöst haben.

Wichtig vor der Betrachtung der zeitlichen Dimension ist auch die persönliche Zu­ord­nung, da daran anknüpfend erst beurteilt werden kann, ob für die erzielten Einnahmen und Ausgaben das Zufluss-/Abflussprinzip Gültigkeit besitzt, oder ob eine andere Zu­rech­nung der Einkünfte zu einer Besteuerungsperiode maßgeblich ist. Auch hier werde ich an einigen Beispielen darstellen, wo sich bei der persönlichen Zuordnung Fragen er­geben.

Im dritten Abschnitt meiner Arbeit stelle ich das Zufluss-/Abflussprinzips dar, als eine der Möglich­kei­ten einer eindeutigen Zuordnung der Einnahmen und Ausgaben zu einem Veran­lagungs­zeit­raum. Die eindeutige Zuordnung ist wichtig, um eine Nichter­fassung bzw. Doppel­er­fassung zu vermeiden. Bei Betrachtung einiger Instrumente zur Gestaltung der Zah­lun­gen wird deutlich werden, dass der Steuerpflichtige im Geltungsbereich des § 11 EStG die Höhe seines jährlichen steuerpflichtigen Einkommens, und damit die Höhe der geschuldeten Einkommensteuer, in gewissem Maße durch Wahl der Zahlungsweise be­ein­flussen kann.

Einige dieser Gestaltungsmöglichkeiten waren wiederum der Finanzverwaltung ein Dorn im Auge, da damit gegenwärtig erhebliche Haushaltseinbußen ein­her­gingen. Dies war ein Grund für gesetzliche Einschränkungen des Zufluss-/Ab­fluss­prinzips. Im vierten Abschnitt werde ich abschließend die wichtigsten Ausnahmeregelungen darstellen. Eine Rolle spielen dabei nicht nur die Abweichungen, die im § 11 EStG selbst verankert sind, sondern auch die Durch­brechungen des Zufluss-/Abflussprinzips, die sich aus anderen Vorschriften des EStG ergeben.

2 Grundbegriffe des Steuerrechts

2.1 Einkommen als Merkmal persönlicher Leistungsfähig­keit und das Prinzip der Abschnittsbesteuerung

Die Einkommensteuer erfasst die persönliche Leistungsfähigkeit eines Steuersubjekts. Be­messungsgrundlage ist das zu versteuernde Einkommen i. S. des § 2 Abs. 5 S. 1 EStG. Dieses wird über mehrere Stufen ermittelt. Zuerst ist der Gesamtbetrag der Einkünf­te über die sieben Einkunftsarten zu bestimmen. Davon sind im weiteren Verlauf ne­ben dem Verlustabzug gemäß § 10 d EStG auch gewisse Ausgaben der privaten Sphä­re des Steuerpflichtigen abzugsfähig, die Sonderausga­ben und außergewöhnlichen Be­la­stungen.

Es ergibt sich das Einkommen als Merkmal der persönlichen Leistungsfähigkeit des Steu­er­subjekts. Um zum versteu­ernden Einkommen zu gelangen, sind daraufhin u. U. noch diverse Freibeträge abzugsfä­hig. Diese spielen jedoch im Rahmen meiner Arbeit kei­ne weitere Rolle, so dass ich im weiteren Verlauf aus Vereinfachungsgründen davon aus­ge­hen werde, dass das zu versteuernde Einkommen dem Einkommen entspricht.

Die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer ist geprägt durch das Prinzip der Abschnittsbe­steu­erung. Es handelt sich also um eine periodisch erhobene Steuer, deren Bemessungs- und Veranlagungszeitraum gemäß § 2 Abs. 7 S. 1 EStG i. V. m. § 25 Abs. 1 EStG stets das Kalenderjahr ist.

Davon abzugrenzen ist der Ermittlungszeitraum. Dies ist der Zeitraum, in dem die Einnah­men zu- und die Ausgaben abfließen. Dieser umfasst im Regelfall ebenfalls das Kalen­der­jahr, kann aber auch kürzer sein, sofern die persönliche Steuerpflicht nicht im ge­samten Veranlagungszeitraum vorliegt. Dies ist insbesondere bei Eröffnung bzw. Aufga­be eines Betriebes gegeben, sowie bei Umstellung von oder auf ein abweichen­des Wirt­schaftsjahr. Es entsteht hier ein Rumpfwirtschaftsjahr.

Im Rahmen der Gewinneinkünfte ist der Gewinnermittlungszeitraum nach § 4 a Abs. 1 S. 1 EStG i. V. m. §§ 8 b und 8 c EStDV das Wirtschaftsjahr. Dieses stimmt nicht unbe­dingt mit dem Kalenderjahr überein. Es stellt sich also die Frage, wie der ermittelte Ge­winn – und damit die Einnahmen und Ausgaben des Wirtschaftsjahres – dem Kalenderjahr zuzuordnen sind. Ist dieser auf mehrere Kalenderjahre zu verteilen oder insgesamt einem Kalenderjahr zuzurechnen (z. B. dem Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr endet)? Beantwortet wird diese Frage in § 4 a Abs. 2 EStG.

Ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr ist nur i. R. der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft möglich. Bei Gewerbetreibenden ist dafür die Eintragung im Handelsregister Voraussetzung. In diesem Fall ist der Gewinn jedoch regelmäßig mittels Betriebsvermögensvergleich zu bestimmen, so dass bei Einkünften aus Gewerbebetrieb der § 11 EStG ohne Bedeutung und für meine weiteren Untersuchungen in dieser Arbeit irrelevant ist. Bei Land- und Forstwirten ist das Wirtschaftsjahr i. d. R. auf den Zeitraum vom 1. Juli eines Jahres bis zum 30. Juni des Folgejahres festgelegt. Da hier die Gewinnermittlung nach Einnahmen-Überschuss­rech­nung möglich ist, ist in diesem Fall das vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahr auch im Geltungsbereich des § 11 EStG relevant.

2.2 Einkünfte im Rahmen der Einkommensteuer

Nicht alle Vermögensveränderungen sind als Einkünfte zu qualifizieren. Steuerbar i. R. der Einkommensteuer sind ausschließlich Vermögensveränderungen, welche die Voraussetzungen einer der sie­ben Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 7 EStG erfüllen.

Bei den Einkünften handelt es sich um den Reinertrag der jeweiligen Einkunftsart, was bedeutet, dass von den erzielten Einnahmen die objektiv notwendigen, mit der jeweiligen Einnahmenerzielung in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Ausgaben abzuziehen sind und nur die sich ergebende Nettogröße als Merkmal der Leistungsfähigkeit zu besteuern ist. Der Reinertrag kann positiv oder negativ sein. Negative Einkünfte führen jedoch nicht zu einer negativen Einkommensteuer. Sie können jedoch i. R. der Ermittlung der Summe der Einkünfte mit positiven Einkünften anderer Einkunftsarten im gleichen Veranlagungszeitraum ausgeglichen werden, und damit die Einkommensteuer mindern. Darüber hinaus ist auch der Verlustabzug nach § 10 d EStG mit positiven Einkünften anderer Veranlagungszeiträume möglich.

Zur Ermittlung der Einkünfte einer Einkunftsart werden gemäß § 2 Abs. 2 EStG grundsätzlich zwei Arten unterschieden:

die Ermittlung des Gewinns sowie

die Ermittlung des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten.

Des Weiteren unterscheidet man auf der Ebene der Gewinnermittlung unterschiedliche Methoden. Die beiden wichtigsten sind der Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 und § 5 EStG sowie die Einnahmen-Überschussrechnung i. S. des § 4 Abs. 3 EStG. Letztere gleicht der Ermittlung von Überschusseinkünften.

Wesentliche Unterschiede bei der Ermittlung des Gewinnes ergeben sich dabei aus der unterschiedlichen Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben zu den Besteuerungsabschnitten, was zu voneinander abweichenden Periodenergebnissen führt. Bei Betrachtung der Totalperiode ist die Summe aller Einkünfte bei beiden Ermittlungsmethoden (theo­retisch) gleich hoch.[2] Damit geht jedoch keine gleich hohe Gesamtsteuerbelastung ein­her. So ergeben sich z. B. Abweichungen durch die Änderung der Steuertarife im Zeitablauf bzw. Änderung der per­sön­lichen Rahmenbedingungen des Steuerpflichtigen, wie die persönlichen Freibeträge bzw. die Höhe des persönli­chen Steuersatzes im progressiven Steuertarif.

Verpflichtet zur Gewinnermittlung nach Betriebsvermögensvergleich sind Gewerbetreibende und Land- und Forstwirte, die nach handelsrechtlichen (§ 5 EStG) bzw. steuerrechtlichen Bestimmungen (§ 4 Abs. 1 EStG) zur Buchführung verpflichtet sind. Ist eine gesetzliche Verpflichtung nicht gegeben, besteht auch die Möglichkeit, freiwillig Bücher zu führen, und damit eine Wahl zur Ermittlung des Gewinnes nach Betriebsvermögensvergleich. Erfolgt die Gewinnermittlung weder gesetzlich vorgeschrieben noch auf freiwilliger Basis durch Betriebsvermögensvergleich, kann der Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt werden. Darüber hinaus bestehen für bestimmte Gruppen auch noch andere Gewinnermittlungsmethoden, z. B. die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen für Land- und Forstwirte.

Welche Einnahmen und damit zusammenhängende Ausgaben den jeweiligen Einkunftstatbestand erfüllen, ist speziell in den §§ 13 ff EStG geregelt. Weiterhin zu beachten sind diverse allgemeine Vorschriften über die Steuerfreiheit von Einnahmen und der Abzugsbeschränkungen damit in Zusammenhang stehender Ausgaben (insbesondere die Regelungen des § 3 EStG). Weiterhin gibt es spezielle Abzugsverbote für Ausgaben zu beachten, so z. B. die Regelungen des § 4 Abs. 5 EStG über nicht abzugsfähige Betriebsausgaben. Sowohl bei der Steuerfreiheit von Einnahmen, als auch bei der Nichtabzugsfähigkeit von Ausgaben liegen Einnahmen bzw. Ausgaben dem Grunde nach vor. Sie sind nur nicht i. R. der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer zu berücksichtigen.

Eine spezielle Vorschrift stellt § 24 EStG dar. Es handelt sich hier nicht um eine zusätzliche Einkunftsart, sondern vielmehr um eine ergänzende Vorschrift für den Fall, dass Einkünfte zeitlich losgelöst vom Bestehen des sie verursachenden Rechtsverhältnisses (z. B. Arbeitsverhältnis) dem Steuerpflichtigen oder dessen Rechtsnachfolger zugehen. Die jeweilige Einkunftsart ist jedoch weiterhin nach den §§ 13 bis 23 EStG zu bestimmen.

2.3 Steuerlich relevante Einnahmen und Ausgaben

2.3.1 Voraussetzungen für den Einnahmentatbestand

Der Einnahmenbegriff ist nur für den Bereich der Überschusseinkünfte in § 8 Abs. 1 EStG gesetzlich definiert. Danach handelt es sich um „alle Güter in Geld oder Geldeswert, die dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 bis 7 EStG zufließen“. Eine Definition der Betriebseinnahmen im Bereich der Gewinneinkünfte fehlt im Gesetz, es wird hier jedoch nach von der Rechtsprechung analog die o. g. Definition angewendet[3], mit der zusätzlichen Voraussetzung der betrieblichen Veranlassung, wie sie sich aus der analogen Anwendung des Betriebsausgabenbegriffs des § 4 Abs. 4 EStG ergibt.

Der tatsächliche Zufluss von Gütern als Voraussetzung beinhaltet die objektive Bereicherung beim Steuerpflichtigen von „außen“[4] – also eine Vermögensverschiebung zwischen zwei Rechtssubjekten –, über die der Steuerpflichtige daraufhin wirtschaftlich verfügen kann. Unerheblich ist, ob das zu Grunde liegende Rechtsgeschäft zivilrechtlich anerkannt ist oder ein Anspruch auf die Einnahme besteht.[5]

(Betriebs-)Einnahmen sind somit nicht gegeben, sofern der Steuerpflichtige auf ein ihm zustehendes Entgelt verzichtet, also eine Leistung unentgeltlich erbringt.[6] Auch bloße Wertsteigerungen bei Vermögensge­genständen, die zur Einkünfteerzielung genutzt werden, sind noch keine Einnahmen. Diese entstehen erst mit Veräußerung (oder Entnahme) des Gegenstandes, also mit der tatsächlichen Realisierung der Wertsteigerung. Ebenfalls nicht zu Einnahmen führt die Ersparnis von Aufwendungen durch die Eigenleistung des Steuerpflichtigen o. ä. Die steuerliche Wirkung ergibt sich hier durch den Wegfall von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten.[7]

Im Fall der Vereinnahmung durchlaufender Posten liegen nach dem Gesetzeswortlaut des § 4 Abs. 3 S. 2 EStG zwar dem Grunde nach Betriebseinnahmen beim vereinnahmenden Steuerpflichtigen vor, diese scheiden jedoch explizit bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinnes aus.[8] M. A. nach ist der Steuerpflichtige durch diese jedoch nicht bereichert, die Vereinnahmung erfolgt in fremdem Namen und er kann über die Beträge wirtschaftlich nicht verfügen. Damit ist der Einnahmentatbestand nicht erfüllt.[9] Der Zufluss erfolgt in solch einem Fall bei demjenigen, für den die Vereinnahmung der Vermögenswerte erfolgt.[10]

Ebenfalls keine Einnahme ergibt sich für den Steuerpflichtigen durch den Erhalt eines Dar­lehens. Hier handelt es sich lediglich um einen Zufluss liquider Mittel, jedoch nicht um eine Vermögensmehrung.[11] Warum der Einnahmentatbestand hier nicht erfüllt ist, dazu gibt es in der Literatur unterschiedliche Ansichten. Einige sehen den Grund in der gleichzeitig mit Darlehenszufluss erworbenen Rückzahlungsverpflichtung.[12] Wie wir gleich sehen werden, ist behindert dies nicht den Einnahmentatbestand zum Zeitpunkt des Zuflusses der liquiden Mittel. Andere Stimmen plädieren dafür, dass der Zufluss des Darlehensbetrages auf der Vermögensebene erfolgt und damit steuerlich unbeachtlich ist.[13] Birk ist der Ansicht, dass hier die Beachtung der Rückzahlungsverpflichtung zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung eine Durchbrechung des Zufluss-/Abflussprinzips darstellt.[14] Glenk und Pust hingegen sehen dafür keine Rechtsgrundlage und suchen die Begründung für den fehlenden Einnahmentatbestand in dem Fehlen eines Veranlassungszusammenhangs zwischen dem zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis und der Darlehensgewährung.[15]

Weitere Voraussetzung für den Einnahmentatbestand ist, dass die Güter in Geldleistungen bestehen oder zumindest in Geld bewertbar sind. Dies soll verhindern, dass steuerlich beachtliche Tatbestände umgangen werden durch die Gewährung von Sachleistungen bzw. Sachwerten. Als derartige „Sachbezüge“, wie sie in § 8 Abs. 2 EStG bezeichnet werden, gelten sowohl der Erhalt von körperlichen Gegenständen als Entgelt sowie auch die Gewähr von Dienstleistungen oder die Möglichkeit zur privaten Nutzung betrieb­licher Gegenstände durch den Steuerpflichtigen. Gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 EStG sind der­artige Sachbezüge mit den Endpreisen am Abgabeort zu bewerten.

Eine mit der Vermögensmehrung in Zusammenhang stehende Rückzahlungsverpflichtung, berührt den ursprünglichen Einnahmentatbestand nicht.[16] Dies gilt auch im Fall von Vorauszahlungen auf noch zu erbringende Leistungen, für die bei späterer Nichterfüllung der Leistung ein Anspruch des Vertragspartners auf Rückerstattung der vorausgezahlten Beträge entsteht.[17]

Die tatsächlichen Rückzahlungen sind erst im Veranlagungszeitraum der Verausgabung zu erfassen – nach gängiger Rechtsprechung als negative Einnahmen in der Einkunftsart, in der die (steuerpflichtigen) Einnahmen ursprünglich zugeflossen sind.[18] Andere Stimmen in der Literatur kritisieren hingegen die Einführung eines gesetzlich nicht definierten Begriffs der „negativen Einnahmen“, sie plädieren für den Abzug derartiger Rückflüsse als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten.[19]

Den Abzug als negative Einnahmen begründet der BFH damit, dass dadurch die speziellen Verlustabzugsbeschränkungen einiger Einkunftsarten (insbesondere § 22 Nr. 3 S. 3 EStG) im Fall zurückgezahlter Einnahmen nicht greifen. Dies wird begründet durch den Gesetzeswortlaut. Der Verlustausgleich- bzw. –abzug wird danach einschränkt, sofern sich ein negativer Überschuss aus der Differenz von Einnahmen und Werbungskosten ergibt. Die Beschränkung des Verlustausgleiches bzw. Verlustabzug greift somit nach Ansicht des BFH nicht im Fall der Definition der rückgezahlten Einnahmen als negative Einnahmen. Es besteht damit auch nicht die Gefahr, dass diese mangels gleichartiger Einnahmen steuerlich niemals ausgeglichen würden. Diese Gefahr ist insbesondere i. R. von Einmaltatbeständen gegeben, wie ich später noch darstellen werde.[20]

Kritisiert wird die Abkopplung von Zufluss und Rückzahlung von Trzaskalik, da es sich hier seiner Ansicht nach lediglich um Scheingewinne handelt, die unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten unbeachtlich sind. Wäre ausschließlich die Steigerung der Leistungsfähigkeit des Zeitabschnitts der Vereinnahmung ausschlaggebend, wie dies der BFH[21] vertritt, wären konsequenterweise auch erhaltene Darlehen als Einnahmen zum Zeitpunkt der Darlehensauszahlung zu erfassen. Dadurch wird die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen vorübergehend erhöht, die Minderung der Leistungsfähigkeit wäre auch in diesem Fall erst im Zeitpunkt der Darlehensrückzahlung zu erfassen.[22]

2.3.2 Voraussetzungen für den Ausgabentatbestand

Die Definition des Begriffs der Ausgaben i. S. des EStG erweist sich etwas schwierig. Zunächst ist der Begriff „Ausgaben“, wie er im § 11 EStG verwendet wird, nicht gesetzlich definiert. Nach allgemeiner Auffassung sind darunter jedoch die Betriebs ausgaben i. S. des § 4 EStG, die Werbungs kosten i. S. des § 9 EStG sowie auch die Sonder ausgaben gemäß § 10 EStG und die außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG zu subsumieren. In den aufgeführten Vorschriften taucht zusätzlich noch der Begriff der „Aufwendungen“ auf.

Unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten (insbesondere im Handelsbilanzrecht) haben die Begriffe „Ausgaben“, „Aufwendungen“ und „Kosten“ eine unterschiedliche Bedeutung. Es stellt sich nun die Frage, wie die Begriffe für die Zwecke des EStG auszulegen sind, um einen Anwendungsbereich für den § 11 Abs. 2 EStG festlegen zu können. Eine große Rolle spielen hierbei die Ausführungen des BFH, die Anhaltspunkte dafür geben, in welchem Sinne der Gesetzgeber diese Begriffe versteht und welche Tatbestände dadurch erfasst werden.

Versteht man den allgemeinen Ausgabenbegriff analog dem Begriff der Einnahmen des § 8 EStG, so handelt es sich also um „alle Güter in Geld oder Geldeswert, die beim Steu­erpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG abfließen“.[23] Bei den Gewinneinkünften spricht der Gesetzgeber von Betriebsausgaben. Dabei handelt es sich gemäß § 4 Abs. 4 EStG um „alle Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind“. Im Fall der Überschusseinkünfte verwendet der Gesetzgeber den Begriff Werbungskosten. Dabei handelt es sich gemäß § 9 Abs. 1 EStG um „Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen“.

Trotz des unterschiedlichen Gesetzeswortlautes, die den Begriff der Betriebsausgaben in seinem Anwendungsbereich weiter erscheinen lässt als den Werbungskostenbegriff, wur­de doch letzterer durch die jüngere Rechtsprechung weitgehend der Definition der Be­triebsausgaben angenähert. So wurde auch bei den Werbungskosten die Veranlassung durch die Erzielung von Einkünften als ausreichend erachtet. Ausreichend ist somit ein ob­jek­tiver wirtschaftlicher Zusammenhang mit den Einnahmen, egal ob und wann diese tat­sächlich zufließen.[24]

Der hier verwendete Begriff der „Aufwendungen“ ist nicht gleichzusetzen mit dem betriebswirtschaftlichen „Aufwandsbegriff“, sondern impliziert das Vorliegen einer tatsächlichen Vermögensminderung beim Steuerpflichtigen (analog zur Definition der Einnahmen). D. h. Geld, aber auch in Geld bewertbare Güter[25], scheiden tatsächlich aus dem Vermögen des Steuerpflichtigen aus. Im Gegensatz zur Behandlung auf der Einnahmenseite ist eine Wertminderung bei betrieblich genutzten Gütern jedoch schon im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungstatbestand gegeben, nicht erst mit dem Ausscheiden des Gegenstandes aus der Sphäre der Einkünfteerzielung beim Steuerpflichtigen, und damit der tatsächlichen Realisierung.[26]

Eine Ausgabe liegt nicht vor, soweit ein Darlehen zurückgezahlt wird.[27] Hier ist eine Vermögensminderung nicht gegeben. Analog zur Vereinnahmung sind durchlaufende Posten nicht dem Steuerpflichtigen zuzurechnen, der sie im Namen und auf Rechnung eines anderen verausgabt.[28] Der Ausgabentatbestand ist weiterhin nicht gegeben im Fall von entgangenen Einnah­men[29] bzw. bei Eigenleistungen des Steuerpflichtigen und dadurch ersparten anderweitigen Aufwendungen[30].

Nicht von Bedeutung für die Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten ist es, ob diese objektiv notwendig, angemessen, üblich oder zweckmäßig sind.[31] Maßgeblich ist nur die tatsächliche Vermögensminderung, die durch die Aufwendungen verursacht wurde, sowie deren Veranlassung durch die Erzielung von (wirtschaftlich zugehörigen) Einkünften. Auch vergebliche Aufwendungen können als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abzugsfähig sein.[32]

Auch hier stellt sich die Frage, welche Auswirkungen ein späterer Anspruch auf Rückerstattung auf die ursprüngliche Abzugsfähigkeit hat. Besteht ein Anspruch auf Rückerstattung oder entfällt zu einem späteren Zeitpunkt die Rechtsgrundlage für die Ausgabe, ist dies für den ursprünglichen Ausgabentatbestand nicht schädlich.[33] Die Rückzahlung wird erst im Veranlagungszeitraum ihres tatsächlichen Zuflusses steuerlich erfasst, und zwar als Einnahme der Einkunftsart, in der sie ursprünglich als Ausgabe abzugsfähig war.[34] Dies gilt insoweit, wie die Rückflüsse geltend gemachte Werbungskosten ersetzen.[35] Unerheblich ist dabei, ob der ursprüngliche Abzug eine steuerliche Wirkung hatte, z. B. auf Grund geringer Einnahmen.[36]

Abzugrenzen davon sind Ausgaben, die nicht oder nicht in vollem Umfang mit der Erzielung von Einkünften in Zusammenhang stehen, sondern der privaten Lebensführung dienen. Für diese gelten die Abzugsverbote des § 12 EStG. Eine Ausnahme davon gilt in Bezug auf Sonderausgaben sowie außergewöhnliche Belastungen. Damit soll gewissen Verpflichtungen, denen der Steuerpflichtige gesetzlich oder moralisch unterliegt und die seine persönliche Leistungsfähigkeit jenseits der Einkünfteerzielung einschränken, Rechnung getragen werden. Hier ist insbesondere von Bedeutung, ob die Aufwendungen dem Zweck nach notwendig und angemessen sind, im Fall der außergewöhnlichen Belastungen müssen sie auch zwangsläufig entstanden sein. Keine Berücksichtigung finden in diesen Fällen willkürliche Zahlungen ohne vernünftigen Grund.[37]

Bei den Sonderausgaben gemäß §§ 10 und 10 b EStG handelt es sich um einen Katalog von Aufwendungen, die unter bestimmten Voraussetzungen abzugsfähig sind. Damit will der Gesetzgeber bestimmte kultur-, sozial-, steuer- und wirtschaftspolitische Ziele fördern.[38] Nur einige wenige der Aufwendungen sind jedoch in unbegrenzter Höhe abzugsfähig, bei der Mehrzahl ist eine Abzugshöchstgrenze zu beachten.

Ähnlich verhält es sich mit den außergewöhnlichen Belastungen i. S. des §§ 33 bis 33 c EStG. Durch deren Abzugsfähigkeit in bestimmten Fällen soll eine ungewöhnlich hohe Belastung des Steuerpflichtigen durch spezielle Aufwendungen der privaten Sphäre (wie z. B. Krankheitskosten, u. ä.) kompensiert werden, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen nicht entsteht und somit Einzelne stark benachteiligt. Die Bezeichnung als außergewöhnliche Belastung impliziert die zusätzliche Voraussetzung, so sind die Aufwendungen nur insoweit abzugsfähig, wie sie den Steuerpflichtigen endgültig wirtschaftlich belasten.[39]

Das „Belastungsprinzip“ spielt jedoch nicht nur i. R. der außergewöhnlichen Belastungen eine wesentliche Rolle. Es gilt analog auch für Sonderausgaben, auch wenn dies im Gesetzestext nicht ausdrücklich gefordert wird. Nach Ansicht der Rechtsprechung beruht eine derartige Gleichbehandlung darauf, dass es sich in beiden Fällen um eine Ausnahme vom allgemeinen Abzugsverbot für private Aufwendungen handelt.[40] Bei der Betrachtung, ob eine endgültige wirtschaftliche Belastung vorliegt, ist insbesondere der „Gegenwert“ und die „Vorteilsanrechnung“ von Bedeutung.[41]

Die Forderung nach der endgültigen Belastung des Steuerpflichtigen führt dazu, dass der Anspruch auf Rückerstattung in einem späteren Veranlagungszeitraum schon bei Ermit­tlung der Höhe der abzugsfähigen Aufwendung im Jahr der Verausgabung zu berück­sichtigen ist. U. U. ist im Jahr der Rückzahlung der Steuerbescheid des Jahres zu kor­ri­gieren, in dem die Ausgabe abzugsfähig war. Die Korrektur hat dann gemäß den Vor­schriften der AO zu erfolgen.[42] Andere Stimmen plädieren jedoch dafür, dass Rückzah­lungen insofern unberücksichtigt bleiben, wie sie im Jahr des Abzugs der Aufwendun­gen noch nicht vorhersehbar waren.[43]

Da bei der Vorteilsanrechnung im Regelfall das Ausmaß zukünftiger Erstattungen noch nicht feststeht, ist es unumgänglich, Einkommensteuerbescheide für vergangene Veranla­gungszeiträume zu korrigieren, sobald die Höhe der Rückerstattung sicher bekannt ist. Ge­ra­de bei jährlich wiederkehrenden Sonderausgaben, wie der Zahlung von Kirchensteuer oder gän­gi­ger Versicherungsbeiträge, betrifft dies sehr viele Steuerpflichtige und die nach­träg­li­che Kor­rektur würde einen erheblichen Verwaltungsaufwand bedeuten. Deshalb gilt in der­ar­tigen Fällen nach Ansicht des BFH eine Ausnahme von der sofortigen Ver­rech­nung zukünftiger Erstattungsbeiträge mit gegenwärtigen Aufwendungen. Es findet hier viel­mehr eine Verrechnung erst im Jahr der Erstattung statt, und zwar mit dann anfal­len­den Sonderausgaben.[44] Eine Verrechnung ist in derartigen Fällen wohl nur insoweit möglich, wie im Veranlagungszeitraum der Erstattung gleichartige Aufwendungen getätigt werden. Eine Kompensation mit anderen Sonderausgaben bzw. der Vor­trag des übersteigenden Betrages in folgende Kalenderjahre ist in diesen Fällen nicht möglich.[45]

Der Vorrang des Belastungsprinzips vor der Vorschrift des § 11 EStG im Fall der Sonder­ausgaben und außergewöhnlichen Belastungen, und damit die Nichterfassung von ge­leisteten Zahlungen, wenn diese nicht endgültig sind, wird damit begründet, dass die Rück­flüsse für sich allein betrachtet keine steuerbaren Einnahmen i. S. einer der sieben Ein­kunftsarten sind, da sie der einkommensteuerlich irrelevanten Privatsphäre angehören. Sie würden im Kalenderjahr der Rückzahlung den Einnahmentatbestand nicht erfüllen und damit steuerlich nicht erfasst werden.[46]

2.4 Untersuchung des Einnahmen- bzw. Ausgabentatbestands an Beispielen

2.4.1 Buchgutschriften auf besonderem Konto beim Schuldner

Nicht in allen Fällen korrespondieren mit einer Vermögensmehrung oder –minderung ein­deutig ersichtliche Zahlungsströme, an denen die Definition festgemacht werden könn­te. Auch umgekehrt führt nicht jeder sichtbare Zahlungsstrom unmittelbar zu einer Ein­nah­me oder Ausgabe.

Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit können die Vertragsparteien die Zahlungsweise frei gestalten. So ist es im Geschäftsverkehr nicht unüblich, dass geschuldete Beträge le­dig­lich in den Büchern des Schuldners gutgeschrieben werden und damit auf die tatsäch­liche Auszahlung verzichtet wird. Dabei stellt sich vor allem die Frage, ob durch diese Gutschrift der Gläubiger schon eine Einnahme erzielt, insbesondere dann, wenn eine tatsächliche Auszahlung der gutgeschriebenen Beträge auf Grund späterer Illiquidität des Gutschreibenden nicht mehr erfolgt.[47] Wird der Steuerpflichtige schon durch die Gutschrift objektiv bereichert oder erst mit tatsächlicher Auszahlung bzw. anderweitiger wirtschaftlicher Verfügung über den gutgeschriebenen Betrag?

Bei Betrachtung der Rechtsprechung zu derartigen Fällen wird deutlich, dass hier als maß­gebliches Kriterium für die Erfüllung des Einnahmentatbestandes die Verfügungs mög­lichkeit des Gläubigers über den gutgeschriebenen Betrag zu sehen ist. Ob eine derartige Ver­fü­gungsmöglichkeit vorliegt, ist anhand des Gesamtbildes der Verhältnisses zu be­ur­teilen. Dazu hat der BFH im Laufe der Jahre verschiedene Kriterien aufgestellt, die nicht nur i. R. der Buchgutschriften gelten, sondern allgemeingültig sind für die Beur­tei­lung der wirtschaftlichen Zurechnung von Beträgen.

Als Indizien für einen Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht werden insbeson­dere die Fällig­keit der Schuld sowie die Verzinsung der gutgeschriebenen Beträge durch den Gut­schreibenden genannt – wobei eine Verzinsung nur als zusätzliches Kriteri­um zu sehen ist, da eine Verzinsung der gutgeschriebenen Beträge auch als Entgelt für eine hinausgescho­bene Fälligkeit gegeben sein kann[48]. Weiterhin sind die Buchgutschriften vom üb­ri­gen Vermö­gen des Leistenden abzugrenzen und es muss für den Empfänger er­sicht­lich sein, dass ihm der Betrag zur Verwendung zur Verfügung steht. Dies kann z. B. durch Gutschrift auf einem gesonderten Konto beim Leistenden erfolgen („Geschäfts­freun­de­konto“ o. ä.).[49] Wichtig ist, dass der Gläubiger Kenntnis von der Gutschrift und sei­ner Verfügungsmöglichkeit über die Beträge erhält.

Die Verfügungsmöglichkeit des Empfängers wird i. d. R. angenommen, sofern der Schuld­ner zahlungsfähig und –bereit ist, eine Nichtauszahlung also nicht allein im Interesse des Schuldners erfolgt. Das Interesse des Begünstigten an einer Nichtauszahlung kann bestehen, sofern er aus ir­gendeinem Grund gewillt ist, dem Schuldner liquide Mittel für dessen Unternehmen zur Verfügung zu stellen.[50] Dabei ist die Zahlungsfähigkeit des Schuldners zum Zeitpunkt der Gutschrift maßgeblich, auch wenn die gutgeschriebenen Beträge auf Grund von Illiquidität zu einem späteren Zeitpunkt niemals ausgezahlt wer­den kön­nen.[51]

Oft finden sich in der Praxis Vorausvereinbarungen zwischen Gläubiger und Schuldner, wie mit den zu zahlenden Beträge zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu verfahren ist. So hat­te der BFH mehr­fach zu entscheiden, wann im Fall bereits verdienter und fälliger Pro­vi­sionen eines selbständigen Versicherungsvertreters der Einnahmentatbestand erfüllt war, wenn diese vom Versicherungsunternehmen ledig­lich auf einem besonderen in­ter­nen Konto gutgeschrieben und nicht ausgezahlt wurden. Das interne Konto diente da­bei der Absicherung von Gegenansprüchen der Versicherungsge­sellschaft während der Vertragszeit. Hinsichtlich der Auszahlung der gutgeschriebenen Beträge im Falle des Ausscheidens des Versicherungsvertreters bestanden vertragliche Vereinbarungen.

Der BFH bejahte den Einnahmentatbestand bereits zum Zeitpunkt der Gutschrift, obwohl da­raus keine Ein­zahlungen auf dem Girokonto des Steuerpflichtigen resultierten. Be­grün­det wurde diese Entscheidung damit, dass zu Beginn des Vertragsverhältnisses eine Vo­rausvereinbarung hinsichtlich der Verwendung der Provisionen getroffen wurde. Durch seine Zustim­mung habe der Gutschriftsempfänger im Voraus über die Provisionen wirtschaftlich verfügt.[52] Die Verpflichtung zur Stellung einer Kaution bzw. eines be­stimmten Betrages zur Sicherung von Gegenforderungen bestand auf Grund des Vertrags­ver­hältnisses und hätte anderenfalls durch eine Einzahlung des Steuerpflichtigen aus sei­nem Vermögen erfüllt werden müssen. Durch die Nichtauszahlung der erzielten Einnahmen erfolgte somit lediglich eine Abkürzung des Zahlungsweges.

Im Gegensatz zum eben dargestellten Sachverhalt, verneinte der BFH den Einnahmentat­bestand eines ähnlichen Falles bzgl. der anteiligen Einbehaltung von Provisionen und de­ren Gutschrift auf einem internen Konto der Versicherungsgesellschaft. Auch hier dien­te die Gutschrift dem Zweck der Absicherung von Gegenansprüchen. Der Fall unter­scheidet sich jedoch dahingehend, dass die gutgeschrieben Beträge gemäß den „Allge­meinen Vertragsbedingungen“ (AVB) nicht „verdient“ und damit nicht fällig waren. Auch wurden diese auf dem Gutschriftskonto nicht verzinst. Die Verfügungsmöglichkeit über die gutgeschriebenen Beträge durch den Steuerpflichtigen vor Ablauf der Stornohaftungszeit wurden ausge­schlos­sen. Die fehlende Fällig­keit so­wie die Einschränkung der Verfügungsmöglichkeit führten dazu, dass der Ein­nah­men­tatbestand hier nicht erfüllt war. Die Nichtverzinsung der Beträge galt hier als zu­sätz­liches Kriterium dafür, dass die Fälligkeit der Beträge nicht gegeben sei, da das lang­fristige zur Verfügung stellen von Geldmitteln regelmäßig nur entgeltlich üblich ist.[53]

[...]


[1] Vgl. Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 9.12.2004; BGBl. I 2004, S. 3310 (3311) Artikel 1 Nr. 4.

[2] Vgl. BFH vom 29.4.1999 - IV R 7/98, BStBl. II 1999, S. 488 (490); BFH vom 22.9.1999 - XI R 46/98, BStBl. II 2000, S. 120 (121).

[3] Vgl. BFH vom 22.7.1988 - III R 175/85, BStBl. II 1988, S. 995 (996); BFH vom 29.6.1982 - VIII R 6/79, BStBl. II 1982, S. 755 (756); Birk, in: Herrmann/Heuer/Raupach (Hrsg), Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Köln, § 8 EStG Anm. 5 (191. Erg.-lfg. Januar 1998).

[4] Vgl. Birk, in: H/H/R, ebenda, § 8 EStG Anm. 35.

[5] Vgl. Heinicke, Wolfgang, in: Schmidt, Ludwig, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., München 2005, § 4 Rz. 421.

[6] Vgl. Heinicke, in: Schmidt, ebenda, § 4 Rz. 433.

[7] Vgl. Heinicke, in: Schmidt, ebenda, § 4 Rz. 431; Birk, in: H/H/R, a. a. O. (Fn. 3), § 8 EStG Anm. 27 (191. Erg.-lfg. Januar 1998).

[8] Vgl. BFH vom 20.7.1982 - VIII R 143/77, BStBl. II 1983, S. 196 (198).

[9] Gl. A. auch Heinicke, in: Schmidt, a. a. O. (Fn. 5), § 4 Rz. 426; Stadie, Holger: Die persönliche Zurechnung von Einkünften, Schriften zum Steuerrecht, Band 25, 1.Aufl., Berlin 1983, S. 15.

[10] So auch Glenk, Heinrich, in: Blümich, Einkommensteuer/Körperschaftsteuer/Gewerbesteuer, München, § 8 EStG Rz. 24 (83. Erg.-lfg. August 2004); Bergkemper, Winfried in H/H/R, a. a. O. (Fn. 3), § 4 EStG Anm. 610 (193. Erg.-lfg. Juli 1998); BFH vom 30.1.1975 - IV R 190/71, BStBl. II 1975, S. 776 (777).

[11] Vgl. BFH vom 19.10.1982 - VIII R 97/79, BStBl II 1983, S. 295 (296); BFH vom 15.11.1990 - IV R 103/89, BStBl. II 1991, S. 228 (229).

[12] Vgl. BFH vom 6.12.1972 - IV R 4 - 5/72, BStBl. II 1973, S. 293 (295).

[13] Vgl. Drenseck, Walter, in: Schmidt, a. a. O. (Fn. 5), § 8 Rz. 2.

[14] Vgl. Birk, in: H/H/R, a. a. O. (Fn. 3), § 8 EStG Anm. 38 (191. Erg.-lfg. Januar 1998).

[15] Vgl. Glenk, in: Blümich, a. a. O. (Fn. 10), § 8 EStG Rz. 23 (83. Erg.-lfg. August 2004); Pust, in: Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Stuttgart, § 8 Rz. 138 (60. Erg.-lfg. Februar 2004).

[16] Die Rückzahlungsverpflichtung muss jedoch rechtlich oder tatsächlich bestehen, vgl. BFH vom 6.3.1979 - VIII R 26/78, BStBl. II 1979, S. 510 (511), m. w. N.

[17] Vgl. BFH vom 11.10.1983 - VIII R 61/81, BStBl. II 1984, S. 267 (268 f).

[18] Vgl. BFH vom 26.1.2000 - IX R 87/95, BStBl. II 2000, S. 396 (397); BFH vom 13.12.1963 - VI 22/61 S, BStBl. III 1964, S. 184 (185); Kottke, Klaus: Zur Problematik der sogenannten negativen Einnahmen, in: BB 1981, S. 965 – 968 (966).

[19] Vgl. Kreft, in: H/H/R, a. a. O. (Fn. 3), § 9 EStG Anm. 80 (216. Erg.-lfg., Oktober 2004); von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz-Kommentar, Heidelberg, § 9 Rdnr. B 231 (133. Erg.-lfg., Juli 2003); Drenseck, in: Schmidt, a. a. O. (Fn. 5), § 9 Rz. 61.

[20] Vgl. BFH vom 26.1.2000, a. a. O (Fn. 18), S. 398.

[21] Vgl. BFH vom 2.4.1974 - VIII R 76/69, BStBl. II 1974, S. 540 (541).

[22] Vgl. Trzaskalik, Christoph: Zuflussprinzip und periodenübergreifende Sinnzusammenhänge, in: StuW 1985, S. 222 – 228 (224 f).

[23] Vgl. Offerhaus, Klaus: Zur steuerrechtlichen Abgrenzung zwischen betrieblich (beruflich) veranlassten und durch die Lebensführung veranlassten Aufwendungen, I. Teil: Begriffserläuterungen, in: BB 1979, S. 617 – 622 (617); Kreft, in: H/H/R, a. a. O. (Fn. 3), § 9 EStG Anm. 65 (216. Erg.-lfg., Oktober 2004).

[24] Vgl. Offerhaus, a. a. O. (Fn. 23), S. 620 f; BFH vom 8.2.1983 - VIII R 130/79, BStBl. II 1983, S. 554 (555); BFH vom 1.7.1994 - VI R 67/93, BStBl. II 1995, S. 273 (273).

[25] Vgl. BFH vom 19.1.1982 - VIII R 102/78, BStBl. II 1982, S. 533 (534).

[26] Vgl. BFH vom 29.4.1983 - VI R 139/80, BStBl. II 1983, S. 586 (586).

[27] Vgl. BFH vom 19.10.1982, a. a. O. (Fn. 11), S. 296; BFH vom 15.11.1990, a. a. O. (Fn. 11), S. 229.

[28] Vgl. BFH vom 20.7.1982, a. a. O. (Fn. 8), S. 198.

[29] Vgl. BFH vom 21.10.1980 - VIII R 190/78, BStBl. II 1981, S. 160 (161).

[30] Vgl. BFH vom 1.10.1985 - IX R 58/81, BStBl. II 1986, S. 142.

[31] Vgl. BFH vom 4.3.1986 - VIII R 188/84, BStBl. II 1986, S. 373 (374).

[32] Vgl. BFH vom 29.11.1983 - VIII R 173/81, BStBl. II 1984, S. 306 (307).

[33] Vgl. BFH vom 11.10.1983, a. a. O. (Fn. 17), S. 269.

[34] Vgl. BFH vom 22.9.1994 - IX R 13/93, BStBl II 1995, S. 118 (119); BFH vom 23.3.1993 - IX R 67/88, BStBl II 1993, S. 748 (749), m. w. N.

[35] Vgl. BFH vom 29.6.1982, a. a. O. (Fn. 3), S. 756.

[36] Vgl. BFH vom 29.6.1982, ebenda, S. 758; BFH vom 23.3.1993, a. a. O. (Fn. 34), S. 749.

[37] Vgl. BFH vom 25.1.1963 - VI 69/61 U, BStBl. III 1963, S. 141 (142); BFH vom 28.5.1998 - X R 7/96; BStBl. II 1999, S. 95 (97).

[38] Vgl. BFH vom 27.9.1963 - VI 123/62 U, BStBl. III 1963, S. 536 (537).

[39] Vgl. BFH vom 30.7.1982 - VI R 67/79, BStBl. II 1982, S. 744 (745); BFH vom 30.6.1999 - III R 8/95, BStBl. II 1999, S. 766 (768).

[40] Vgl. BFH vom 26.6.1996 - X R 73/94, BStBl. II 1996, S. 646 (647 f); BMF vom 11.7.2002 – IV C 4 – S 2221 – 191/02, BStBl. I 2002, S. 667.

[41] Vgl. BFH vom 10.10.1996 - III R 209/94, BStBl. II 1997, S. 491 (492); BFH vom 15.2.1974 - VI R 67/70, BStBl. II 1974, S. 335; BFH vom 20.2.1976 - VI R 131/74, BFHE 118, S. 331 (332 f); Brockmeyer, Hans Bernhard: Entwicklungslinien der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu den außergewöhnlichen Belastungen, in: DStZ 1998, S. 214 – 224 (215).

[42] Vgl. BFH vom 24.4.2002 - XI R 40/01, BStBl. II 2002, S. 569 (570); BFH vom 26.6.1996, a. a. O. (Fn. 40), S. 648; BMF vom 11.7.2002, a. a. O. (Fn. 40), S. 667.

[43] Vgl. Nolde, in: H/H/R, a. a. O. (Fn. 3), § 10 EStG Anm. 22 a (176. Erg.-lfg., August 1994).

[44] Vgl. BFH vom 26.6.1996, a. a. O. (Fn. 40), S. 647 f; BFH vom 28.5.1998, a. a. O. (Fn. 36), S. 97; BMF vom 11.7.2002, a. a. O. (Fn. 40), S. 667.

[45] Vgl. Nolde, in: H/H/R, a. a. O. (Fn. 3), § 10 EStG Anm. 22 a (176. Erg.-lfg., August 1994); Hutter, Ulrich, in: Blümich, a. a. O. (Fn. 10), § 10 EStG Rz. 33 (62. Erg.-lfg., März 1999).

[46] Vgl. Birk/Kister, in: H/H/R, a. a. O. (Fn. 3), § 11 EStG Anm. 115 (218. Erg.-lfg., März 2005).

[47] Vgl. BFH vom 14.2.1984 - VIII R 221/80, BStBl. II 1984, 480 (482); Beater, Axel: Steuerbarkeit und Zuflussprinzip am Beispiel von Buchgutschriften, in: StuW 1996, S. 12 – 18 (12).

[48] Vgl. BFH vom 12.11.1997 - XI R 30/97, BStBl. II 1998, S. 252 (253); BFH vom 14.5.1982 - VI R 124/77, BStBl. II 1982, S. 469 (472).

[49] Vgl. BFH vom 9.4.1968 - IV 267/64; BStBl. III 1968, S. 525 (525 f); BFH vom 24.3.1993 - X R 55/91, BStBl. II 1993, S. 499 (500); BFH vom 14.2.1984, a. a. O. (Fn. 47), S. 482.

[50] Vgl. BFH vom 19.6.1952 - IV 86/72 U, BStBl. III 1953, S. 170; BFH vom 21.7.1976 - I R 147/74; BStBl. II 1977, S. 46 (48); BFH vom 14.5.1982, a. a. O. (Fn. 48), S. 473.

[51] Vgl. BFH vom 14.2.1984, a. a. O. (Fn. 47), S. 482.

[52] Vgl. BFH vom 9.4.1968, a. a. O. (Fn. 49), S. 526; BFH vom 24.3.1993, a. a. O. (Fn. 49), S. 500.

[53] Vgl. BFH vom 12.11.1997, a. a. O. (Fn. 48), S. 253 f.

Ende der Leseprobe aus 80 Seiten

Details

Titel
Das Zufluss- / Abflussprinzip des § 11 EStG und seine Grenzen
Hochschule
Universität Leipzig
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
80
Katalognummer
V44713
ISBN (eBook)
9783638422581
Dateigröße
727 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zufluss-, Abflussprinzip, EStG, Grenzen
Arbeit zitieren
Ulrike Apel (Autor:in), 2005, Das Zufluss- / Abflussprinzip des § 11 EStG und seine Grenzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44713

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