Lebacher Mundart. Eine Dialektbeschreibung


Hausarbeit, 2005

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung
1.1 Hochdeutsch oder Dialekt? - Eine Begriffbestimmung
1.2 „Die griin Lung vum Saarland“ - Eine Stadt und ihr Dialekt

2. Phonologie
2.1 Vokale
2.2 Diphthonge
2.3 Konsonanten

3. Morphologie
3.1 Substantive, Adjektive, Pronomen, Artikel
3.2 Verben

4. Syntax

5. Lexikon

6. Literaturangaben

1. Einleitung

1.1 Hochdeutsch oder Dialekt? - Eine Begriffbestimmung

Gemeinhin gilt es als notwendige Voraussetzung einer jeden wissenschaftlichen Arbeit, den jeweiligen Betrachtungsgegenstand zunächst genau zu bestimmen, ihn an einem festen Platz zu fixieren, ehe man damit beginnt, ihn zu beschreiben. Beim Dialekt allerdings macht bereits diese erste Prämisse grobe Schwierigkeiten. Bis heute liefert die Literatur zur Dialektologie zwar allerhand Informatives zu ihrem Gegenstand, jedoch keine weithin akzeptierte Definition des Begriffs „Dialekt“.

Das Nachschlagewerk Brockhaus beschreibt den Dialekt als „[...] örtlich bedingte Sprachform innerhalb einer Sprachgemeinschaft“[1], für Martin umreißt der Bergriff einfach „[...] die Sprache der schlichten Schichten der Völker“[2]. Diese Definitionsversuche eignen sich ob ihrer Beliebigkeit und Unschärfe natürlich nur bedingt dazu, als Leitfaden durch die wissenschaftliche Verwertung eines bestimmten Dialekts hindurch zu dienen. Löffler bringt es also auf den Punkt, wenn er schreibt: „Eine wissenschaftliche Disziplin, noch dazu eine der exakt sein wollenden Linguistik kennt offenbar ihren Gegenstand nicht.“[3]

Der Begriff „Dialekt“ stammt aus dem Griechischen. Dort half er, die verschiedenen landschaftlich geprägten Sprachvarianten, etwa das Attische, Jonische oder Phrygische, voneinander abzugrenzen. Im Deutschen ist das Wort „Dialekt“ zum ersten Mal im Jahre 1749 belegt, ebenfalls als Kennzeichnung einer ortsgebundenen, einheimischen Sprachvariante, etwa des Kölsch, des Münchnerischen oder des Fränkischen[4].

Da nun weder die historische Genese des Dialektbegriffs noch dessen systematische Analyse eine präzise Definition hergeben, begnügt sich die Linguistik seit einiger Zeit mit einer möglichst genauen Abgrenzung des Dialekts von der Hochsprache anhand verschiedener Merkmale, die in gebündelter Form schließlich an die Stelle einer ausformulierten Definition treten sollen. Der Versuch, alle in der Literatur aufgeführten Abgrenzungsmerkmale aufzuführen, würde sicherlich den Rahmen dieser Arbeit sprengen, und so begnüge ich mich an dieser Stelle damit, die wichtigsten Unterscheidungskriterien zwischen Standardsprache und Dialekt aufzuführen und kurz zu erläutern.

1. Die Defekt-Hypothese (oder: linguistisches Kriterium)

Wie der Name verrät, handelt es sich hierbei um die Annahme, dass „[...] die Dialekte auf fast allen grammatischen Ebenen eine mangelhafte Ausstattung gegenüber der übergeordneten Kultursprache hätten.“[5] Dürftige Besetzung aller grammatischen Ebenen, d.h. das Fehlen ganzer Kategorien wie zum Beispiel des Präteritums von Verben, ein stark reduzierter Wortschatz und ein geringes Maß an Möglichkeiten der logischen Strukturierung auf der Ebene der Syntax[6] eröffnen dem Dialektbeobachter eine erste skalenartige Unterscheidungslinie zwischen Hochsprache und Dialekt.

2. Das Kriterium des Verwendungsbereiches

Als primär soziologisch motiviertes Unterscheidungsmerkmal zwischen Hoch- und Umgangssprache referiert das Kriterium des Verwendungsbereichs auf die familiär-intime Anwendung[7] des Dialekts im Gegensatz zur weitgehend im öffentlich-überörtlichen Bereich praktizierten hochsprachlichen Form.

3. Das Kriterium der Sprachbenutzer

Eng mit dem Kriterium des Verwendungsbereiches verwandt, zielt dieses dritte Abgrenzungsmerkmal auf den Personenkreis ab, innerhalb dessen die abzugrenzende Sprachform dominiert. Dabei beschreibt Löffler, nicht ohne die recht fragwürdige Pauschalität zu erwähnen, die naturgemäß mit einer solchen Begriffsabgrenzung am Rande trivialsoziologischer Klischeebildung verbunden ist, den Dialekt als Sprache der Unterschicht, also der Arbeiter, Bauern, Handwerker, der kleinen Angestellten mit geringer Schulbildung, die Hochsprache hingegen als Sprache der Mittel- und Oberschicht, der höheren Beamten, Unternehmer und Akademiker mit höherer Schulbildung.[8]

4. Das Kriterium der sprachgeschichtlichen Entstehung

Analog zum Beispiel der griechischen Dialekte, die einst Vorstufe der hellenistischen Koiné waren und von denen schließlich eine einzige mehr oder weniger willkürlich zur Verkehrs- und Handelssprache erhoben wurde, hebt das Abgrenzungsmerkmal der sprach-geschichtlichen Entstehung auf das chronologische Primat des Dialekts gegenüber der Hochsprache ab. Letztere ist demzufolge eine „Vereinigungsform von zeitlich vorgelagerten Dialekten als Verkehrs- oder Kultursprache“[9], d.h. eine „Aufwertungsstufe eines Einzeldialekts zur einheitssprachlichen Norm.“[10]

5. Das Kriterium der räumlichen Erstreckung

Während der Dialekt gemeinhin als orts- und raumgebunden gilt, heißt es von der Hochsprache, sie sei „überörtlich, räumlich nicht begrenzt“ und überdies „nicht landschaftsspezifisch“[11]. In diesem Zusammenhang verweist Löffler darauf, Dialektforschung werde oftmals „[...] gleichgesetzt mit Dialekt- oder Sprachgeografie.“[12]

6. Das Kriterium der kommunikativen Reichweite

Analog zur unterschiedlich ausgeprägten geografischen Reichweite der beiden untersuchten Sprachformen erstreckt sich die kommunikative Reichweite des Dialekts auf einen „minimalen Verständigungsradius“[13], während der Hochsprache eine unbegrenzte und optimale kommunikative Reichweite[14] zugesprochen wird.

Wie also definiert man Dialekt am besten? Dazu gibt es zwei Wege, die sich in der zeitgenössischen Linguistik beide gleichermaßen etabliert haben. Dem Versuch der neueren Linguistik, „[...] Dialekt ausschließlich nach 1. und 5. zu definieren, das heißt als eine Systemvariante von geringerem Gewicht und von räumlich begrenzter Geltung [...]“[15] zu verstehen, stehen verschiedene ganzheitliche Definitionsansätze wie der Sowinskis gegenüber, der den Dialektbegriff (hier: die Mundart) folgendermaßen skizziert:

„Mundart ist stets eine der Schriftsprache vorangehende, örtlich gebundene, auf mündliche Realisierung bedachte und vor allem die natürlichen, alltäglichen Lebensbereiche einbeziehende Redeweise, die nach eigenen, im Verlaufe der Geschichte durch nachbarmundartliche und hochsprachliche Einflüsse entwickelten Sprachnormen von einem großen heimatgebundenen Personenkreis in bestimmten Sprech-situationen gesprochen wird.“[16]

1.2 „Die griin Lung vum Saarland“ - Eine Stadt und ihr Dialekt

Das im Rahmen der vorliegenden Hausarbeit zu untersuchende Sprachgebiet erstreckt sich über die Stadt Lebach und die angrenzende Gemeinde Eppelborn. Daneben werden die zu Lebach gehörenden Ortschaften Aschbach, Dörsdorf, Eidenborn, Falscheid, Gresaubach, Knorscheid, Landsweiler, Niedersaubach, Steinbach und Thalexweiler untersucht. Alle diese Gebiete liegen zentral im Saarland, etwa 30 bis 40 Kilometer nördlich der Landeshauptstadt Saarbrücken.

Der Dialekt innerhalb dieses Gebiets unterscheidet sich vor allem auf phonetischer Ebene sehr stark von den ansonsten weithin deckungsgleichen saarländischen Subdialekten. In der Literatur wird die Mundart von Lebach, Eppelborn (meist in Zusammenhang mit der ca. 7 Kilometer nord-westlich gelegenen Gemeinde Schmelz) häufig als „Inseldialekt“[17] bezeichnet. Wie beispielsweise in der Wikipedia-Enzyklopädie nachzulesen, hatte dieses Gebiet „[...] in der Zeit der industriellen Revolution eine eigene, vom übrigen Saarland abweichende Sprachentwicklung. Heute gibt dieser Inseldialekt den Bewohnern des Raumes Lebach-Schmelz eine gewisse, eigene kulturelle Identität gegenüber den übrigen Saarländern.“[18]

Im Vorfeld dieser Hausarbeit wurde jeweils einem genuinen Vertreter dieser Städte und Gemeinden das selbe Blatt mit je 40 Probesätzen vorgelegt, die von der Testperson in alltäglich gesprochenem Dialekt verlesen werden sollten. Eine Verfälschung des Resultats durch unnatürliche Anleihen aus der Standardsprache konnte durch gegebenenfalls mehrmaliges Wiederholen der betreffenden Sätze sowie Nachfragetests (die fraglichen Wörter und Wendungen wurden jenseits des Tests in anderem Kontext zur Sprache gebracht) weitgehend vermieden werden. Die vorab aufgestellte Theorie, bei den untersuchten Regionen handle es sich um eine Dialektgemeinschaft mit lediglich marginalen Differenzierungen ausschließlich auf phonetischer und in Ausnahmefällen auf lexikalischer Ebene, konnte durch Auswertung sämtlicher Testpersonen weithin bestätigt werden.

Diesem engen Sprachhorizont entzieht sich am ehesten die Stadt Lebach. Hier und in der Nachbarstadt Eppelborn – die beiden Ortschaften unterscheidet dialektal lediglich die Wiedergabe des [r] (Eppelborn: gerollt, Lebach: einfach) - liegt das weitaus „progressivste“ Gebiet. Hier kommt die praktizierte Mundart der Standardsprache am nächsten. Mit derzeit rund 21.500 Einwohnern weist gerade Lebach weitaus deutlicher typisch urbane Charakteristika auf als die umliegenden, weitaus kleineren Ortschaften.

Diese Tatsache reicht historisch weit zurück. Während des Zweiten Weltkrieges war die Stadt Lebach eines der Schul- und Bildungszentren des Landes, in das Kinder und Jugendliche aus dem ganzen Saarland strömten. Dies hatte eine linguistische Pluralität zur Folge, wie sie zumindest zwischen 1933 und 1945 wohl von keiner anderen saarländischen Region erreicht worden ist.

[...]


[1] Brockhaus Enzyklopädie 13, 61

[2] Martin [6], 5

[3] Löffler 1974, 1

[4] vgl. Löffler 1974, 2

[5] ebd., 5

[6] ebd.

[7] vgl. Löffler 1974, 6

[8] ebd.

[9] Löffler 1974, 7

[10] ebd.

[11] ebd.

[12] ebd., 8

[13] ebd.

[14] ebd.

[15] ebd., 9

[16] Sowinski 1973, 180

[17] http://de.wikipedia.org/wiki/Saarlaendischer_Dialekt

[18] http://de.wikipedia.org/wiki/Saarlaendischer_Dialekt

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Lebacher Mundart. Eine Dialektbeschreibung
Hochschule
Universität des Saarlandes
Veranstaltung
Dialekte und regionale Umgangssprachen des Deutschen
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
25
Katalognummer
V45043
ISBN (eBook)
9783638425179
ISBN (Buch)
9783638657808
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit gibt einen breiten Überblick über System und Soziologie der Mundart der saarländischen Stadt Lebach und deren Umgebung.
Schlagworte
Lebacher, Mundart, Eine, Dialektbeschreibung, Dialekte, Umgangssprachen, Deutschen
Arbeit zitieren
Benjamin Baum (Autor:in), 2005, Lebacher Mundart. Eine Dialektbeschreibung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45043

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