Zum Buch 'Stopfkuchen' von Wilhelm Raabe: Warum nur Stopfkuchen den wahren Mörder Kienbaums finden konnte


Hausarbeit, 2004

14 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Heinrich Schaumann akzeptiert Stopfkuchen

III. Mörder oder nicht Mörder

IV. Zusammenfassung

V. Bibliografie

I. Einleitung

Wie durch Zufall entdeckt Stopfkuchen den wahren Mörder Kienbaums. Doch ist es nicht viel weniger Zufall als vielmehr eine logische Folgerung aus dem bisherigen Leben Stopfkuchens?

Doch warum er? Was befähigt den plumpen Außenseiter dazu, diese Entdeckung zu machen und die Vergangenheit derartig zu rehabilitieren?

Ich werde herausarbeiten, was Stopfkuchens bedauerliche Kindheit, als unter der Hecke sitzengelassener Sonderling, damit zu tun hat, dass er nach so vielen Jahren den wahren Mörder Kienbaums findet. Die Herausbildung seiner Persönlichkeit, die ihm eine besondere Art wahrzunehmen ermöglicht, trägt ihre Wurzeln in der Kindheit und festigt sich in den Jahren als junger Mann und Erwachsener. Sein späteres Denken und Handeln und das damit verbundene Verständnis, resultiert hauptsächlich aus seinen Kinderjahren als Außenseiter. Wobei das Handeln bei ihm eher an zweiter Stelle steht. Erst aus seinem Denken baut sich das entsprechende Handeln auf, welches er letztendlich getreu seiner Auffassung von Bequemlichkeit durchsetzt.

Wichtig für die Frage, warum nur Stopfkuchen den wahren Mörder Kienbaums finden konnte, ist demzufolge die sich daraus ableitende Frage, warum allen anderen diese Entdeckung verwehrt blieb. Diesbezüglich soll hier der Unterschied im Denken Stopfkuchens gegenüber dem der restlichen Gemeinschaft erläutert werden.

Ich werde ausschließlich das Buch Stopfkuchen verwenden, um daraus zu zitieren. Die Textstellen sollen dem Beweisen meiner aufgestellten Thesen und Interpretationsketten dienen. Dabei ist es mir wichtig auf das ‚Warum’ meiner Aufgabenstellung zu antworten und mich weniger mit dem ‚Wie’ zu befassen. Es ist mitunter sehr schwer beide Fragen zu trennen, da sie sich gegenseitig bedingen. Doch getreu Stopfkuchen geht es hier um die Theorie, um das Denken. Es geht um die Vorraussetzung und wie diese ermöglicht worden ist. Das ‚Wie’, die Praxis, das Handeln, das ihn den wahren Mörder Kienbaums am Ende öffentlich entlarven lies, soll hier zweitrangig sein und größtenteils ausgeklammert bleiben.

II. Heinrich Schaumann akzeptiert Stopfkuchen

Aufgrund seiner Körperfülle wird der junge Heinrich Schaumann von den anderen Jugendlichen „Stopfkuchen“ genannt. Selbst Lehrer schrecken nicht davor zurück ihn zu diffamieren, wie die folgende Textstelle belegt. „Und am Morgen in der Schule hatte mich Blechhammer mal wieder wissenschaftlich zum abschreckenden Beispiel verwendet als Bradypus. Ich kann ihn heute noch nicht nur zitieren, sondern lebendig auf die Bühne bringen, mit seinem: ›Seht ihn euch an, ihr andern, den Schaumann, das Faultier. Da sitzt er wieder auf der faulen Bank, der Schaumann, wie der Bradypus, das Faultier. Hat fahle Haare wie welkes Laub, vier Backenzähne. Klettert langsam in eine andere Klasse – wollt ich sagen: klettert auf einen Baum, auf dem es bleibt, bis es das letzte Blatt abgefressen hat. Schuberts Lehrbuch der Naturgeschichte, Seite dreihundertachtundfünfzig: kriecht auf einen andern Baum, aber so langsam, daß es ein Jäger, der es am Morgen an einem Fleck gesehen hat, auch am Abend noch ganz in der Nähe findet. Und dem soll man klassische Bildung und Geschmack an den Wissenschaften und Verständnis für die Alten beibringen!“ (SK, 77)[1]

Sein Jugendfreund Eduard zählte ebenfalls zu den anderen, war nur einer der weniger schlimmen. So ist auch Eduards Meinung über Stopfkuchen die der Masse, wenn auch mit einer liebevolleren Facette. So äußert er sich auf S. 25 über den vermeintlichen Freund folgendermaßen: „Stopfkuchen – meinem alten närrischen Freunde Heinrich Schaumann, dem guten, dem lieben, dem faulen, dem dicken, dem braven Freunde Heinrich Schaumann, genannt Stopfkuchen?“ (SK, 25)

Auch für Eduard ist Stopfkuchen der Außenseiter und wenn es etwas Besseres zu tun gab, so gab auch er sich kaum mit ihm ab.

„Ihr habt mich nie in der Schar eurer Helden mitgezählt, Eduard. Von euch hellumschienten Achaiern hätte ich nimmer das beste und also auch ehrenvollste Stück vom Schweinebraten in die Hände gelegt bekommen. Wieviel mehr Heroentum unter Umständen in mir als wie in euch steckte, davon hattet ihr natürlich keine Ahnung. Wenn ich mein Rückenstück vom Spieß mit gebräuntem Mehl bestreut haben wollte, so hatte ich es mir hinter eurem Rücken selber anzurenommieren: ›Ich fürchte mich vor nichts in der Welt und vor dem Pack aus Maiholzen gar nicht.“ (SK, 80/81)

Da Stopfkuchen alle Aktivitäten, die mit Nahrungsaufnahme zu tun hatten, den sportlichen vorzog, galt er als faul, gefräßig und, was sich scheinbar für die anderen aus den ersteren beiden ergab, auch noch als dumm.

Und diesen Menschen hatten wir nicht nur für den Dicksten, Faulsten und Gefräßigsten unter uns, sondern auch nicht nur für den Dummsten unter uns, sondern auch überhaupt für einen Dummkopf gehalten, o wir Esel! (SK, 42)

Aus diesem Grund lassen ihn die anderen Kinder sitzen, hänseln und vergessen ihn. Niemand legt Wert auf seine Anwesenheit. Stopfkuchen erkennt seine Außenseiterposition, unterlässt es aber schnell unter ihr zu leiden. Er reagiert mit Trotz und fügt sich seiner Rolle. „Jawohl, Stopfkuchen! Nennt mich nur so; ich mache mir auch daraus nichts. Wenn ich Kuchen kriege, so stopfe ich; darauf könnt ihr euch verlassen.“ (SK, 22) Gerne würde er mithalten können, wenn die anderen rennen, doch seine Statur und auch sein angeborener Hang zur Gemütlichkeit lassen ihn Abstand von diesem Unterfangen nehmen. Somit hat es für ihn auch keinen Sinn zu bedauern, dass er nicht mitrennt, schließlich wäre ja Bedauern auch nur wieder ein Ausdruck von Unbequemlichkeit. Stattdessen frönt er dem Genuss. So macht er folgende Aussage, die deutlich macht, wie er die eigene und die Rolle der Fremden einschätzt.

„Du läufst mit Störzern, Eduard, und ich liege vor der Roten Schanze – jeder nach seinem Geschmack“ (SK, 23)

Hier grenzt er sich von den Übrigen ab. Er sagt ganz einfach „Jeder nach seinem Geschmack“, was wohl klarer nicht formuliert werden kann, wenn man Verständnis für die anderen gleichwohl wie für sich selbst hat. Wohingegen die anderen alles andere als verständnisvolle Zeitgenossen sind. Denn sie drangsalieren den von ihnen als Außenseiter betitelten und nutzen jede Gelegenheit ihn bloßzustellen.

Es ist erstaunlich, wie selbstbewusst er mit seiner Position umzugehen versteht. Er akzeptiert, die ihm von den anderen zugedachte Stelle in der Gesellschaft, akzeptiert und erkennt seine Faulheit, ja er akzeptiert seine Rolle als Außenseiter. Was er jedoch nicht anerkennt, das ist der negative Beigeschmack des Außenseiters. „Jeder nach seinem Geschmack“, so auch der Außenseiter. Das Wichtigste jedoch ist, dass er sich selbst akzeptiert.

Diese folgende spätere Formulierung einer frühen Einsicht scheint wegbereitend für sein weiteres Leben.

[...]


[1] Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen, Reclam Stuttgart, 1972, S. 77

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Zum Buch 'Stopfkuchen' von Wilhelm Raabe: Warum nur Stopfkuchen den wahren Mörder Kienbaums finden konnte
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Institut für deutsche Philologie)
Veranstaltung
Interpretation ausgewählter Texte
Note
2.0
Autoren
Jahr
2004
Seiten
14
Katalognummer
V45894
ISBN (eBook)
9783638432207
ISBN (Buch)
9783638750660
Dateigröße
570 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In der Arbeit wird gut verständlich und ohne Heranziehen von Sekundärliteratur Raabes Stopfkuchen dahingehend interpretiert, dass Stopfkuchens Wesenzüge, verursacht durch die Schlüsselerlebnisse seines Lebens, einzig IHM ermöglichen den wahren Mörder Kienbaums zu finden. Dabei befasst sich die Arbeit im Besonderen mit Stopfkuchens besonderen Wesenszügen, die ihm, für ihn selbst größtenteils unbewusst, das Finden - oder vielmehr Erkennen - des wahren Mörders Kienbaums ermöglichen.
Schlagworte
Buch, Stopfkuchen, Wilhelm, Raabe, Warum, Stopfkuchen, Mörder, Kienbaums, Interpretation, Texte
Arbeit zitieren
Eric Wallis (Autor:in)Jens Kirch (Autor:in), 2004, Zum Buch 'Stopfkuchen' von Wilhelm Raabe: Warum nur Stopfkuchen den wahren Mörder Kienbaums finden konnte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45894

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