Die Spracherwerbstheorie nach Piaget im Gegensatz zu Behaviorismus und Nativismus


Seminararbeit, 2003

17 Seiten, Note: 2+


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Funktion des Gehirns
2.1 Sprachlernvoraussetzungen beim Spracherwerb
2.1.1 biologische Voraussetzungen

3. Theorie der kognitiven Entwicklung des Menschen nach Piaget
3.1 Grundprinzipien von Piagets Theorie
3.2 Phasen der Stufentheorie

4. Nature vs. Nurture
4.1 Skinner und Behaviorismus
4.2 Chomsky und Nativismus – Universalgrammatik

5. Schluss

6. Literaturverzeichnis

1. Einführung

Alle Lebewesen auf der Erde kommunizieren miteinander. Diese Kommunikation findet im unterschiedlichen Niveau und in einer sehr differenzierten Weise statt, so Hildebrand – Nilshon (vgl. Sucharowski 1996 19). Laut Keller 1990 (vgl. Sucharowski 1996 19f.) aber bleibt die Feststellung, dass kein anderes Lebewesen etwas dem System Sprache Vergleichbares wie der Mensch entwickelt hat. Manche nennen Sprache die größte Erfindung des Menschen genau deshalb, weil allein der Besitz der Sprache den Menschen vom Tier unterscheidet.

Wissenschaftler beschäftigten sich schon im 19. Jh., wie Wilhelm von Humboldt, mit der Frage, warum und wie man eine Sprache lernt. Um eine Antwort darauf zu geben, musste man zunächst eine andere Frage beantworten: Was ist Sprache? Die ersten Wissenschaftler, die sich damit befassten, waren die Philosophen und die Psychologen. Demzufolge kommen die ersten Theorien über die Herkunft und Bildung der Sprache bei den Menschen aus diesen Bereichen.

Heute redet man von Sprachwissenschaftlern, da Sprachwissenschaft sich bzw. Linguistik als selbstständige Wissenschaft seit der Mitte des 20. Jh. manifestiert hat. Im Vergleich zu den Psychologen, die darüber Daten sammeln, wie sich Sprache als Äußerung darstellt, suchen die Linguisten nach dem System, das die Sprache konstituiert, so Anderson 1998 (vgl. Sucharowski 1996 25ff.).

Demzufolge werden in der vorliegenden Arbeit die Möglichkeiten des Erstspracherwerbs nach Piaget und die biologischen Voraussetzungen, unter denen er realisierbar ist, dargestellt. Des Weiteren wird es auf zwei Theorien eingegangen, die der Theorie Piagets entgegentreten: auf Behaviorismus - Theorie, mit Skinner als ihrer wichtigste Vertreter und auf Nativismus – Universalgrammatik-Theorie, die Chomsky entwickelte .

2. Funktion des Gehirns

Ein Vergleich zwischen dem Gehirn eines Menschen und eines Tieres beweist, dass “ ...kein anderes Körpergewebe in der Tat so wesentliche Unterschiede zwischen Tier und Mensch zeigt wie der Aufbau des Nervengewebes unseres Gehirns...“ (Vester 2000 16).

Das Gehirn als der wichtigste Teil des zentralen Nervensystems liegt im Schädel wohl behütet wie in einem Tresor. Es ist eingebettet in das Gehirnwasser und geschützt gegen Druck und Stoß. Der älteste Teil des Gehirns ist das völlig verdeckte sogenannte Stammhirn, das bei den Tieren auch heute noch praktisch die gesamte Hirnmasse ausmacht. Zwei kleine, degenerierte Läppchen sind der Rest des ursprünglichen Riechhirns, aus dem sich im Laufe von Jahrmillionen unser Großhirn gebildet hat. Von diesem Riechhirn letztendlich haben sich zwei größere Lappen gebildet, die als Großhirnlappen schließlich das gesamte übrige Gehirn überdecken (vgl. Vester 2002 15).

Es ist interessant, dass das Gehirn eines Menschen bei seiner Geburt nur ca. 20% seines späteren Gewichts aufweist. Das volle Gewicht wird erst im zweiten Lebensjahrzehnt erreicht, wenn das Netz der Verbindungen zwischen den Nervenzellen (den Neuronen) voll ausgebildet ist. Diese Vernetzung entsteht aufgrund einer Wechselwirkung zwischen Umwelteinflüssen und genetischer Programmierung (vgl. Apeltauer 2000 22).

2.1 Sprachlernvoraussetzungen beim Spracherwerb

Kinder erwerben ihre erste Sprache in wenigen Jahren mit großer Selbstverständlichkeit. Die Leichtigkeit, mit der sie es tun, lässt uns vergessen, dass der Erwerb einer Primärsprache zu den schwierigsten intellektuellen Aufgaben gehört, die ein Mensch bewältigen muss. Es gibt „...drei wichtige Voraussetzungen, die den raschen Erwerb ermöglichen: biologische, kognitive und sozial-interaktive...“ (Slobin 1977 128, zitiert nach Apeltauer 2000 19). In diesem Teil der Arbeit werden die biologischen Voraussetzungen vorgestellt.

2.1.1 Biologische Voraussetzungen:

Das Nervensystem eines Menschen ist so beschaffen, dass mehrere Sprachen erlernt werden können. Die Bedingungen für die nachzeitige Aneignung einer fremden Sprache unterscheiden sich von denen, die den raschen und reibungslosen Ablauf des Erstspracherwerbs bestimmen.

Das menschliche Gehirn weist funktional betrachtet eine Dreiteilung auf: Die Ur- oder Stammhirnregion, die zuständig für Instinkte ist, das Mittel- oder Zwischenhirn, das für spontane Emotionen wie Ärger und Aggression ist und das Großhirn mit seinen beiden Hälften, die im Laufe eines Lebens individuelle Entwicklungen durch machen (vgl. Apeltauer 2000 19).

Aufgrund unterschiedlicher Befunde z.B. pathologische Fälle, Hirnverletzungen usw. wissen wir, dass bei den meisten Menschen nach der Geburt zunächst sich die rechte Hälfte des Großhirns - rechte Hemisphäre - entwickelt. Nach sechs Monaten beginnt jedoch die linke Hemisphäre vorübergehend zu dominieren, um nach dem ersten Jahr wiederum von der Rechthemisphäre abgelöst zu werden. Die rechte Hälfte des Großhirns dominiert dann ungefähr bis zum dritten oder vierten Lebensjahr, ehe die linke Hemisphäre abermals dominant wird (vgl. Jacobs 1988 320, zitiert nach Apeltauer 2000 19).

Die Abfolge in der Entwicklung und Dominanz von Recht- und Linkhemisphäre lässt sich folgendermaßen interpretieren. Zunächst werden Wahrnehmungsfähigkeiten und motorische Fertigkeiten ausgebildet. Der beginnende Spracherwerb ist daher anfangs stark auf nonverbale und prosodische Elemente (Hervorhebung von Äußerungsteilen) angewiesen.

In der zweiten Hälfte des ersten Jahres beginnen sich erste Begriffe und Sprachfunktionen zu entwickeln wie zum Beispiel die Produktion wortähnlicher Gebilde während der Lallphase. In dieser Zeit führen Kinder auch mit sich selbst „Gespräche“, die sich an Intonation und rhythmischer Konturierung erkennen lassen. Gleichzeitig wird ein schnelles Wachstum der Verbindungen zwischen den Nervenzellen beobachtet.

Diese Phase dauert ca. ein halbes Jahr (vgl. Apeltauer 2000 21). Die ersten erkennbaren Wörter produzieren die meisten Kinder nach dem ersten Jahr. Zu dieser Zeit beginnen sich erste Begriffe und Sprachfunktionen zu entwickeln. In der Regel wächst der Wortschatz sehr langsam bis zu einem Umfang von 40-50 Wörtern (vgl. Wode 1993 144).

Es ist zu vermuten, dass zwischen der vorübergehenden Linkhemisphäre - Dominanz und dieser Entwicklung ein Zusammenhang besteht. Wenn sich im 3. und 4. Lebensjahr die Linkhemisphäre - Dominanz wieder einstellt, sind die ersten sprachlichen Grundlagen bereits erworben, und die sprachliche Entwicklung beginnt sich dramatisch zu beschleunigen: Die Wortfolge wird systematisch als Interpretationshilfe genutzt, das Morphologische System und der Wortschatz werden rascher ausgebaut (vgl. Apeltauer 2000: 21ff.).

Die Erstsprache entwickelt sich parallel zur Hirnreifung und diese Entwicklung dauert wahrscheinlich bis zum 3. oder 4. Lebensjahr. Wird eine Sprache danach erworben, musst sie in bereits bestehende Strukturen des Gehirns integriert werden, weil die erwähnten Veränderungen im Nervensystem des Gehirns kaum mehr stattfinden. Aufgrund dieses qualitativen Unterschiedes spricht man von einem „...nachzeitigen Erwerb einer fremden Sprache...“ (Apeltauer 2000: 25f ).

3. Theorie der kognitiven Entwicklung des Menschen nach Piaget

Jean Piaget, 1896 in Neuchatel geboren und 1980 in Genf gestorben, ist nicht nur der berühmteste Schweizer Psychologe, sondern seit etwa 25 Jahren wahrscheinlich der einflussreichste Autor im Bereich der Entwicklungspsychologie überhaupt. In der Kindheit zeigte er Interesse am Verhalten der Weichtiere. Nach seiner Dissertation an der Universität Neuchatel ging er an die Sorbonne in Paris, wo er sich zum ersten Mal, im Laboratorium von Simon Binet, mit Kindern beschäftigt hatte. Sein Auftrag war das Urteilsvermögen von Kindern an Pariser Kindern zu standardisieren. Da hatte Piaget seinen empirischen Weg gefunden. Er entwickelte seine Methode eigentlich als Autodiktat, von seinen Fragen gedrängt und unterrichtet durch die immer wieder überraschenden Aussagen der Kinder zu den ausgefallenen Problemen (vgl. Flammer 1996 113ff.).

Seine Publikationen machten ihn bekannt, diesmal aber unter Psychologen. Im Jahre 1925 wurde er Vater. Seine beiden Töchter wurden für einige Jahre die wichtigsten psychologischen Beobachtungs- und Versuchspersonen. Er stellte ihnen Aufgaben, ihrer Reaktion nach hat er die Aufgaben neu dargestellt und erneut beobachtet. Zugleich wandte er wieder der Zoologie zu. Durch Beobachtung von Seeschnecken kam er zur Überzeugung, dass spezielle Lebensbedingungen innerhalb der Folge weniger Generationen zu vererbbaren Fähigkeiten führen können (vgl. Kesselring 1999 34).

3.1 Grundprinzipien von Piagets Theorie:

Piagets Arbeit kann man dem Bereich des Kognitivismus und Konstruktivismus zuordnen. Seine Ergebnisse standen im Gegensatz zu den damals vorherrschenden Theorien des Behaviorismus und der Psychoanalyse (vgl. Wode 1993 46ff.).

Piaget geht davon aus, dass alle Spezies zwei grundsätzliche Tendenzen haben: Anpassung und Organisation. Alle haben die angeborene Tendenz, sich der Umwelt anzupassen. Nach Piaget wird die kognitive Entwicklung auf zwei Prozesse verteilt: Assimilation und Akkomodation. Beide Prozesse sind Anpassungsarten der Person seiner Umgebung und gleichzeitig Ergebnis und Voraussetzung dieser Anpassung (vgl. Buggle 1997 24ff.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Spracherwerbstheorie nach Piaget im Gegensatz zu Behaviorismus und Nativismus
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Institut für Pädagogik)
Veranstaltung
Seminar
Note
2+
Autor
Jahr
2003
Seiten
17
Katalognummer
V46384
ISBN (eBook)
9783638435871
Dateigröße
563 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Es handelt sich um eine vollständige Darstellung von drei der wichtigsten Theorien in der Entwicklungspsychologie mit einem ausführlichen Teil über die Funktion des Gehirns.
Schlagworte
Spracherwerbstheorie, Piaget, Gegensatz, Behaviorismus, Nativismus, Seminar
Arbeit zitieren
Eleni Rigaki (Autor:in), 2003, Die Spracherwerbstheorie nach Piaget im Gegensatz zu Behaviorismus und Nativismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46384

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