Leben und Wirken des Friedrich Christoph Perthes'


Seminararbeit, 2005

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Buchwesen und Gesellschaft zur Jahrhundertwende 1800
2.1 Allgemeine politische und gesellschaftliche Situation
2.2 Lage des Buchwesens

3. Leben und Wirken des Friedrich Perthes
3.1 Biographischer Überblick
3.1.1 Jugendjahre
3.1.2 Perthes Buchhandlung
3.1.3 Die französische Herrschaft
3.1.4 Neuanfang in Hamburg
3.1.5 Verlagsgründung in Gotha und Perthes’ letzte Jahre
3.2 Perthes Wirken als Buchhändler und Verleger
3.2.1 Der erste Sortimenter
3.2.2 Das „Vaterländische Museum“
3.2.3 Der Buchhandel als „Nationales Institut“
3.2.4 Gründung des Börsenvereins

4. Perthes’ Wirken bis in die heutige Zeit

1. Einleitung

Im Jahr 2004 erschien in der Reihe „Hamburger Köpfe“ der ZEIT -Stiftung von Ebelin und Gerd Bucerius im Hamburger Ellert & Richter Verlag eine Biographie über den Hamburger Bürger Friedrich Christoph Perthes. Diese Sachbuchreihe stellt einflussreiche Einwohner der Stadt vor, die Hamburg entscheidend veränderten. In den Geschichtsbüchern ist Friedrich Perthes vor Allem als erster Sortimentsbuchhändler bekannt, auch eine Rolle bei der Gründung des Börsenvereins wird ihm zugesprochen. Um Hamburg machte er sich vor allem während der französischen Besatzung um 1800 verdient. Es stellt sich also heute die Frage, ob sein Wirken auf Hamburg begrenzt war, und man ihm deswegen dort heute noch entsprechend viel Aufmerksamkeit zollt, oder ob er eine treibende Kraft für das gesamte deutsche Buchwesen um 1800 war. War er nur der erste Sortimenter oder muss er tatsächlich als Reformer zu Beginn des 19. Jahrhunderts gesehen werden? Diese Arbeit soll die Ansichten und das Wirken von Friedrich Christoph Perthes und ihre Bedeutung vor dem historischen Hintergrund darstellen. Aufgrund der Intention als Seminararbeit im Seminar „Buchmarkt im Umbruch“ wird hierbei nur auf seine wichtigsten Positionen, die das Buchwesen betreffen, wie seine Meinung zur Stellung des Buchhändlers, seine Ideen zum Auftrag des Buchhandels, seine Ansichten über das Urheberrecht, sein Wirken als Verleger und im Hinblick auf die Gründung des Börsenvereins und dessen Organe, eingegangen werden. Seine politischen Bestrebungen im Hamburg unter französischer Fremdherrschaft werden weitestgehend außer Acht gelassen. Zum Abschluss sollen auch noch die Wirkungen seines Handelns bis in die Gegenwart umrissen werden.

2. Buchwesen und Gesellschaft zur Jahrhundertwende 1800

2.1 Allgemeine politische und gesellschaftliche Situation

Das Heilige römische Reich deutscher Nation war Ende des 18.Jahrhunderts de facto nur noch ein lockerer Verbund deutscher Territorialstaaten und unabhängiger Reichsstädte, deren Vereinigung am Machtstreben der einzelnen Fürsten und des Klerus und nicht zuletzt auch am Dualismus von Preußen und Österreich scheiterte. Gleichzeitig vollzog sich in vielen der Staaten im Zuge der Aufklärung ein Wandel von der absolutistischen hin zu einer demokratischeren Staatsauffassung: Die Philosophie der Aufklärung glaubte nicht an einen göttliche Legitimation von Monarch und Klerus sondern propagierte den säkularen Staat, den Glauben an die Vernunft, Menschen- und Bürgerrechte und leitete Herrschaftsansprüche aus der Natur des Menschen, sozialen Notwendigkeiten und der Geschichte her.[1] Vor Allem im Österreich Josephs II. und im Preußen Friedrichs des Großen führten eine Vielzahl innerer, in hohem Maß dem Gemeinwohl verpflichteter Reformen – wie die Abschaffung der Leibeigenschaft, die Religions- und Gewerbefreiheit, das Volksschulwesen und die Unabhängigkeit der Rechtssprechung – zum allmählichen Aufstieg des Bürgertums.[2] Mit Beginn der Französischen Revolution und der darauf folgenden Koalitionskriege gegen Frankreich trat der preußisch-österreichische Dualismus in den Hintergrund. Die Napoleonischen Kriege führten schließlich zur endgültigen Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, nachdem sich im Rheinbund von 1806 unter dem Druck Napoleons I. 16 deutsche Staaten, darunter Bayern und Württemberg, der militärischen Unterstützung Frankreichs verpflichteten und aus dem Reich austraten.[3] In Preußen entstand während der französischen Herrschaft unter Wilhelm von Humboldt ein neugegliedertes Bildungssystem, das allen Schichten mehr Chancen des Bildungserwerbs sichern sollte. Gleichzeitig wurde durch die Einführung der Gewerbefreiheit 1809 eine größere wirtschaftliche Freiheit und damit eine Voraussetzung für die Industrialisierung erreicht.[4] Auch nach der Befreiung Deutschlands aus der Hegemonie Frankreichs 1813/14 konnte keine neue Einheit der deutschen Staaten erreicht werden: Zwar einigten sich die Länder auf eine gemeinsame neue Verfassung und die Neuordnung der Territorien, im Wiener Kongress unter Fürst von Metternich von 1815 wurde jedoch der Deutsche Bund beschlossen, abermals ein loser Staatenbund.[5] Der Bund konnte jedoch den neuen nationalistischen Einheitsbestrebungen nicht genügen, so dass es – v.a. durch die sog. Burschenschaften – zu Unruhen kam. Metternich verbot daraufhin alle politischen Vereinigungen und verwirklichte eine strenge Zensur um die Beteiligung des liberalen Bürgertums am politischen Prozess zu unterbinden. Auch durch die Restauration des ancien régime ließ sich jedoch das Erstarken der deutschen Nationalbewegung in der Zeit des Vormärz nicht mehr verhindern.[6] Bereits mit dem Hambacher Fest von 1832 bildeten sich erste Ansätze von Parteien und das Übergreifen der französischen Februarrevolution führte 1848 schließlich zur bürgerlich-demokratischen Märzrevolution (auch: Deutsche Revolution), die liberale Regierungen und eine neue Verfassung erzwingen wollte.[7] Wirtschaftlich war Deutschland bereits durch den 1834 gegründeten Deutschen Zollverein geeint, der viele Handelsschranken in Deutschland zu Fall brachte und die Industrialisierung sowie den wirtschaftlichen Aufschwung beschleunigte.[8]

2.2 Lage des Buchwesens

Bis Mitte des 18. Jh. beschafften sich deutsche Buchhändler durch „stechen“ – das gegenseitige Vertauschen von bedruckten Bögen – auf den Messen in Leipzig und Frankfurt ihre Ware. Gegen Ende des Jahrhunderts wurde dieses bisherige System des Tauschhandels jedoch aufgrund immer größer werdender unverkäuflicher Lagerbestände – denen zum einen durch einen wechselnden Lesergeschmack als auch durch die reinen „Tauschproduktionen“ einiger Verleger Vorschub geleistet wurde – immer unwirtschaftlicher. Gleichzeitig beförderte die fehlende Bereitschaft erfolgreicher Leipziger Verleger – Leipzig war zum Zentrum der Aufklärung geworden und u.a. durch eine liberale Zensur und staatliche Förderung zur wichtigsten Verlagsstadt – weiterhin ihre begehrte Ware gegen Minderwertige einzutauschen, die Ablösung des Tauschhandels. Im Besonderen Philipp Erasmus Reich wollte seine Bücher nur noch gegen Bar (Nettohandel) oder auf Kredit in halbjährlicher oder jährlicher Rechnung mit einem Rabatt von 16-25% abgeben. Die Reichsbuchhändler (außerhalb Leipzigs residierende Firmen) waren dazu jedoch nicht bereit, zumal für einige Verleger die Transportspesen von der Messe bereits 17% ausmachten.[9] Dies führte letztendlich zur sogenannten bibliopolischen Spaltung Deutschlands: Während die Norddeutschen die Konditionen der Leipziger annahmen und weiterhin ihre Bücher auf der Leipziger Messe bezogen, behalfen sich die Süddeutschen zum einen mit dem – z.T. staatlich protektioniertem – Nachdruck der norddeutschen Werke, zum anderen handelten sie weiterhin untereinander im Konditionssystem. Dabei sandten sich die Verleger ihre Neuerscheinungen auch während des Jahres „pro novitate“ zu. Nach einem Jahr wurden die verkauften Bücher verrechnet, remittiert oder für ein weiteres Jahr disponiert.[10] Erst in der Nürnberger Schlussnahme von 1788 konnten 19 süddeutsche und schweizerische Buchhändler ihre Forderung einer Teilnahme an der Leipziger Messe im Konditionshandel durchsetzen.[11] Einmal im Jahr zu Ostern traf man sich nun zur Abrechnung in Leipzig, ab 1791 wurde dazu die Buchhändlerbörse eingerichtet.[12]

Der Nachdruck hingegen wurde in Süddeutschland weiterhin praktiziert, zumal dem keinerlei gesamtdeutsches verbindliches Recht entgegen stand. Generell sahen Privilegien oder andere Bestimmungen um 1800 immer nur einen Schutz des Verlagseigentums – nicht des Eigentums des Autors – vor. Jetzt entwickelte sich jedoch das Selbstverständnis der Autoren: „Mit dem Aufkommen der Genieästhetik und der Emanzipation des auktorialien Selbstbewusstseins trat nun das Persönlichkeitsrecht in den Vordergrund (.)“[13], was sich 1794 im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten manifestierte, in dem erstmals dem Autor gewisse Schutzrechte, eingeräumt wurden.[14] Das ewige Verlagsrecht blieb jedoch weiterhin bestehen. Nach den Napoleonischen Befreiungskriegen und der Restauration eines deutschen Bundes 1815 wurde erstmals die Absicht eines gesamtdeutschen Urheberrechts geäußert, dennoch dauerte es bis 1829 bis überstaatliche Literaturverträge (Schutz der Verlage gegen Nachdruck) 32 deutsche Staaten umfassten. 1835 wurden diese auf den gesamten Bund ausgeweitet.[15] 1837 erließ Preußen das erste tatsächliche Urheberrecht, welches den Schutz des Urhebers in den Vordergrund stellte.[16] Durch den Bundesbeschluss 1845 wurde schließlich erstmals eine 30 jährige Schutzfrist post mortem auctoris in ganz Deutschland gültig.[17]

Während sich in Süddeutschland die Buchproduktion noch bis ins 19. Jh. hinein durch einen hohen Anteil an theologischer Literatur auszeichnete, veränderte sich in Norddeutschland das Programm der Verleger grundsätzlich: Der Rückgang theologischer Schriften (1770: 25 % des Messangebots, 1800: 13,5%)[18] erfolgte zu Gunsten dem Anwachsen der Produktion „Schöner Literatur“ sowie populärmoralischer, pädagogischer, naturkundlicher und politischer Schriften. Damit wurde auch die ehemalige „lingua franca“ – Latein – durch die deutsche Sprache verdrängt. Die stärker vertretenen Themenkreise bildeten zudem eindeutig die Entstehung eines neuen, bürgerlicheren Lesepublikums ab. Lieblingslektüre des neuen Publikums – zu dem erstmals auch die Masse der bürgerlichen Frauen zählte – waren v.A. Romane, Schauspiele und Gedichte. Zeitgleich stieg die Titelproduktion im Allgemeinen, was mit der 1. Leserevolution erklärt werden kann: Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts besaß jede Familie nur wenige oder gar nur ein Buch aus dem im gemeinsamen Kreis vorgelesen wurde und das immer wieder zu Rate gezogen wurde. Das sogenannte intensive Lesen war v.A. auch wegen der geringen Alphabetisierung – 1770 konnten nur rund 15% der Menschen lesen[19] -- weit verbreitet. In der Zeit des wirtschaftlichen Erstarkens des Bürgertums und der Aufklärung spielte jedoch auch die Bildung eine größere Rolle, so dass bis 1800 eine Alphabetisierungsrate von 25% erreicht wurde.[20] Zudem leisteten neue Vertriebsformen wie die (kommerzielle) Leihbibliothek, die oft an eine Buchhandlung angegliedert war, und die Entstehung von Lesezirkeln der Verbreitung von Büchern und auch der ersten Zeitschriften Vorschub.

Die enorme Vermehrung der Titel und die Vielzahl von neuen Sortimentern (Von 1760 bis 1800 hatte sich etwa die Zahl der Buchhändler in Preußen verdreifacht.[21] ) führte Ende des 18. Jh. zum Kommissionshandel: Kaum ein Händler konnte mehr ein annähernd komplettes Lager halten, gleichzeitig wollten die Kunden aber nicht mehr ein halbes Jahr bis zur nächsten Messe auf ein Buch warten. So traten Kommissionäre auf den Plan, die als Verlegerkommissionäre in Leipzig die Ware bereit hielten, um sie wiederum an Sortimenterkommissionäre zu verkaufen, welche die Bücher in ganz Deutschland auslieferten.[22] Gleichzeitig führte die Konkurrenz der vielen Händler jedoch auch zu extremen Kundenrabatten, auch als Schleuderei bekannt.[23] Den geschäftlichen Problemen der Überproduktion, Schleuderei und des Nachdrucks wollten die Etablierten gemeinsam mit der Gründung einer Standesvertretung begegnen. So kam es am 30. April 1825 zur Gründung des Börsenvereins des Deutschen Buchhändler, der dann einheitliche Regelungen schuf und durch das Börsenblatt eine bessere Kommunikation herstellte.[24]

[...]


[1] Zwahr, Dr,. Annette (Hg.): Der Brockhaus in fünf Bänden, Band 1. Leipzig: F.A. Brockhaus 2000, S. 263

[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Aufgekl%C3%A4rter_Absolutismus 4.6.05

[3] Zwahr, Dr. Annette (Hg.): Der Brockhaus in fünf Bänden, Band 1. Leipzig: F.A. Brockhaus 2000, S. 892

[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_von_Humboldt 4.6.05

[5] Zwahr, Dr. Annette (Hg.): Der Brockhaus in fünf Bänden, Band 1. Leipzig: F.A. Brockhaus 2000, S.893

[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Vorm%C3%A4rz 5.6.05

[7] http://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%A4rzrevolution 5.6.05

[8] http://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Zollverein 5.6.05

[9] Wittmann, Reinhard: Geschichte des deutschen Buchhandels. München: C.H. Beck 1999, S.127

[10] Wittmann, Reinhard: Geschichte des deutschen Buchhandels. München: C.H. Beck 1999, S.125

[11] Schulz, Gerd: Buchhandels-Ploetz. Freiburg: Verlag Ploetz 1980, S. 27

[12] a.a.O. S. 29

[13] a.a.O. S.172

[14] ebd.

[15] a.a.O. S.224

[16] Schulz, Gerd: Buchhandels-Ploetz. Freiburg: Verlag Ploetz 1980, S. 34

[17] ebd.

[18] Wittmann, Reinhard: Geschichte des deutschen Buchhandels. München: C.H. Beck 1999, S.122

[19] a.a.O. S.187

[20] ebd.

[21] Wittmann, Reinhard: Geschichte des deutschen Buchhandels. München: C.H. Beck 1999, S.142

[22] a.a.O. S.139

[23] a.a.O. S.143

[24] a.a.O. S.234

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Leben und Wirken des Friedrich Christoph Perthes'
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
16
Katalognummer
V49060
ISBN (eBook)
9783638456012
ISBN (Buch)
9783638868815
Dateigröße
514 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Friedrich Perthes, Hamburg, erste Buchhandlung, erster Sortimenter, Sortimenter, Börsenverein
Arbeit zitieren
Ina Fuchshuber (Autor:in), 2005, Leben und Wirken des Friedrich Christoph Perthes', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49060

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