Die Deregulierung von Güter- und Finanzmärkten


Seminararbeit, 2003

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Beschäftigungswirkungen der Gütermarktderegulierung
2.1. Monopolrenten und Löhne
2.2. Gütermärkte und Produktivität

3. Beschäftigungswirkungen der Kapitalmarktderegulierung
3.1. Quasi-Renten und Löhne
3.2. Kapitalmärkte und Innovation

4. Der Modellansatz von Blanchard / Philippon
4.1. Hypothese
4.2. Annahmen und Vereinfachungen
4.3. Herleitung der gesamtwirtschaftlichen Beschäftigung
4.4. Beschäftigungswirkung der Deregulierung
4.5. Empirische Evidenz

5. Ausblick / Überlegungen zur Politischen Ökonomie

Mathematischer Anhang

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Jahre 2000 wandte sich Robert Solow mit einigen Empfehlungen an die europäische und dabei speziell an die deutsche Beschäftigungspolitik1. Er kritisierte vor allem eine zu einseitige Fokussierung auf politisch schwer durchsetzbare Lösungsvorschläge wie den Abbau von staatlichen Sozialleistungen und die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte. Die Chancen, die sich auf einfacherem Wege durch Deregulierung der Güter- und Kapitalmärkte ergäben, würden demgegenüber sträflich vernachlässigt. Bereits durch eine Verbesserung des Risikokapitalangebots nach amerikanischem Vorbild könnte eines der Hauptprobleme der Europäer, die Schaffung neuer Jobs, effektiv angegangen werden. Um mit Solow's Worten zu sprechen: „More flexibility in the labor markets is a good idea, but it is not the only good idea“2.

In diesem Sinne soll sich meine Seminararbeit mit einigen dieser anderen guten Ideen befassen, speziell mit der genannten Deregulierung auf Güter- und Kapitalmärkten und den damit einhergehenden Auswirkungen auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Da das Thema des Seminars Beschäftigungstheorie und -politik sein wird, werden in meiner Arbeit lediglich hierfür relevante Aspekte eine Rolle spielen. Effizienz- und Wohlfahrtsüberlegungen, die sich direkt aus der Wettbewerbsintensität verschiedener Märkte ergeben, werden in diesem Rahmen also nicht im Mittelpunkt stehen.

Kapitel 2 und 3 sollen jeweils einen kurzen Überblick bieten über gängige Argumetationen bezüglich der Beschäftigungswirkungen von Deregulierung auf Güter- und Kapitalmärkten. Aufgrund der Vielzahl plausibler Wirkungszusammenhänge sollen dabei nur einige Grundüberlegungen wiedergegeben werden.

Kapitel 4 widmet sich anschließend intensiver der formalen Herleitung der zuvor beschriebenen Effekte. Das von Blanchard und Philippon in der zu meinem Thema vorliegenden Pflichtlektüre3 beschriebene Modell wird in seinen Grundzügen dargestellt, wenn auch aus Platzgründen auf viele Aspekte nicht eingegangen werden kann4. Da in der Literatur viele verschiedene formale Herleitungen ganz unterschiedlicher Wirkungsmechanismen zwischen Deregulierung und Beschäftigung existieren, ist das in meiner Arbeit dargestellte Modell lediglich als Beispiel für eine grundsätzliche formale Herangehensweise gedacht. Ein zusätzliches Argument für die Wahl dieses Modells war jedoch auch die Tatsache, dass dort zwei sehr interessante Aspekte angesprochen werden, die in den vorangehenden Kapiteln keine größere Rolle spielen: Die grundsätzliche Möglichkeit von negativen Auswirkungen durch Deregulierung auf die Beschäftigungssituation sowie die Rolle unvollständiger Information bei der Lohnfindung.

Kapitel 5 widmet sich abschließend einem kurzen Ausblick. Im Mittelpunkt stehen dabei einige Überlegungen zur Politischen Ökonomie, welche die politische Durchsetzbarkeit von Deregulierung betreffen.

2. Beschäftigungswirkungen der Gütermarktderegulierung

2.1. Monopolrenten und Löhne

Im Mittelpunkt der Diskussion um den Zusammenhang zwischen Wettbewerbsintensität auf Gütermärkten und Arbeitslosigkeit stehen Überlegungen bezüglich der Höhe und der Verteilung von Produzentenrenten. Diese treten immer dann auf, wenn der Absatzpreis eines Unternehmens die Grenzkosten übersteigt. Im theoretischen Konstrukt des vollkommenen Wettbewerbs ist die längerfristige Existenz solcher Renten nicht möglich, da entsprechende Preise von Konkurrenten kostendeckend unterboten werden können. Anbieter zu Monopolrenten generierenden Absatzpreisen würden demnach sämtliche Kunden verlieren.

Eine für die Markform von Gütermärkten etwas realistischere Annahme stellt der monopolistische Wettbewerb dar. Je höher die Marktmacht, desto größer fallen auch die Möglichkeiten eines einzelnen Unternehmens aus, durch hohe Preissetzungen Monopolrenten zu erzielen. Diese schaffen ihrerseits Verteilungsspielräume: Die Eigentümer und Kapitalgeber eines Unternehmens werden in aller Regel versuchen, sich die Renten in Form von Profiten anzueignen, während aus der Sicht von Arbeitnehmern und Gewerkschaften gute Argumenten für höhere Lohnforderungen bestehen. Höhere Lohnkosten gefährden schließlich nicht zwangsläufig die Existenz des Unternehmens, wenn dieses in der Lage ist, Monopolrenten zu generieren.

Durch Deregulierung auf Gütermärkten werden Marktzutrittsschranken verringert. Dies kann beispielsweise durch den Abbau von Subventionen, den Rückzug oder die Privatisierung staatlicher Unternehmen, durch vereinfachte Kreditverfahren, schnellere Bau- und Gewerbegenehmigungen, aber auch durch internationale Öffnung und Integration der Gütermärkte geschehen. Der Marktzutritt wird vereinfacht und führt neben einer größeren Anzahl an Unternehmen zu einer steigenden Wettbewerbsintensität, welche wiederum die Höhe der existierenden Monopolrenten verringert. Über die auf diesem Weg reduzierten Verteilungsspielräume muss nun neu verhandelt werden5. Es wird angenommen, dass zumindest in Sektoren, in denen Gewerkschaften bei der Lohnfindung eine wichtige Rolle spielen, hohe Monopolrenten zur Durchsetzung hoher Löhne führen6. Bei kleineren Verteilungsspielräumen ist damit zu rechnen, dass eine größere Lohnelastizität der Arbeitsnachfrage gemeinsam mit geringeren Anreizen für aggressive Lohnverhandlungen zu niedrigeren Nominallöhnen führt. Diese haben wiederum eine höhere Beschäftigungsmenge und niedrigere Arbeitslosigkeit zur Folge. Ursache für die Lohnzurückhaltung ist demnach ein sich für die Gewerkschaften bei Deregulierung verändernder trade-off zwischen Beschäftigungsmenge und Lohnhöhe. Durch die Verkleinerung des Verteilungsspielraums verändert sich nämlich auch die Festlegung der Unternehmen auf eine Beschäftigungsmenge als Reaktion auf den durch die Gewerkschaften gesetzten oder ausgehandelten Lohn.

Eine flächendeckende Deregulierung weiter Teile der Gütermärkte kann neben der steigenden Beschäftigung aber noch einen weiteren positiven Effekt haben. Durch größere Wettbewerbsintensität sinken die Güterpreise, wodurch ein Zugewinn der Reallöhne entstehen kann. Die Beschäftigten können sich demnach von ihren gesunkenen Löhnen mehr kaufen als zuvor, sie profitieren in ihrer Rolle als Konsumenten von niedrigeren Preisen. Bei einer Verringerung von Marktmacht steigt die soziale Wohlfahrt durch die zusätzlich generierte Konsumentenrente in der Regel stärker, als dass sie durch die Abnahme der Produzentenrente fällt. Da die Arbeitnehmer bei Deregulierung durch niedrigere Nominallöhne sogar nur einen Teil dieser Produzentenrente einbüßen, ist in aller Regel von steigenden Reallöhnen auszugehen. Die Logik dieser Argumentation sagt für Deregulierungsmaßnahmen des Gütermarkts also langfristig sowohl niedrigere Arbeitslosigkeit also auch höhere Reallöhne voraus.

Kurzfristigere Betrachtungen können jedoch zu genau entgegengesetzten Ergebnissen führen. Sinken die Nominallöhne schneller als die Preise, sinken auch die Reallöhne. Informationsdefizite auf Seiten der Gewerkschaften (siehe Kapitel 4) können kurzfristig einen Anstieg der Arbeitslosigkeit zur Folge haben.

Deregulierung kann neben den Ergebnissen des Arbeitsmarkts auch dessen Struktur und Institutionen beeinflussen. Durch geringere Renten kann die Motivation zum Kampf um die geringeren Verteilungsspielräume so weit sinken, dass sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber weniger stark organisieren. Dies kann politische Eingriffe in die Institutionen des Arbeitsmarkts erheblich erleichtern.

2.2. Gütermärkte und Produktivität

Zunehmender Wettbewerb durch Deregulierung auf Gütermärkten kann auch über den Umweg steigender Produktivität zu mehr Beschäftigung führen. Eine auf den ersten Blick nachvollziehbare diesbezügliche Vermutung stammt von John Hicks: „The best of all monopoly benefits is a quiet life“7. Ob Marktmacht allerdings tatsächlich zu geringerer Produktivität und dadurch zu höherer Arbeitslosigkeit führt, ist fraglich. Einerseits besteht für Arbeitnehmer die Möglichkeit, bei größeren Verteilungsspielräumen statt höheren Löhnen auch weniger Arbeitseinsatz auszuhandeln8, während ein geringerer Arbeitseinsatz auf Seiten des Managements nicht zwangsläufig der Gefahr dramatischer Konsequenzen ausgesetzt ist. Andererseits steht seit vielen Jahrzehnten die Schumpeter- Hypothese im Raum, derzufolge produktivitätssteigernde Investitionen in Forschung und Entwicklung vor allem von Unternehmen mit großer Marktmacht getätigt werden.

3. Beschäftigungswirkungen der Kapitalmarktderegulierung

3.1. Quasi-Renten und Löhne

In Hinblick auf eine Flexibilisierung der Kapitalmärkte lässt sich bezüglich der Beschäftigungswirkung dasselbe Argument anbringen wie bei der Behandlung der Gütermarktderegulierung in Kapitel 2.1. Auf unvollkommenen Kapitalmärkten können als Folge von unelastischem Kapitalangebot Quasi-Renten entstehen. Kapital, welches an anderen Stellen der Ökonomie effizienter eingesetzt werden könnte, kann aufgrund mangelnder Mobilität nicht ohne Informations- und Transaktionskosten transferiert werden. Je nach Art der Hindernisse der Kapitalmobilität liegen natürliche oder künstliche Marktzutrittsschranken vor. Etablierte Firmen nehmen gegenüber potentiellen Konkurrenten eine bevorzugte Stellung ein, da Kapital zu einem gewissen Grad in ihnen gebunden ist. Für potentielle Marktneulinge bestehen hingegen hohe Kapital- und Suchkosten. Die bevorzugte Stellung der Marktinsider generiert Quasi-Renten, die, analog zu Kapitel 3, Gewerkschaften zu hohen Lohnforderungen veranlassen und dadurch im gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht Arbeitslosigkeit generieren.

Eine Deregulierung oder Flexibilisierung des Kapitalmarkts, beispielsweise durch Unterstützung von Risikokapitalanbietern oder durch die internationale Öffnung und Integration des Kapitalmarkts, kann demnach die Verteilungsspielräume verkleinern und sowohl steigende Beschäftigung als auch steigende Reallöhne implizieren. Entscheidend ist hier allerdings die Anpassungsfähigkeit der Lohnsetzung an die sich verändernden Umstände, wie in Kapitel 4.4. beschrieben wird.

[...]


1 Solow (2000).

2 Solow (2000), S.15.

3 Blanchard / Philippon (2003).

4 So wird beispielsweise nur am Rande auf die Modellierung des Lernprozesses der Gewerkschaften und auf die empirische Überprüfung der Hauptaussagen eingegangen.

5 vgl. Blanchard (2000), S.5ff.

6 vgl. Nickell (1999), S.11.

7 Hicks, John, 1935, Annual survey of economic theory: the theory of monopoly. Econometrica 3, S.1-20. Zitiert in: Nickell (1999), S.1.

8 Nickel (1999), S.17.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Deregulierung von Güter- und Finanzmärkten
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Institut für allgemeine Wirtschaftsforschung, Abteilung für Wirtschaftstheorie)
Veranstaltung
Neuere Entwicklungen der Beschäftigungstheorie und -politik
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
20
Katalognummer
V49093
ISBN (eBook)
9783638456265
ISBN (Buch)
9783638764452
Dateigröße
446 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Deregulierung, Güter-, Finanzmärkten, Neuere, Entwicklungen, Beschäftigungstheorie
Arbeit zitieren
Jan Kluck (Autor:in), 2003, Die Deregulierung von Güter- und Finanzmärkten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49093

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