Der außerschulische Sport an der Grundschule P. - Eine Untersuchung der Schulwirklichkeit


Examensarbeit, 2005

99 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2 Schulischer und außerschulischer Sport – Gegenüberstellung

3 Vereinssport für Kinder und Jugendliche
3.1 Mitgliederstruktur
3.2 Stärken und Schwächen der Vereinsangebote
3.3 Vereinslandschaft in und um Pattensen

4 Schulsport in Deutschland
4.1 Geschichte
4.2 Probleme des Schulsports
4.3 Auswirkungen des Schulsports
4.4 Schulsport als Sprungbrett zum Vereinssport?

5 Kooperationen zwischen Schule und Verein
5.1 Entwicklung der Kooperationen in Deutschland
5.2 Das Kooperationsmodell in Niedersachsen „Aktionsprogramm zur Zusammenarbeit von Schule und Sportverein“
5.3 Die Kooperationen der Grundschule Pattensen
5.4 Die Motive einer Kooperation für die Schulen
5.5 Die Motive einer Kooperation für die Vereine

6 Empirische Untersuchung
6.1 Fragestellungen zur Untersuchung
6.2 Die Grundschule Pattensen und die Lebensbedingungen ihrer Schüler
6.3 Die Vorgehensweise und die Durchführung der Untersuchung
6.4 Der Schülerfragebogen

7. Darstellung und Interpretation von Ergebnissen der Untersuchung
7.1 Wohnorte der befragten Schüler
7.2 Wunsch nach mehr Sport-/Schwimmunterricht
7.3 Zugehörigkeit zu einer Sport-AG der Schule
7.4 Sport außerhalb der Schule/ Mitgliedschaften in Vereinen
7.5 Einfluss der Mitgliedschaft in einem Verein/einer Sport-AG der Schule auf die Gesundheit
7.6 Die Mitgliedschaften der Schüler in Vereinen
7.7 Mehrfachmitgliedschaften
7.8 Der Einfluss auf die Vereinswahl der Schüler
7.9 Das familiäre Umfeld im eigenen Verein
7.10 Die Kosten für die Vereine
7.11 Anteil der kommerziellen Anbieter
7.12 Die sozialen Auswirkungen der Vereine
7.13 Häufigkeit der Leistungsmessung
7.14 Unfälle im Verein
7.15 Verkehrsmittel zu Veranstaltungen des Vereins
7.16 Die Hobbies der Schüler

8. Handlungsempfehlungen

9. Quellenangaben

10. Anhang

1.Einleitung

Außerschulischer Sport ist ein Thema, welches für Lehrer, insbesondere für Sportlehrer von besonderem Interesse sein sollte. Er ist ein wichtiger Teil des Lebensumfeldes von Kindern und Jugendlichen und bietet ihnen Möglichkeiten, sich einerseits sportlich zu betätigen und andererseits soziale Kontakte und Fähigkeiten auf- beziehungsweise auszubauen. Lehrer sollten folglich wissen, welche Angebote es am Ort und in der Umgebung ihrer Schule für Kinder gibt und in welcher Weise diese von ihren Schülern genutzt werden. Weiterhin ist von Interesse, welche Faktoren die Teilnahme beeinflussen, beziehungsweise welche Auswirkungen eine solche auf die Kinder hat. Eine Analyse einiger grundlegender Beeinflussungsfaktoren und Auswirkungen von außerschulischem Sport wird in dieser Arbeit durchgeführt, wobei auch andere Arten der Freizeitgestaltung Aufwachsender einbezogen werden, damit ein Vergleich der einzelnen Formen möglich wird. Dazu wird zuerst der schulische mit dem außerschulischen Sport verglichen, danach der Schulsport, der Vereinssport sowie auch die institutionalisierten Kooperationen zwischen beiden grundlegend erläutert Das Herzstück dieser Arbeit bildet eine empirische Untersuchung der gesamten Schülerschaft der dritten und vierten Klassen der Grundschule in Pattensen. Schließlich erfolgen Handlungsempfehlungen an die an der Thematik Beteiligten, welche sich aus dieser und anderen Arbeiten ableiten lassen.

Da ich aus Pattensen stamme, selbst schon diese Schule als Schüler besucht habe, sowie auch das Allgemeine Schulpraktikum im Rahmen meines Studiums ebenfalls dort absolviert habe, hatte ich großes Interesse daran, zu erforschen, was sich gegebenenfalls im Bereich rund um die Freizeitgestaltung der Heranwachsenden seit meiner Kindheit in Pattensen verändert hat.

Dabei wollte ich nicht nur den organisierten Sport im Verein betrachten, sondern ebenso auch andere vereinsähnliche Institutionen wie Jugendfeuerwehren, Fanfarenzüge, Pfadfindergruppen und auch den informellen Bereich (Hobbies) mit einbeziehen, da sich dadurch auch die Möglichkeit von verschiedenen Vergleichen zwischen den einzelnen Feldern eröffnet.

Nach dieser Einleitung folgt in Kapitel 2 eine Gegenüberstellung von Sport im schulischen und im außerschulischen Kontext, im Verlaufe dessen wesentliche Unterschiede zwischen diesen beiden Bereichen erläutert werden.

Eine Betrachtung des Vereinssports in Deutschland, mit besonderem Blick auf Angebote für Kinder und Jugendliche, erfolgt in Kapitel 3. Es wird dabei die Mitgliederstruktur der Sportvereine, sowohl bezogen auf die gesamte Bundesrepublik Deutschland, als auch auf den größten Verein in Pattensen (TSV Pattensen) dargestellt und die beiden Strukturen in wesentlichen Punkten verglichen. Des weiteren wird auf Stärken und Schwächen der Vereinsangebote hingewiesen und Gründe für diese, soweit möglich, erläutert.

In Kapitel 4 erfolgt eine Darstellung der Entwicklung des Schulsports in Deutschland, anschließend werden aktuelle Probleme des selbigen anhand neuester Forschungsergebnisse aus der sogenannten SPRINT-Schulsportstudie (DSB, 2006) kurz erläutert.

Die Auswirkungen des Schulsports werden ebenfalls hauptsächlich auf Basis der Ergebnisse der genannten Studie dargelegt, wobei dieses aus Lehrplan-, Eltern- und Schülerperspektive geschieht, sodass die verschiedenen Ansichten, zumindest in einem bestimmten Rahmen, miteinander verglichen werden können.

Kapitel 5 behandelt die Kooperationen zwischen Schulen und Sportvereinen in Deutschland, wobei auf die Entwicklung dieser, auf in diesem Zusammenhang jeweils vorhandene Motive beider Institutionen, sowie auf das konkrete Aktionsprogramm zur Zusammenarbeit von Schule und Sportverein in Niedersachsen und dessen unmittelbare Umsetzung an der Grundschule in Pattensen näher eingegangen wird.

Eine Erläuterung der Rahmenbedingungen an der Grundschule Pattensen, in etwa die Lebensumstände im hauptsächlichen Einzugsbereich, oder die allgemeine Situation des Schulsports, erfolgt in Kapitel 6. Weiterhin werden hier die grundsätzlichen Fragestellungen des Schüler-Fragebogens sowie die Durchführung der Untersuchung und deren Auswertung erläutert, bevor schließlich in Kapitel 7 die Ergebnisse der Untersuchung dargelegt und teilweise, soweit möglich, interpretiert werden.

Abschließende Handlungsempfehlungen an die beteiligten Personen und Institutionen, gewonnen aus den Ergebnissen der gesamten Arbeit erfolgen in Kapitel 8.

Im Anhang findet sich unter anderem der komplette Schülerfragebogen der Untersuchung, sowie Bildmaterial.

2 Schulischer und außerschulischer Sport – Gegenüberstellung

Schulischer Sport unterscheidet sich von außerschulischem Sport in einigen wesentlichen Punkten. Es muss bei der Betrachtung allerdings noch einmal innerhalb des schulischen Sports differenziert werden zwischen unterrichtlichem Sport (Sportunterricht) und außerunterrichtlichem Sport, wie zum Beispiel Sport-Arbeitsgemeinschaften oder auch Kooperations-Veranstaltungen mit Sportvereinen.

Innerhalb des außerschulischen Sports müssen wiederum zwei verschiedene Arten unterschieden werden – der institutionalisierte und der informelle Sport.

Der Schulsport ist, im Gegensatz zu den anderen hier betrachteten Sportformen der Einzige, der für alle Kinder und Jugendlichen eine Pflichtveranstaltung im Rahmen der Schule darstellt.

Man kann also sagen, dass der schulische, unterrichtliche Sport (der Sportunterricht) als einzige der hier betrachteten Ausprägungen des Sports nicht auf Freiwilligkeit beruht, sondern Pflichtcharakter besitzt.

Daraus ergeben sich für den Schulsport Situationen, denen sich die anderen Formen des Sports nicht ausgesetzt sehen;

Er muss alle Kinder und Jugendlichen integrieren, also für jede Leistungs- und Motivationsausprägung innerhalb der heterogenen Teilnehmergruppe Möglichkeiten bereithalten, den Sport und seine Vielgestaltigkeit zu vermitteln. (vgl. DIGEL, 1993, S.21)

Im Bereich des institutionellen Sports oder in freiwilligen Arbeitsgemeinschaften und Kooperationen mit Sportvereinen, vor allem in Bereichen des informellen Sports finden sich aufgrund der freien Wählbarkeit aus einem großen Spektrum zum größten Teil Kinder und Jugendliche, die in hohem Maße motiviert und relativ sportlich sind. Deshalb ist es hier nicht in dem Maße notwendig, differenziert jedem einzelnen Teilnehmer gesonderte Bedingungen zum Sporttreiben anzubieten. Alle sind mehr oder weniger auf einem hohen motorischen Level und es gibt meist keine Probleme mit nicht vorhandener Motivation oder Untalentiertheit.

Im institutionalisierten Bereich des Sports gibt es für Kinder wenig Angebote im breitensportlichen Feld, weshalb Kinder in Vereinen größtenteils in erster Linie Leistungssport kennen lernen. Allerdings gibt es mittlerweile laut ZIROLI (1998) von vielen Anbietern auch für Kinder und Jugendliche, welche zwar Spaß am Sport, jedoch kein Interesse an systematischem Training und Wettkämpfen haben, Angebote in Form von Schnupperkursen und Freizeitsportgruppen.

Des weiteren basiert Schulsport auf staatlichen Lehrplänen und muss auch nach diesen Bestimmungen durchgeführt werden. Das bedeutet natürlich, dass der Schulsport grundsätzlich nicht so flexibel auf Veränderungen, zum Beispiel auf neue Trendsportarten reagieren kann, da die Erstellung beziehungsweise die Veränderung der Lehrpläne eine relativ lange Vorbereitungszeit beansprucht. Bis also eine neue Ausprägung eines Bewegungsfeldes in die Lehrpläne übernommen werden kann, ist diese zu großer Wahrscheinlichkeit in der Öffentlichkeit und bei den Schülern schon gar nicht mehr aktuell.

In Vereinen dauert hingegen aufgrund der freien Gestaltungsmöglichkeiten die Einführung einer neuen Sparte und damit die Möglichkeit auch für Kinder und Jugendliche diese neue Bewegungs- oder Spielform zu erlernen, beziehungsweise im Verein zu betreiben, wohl nur einen Bruchteil der Zeit.

Schulsport wird angeleitet von Berufspädagogen, in Sportvereinen leiten meistens ehrenamtliche Übungsleiter und Trainer die Übungsstunden. Bei Kooperationsveranstaltungen kommen beide Möglichkeiten ungefähr gleich verteilt zum Einsatz.

Zwischen Lehrern und Übungsleitern gibt es zahlreiche Unterschiede, sowohl in deren Ausbildung, dem Bild, welches die Kinder und Jugendlichen von ihnen haben, als auch in dem Selbstverständnis gegenüber ihren eigenen Tätigkeiten.

Sportlehrer sind akademisch ausgebildete Experten für ein weit gefächertes Feld innerhalb des gesamten Bereiches des Sports, welche den Schülern einen Sport darbieten, der im Idealfall dem pädagogischen Prinzip der Vielseitigkeit gerecht wird und so alle Sinnhaltigkeiten abdeckt. (vgl. ZIROLI, 1998)

Übungsleiter und Trainer in den Sportvereinen sind zumeist hobbymäßig tätige Ehrenamtliche, die auf ihrem Spezialgebiet absolute Experten sind, jedoch von anderen Feldern des Sports und meistens auch von Pädagogik keine besonderen Kenntnisse besitzen. Es besteht die Gefahr, wie in Abschnitt 5.1 näher beschrieben, dass zwischen diesen beiden Personengruppen große Spannungen entstehen, die sogar ein gewisses Konkurrenzverhalten hervorrufen können.

Nach ZIROLI (1998) wird im Schulsport der Sport auch nicht in erster Linie betrieben, sondern vermittelt. Dadurch verändere er sich zu didaktisch transformiertem, pädagogischem Sport, welcher immer „Wegweiser zum anderen, dem eigentlichen Sport“ sei.

An dieser Stelle sieht VOLKAMER (1987) ein Problem des Schulsports. Er sagt ebenda auf Seite 16: „Irgendetwas muss doch schiefgelaufen sein mit der Didaktik und mit unserem Sportunterricht. Wir bringen den Schülern nicht etwa Fußballspielen bei, weil es Spaß macht, sondern wir meinen ihnen beibringen zu müssen, dass Fußballspielen Spaß macht.“

Ebenso sieht VOLKAMER (ebd., S.62) im Sport als Pflichtfach in der Schule einen Widerspruch in sich. Seiner Definition nach ist nur das als „Sport“ zu sehen, was unverbindlich, freiwillig und folgenlos für den Betreibenden ist. Da jedoch Schulsport Pflicht ist, die Schüler für ihre Leistungen bewertet werden und nicht jeder Schüler freiwillig an ihm teilnimmt, ergibt sich seiner Meinung nach dieser Widerspruch.

Die genannte Definition von Sport nach VOLKAMER ist jedoch fragwürdig, da durch diese Festlegung des Begriffes der Sport, besonders der Leistungs- und Hochleistungssport aufgrund seiner Nicht-Folgenlosigkeit für die Agierenden keinen Sport mehr darstellen würde. Immerhin hängt in diesem Bereich nicht selten auch eine wirtschaftliche Existenz an den Erfolgen oder Misserfolgen im ausgeübten Sport. Außerdem kann es in jedem Fach in der Schule Schüler geben, welche nicht freiwillig teilnehmen. Auch die Folgenlosigkeit ist in keinem Fach gegeben, außer vielleicht in Arbeitsgemeinschaften, welche allerdings nicht direkt als Unterricht gelten.

3 Vereinssport für Kinder und Jugendliche

3.1 Mitgliederstruktur

Die Zahl der Einzelmitglieder der Sportvereine, welche in den Landessportbünden organisiert sind, lag im Jahr 2004 laut der Mitgliederstatistik des DSB (Deutscher Sportbund) bei genau 23.565.554.

Somit war jeder 3,5te Bürger der Bundesrepublik Deutschland Mitglied in einem solchen Verein. Das entspricht einem Prozentsatz von 28,55% der Gesamtbevölkerung Deutschlands.

Nach Altersgruppen aufgeschlüsselt ergibt sich folgendes Bild (siehe Abbildung 1) der Mitgliederstruktur:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Mitglieder in Sportvereinen nach Alter und Geschlecht

(DSB-Mitgliederstatistik 2004)

Zu erkennen ist in Abbildung 1 einerseits, dass in jeder Altersgruppe mehr männliche Bundesbürger Mitglieder in Vereinen sind als weibliche. SCHMIDT (1998) führt dieses Phänomen darauf zurück, dass Mädchen (und dadurch vermutlich auch Frauen; Anm. des Verfassers) andere Sportarten betreiben, andere Sinnrichtungen jenseits des Wettkampfes favorisieren, eher zu kommerziellen Anbietern gehen und insgesamt ein eher geringes, überdauerndes Sportengagement zeigen.

Schaut man sich die einzelnen Sportarten hingegen isoliert an, sind weibliche Mitglieder in einigen Sportarten mehr vertreten als männliche.

Typische Beispiele hierfür sind: Leichtathletik, Reiten, Schwimmen, Volleyball, Tanzsport sowie Sportakrobatik und moderner Fünfkampf.

Stellt man diesem nun eine Betrachtung der Sportart Fußball gegenüber, lässt dieses den Schluss zu, dass allein im Fußballsport der weitaus größte Beitrag geleistet wird zu der geschlechtsspezifischen Unterschiedlichkeit in der Gesamtbetrachtung der Mitgliederstruktur.

Insgesamt betrachtet gibt es etwa 15,5 Millionen männliche Vereinsmitglieder bzw. im Deutschen Sportbund Eingebundene sowie 9,3 Millionen weibliche. Das bedeutet einen Unterschied von zirka 6,2 Millionen Mitgliedern zwischen den Geschlechtern.

Allein auf Fußball bezogen existieren allerdings 5,4 Millionen männliche gegenüber rund 850.000 weiblichen Mitgliedern. Wenn man nun die Differenz zwischen diesen beiden Gruppen von ungefähr 4.550.000 vergleicht mit der Differenz zwischen den Geschlechtern innerhalb der Gesamtmenge der Mitglieder von 6,2 Millionen Menschen, wird deutlich, dass ohne den Faktor Fußball „nur noch“ in etwa 1,65 Millionen mehr männliche DSB-Mitglieder verzeichnet werden würden. Würde es also gelingen, mehr Mädchen und Frauen in die Fußballvereine zu locken, oder aber Angebote in anderen Bereichen so attraktiv für Mädchen und Frauen zu machen wie es Fußballangebote für die Jungen und Männer sind, wäre ein großer Teil der geschlechtsspezifischen Mitgliederunterschiede im gesamten deutschen Sportfeld Vergangenheit.

In der aktuellen Mitgliederstatistik des Deutschen Fußball Bundes (DFB 2005) ist allerdings erkennbar, dass Fußball auch für Mädchen zunehmend attraktiver zu werden scheint. So nehmen in der Saison 2005 mit 4113 Mädchen-Mannschaften bis zu einem Alter von 16 Jahren über 700 Teams mehr am Spielbetrieb teil als in der Saison 2004.

Zu berücksichtigen ist bei der Betrachtung der unterschiedlichen Mitgliedszahlen im Bereich Fußball auch, dass gerade hier nicht alle Mitglieder auch aktive Sportler sind. So weist beispielsweise der Fußballclub Bayern München auf seiner Homepage[1] darauf hin, dass er über 100.000 Mitglieder hat. Gleichzeitig versucht der Verein an dieser Stelle, mit Angeboten wie Ermäßigungen auf Heimspieleintrittskarten, weitere Fan-Mitglieder zu werben. WOPP (2006) sieht in den meisten Mitgliedern der großen Fußballclubs Fans und keine aktiven Sportler.

Andererseits gibt es in den Bereichen, in denen die meisten Mädchen und Frauen am liebsten ihrem Sport nachgehen würden, wohl auch weniger Vereinsangebote. Das hängt mit Sicherheit auch damit zusammen, dass wie oben bereits angeführt, Mädchen (und damit auch spätere Frauen) sich im Allgemeinen mit der Sinnperspektive „Wettkampf“ im Sport nicht so gut identifizieren können, Vereine jedoch bei ihrer Gründung fast ausschließlich auf diese Perspektive ausgelegt waren und wohl zum größten Teil auch heute noch sind. Die Vereine befinden sich zwar zur Zeit gerade im Wandel und in immer mehr Vereinen wird das Spektrum der Sinnperspektiven vom Wettkampf- und Leistungssport hin zum Breiten-, Gesundheits-, sowie Gemeinschaftssport erweitert, aber eine solche Umstellung dauert natürlich einige Zeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung 2 : Anteil der Vereinsmitglieder an der jeweiligen Bevölkerungsgruppe

(DSB-Mitgliederstatistik 2004)

Vergleicht man die Anzahl der Mitglieder in Sportvereinen (Abbildung 1) mit dem Anteil der Vereinsmitglieder an der jeweiligen Bevölkerungsgruppe (Abbildung 2) lässt sich rein objektiv folgendes erkennen:

Obwohl die 41-60jährigen zahlenmäßig am häufigsten in Vereinen vertreten sind, ist bei den 7-14jährigen der Anteil der Vereinsmitglieder an der Gesamtbevölkerung besonders hoch (bei den Jungen 74,74%, bei den Mädchen 57,01%).

Somit sind bei den 7- 14jährigen Jungen jeder 1,34te in einem Sportverein, bei den gleichaltrigen Mädchen jedes 1,75te.

Im direkten Vergleich sind bei den 41-60jährigen Männern nur jeder 3,13te, bei den Frauen nur jede 4,86te der Gesamtbevölkerung im Sportverein Mitglied.

Berücksichtigt man bei der Betrachtung der offiziellen Mitgliederstatistiken des Deutschen Sportbundes (DSB) allerdings die Einwände, die BAUR/BRETTSCHNEIDER (1994) vorbringen, erscheinen die genannten Zahlen allerdings für einen solchen Vergleich relativ wertlos.

Die Einwände beziehen sich darauf, dass die Statistiken des DSB gemeinhin dargeboten würden, als könne man von den absoluten Zahlen auf den Anteil der Vereinsmitglieder an der jeweiligen Bevölkerungsgruppe schließen.

Tatsächlich sei diese Statistik aber anders zu lesen:

Sie weise nämlich nicht den Anteil der Sportvereinsmitglieder unter den Jugendlichen aus, sondern gibt die Addition aller Mitgliedschaften (von Jugendlichen) in Sportvereinen und den einzelnen Sportverbänden wieder.

Folglich sei es unzulässig, von den Mitgliedschaften auf einen entsprechend hohen Anteil von Vereinszugehörigen unter den Jugendlichen zu schließen, da gerade in dieser Altersgruppe eine wachsende Tendenz zu Mehrfachmitgliedschaften zu erkennen sei.

Wenn also nun ein 7-14jähriger in zwei Vereinen Mitglied wäre, würde dieser als 2 eigenständige Mitglieder zählen. Geht man nun nach den Ergebnissen von FUHS (1996, S. 141 ff.) noch davon aus, dass gerade bei Kindern eine Mehrfachmitgliedschaft sehr häufig vorkommt (bis zu einem Fünftel der Kinder waren in seiner Untersuchung in 2 Vereinen, einige in noch mehreren) , wird eine Betrachtung und Bewertung der Mitgliederstatistiken des DSB unmöglich. (siehe hierzu auch die Ergebnisse der Untersuchung im Rahmen dieser Arbeit in Abschnitt 7.7)

Legitim beobachten kann man jedoch an der Statistik des DSB (2004) die Sportarten, die von den 7- bis 14jährigen Mitgliedern im Verein am beliebtesten sind..

(siehe Abbildung 3)

Es zeigt sich, dass Fußball insgesamt auch in dieser Altersgruppe am populärsten ist. An zweiter Stelle folgt das Turnen. Bei diesen beiden Sportarten zeigt sich ein interessanter Zusammenhang; Das Turnen ist bei den Mädchen am meisten besucht, bei den Jungen Fußball. An zweiter Stelle folgt dann bei den Mädchen Fußball und bei den Jungen Turnen. Damit steht Fußball bei den Mädchen noch besser da als zum Beispiel Reiten, welches allerdings nur sehr knapp, mit ungefähr 2000 Mitgliedschaften Rückstand, auf dem dritten Rang folgt. Bei den Jungen ist Turnen in dieser Altersgruppe weit (um zirka 210.000 Mitgliedschaften) vor Tennis als drittplatzierter Sportart angesiedelt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung 3 : Die häufigsten Mitgliedschaften der 7- bis 14jährigen im DSB

(DSB Mitgliederstatistik 2004)

3.2 Stärken und Schwächen der Vereinsangebote

Die Vereine sind laut WOPP(2006) die Institutionen im Sport, die in den vergangenen Jahren, mit Ausnahme des informellen Sports, die meisten Menschen an sich gebunden haben. So sei es durch die Zahl von über 90000 Sportvereinen in einem flächendeckenden Netz nahezu jedem Interessierten möglich, sich einem Verein anzuschließen und dort sportlich tätig zu werden.

Es gibt also folglich in den Vereinen auch für Kinder und Jugendliche ein großes Angebot. Da jedoch im Bereich des Breitensports das Angebot gerade für diese Altersgruppe nicht sehr reichhaltig vertreten ist, kommen Kinder und Jugendliche in Sportvereinen vorwiegend mit Formen des Wettkampfsports in Berührung.

Diese Tatsache ist laut SCHMIDT (1998) mit als Grund für einen frühen Vereinsaustritt zu sehen;

Dadurch, dass das Vereinssystem zu sehr auf den Wettkampfsport zugeschnitten ist, frustriere es diejenigen, die entweder nicht den Leistungskriterien genügen oder die zwischenmenschlich nicht integriert sind. Weitere Gründe für einen frühen Austritt sieht SCHMIDT (ebd.) darin, dass

- vorwiegend die Jugendlichen dauerhaft im Verein vertreten bleiben, deren Eltern diesem Engagement zumindest wohlwollend gegenüber stehen
- gerade neuere Befunde andeuteten, dass gerade in Vereinsgruppen der jüngsten Teilnehmer, die am wenigsten fachlich und pädagogisch qualifizierten Trainer und Übungsleiter tätig seien, welche oft ein autoritäres Verhalten, gepaart mit konditionellen Trainingsinhalten und Drillelementen an den Tag legten

Gerade der letztgenannte Punkt stoße auf wenig Gegenliebe der Kinder wie auch vieler bildungsbewusster Eltern.

SCHMIDT (ebd.) betrachtet „Fluktuation“ und „Drop out“ in Bezug auf Sportvereine als normale Begleiterscheinungen der Sportteilnahme, da die beiden Phänomene den Waren- und Konsumcharakter der gesellschaftlichen Bedingungen widerspiegelten.

Auch aufgrund der veränderten Lebensbedingungen würden laut WOPP (2006) Vereine von vielen Mitgliedern nicht mehr als Identifikations- und Bindungsmöglichkeiten, sondern eher als kostengünstige Serviceeinrichtungen gesehen, welche ohne Probleme wieder verlassen werden könnten, wenn die Angebote nicht mehr gefielen oder andere Gründe für eine Nichtteilnahme an den Vereinsangeboten vorlägen. Als Konsequenz seien mittlerweile viele Sportvereine dazu übergegangen, für bestimmte Vereinsangebote auch Teilzeitmitgliedschaften anzubieten.

Bei Jugendlichen sei nach WOPP (2006) die Bindung an die Vereine sehr stark ausgeprägt, jedoch die Dauer dieser Bindung mit zwischen sieben und acht Jahren zeitlich begrenzt. Beachtet man, dass laut der DSB-Mitgliederstatistiken von 2000 und 2004 allein in diesem Zeitraum überproportionale Zuwächse bei den bis 6-jährigen stattfanden,

(2000: 1.056.026 / 2004: 1.177.545 Mitglieder) erklärt sich auch, warum immer mehr Kinder immer früher (im Alter von 12 bis 14 Jahren) die Vereine wieder verlassen.

Dem häufig genannten Problem der Sportvereine, einem Mangel an Ehrenamtlichen, spricht WOPP (2006) anhand der Betrachtung von empirischen Untersuchungen (EMRICH et al., 2001 sowie MEULEMANN, 2001) einen vermutlich „gefühlten“ Problemstatus zu, da diese Untersuchungen zeigten, dass es keine empirischen Belege für eine Entwicklung in diese Richtung gibt. Im Gegenteil sei vom Jahre 1993 bis 2000 der Anteil an ehrenamtlich Tätigen unter der Bevölkerung von 23,2% auf 28,8% gestiegen.

Bezöge man auch noch die Veränderungen in der Altersstruktur der Bevölkerung in die Betrachtung mit ein, so wäre sogar die Schlussfolgerung zulässig, dass es in den kommenden Jahren eher leichter fallen dürfte, ehrenamtliche Mitarbeiter zu gewinnen.(vgl. WOPP, 2006, S.292)

Um die Probleme der Vereine hinsichtlich der Mitgliederfluktuation zu mindern, wären aufgrund der vielschichtigen Begründungsaspekte ebenso verschiedene Lösungsansätze nötig. Mögliche Ansätze für die Vereine wären:

- die breitensportlichen Angebote für Kinder und Jugendliche zu erweitern, sodass jedes Mitglied der Altersgruppe ohne Frust und nur aus Spaß und Freude Sport treiben kann
- den Eltern die sportliche Betätigung ihrer Kinder näher bringen, sodass sie ihre Kinder darin bestätigen
- besonders in den Kindergruppen nur speziell qualifizierte Trainer/Übungsleiter einzusetzen, welche auch auf pädagogischer Ebene die Kinder optimal behandeln und fördern.

3.3 Vereinslandschaft in und um Pattensen

In Pattensen gibt es einen großen, mehrspartigen Sportverein, den TSV Pattensen von 1890 e.V. und mehrere einspartige Vereine, wie zum Beispiel den Schießclub Pattensen von 1913 e.V. , den Motorsportclub Pattensen von 1928, den Tennisverein Pattensen von 1973 und die Ortsgruppe Pattensen der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG). Daneben gibt es noch zwei Fanfaren- und eine Pfadfindergruppe.

In Pattensen sowie in allen Nachbargemeinden gibt es Jugendfeuerwehren, in Laatzen und in Hemmingen (jeweils zirka 10 km von Pattensen entfernt) jeweils eine Tanz/Ballettschule.

Aufgrund des großen Angebots möchte ich mich an dieser Stelle für eine genauere Betrachtung auf den größten Sportverein in Pattensen beschränken, den TSV Pattensen.

Der TSV wurde gegründet im Jahr 1890 und hat derzeit (Stand 1.10.2005) 1441 Mitglieder in 12 Sparten (Fußball, Gymnastik, Handball, Judo, Leichathletik, Schach, Schwimmen, Tanzen, Tischtennis, Trampolinturnen, Turnen und Volleyball).

Besonders große Erfolge für den Verein haben bisher zum Beispiel Torsten Raddatz und Sebastian Griebe als Sportler der Trampolinsparte gefeiert. Torsten Raddatz nahm 1987 an den Weltmeisterschaften teil und Sebastian Griebe war 1996 und 1997 Deutscher Meister in seiner Altersklasse. Außerdem ist derzeit der bereits mehrfache Nationalmannschafts-Fußballer von Hannover `96, Per Mertesacker zu nennen, der beim TSV Pattensen seine Fußballkarriere begann.

Auch im TSV Pattensen liegen die Gesamt-Mitgliedschaften in den Sparten zusammen mit 1633 um ca. 13% höher als die Anzahl der Mitglieder von 1441.(ähnlich der Vermutungen bezüglich der Zahlen des Deutschen Sportbundes, siehe Kapitel 3.1)

Das heißt, das es einen bestimmten Anteil von Mitgliedern im TSV Pattensen geben muss, welche nicht nur einer Sparte angehören. Betrachtet man unter diesem Aspekt nur die 7- bis 14jährigen, so zeigt sich, dass hier die Zahl der mehrspartig engagierten Mitglieder besonders hoch ist. Von 431 Mitgliedern dieser Altersstufe werden 519 Spartenmitgliedschaften erreicht.(siehe Abbildungen 4 und 5)

Folglich existiert in dieser Altersgruppe eine Differenz von ca. 20% zwischen den Mitgliedszahlen des Vereins und den Mitgliedschaften der einzelnen Sparten, sprich bis zu 20% der 7- bis 14jährigen Vereinsmitglieder sind in mindestens 2 Sparten engagiert . Legt man diese Beobachtungen der Statistik des Deutschen Sportbundes zugrunde, so ist davon auszugehen, dass die Zahlen aus dessen Mitgliedererhebung insgesamt um in etwa 13% zu hoch liegen dürften und bei den Kindern und Jugendlichen sogar um bis zu 20%.

Zu erkennen ist laut der Mitgliederstatistik auch, dass ab einem Alter zwischen 13 und 15 Jahren eine große Tendenz zum Austritt aus dem TSV Pattensen vorliegt. Die 7- bis 14jährigen stellen mit großem Abstand die größte Altersgruppe unter den Mitgliedern dar (431 Mitglieder) , wohingegen die 15- bis 18jährigen deutlich weniger Mitglieder stellen (120 Mitglieder). Begründungsversuche zu diesem Phänomen wurden in Abschnitt 3.2 bereits dargelegt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung 4 : Anzahl Mitglieder TSV Pattensen nach Alter (Mitgliederstatistik TSV Pattensen 2005)

Vergleicht man die reinen Mitgliedschaften des TSV Pattensen (siehe Abbildung 5), mit denen der Statistik des DSB (siehe Abbildung 1, Kapitel 3.1), so fällt auf, dass bei den Kindern und Jugendlichen in etwa das selbe Verhältnis herrscht, also dass in der Altersgruppe bis 14 Jahre ein Maximum erreicht wird, die Mitgliedschaften dann mit zunehmendem Alter stark nachlassen und so weiter. Allerdings ist im TSV Pattensen die Altersgruppe der 41- bis 60jährigen im Vergleich mit den anderen Altersgruppen bei weitem nicht so stark vertreten wie in der DSB-Statistik.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung 5 : Spartenmitgliedschaften im TSV Pattensen nach Alter

(Mitgliederstatistik TSV Pattensen 2005)

Die Aufteilung aller Spartenmitgliedschaften innerhalb des TSV Pattensen

(siehe Abbildung 6) zeigt, dass erwartungsgemäß in der Fußballsparte die meisten Mitglieder vertreten sind, gefolgt von der Turn-, der Schwimm- und der Gymnastiksparte. Ebenso wie erwartet zeigt sich die Geschlechterverteilung innerhalb der einzelnen Abteilungen; Im Bereich Fußball und Handball sowie beim Judo gibt es deutlich mehr männliche, im Turn- und Gymnastikbereich sowie beim Trampolinturnen und in der Leichtathletik mehr weibliche Mitglieder. In der Schwimmabteilung, beim Volleyball, beim Tanzen und beim Tischtennis ist das Verhältnis eher ausgeglichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Verteilung aller Spartenmitgliedschaften im TSV Pattensen

(Mitgliederstatistik TSV Pattensen 2005)

Betrachtet man nur die Gruppe der 7- bis 14jährigen Mitglieder des TSV Pattensen

(siehe Abbildung 7), so erkennt man sofort, in welchen Bereichen es in diesem Verein keine Angebote für diese Altersgruppe gibt. Kinder und Jugendliche dieser Altersstufe haben somit keine Möglichkeit, Gymnastik, Handball, Leichtathletik, Schach, (Partner-)Tanz sowie Volleyball im TSV zu betreiben. Im leichathletischen Bereich waren bis vor einigen Jahren noch Angebote für Kinder und Jugendliche vorhanden, in den anderen Sparten gab es schon längere Zeit keine entsprechenden Angebote mehr. Im Bereich Breitensport gibt es im TSV Pattensen ebenfalls keine Möglichkeiten, allerdings gilt dies für alle Altersgruppen.

Die Verteilung der Mitgliedschaften hinsichtlich des Geschlechts innerhalb dieser Altersgruppe entspricht im Grunde der Verteilung innerhalb der gesamten Mitgliedschaften.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Spartenmitgliedschaften der 7-14jährigen im TSV Pattensen

(Mitgliederstatistik TSV Pattensen 2005)

4 Schulsport in Deutschland

Schulsport umfasst wie bereits dargelegt den Sportunterricht sowie den außerunterrichtlichen Sport wie beispielsweise Sport-AGs oder auch Kooperationsveranstaltungen der Schulen mit Sportvereinen. In diesem Abschnitt soll vorwiegend der Sportunterricht betrachtet werden, da den Kooperationen noch ein eigenes Kapitel zuteil wird. (siehe Kapitel 5)

Der Sportunterricht hat eine Entwicklung hinter sich, während der er vielen verschiedenen Konzepten und Zielsetzungen ausgeliefert war. Und anscheinend ist er noch immer nicht am Ziel angekommen.

Trotz der Tatsache, dass Sportunterricht laut mehrerer empirischer Studien (u.a.: DIGEL 1996, SPRINT 2005) unter den Schülern nach wie vor im Allgemeinen das beliebteste Unterrichtsfach darstellt, so hat er jedoch auch mit einigen schwerwiegenden Problemen zu kämpfen, welche nicht ohne Schwierigkeiten eliminierbar zu sein scheinen.

Aber auch die positiven Auswirkungen von Sportunterricht sowohl auf die Schule als auch auf die Schüler sollen in diesem Abschnitt erläutert werden.

4.1 Geschichte

Bereits im alten Griechenland gab es im damaligen „Gymnasium“ eine Form des Schulsports. Neben geistigen Aufgaben wurden die Schüler auch körperlich gefordert. Schon die Griechen hatten erkannt, dass eine ganzheitliche Erziehung mehr bringt als eine einheitliche, kopflastige, nur auf das Studieren von Schriften ausgerichtete Erziehung. (vgl. Stuttgarter Nachrichten 15.5.2001)

Im Gebiet des heutigen Deutschlands gab es zirka ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sogenannte Ritterakademien für Angehörige des Adels-Standes. An diesen Akademien wurde den anderen Fächern, wie zum Beispiel Mathematik, Recht, Geschichte und Geographie, wenig Beachtung geschenkt. Auf Fächer der körperlichen Betätigungen (Tanzen, Fechten und Reiten) wurde allerdings großer Wert gelegt. (vgl. KECK, 1998)

Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts starben diese Ritterakademien im Zuge der Abnahme der Standesgesellschaft nach und nach aus.

1774 eröffnete Johann Bernhard Basedow in Dessau eine Musterschule, welche die Erziehung der Kinder auf Basis der Konzepte der philantrophischen Pädagogik zum Ziel hatte. Die Konzepte dieser Pädagogik zielten auf Aufklärung und Bildung, Gemeinnützigkeit und Selbsttätigkeit. Zum Erreichen dieser Ziele wurde dem Spielen und der körperlichen Ertüchtigung, kombiniert mit weltoffenen Bildungsinhalten eine große Bedeutung beigemessen. Unterricht erfolgte hier nicht in tristen Schulgebäuden, sondern lebensnah in der Umgebung. Die Schüler wurden nicht nur von ihrem Lehrer gelehrt sondern auch von Bauern oder Handwerkern ihres Lebensumfeldes.

An dieser Schule in Dessau wurde nach einigen Jahren der Sportunterricht für die Schüler zum Schulfach, damit war hier der erste wirkliche Sportunterricht entstanden, welcher allerdings als Leibesübungen bezeichnet wurde, deren damalige Inhalte aber auch aus heutiger Sicht zum größten Teil eindeutig als Sport bezeichnet werden können.

Diese Inhalte waren teilweise an die älteren adeligen Muster angelehnt, so gab es noch Fechten, Reiten und Voltigieren, aber andere, neue Formen waren ebenso vertreten, wie Stabsprung über einen Graben, Übungen auf dem Schwebebalken, Tanzen, Weitsprung, Hochsprung, Klimmzüge usw. Außerdem gab es noch Bestandteile, die den Kindern beim bewältigen des täglich Lebens helfen sollten. Basedow nannte sie „Vorübungen des wahren menschlichen Lebens“ und diese umfassten zum Beispiel Grundfertigkeiten handwerklicher Art, als auch lebenspraktische Fähigkeiten wie “das Bergklettern, sich am Seile herunter lassen, Würfen und fallenden Körpern ausweichen, über schwaches Eis gehen, auf schmalen Balken gehen, schwimmen, rudern, steuern, segeln, die Sicherheit eines geladenen Fahrzeugs beurtheilen, Andere aus dem Wasser retten,[...],schießen, sich wehren (auch gegen Hunde) mit Stöcken, Degen und Säbeln:“ (vgl. hierzu SCHMITT, 1998, in LIEDTKE, 1998, S.89ff)

Der Philantroph Johann Christian Friedrich Guts Muths (1759-1839) unterstützte Basedow darin, dessen Ziele zu erreichen und setzte sich zusätzlich gegen die „Verzärtelung“ und „Weichlichkeit“ insbesondere der in den Städten aufgewachsenen Kinder ein.

Er schrieb im Jahre 1793 auch die erste pädagogische Arbeit über die Funktionen und Inhalte der Leibeserziehung und ihre Wirkungen auf die soeben genannten Symptome der „Verzärtelung“ und der „Weichlichkeit“. Diese Arbeit trug den Namen „Gymnastik für die Jugend“ und ab 1804 tauchte im bayerischen Lehrplan für die Volksschule das Fach „Gymnastik“ als ordentliches Unterrichtsfach erstmals im Gebiet des heutigen Deutschlands auf. (vgl. OPFER, 2002)

Laut HUBER war zur Wirkungszeit des „Turnvaters“ Friedrich Ludwig Jahns (1778-1852) die philantrophe Pädagogik in der Ansicht der Öffentlichkeit gesunken und gewissermaßen aus der Mode gekommen.

Nach der Zeit der Turnsperre (1820-1842) vergingen noch einige Jahrzehnte ohne nennenswerte Auswirkungen auf die Schulrealität. Zwar wurde an einigen Schulen das Turnen unter ganz bestimmten Bedingungen wieder erlaubt, doch erst gegen 1860 wurde Turnen an preußischen Schulen laut OPFER (2002) wieder zum Pflichtfach.

Um diese Zeit war es auch erstmals für Mädchen möglich, am Turnunterricht teilzunehmen, wobei einzelne Übungen wie zum Beispiel das Bockspringen, das Voltigieren sowie Barren- oder Reckübungen aufgrund „erhöhter Verletzungsgefahr“ überwiegend abgelehnt wurden. (vgl. OPFER, 2002)

Das Turnen in Deutschland zu dieser Zeit war angelehnt an das Konzept von Adolf SPIESS (1810-1858), welches das freie Turnen nach JAHN in Richtung Gehorsam und Ordnung verändert hatte. Somit stand das disziplinierte „deutsche Turnen“, welches häufig in Hallen stattfand, in einem Gegensatz zum fast ausschließlich im Freien stattfindenden „englischen Sport“. Der Begriff „Sport“ leitete sich ab von „to disport“ - sich vergnügen- und beinhaltete verschiedene Arten von Spielen, von denen das Bekannteste und auch heute noch sehr populäre das Fußballspiel ist. Ab 1874 wurden die englischen Spiele von dem Braunschweiger Lehrer und Schulsportreformer KARL KOCH (1846-1911) nach Deutschland gebracht und diese Spiele fanden bei der Bevölkerung großen Anklang. Die neue Kategorie der „Sportspiele“ war somit in Deutschland geboren.

1882 wurden im „Goßlerschen Spielerlass“ des preußischen Kultusministers die Spiele und das Turnen im Freien in der Schule fest verankert und verbindlich gemacht.

Ab dem Jahr 1909 wurde das Turnen in Voraussicht der anstehenden Eskalation der weltweiten Konflikte, zumindest für die Jungen, militarisiert. Das hieß, dass die Jungen damals mit Stäben turnen mussten, wobei diese Stäbe als Gewehrersatz dienen sollten, dass sie Kriegsspiele spielten und es in den Schulen immer mehr Arbeitsgemeinschaften gab, in denen zum Beispiel das Schießen mit Kleinkaliberwaffen geübt wurde.

(vgl. hierzu und zu folgendem Absatz: ANONYM (1))

5 Jahre später begann der erste Weltkrieg und auch viele Turnlehrer meldeten sich freiwillig zum Kriegseinsatz, wodurch in dieser Zeit in der Regel kein Turnunterricht stattfinden konnte. Nach dem Ende des Krieges wurde wieder großer Wert gelegt auf eine ganzheitliche, natürliche „Leibeserziehung“ als Teil der Gesamterziehung.

Auf der Reichschulkonferenz 1920 verabschiedeten die Teilnehmer die Zielsetzung, eine tägliche Turnstunde für alle Schulformen einzurichten.

Ab dem Zeitpunkt der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland im Jahr 1933 fand zuerst eine Gleichschaltung des Sports statt, wodurch alle derzeitigen Sportfachverbände ihre Autonomie verloren und unter die Aufsicht des Reichssportführers gestellt wurden.

In der Schule benutzte man Sport als Ausleseinstrument, indem alle Schüler, welche an körperlichen Gebrechen litten und auch solche, die gewisse Mindestleistungen im Sport nicht erbringen konnten, die weiterführenden Schulen verlassen mussten (sogenannter Ausleseerlass von 1934). Schule und auch der Schulsport wurden ebenso als Mittel benutzt, um die Nationalsozialisten der Zukunft heranzuerziehen und ihnen die dementsprechenden Werte zu vermitteln. So wurden in dieser Zeit bei den Mädchen hauptsächlich „Mädeltanz“, bei den Jungen Kampfsportarten im Sportunterricht, welcher die Bezeichnung „Leibeserziehung“ trug, behandelt.

1937 wuchs die Leibeserziehung in der Schule zum Hauptfach heran, welches mit 5 Wochenstunden in die Lehrpläne einging. Die Nationalsozialistische Führung wollte sich, ebenso wie die politischen Machthaber vor dem ersten Weltkrieg besonders starke und wehrhafte Krieger sowie gebärfreudige und gesunde Mütter heranzüchten.

Aus diesen Gründen hatte die Leibeserziehung einen großen Stellenwert in der Schule, was man auch daran erkennen kann, dass sie im Zeugnis der Schüler auf bis zu 6 verschiedene Fächer aufgeteilt wurde. Als Beispiel für 6 unterschiedliche Sportfächer an einer Schule zu diesem Zeitabschnitt nennt OPFER (2002) :

- Leichtathletik
- Turnen
- Schwimmen
- Allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit
- Spiel
- Boxen

Nach dem verlorenen zweiten Weltkrieg war eine Weiterführung der Nationalsozialistischen Leibeserziehung als vormilitärische Erziehung nicht mehr aufrecht zu erhalten und natürlich auch von den Verantwortlichen nicht mehr erwünscht.

Deshalb wurde Leibeserziehung nun in die Pädagogik eingebunden und ihre präventiven und musischen Möglichkeiten, beispielsweise dem Haltungsverfall entgegenzuwirken sowie Körper- und Bewegungsgefühl in Tanz und Gymnastik zu entwickeln, hervorgehoben.

So wurde Leibeserziehung in den 50er Jahren zusammen mit Kunst und Musik zu den musischen Fächern gezählt und auf eine rhythmische Erziehung, Tanz und Tanzspiele wurde großer Wert gelegt.

Bis ungefähr 1970 stellt die Leibeserziehung einen „unentbehrlichen Teil der Gesamterziehung“ dar. Sie sollte die Gesundheit der jungen Menschen fördern, ihre Bewegungsfähigkeit entfalten und die Freude an körperlicher Leistung steigern. Zudem sollte durch sie das Gefühl für Wert und Würde des eigenen Leibes und der Sinn für die Schönheit von Haltung und Bewegung geweckt werden. (vgl. SEYBOLD, 1998)

Ab 1970 begann eine Phase der Differenzierung, in der das gesellschaftliche Phänomen Sport Gegenstand des Schulsports wurde. Das Ziel war von nun an, die Schüler zum Sport, anstatt sie wie bisher durch Sport zu erziehen. Die Begriffe Leibesübungen und Leibeserziehung wurden ersetzt durch Sport, Sportunterricht oder Schulsport.

Hier finden sich nun einzelne Sportarten in differenzierter Form, dem Vereinssport nahezu angeglichen.

In zwei „Aktionsprogrammen für den Schulsport“ in den Jahren 1972 und 1985 wurden unter Zusammenarbeit der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK), des deutschen Sportbundes (DSB) und der kommunalen Spitzenverbände wichtige Ziele im Hinblick auf die weitere Entwicklung des Schulsports genannt. Einige dieser Ziele waren beispielsweise (aus: 2. Aktionsprogramm für den Schulsport; Quelle DSB (1)),

- den Sportstättenbau fortzusetzen
- die Fort- und Weiterbildung von Sportlehrer/innen auszubauen
- die Öffentlichkeit über die Bedeutung des Schulsports verstärkt zu informieren
- die Nichtteilnahme von Schülern auf ein medizinisch erforderliches Maß zu beschränken
- den erreichten Umfang des Sports in den Stundentafeln zu erhalten bzw. zu erweitern
- den Sportstundenausfall in den Schulen zu verringern
- sicherzustellen, dass Sportunterricht nur noch von fachlich qualifizierten Lehrkräften erteilt wird
- Sport als Thema in anderen Unterrichtsfächern und fächerübergreifend zu behandeln
- Integration behinderter Schüler in den regulären Sportunterricht
- die Kooperationen zwischen Schulen und Sportvereinen zu verbessern (vgl. Abschnitt 5)

Ob eine wirkungsvolle Umsetzung dieser Forderungen stattgefunden hat, wird im folgenden Abschnitt 4.2 dargelegt.

4.2 Probleme des Schulsports

Die diesjährig vorgestellte SPRINT-Studie (Sp ortunter r icht in Deu t schland) (Quelle: DSB 2) zeigt die aktuellsten Probleme des Schulsports in Deutschland auf. Deshalb möchte ich mich am Anfang dieses Abschnittes ausschließlich mit den Ergebnissen dieser Studie befassen und die größten Probleme thematisieren, um dann im Anschluss die Umsetzung der hauptsächlichen Forderungen aus dem 2 .Aktionsprogramm für den Schulsport von 1985 anhand der vorliegenden Erkenntnisse zu beurteilen.

[...]


[1] www.fcbayern.t-com.de

Ende der Leseprobe aus 99 Seiten

Details

Titel
Der außerschulische Sport an der Grundschule P. - Eine Untersuchung der Schulwirklichkeit
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Institut für Sportwissenschaft)
Note
1,5
Autor
Jahr
2005
Seiten
99
Katalognummer
V50171
ISBN (eBook)
9783638464420
ISBN (Buch)
9783638680165
Dateigröße
886 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Examensarbeit mit empirischer Untersuchung. Fragebogen der Untersuchung ist im Anhang zu finden.
Schlagworte
Sport, Grundschule, Eine, Untersuchung, Schulwirklichkeit
Arbeit zitieren
Kai Fritsch (Autor:in), 2005, Der außerschulische Sport an der Grundschule P. - Eine Untersuchung der Schulwirklichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50171

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