Die europäischen Güter- und Finanzmärkte sind seid langem stark verflochten und verwachsen noch weiter. Bereits vor der politischen Union war eine wirtschaftliche Verzahnung der nationalen Märkte weit vorangeschritten. Die Arbeitsmärkte bilden hierbei die Ausnahme. Zwar gibt es inzwischen koordinierte Aktionen und Absprachen der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände, aber eine beschlussfähige Einheit konnte bisher nicht hergestellt werden. Vor allem für die Gewerkschaften stellt sich die Frage, ob die Lohnverhandlungen unter Umständen europaweit unter einer Dachorganisation vereint werden sollten. Es gibt verschiedene Optionen, die sich den Tarifpartnern innerhalb der Währungsunion bieten. In diesem Aufsatz sollen einige davon beschrieben und diskutiert werden. Ganz besonders sind die Möglichkeiten hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit zu prüfen.
Literatur:
Borghijs, Alain u.a. (2003), European Wage Coordination: Nightmare or dream to come true?
An Economic Analysis of Wage Bargaining Institutions in the EU. CPB Discussion Paper No.
17, Den Haag
Schulten, Thorsten (2002), Europeanisation of Collective Bargaining. An Overview on Trade
Union Initiatives for a Transnational Coordination of Collective Bargaining Policy. WSI Discussion
Paper No. 101, Düsseldorf (Hans-Böckler-Stiftung)
Bob Hancké, David Soskice. Wage-Setting and Inflation Targets in EMU. Oxford Review of
Economic Policy, Volume 19, Number 1, Supplement1 (January 01, 2003), pp. 149-160
Tomann, Horst (1997), Stabilitätspolitik – Theorie, Strategie und europäische Perspektiven; Springer-Verlag Berlin-Heidelberg
Einleitung
Die europäischen Güter- und Finanzmärkte sind seid langem stark verflochten und verwachsen noch weiter. Bereits vor der politischen Union war eine wirtschaftliche Verzahnung der nationalen Märkte weit vorangeschritten. Die Arbeitsmärkte bilden hierbei die Ausnahme. Zwar gibt es inzwischen koordinierte Aktionen und Absprachen der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände, aber eine beschlussfähige Einheit konnte bisher nicht hergestellt werden. Vor allem für die Gewerkschaften stellt sich die Frage, ob die Lohnverhandlungen unter Umständen europaweit unter einer Dachorganisation vereint werden sollten. Es gibt verschiedene Optionen, die sich den Tarifpartnern innerhalb der Währungsunion bieten. In diesem Aufsatz sollen einige davon beschrieben und diskutiert werden. Ganz besonders sind die Möglichkeiten hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit zu prüfen.
Die Tarifabschlüsse, also die Ergebnisse der Verhandlungen der Tarifparteien, haben einen Einfluss auf die Arbeitslosigkeit. Je höher die durchgesetzten Reallohnforderungen sind, desto mehr Rationalisierungsmaßnahmen müssen die Unternehmen in einem Markt, in dem sie als Preisnehmer agieren, durchführen. Je teurer die Arbeit ist, umso mehr muss sie beispielsweise durch Kapital ersetzt werden. Daher sollten die Gewerkschaften bei ihren Lohnforderungen auch immer die Arbeitslosigkeit mit in ihr Kalkül ziehen.
Andersherum wirkt sich die Arbeitslosigkeit auf die Verhandlungsposition der Gewerkschaften aus. Die Machtverteilung während der Verhandlungen gestaltet sich dann zu Gunsten der Gewerkschaften, wenn das Arbeitsangebot sehr knapp ist. Dann werden die Tarifabschlüsse einen tendenziell höheren Reallohn hervorbringen. durch die dann steigende Arbeitslosigkeit würde die Verhandlungsposition der Gewerkschaften im Zeitverlauf wieder sinken.
Die Empirie kann diese Theorie nicht in Gänze beweisen. Obwohl die Arbeitslosigkeit im langfristigen Verlauf in ganz Europa signifikant angestiegen ist, hat die Verhandlungsposition der Gewerkschaften nicht an Kraft verloren. Besonders bemerkenswert ist, dass alle Gewerkschaften in Europa einen Rückgang der Mitgliederzahlen verbuchen und trotzdem eine weiterhin starke Verhandlungsposition bekleiden.
Allerdings zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Gewerkschaften Europas. Mitgliederzahl und Organisation weichen stark voneinander ab. Dieser Umstand wird in einem anderen Teil dieser Arbeit näher beleuchtet.
Außerdem kann ein Rückgang der Reallöhne verzeichnet werden. Dies ist auch das Ergebnis eines stärkeren Wettbewerbs mit den Beitrittsländern aus Osteuropa. Da die Unternehmen leichter abwandern können, müssen die Gewerkschaften nun im internationalen Rahmen denken und sich den Wettbewerbsbedingungen stellen. Die Frage wird sein, ob eine Koordinierung der Gewerkschaften, wie sie auf Güter- und Kapitalmärken bereits vollzogen ist, zielführend ist, oder ob ein derartiges Zentralisieren eher kontraproduktiv wirkt. Falls eine engere Verzahnung vollzogen werden soll, muss weiterhin geklärt werden, wie diese aussehen kann und welche Auswirkungen davon ausgehen werden.
Ausgangslage
Zunächst soll beschrieben werden, wie die Arbeitnehmervertretung in Europa heute aufgestellt ist. Es muss festgestellt werden, dass die Gewerkschaften in Europa enorme Unterschiede aufweisen. Ungefähr die Hälfte der Arbeitnehmer in Europa ist Mitglied in einer Gewerkschaft. Dabei gibt es sehr große Unterschiede zwischen den Ländern. Der Trend hat in den letzten Jahren zu einem Rückgang der Mitgliedschaften geführt, wobei die Standardabweichung der Mitgliederzahlen zwischen den Ländern in Europa immer größer wird. Während 1994 in Schweden ca. 90% der Arbeitnehmer Mitglied einer Gewerkschaft waren, waren es in Groß Britannien nur 34% und in Frankreich sogar nur 9%.
Dies jedoch sagt nicht viel über Entwicklung der Einflussmöglichkeiten der Gewerkschaften aus. Die Reichweite der Gewerkschaften liegt in fast allen west- und mitteleuropäischen Ländern bei über 70%. Einige Länder lagen 1994 sogar bei 95%. Die einzige Ausnahme ist interessanterweise Großbritannien. Obwohl es bei weitem nicht die niedrigsten Mitgliedsraten aufweist, reicht der Einfluss der Gewerkschaften nur halb so weit, wie im Durchschnitt der anderen Länder. Auch der Trend zeigt ein anderes Bild auf, als die Mitgliedschaften. Die Reichweite (die so genannte coverage) hat in den vergangenen Jahren nicht abgenommen und die Standardabweichung zwischen den Ländern ist deutlich geringer.
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