Vom Garanten für die Freiheit zum ungekrönten Monarchen - das Image Vladimir Putins


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2006

16 Seiten


Leseprobe


Vom Garanten für die Freiheit zum ungekrönten Monarchen – das Image Vladimir Putins

Während die russische Bevölkerung wenig Vertrauen in die politischen Institutionen ihres Landes hat, erfreut sich Vladimir Putin entgegen negativer Prognosen auch in seiner zweiten Amtszeit hoher Popularitätswerte. Wie nimmt die Bevölkerung ihren Präsidenten wahr? Wie wird sein Bild vermittelt und wie lässt es sich charakterisieren? Der folgende Beitrag beleuchtet einige Aspekte der Präsenz Putins, die zeigen sollen, dass sich seine Popularität nicht mit der bloßen Sehnsucht des einfachen Russen nach einer starken Hand eines allmächtigen Herrschers begründen lässt.

Persönlichkeitskult

Bereits die feierliche Amtseinführungszeremonie am 7.Mai 2000 im Thronsaal der Romanovs im Moskauer Kreml, wo Putin in Anwesenheit seines Vorgängers Boris El´cin und des Patriarchs der Orthodoxen Kirche Alexijs II. seinen Amtseid ablegte und versprach, die Demokratie in Russland "zu bewahren und zu entwickeln", kostete 6 Mio. Rubel (ca. 214000 US-Dollar) und war pompöser als die seiner Vorgänger. Bevor der neue Präsident eine Militärparade abnahm, wurde eine Flagge mit seinem Namen über dem Kreml gehisst und dreißig Salut-Schüsse abgefeuert.

Schon im ersten Jahr der Präsidentschaft Vladimir Putins wurden besonders die ausländischen Medien auf die rasche Vermehrung von Biographien, Monographien, Sammelbänden und anderen Büchern über den Präsidenten in den Buchläden der Hauptstadt aufmerksam. Die Verwunderung der westlichen Medien über "...den Versuch, die sowjetische Tradition, Lobesoden auf die nationalen Führer zu singen, zu restaurieren" drückte der Journalist John Daniszewski in seiner Rezension über die 2002 erschienene Biographie "Vladimir Putin": Geschichte seines Lebens" aus, indem er sie mit "Im neuen Buch über Putin ist der Glockenklang der Propaganda zu hören" betitelte.[i] Ein Teil dieser Veröffentlichungen wurde sicherlich vom Kreml in Auftrag gegeben, ein anderer wurde von Autoren verfasst, die eine Staatsnähe für erstrebenswert hielten. Aber warum?

Der Direktor des Zentrums für extreme Journalistik Oleg Panfilov meint, dass jene Autoren den Wiederbelebungsprozess der Propaganda nach sowjetischen Muster in Russland rechtzeitig erkannten und damit auch die Möglichkeiten, Vorteile und Privilegien verschiedenster Art, die Staatsnähe bot.[ii]

Gerahmte Bilder und Porträts, Fotos und Poster vervollständigten die publizistische Verehrung. Die üblichen Rubriken Belletristik, Lyrik, Sachbücher und Ratgeber, Kinderbücher etc. wurden durch eine neue ergänzt: die Putin-Bücher. Jenseits der Buchläden findet die Verehrung des Präsidenten ihren Ausdruck auch in patriotischen Schlagern und Gedichten. Die publizistische und mediale Aufmerksamkeit, die Putin zuteil wird, unterscheidet sich von der seiner Vorgänger und knüpft eher an den Persönlichkeitskult der Brežnev- Zeit als an die 90-er Jahre an.

Als Präsident vertritt Vladimir Putin die gesamte Nation. Das russische Präsidialsystem räumt ihm große Vollmachten ein. Durch die russische Tradition, den ersten Mann im Staat als allmächtigen Herrscher und Lenker wahrzunehmen, Hoffnungen auf seine Person und nicht auf die aktuelle Regierung zu projizieren, hat sein Amt eine bedeutende symbolische Funktion.

Gelenkte Medien

Es fiel Putin nicht besonders schwer, die staatliche Medienpolitik Schritt für Schritt zu reformieren. Auch die Wiederbelebung der Propagandatradition ist kein schwieriges Unterfangen. Die Gründe dafür liegen einerseits darin, dass in Putins Umgebung zahlreiche ehemalige KGB-Mitarbeiter tätig sind, deren Ansichten über die Abhängigkeit der Gesellschaft von der staatlichen Informationspolitik, die die Stabilisierung der Präsidentenmacht zum Ziel hat, noch immer Bestand zu haben scheinen. Weiterhin wurden 70% der Journalisten, die heute für die russische Presse arbeiten, in sowjetischen Zeiten ausgebildet. Und schließlich hat die Gesellschaft die Pressefreiheit noch nicht als Grundrecht verinnerlicht, so dass deren Einschränkung auch nicht als bedeutender Eingriff in die eigenen Rechte gesehen wird.

Seit dem September 2000 dient die so genannte „Doktrin zur Informationssicherheit“, obwohl sie kein Gesetz und überhaupt kein juristisches Dokument ist, als Programm und Anleitung für die Medienpolitik. Erklärtes Ziel der Macht ist demnach die Stärkung der staatlichen Medien, was auch als Stärkung ihrer Anhängigkeit verstanden werden kann.

Die Notwendigkeit der Doktrin wird mit der Schaffung eines einheitlichen Informationsraumes zur Wahrung nationaler Interessen begründet. Nach Panfilovs Ansicht ist der Begriff "einheitlicher Informationsraum" nichts anderes als ein Ersatz und Synonym für Propaganda.

Als „innere Gefahren“ für die nationale Sicherheit werden in der Doktrin propagandistische Tätigkeiten politischer Kräfte, gesellschaftlicher Vereinigungen und Massenmedien genannt, die die innenpolitischen Strategien und Taktiken der Russländischen Föderation unwahr darstellen. Die Verbreitung von „Desinformation“ über die Außenpolitik der Föderation im Ausland gilt als „äußere Gefahr“ Auch das geistige Leben sei Gefahren ausgesetzt. Deshalb müsse die unkontrollierte Verbreitung ausländischer Massenmedien in der Föderation verhindert werden. [iii]

Es ist offensichtlich, warum die Kontrolle über die Medien für Putin unentbehrlich ist. Denn die Medien sind das entscheidende Instrument zur Gestaltung und Verbreitung des Images des Präsidenten.

Schon einen Monat nach seiner Amtseinführung ließ der er zahlreiche für die staatliche Presse arbeitende Journalisten auszeichnen. Ein halbes Jahr später verfügte er die Auszeichnung von 48 Journalisten für "den Mut der Darstellung der Ereignisse im Kaukasus". Putin selbst sprach damals von den unabhängigen Medien als wichtigster Bedingung für die Entwicklung von Gesellschaft und Staat. Der Direktor der staatlichen Presseagentur ITAR-TASS nahm die Sympathiebekundungen Putins auf und bezeichnete ihn als "Garanten für die Freiheit des Wortes".

Unklar blieb damals, nach welchen Kriterien die Journalisten ausgewählt wurden, denen die großzügigen Auszeichnungen gewährt worden sind. Die späteren Einschränkungen bei der Berichterstattung über Tschetschenien, die Journalisten auferlegt wurden, lassen vermuten, dass es wohl nicht demokratisch-liberale Kriterien waren.

Diese Unterscheidung bzw. Auswahl setzte sich bei verschiedenen Gelegenheiten fort. So galt die Einladung zu den traditionellen Treffen der Chefredakteure russischer Zeitungen mit dem Präsidenten Vertretern der staatlichen Presse. In den Führungsetagen staatlicher Fernsehagenturen und Fernsehsender fanden sich ehemalige KGB-Mitarbeiter ein. Bei den russischen Journalisten war eine Teilung nach dem Loyalitätsmerkmal zu beobachten.

Rhetorik und Stil

Heute erscheint Putin täglich in den Nachrichtensendungen in mehreren Beiträgen und in unterschiedlichsten Situationen: als Respektsperson vor seinen Ministern, die ihm Bericht erstatten (ein in sowjetischen Zeiten auch häufig verwendetes Sujet), im Gespräch mit Wissenschaftlern, mit Soldaten, mit Kriegsveteranen, in Gottesdiensten zu orthodoxen Feiertagen etc.

Eine von "Vlast´", der wöchentlichen Beilage des "Kommersant" durchgeführte Studie über die Häufigkeit des Erscheinens des Präsidenten in der russischen Presse kann zu einem eigentlich nicht überraschenden Ergebnis. Für die Analyse wurden 291 Ausgaben der Abendnachrichten des "Ersten Kanals" und des Fernsehsenders "Rossija" und 290 Ausgaben der Abendnachrichten des Senders "NTW" in der Zeit vom 15. April 2004 bis zum 14. April 2005. Während die Arbeit Putins bei "Rossija" 84 Mal den zentralen Teil der Sendung bildete, widmete der "Erste Kanal" dem Präsidenten 48 Sujets, "NTW" dagegen nur neun.

[...]


[i] vgl. "Glowing Putin Book Rings Propaganda Bells" - Culture: The author of a new biography on the Russian president denies that the Kremlin ordered positive spin, John Daniszewski; Los Angeles Times; Feb 3, 2002; A.3;

[ii] vgl. Panfilov O.V.: Putin I pressa: vozroždenie sovetskoj propagandy, (Putin und die Presse: Wiedergeburt der sowjetischen Propaganda )in: http://www.cjes.ru/lib/?category_id=3&book_id=669

[iii] Der komplette Text der Doktrin ist nachzulesen unter: http://www.rg.ru/oficial/doc/min_and_vedom/mim_bezop/doctr.shtm

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Vom Garanten für die Freiheit zum ungekrönten Monarchen - das Image Vladimir Putins
Autor
Jahr
2006
Seiten
16
Katalognummer
V52694
ISBN (eBook)
9783638483391
ISBN (Buch)
9783638837361
Dateigröße
674 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Garanten, Freiheit, Monarchen, Image, Vladimir, Putins
Arbeit zitieren
Julia Schatte (Autor:in), 2006, Vom Garanten für die Freiheit zum ungekrönten Monarchen - das Image Vladimir Putins, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52694

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