Eine empirische Betrachtung von Amalgam als Zahnfüllmaterial


Examensarbeit, 2004

124 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt:

Verzeichnis der Tabellen

Verzeichnis der Abbildungen

Einleitung

Teil I: Theoretische Grundlegung
1 Ziele der Untersuchung und Aufbau der Arbeit
2 Karies
2.1 Karies und ihre Entstehung
2.2 Kariesprophylaxe
3 Grundlagen zu Quecksilber und Amalgam
3.1 Geschichte
3.1.1 Quecksilber
3.1.2 Amalgam als Füllungsmaterial
3.2 Chemische und Physikalische Grundlagen Quecksilber
3.3 Quecksilbervorkommen und Verwendung
3.4 Resorption und Toxikologie von Quecksilber
3.5 Quecksilberexposition
3.5.1 Quecksilber in der Luft
3.5.2 Quecksilber in der Nahrungskette
3.5.3 Quecksilber aus dem Füllungsmaterial Amalgam
3.5.3.1 Messgrößen
3.5.3.2 Quecksilberbelastung der Patienten durch Amalgamfüllungen
3.5.3.3 Quecksilberbelastung des Praxispersonals durch Amalgam
3.6 Grenzwerte
4 Amalgam als Füllungswerkstoff
4.1 Silberamalgame
4.1.1 Gamma-2-Amalgame
4.1.2 Non-Gamma-2-Amalgame
4.2 Kupferamalgame
4.3 Spezifikation und Qualitätssicherung
4.4 Das Arbeiten mit Amalgam in der Zahnarztpraxis
4.4.1 Das Legen einer Amalgamfüllung
4.4.2 Das Entfernen von Amalgam
4.5 Einzelaspekte der Amalgamanwendung
4.5.1 Indikation und Kontraindikation der Amalgamfüllung
4.5.1.1 Indikation für das Legen einer Amalgamfüllung
4.5.1.2 Kontraindikation für das Legen einer Amalgamfüllung
4.5.2 Mögliche Folgen der Amalgamanwendung
4.5.3 Rechtlicher Rahmen
4.6 Die Amalgamdiskussion in Vergangenheit und Gegenwart
4.6.1 Die Amalgamdiskussion in der Vergangenheit
4.6.2 Die Amalgamdiskussion in der Gegenwart
5 Füllungsmaterialien im Vergleich
5.1 Herstellung im zahntechnischen Labor
5.2 Anwendungsbereiche
5.3 Lebensdauer
5.4 Freisetzung von Bestandteilen
5.5 Nachteile
5.6 Vorteile

Teil II: Empirische Untersuchung
6 Empirische Erhebung
6.1 Methodik und Aufbau der Datenerhebung
6.1.1 Forschungsmethode Befragung
6.1.2 Ziel der Untersuchung
6.1.3 Zielgruppe und Setting
6.1.4 Fragebogen und Ableitung der einzelnen Fragen
6.1.5 Pretest
6.2 Auswertung der Befragung
6.2.1 Auswertungsverfahren
6.2.2 Zusammensetzung der Stichprobe
6.2.3 Themenbereich 1: Füllungssituation und Erfahrungen mit Materialien
6.2.4 Themenbereich 2: Informationsstand und -quellen Amalgam und andere Füllungsmaterialien
6.2.5 Themenbereich 3: Innere Einstellungen zu Füllungsmaterialien allgemein, zu Amalgam und zur Zahngesundheit
6.2.6 Themenbereich 4: Zahngesundheitsverhalten
6.3 Interpretation und Diskussion der Daten
6.3.1 Füllungssituation allgemein und der Stellenwert von Amalgam
6.3.1.1 Füllungssituation
6.3.1.2 Stellenwert von Amalgam
6.3.2 Informationsstand über Füllungsmaterialien und Einstellungen zu Amalgam...
6.3.3 Anforderungen der Probanden an ein Füllungsmaterial
6.3.4 Zahngesundheitsverhalten
6.4 Fazit der empirischen Erhebung
7 Schlussbetrachtung und Ausblick

Literatur

Anhang

Verzeichnis der Tabellen:

Tab. 1: Durchschnittliche Hg-Menge in Süßwasserfischen

Tab. 2: Durchschnittliche Hg-Menge in Lebensmitteln

Tab. 3: Bestandteile des Legierungspulvers zur 2-Amalgamherstellung

Tab. 4: Bestandteile des Legierungspulvers zur Non-2-Amalgamherstellung

Tab. 5: Altersstruktur der Stichprobe

Tab. 6: Anzahl der Füllungen im Seitenzahnbereich

Tab. 7: Übersicht über die Häufigkeit entfernter Füllungsmaterialien

Tab. 8: Durchschnittliche Stellenwerte der Informationsquellen im Ranking

Tab. 9: Informationsgrad Materialien allgemein

Tab. 10: Informationsgrad Amalgam

Tab. 11: Stellenwert des Entscheidungsfaktors "Kosten"

Tab. 12: Stellenwert des Entscheidungsfaktors "bsthetik der Füllung"

Tab. 13: Stellenwert des Entscheidungsfaktors "Haltbarkeit"

Tab. 14: Stellenwert des Entscheidungsfaktors "Verträglichkeit"

Tab. 15: Zur Kariesprophylaxe verwendete Hilfsmittel

Verzeichnis der Abbildungen:

Abb. 1: Häufigkeit der Füllungsmaterialien

Abb. 2: Subjektive Materialunverträglichkeiten

Abb. 3: Schätzung Grad der Belastung durch Amalgam

Abb. 4: Überlegungen über Entfernung von Amalgam

Abb. 5: Häufigkeit der zuckerhaltigen Zwischenmahlzeiten

Abb. 6: Häufigkeit des Zähneputzens

Abb. 7: Häufigkeit der Kontrollbesuche beim Zahnarzt

Abb. 8: Probanden mit Amalgamfüllungen- Schätzung Grad der Belastung durch Amalgam

Abb. 9: Probanden mit Füllungen aus anderen Materialien als Amalgam- Schätzung Grad der Belastung durch Amalgam

Einleitung

Mit Amalgam werden seit weit über hundert Jahren erfolgreich auf breiter Ebene defekte Zähne restauriert. Es ist das in der Geschichte der Zahnmedizin am häufigsten verwendete Füllungsmaterial (66, 84).

Seit jeher ist jedoch das Thema „Füllungsmaterialien in der zahnmedizinischen Versorgung“ von der Kontroverse um das in der Tradition so erfolgreiche Amalgam bestimmt. Kernpunkt einer seit Jahren andauernden Diskussion ist das Gesundheitsgefährdungspotential des im Amalgam enthaltenen Quecksilbers (27).

Von der Auseinandersetzung um das Für und Wider des Füllungsmaterials sind beinahe alle erdenklichen Personengruppen betroffen, sodass sowohl bei den Patienten∗ als auch unter den Zahnmedizinern und in den verantwortlichen Institutionen heute noch keine einheitliche Meinung diesbezüglich besteht. Dabei findet diese Diskussion, die in zunehmendem Maße besonders die Patienten verwirrt hat, nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene statt. Eine Folge der allgemeinen Verunsicherung ist die deutliche Abnahme der Verwendung von Amalgam als Füllungswerkstoff. Diese Entwicklung ist umso kritischer zu beobachten, als dass Amalgam sehr einfach und kostengünstig zu verarbeiten ist und das Gesundheitssystem mit ständig wachsenden finanziellen Defiziten zu kämpfen hat. Infolgedessen werden die Patienten mit höheren Zuzahlungen zu ihrer Gesundheitsversorgung belastet. Als Reaktion auf die prekäre Situation der finanziellen Mittel im Gesundheitswesen wird gegenwärtig eine Gesundheitsreform mit einer Umstrukturierung des kassenzahnärztlichen Systems durchgeführt, die die Patienten dazu auffordert, Zusatzversicherungen zur zahnmedizini- schen Versorgung abzuschließen.

Eine besondere Rolle spielen bei der Amalgamproblematik die Zahnarztpraxen, da es sich bei ihnen um das Bindeglied im Informationsfluss zwischen der Zahnmedizin und dem betroffenen Laien, dem Patienten, handelt. Hier werden die meisten Menschen zum ersten Mal mit dem Themenkomplex „Füllungsmaterialien“ konfrontiert, da sie gemeinsam mit ihrem Arzt vor der Wahl einer geeigneten Versorgungsmöglichkeit für ihre defekten Zähne stehen. Dabei hat der Zahnarzt eine äußerst wichtige Beratungsfunktion und prägt somit die Einstellungen und Meinungen des Patienten entscheidend mit. Aber auch die Multi- plikatorfunktion der Zahnmedizinischen Fachangestellten in der Meinungsbildung zum - im folgenden Verlauf der Arbeit wird jeweils lediglich die sprachlich maskuline Form verwendet, auch wenn Frauen und Männer angesprochen werden, um die Lesbarkeit zu erleichtern Amalgam ist nicht zu unterschätzen, denn nicht zuletzt im privaten Bereich, in der Familie und im Freundes- und Bekanntenkreis, gelten sie als kompetente Ansprechpartner für zahnmedizinische Themen. Zudem ist das gesamte Personal innerhalb einer Zahnarztpraxis in besonderem Maße von diesem viel diskutierten Thema betroffen, da an ihrem Arbeitsplatz Amalgam verarbeitet wird und somit eine besondere Angst vor einer Gesundheitsgefährdung durch Quecksilber besteht.

Hierbei kann die Berufsschule einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den angehenden Zahnmedizinischen Fachangestellten ihre Verunsicherung zu nehmen: Es können im Unterricht fundierte, wissenschaftliche Kenntnisse vermittelt werden, um die Auszubildenden nicht dem verwirrenden „Strudel“ der Massenmedien zu überlassen, da deren Berichterstattung zum Thema „Amalgam“ nicht immer den aktuellen Forschungsstand wiedergibt. So ist es den zukünftigen Zahnmedizinischen Fachangestellten möglich, sich aus ihrem Wissen heraus eine eigene Meinung zur Amalgamproblematik zu bilden und an ihrem Arbeitsplatz die sinnvollen Arbeitschutzmaßnahmen zu ergreifen, die sie vor einer Gesundheitsgefährdung durch Quecksilber schützen.

1 Ziele der Untersuchung und Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Untersuchung in Form einer Befragung unter Studierenden der Hochschule und der Fachhochschule Osnabrück soll einen Beitrag dazu leisten, den heutigen Stellenwert des Amalgams zu erfassen. Weiterhin soll sie feststellen, ob durch die Verunsicherung der Patienten evtl. ein Ungleichgewicht zwischen dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand und der Umsetzung in der allgemeinen Praxis, den Einsatz von Amalgam betreffend, besteht. Ist dies der Fall, gilt es, mit Hilfe der Befragung mögliche Ansatzpunkte aufzudecken, um diesem Missverhältnis entgegenwirken zu können.

Hierzu ist es notwendig, zunächst die theoretischen Grundlagen zu klären, um die viel diskutierte Amalgamproblematik richtig einordnen zu können. Daher wird ganz zu Beginn auf das Thema „Karies“ eingegangen, da ein enger kausaler Zusammenhang zwischen der Restauration mit Hilfe von Füllungsmaterialien und der Erkrankung besteht. Dieses Thema ist auch Teil der empirischen Untersuchung, da an verschiedenen Stellen in der Literatur immer wieder betont wird, dass das oberste Gebot zur Vermeidung von Füllungen und deren eventuellen Nebenwirkungen eine ausreichende Mundhygiene der Patienten ist (44, 50).

So soll auch hier die Situation erfasst und kontrolliert werden, inwiefern die Patienten dieser Forderung nachkommen.

Im Anschluss an das Thema „Karies“ behandelt diese Arbeit Quecksilber als Metall und dann erst den Füllungswerkstoff Amalgam. Dies betrifft sowohl die chemischen und physikalischen Grundlagen als auch die Verwendung des Materials in der Praxis. Außerdem ist es erforderlich, Amalgam anderen Füllungsmaterialien gegenüberzustellen, denn nur durch einen Vergleich kann Amalgam richtig mit seinen Vor- und Nachteilen eingeordnet werden. Die Darstellung der Alternativmaterialien kann allerdings an dieser Stelle nicht umfassend, sondern nur exemplarisch geschehen, weil dafür die Fülle der in der Gegenwart angebotenen Materialien zu groß ist und dies den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde.

In der im zweiten Teil folgenden Untersuchung werden die Ergebnisse erst rein deskriptiv dargestellt und dann im Zusammenhang mit den theoretischen Grundlagen diskutiert, um am Ende in einem Ausblick mögliche Schlussfolgerungen ziehen zu können.

2 Karies

2.1 Karies und ihre Entstehung

Dentalkaries (von lat. „caries“ = „Fäulnis“) ist die am häufigsten vorkommende Zahnerkrankung (68).

Es handelt sich dabei um eine irreversible Zerstörung der Zahnhartsubstanz, die - je nach Stadium - sowohl den Schmelz als auch das Dentin betreffen kann.

Auf den Zahnoberflächen bildet sich eine Schicht aus organischen Auflagerungen (91).

Dieser erst einige Mikrometer dicke Bakterienrasen wird als „Zahnbelag“ oder auch „Dentalplaque“ bezeichnet und kann an Stellen, an denen die Selbstreinigung oder die Mundhygiene durch eine Zahnbürste unzureichend ist, bis zu einem dicken Belag anwachsen. Betroffen sind hiervon besonders die Interdentalräume, die Zahnhälse und tiefe Fissuren oder Grübchen (52).

Die Plaque besteht unter anderem aus abgestorbenen und vitalen Mikroorganismen, Polysacchariden aus der Nahrung und Glykoproteinen, wobei die Mikroorganismen Kohlenhydrate, ganz besonders die Saccharide, zu organischen Säuren verstoffwechseln

(91).

Es kommt somit nach jeder zuckerhaltigen Mahlzeit zu einem mindestens halbstündigen „Säureangriff“, das heißt, der pH-Wert im Mund fällt drastisch ab. Eine besonders schädigende Rolle wird hier Streptococcus mutans, einem säureresistenten Säurebildner, zugeschrieben. Weitere sind Streptococcus salivarius und Streptococcus sanguis (52). Die von den Bakterien produzierten Säuren verursachen eine Entkalkung der kristallinen Schmelzsubstanz, die dadurch porös wird (68).

Der von König als „kritisch“ bezeichnete pH-Grenzwert, unter dem eine Schädigung des Schmelzapatits eintritt, liegt bei 5,5 (52).

Zu diesem Zeitpunkt ist der kariöse Prozess noch reversibel, da eine Therapie durch Remineralisation mit einer entsprechenden Zahnpasta erfolgen kann. Schreitet die Erkrankung jedoch weiter fort, bricht die Zahnhartsubstanz irreversibel zusammen und ein Loch, eine sogenannte „Kavität“, entsteht.

Therapiert werden kann Dentalkaries in diesem Stadium nur noch durch ein Stopfen der Kavität mit einem Zahnfüllmaterial. Dabei ist es wichtig, dass die gesamte erkrankte Zahnhartsubstanz herausgebohrt wird, um ein Fortschreiten zu verhindern. Geschieht dies nur unzureichend, geht die Infektion auf die Pulpa über und eine Pulpitis ist die Folge. Im Endstadium kann der betroffene Zahn nur noch extrahiert werden (68).

In Bereichen der Ausführungsdrüsen kann es zu einer Übersättigung der Bakterienzellen kommen, wodurch diese verkalken und „Zahnsteinplaque“ entsteht. Auf Zahnflächen unter dieser übersättigten, verkalkten Plaque ist das Risiko von Kariesläsionen minimal. Eine zwiespältige Rolle bei der Entstehung von Karies wird dem Speichel zugeschrieben, der einerseits eine schützende Wirkung, andererseits auch eine schädigende Wirkung hat: Er schützt das Epithel durch (Muko-) Proteine und die Zahnhartsubstanzen mit Hilfe von enthaltenen organischen Pelliclen, Proteinen und einem Bicarbonatpuffersystem. Zusätzlich hemmt der Speichel die schädigenden Mikroorganismen, indem er sie agglutiniert (dadurch erleichterte Elimination), den Bakterienstoffwechsel und deren Wachstum hemmt und Zellhüllen auflöst (Lyse). Im Speichel enthaltene Immunglobuline sorgen zudem für eine spezifische Immunabwehr. Eine weitere Schutzfunktion des Speichels besteht in der Verdünnung des Substrats und dessen schnelle Entfernung, der Beschichtung von Stärkekörnern und der Neutralisation freier Säuren der Nahrung und bakterieller Gärungssäuren. Schädigend hingegen wirkt Speichel besonders durch die enthaltene Amylase, da sie unvergärbare Nahrungsstärke in vergärbare Zucker umwandelt und so Substrat für die Mikroorganismen liefert. Außerdem begünstigen die Speichelionen die Plaquehaftung und enzymatische Abbauvorgänge (52).

Entdeckt und erforscht hat die Entstehung von Karies schon der Professor für konservierende Zahnheilkunde W. D. Miller, der von 1833 bis 1907 lebte und als Begründer der wissenschaftlichen Kariesforschung gilt. Er entwickelte die nach ihm benannte „Miller-Kariestherorie“, die die oben geschilderten chemisch-parasitären Vorgänge beinhaltet (91).

Entscheidend erweitert wurde diese Theorie 1962 von Keyes, der die Entstehung der Volkskrankheit Karies erforschte und feststellte, dass grundsätzlich drei Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit Karies entstehen kann:

1) ein Wirtsorganismus mit kariesanfälligen Zähnen
2) Mikroorganismen (Säurebildner)
3) Substrat für die Mikroorganismen

Des Weiteren ist die Zeit, die den Noxen zur Verfügung steht, ein wichtiger Faktor in der Entstehung von Karies. Es muss den Mikroorganismen also möglich sein, sich in Form von Plaque auf einem Zahn einzunisten, um dort, wenn sie ausreichend Nahrung (Substrat) in Form von Sacchariden für ihren Stoffwechsel zur Verfügung haben, mit den produzierten Säuren den kariösen Prozess in Gang zu setzen. Findet der Stoffwechsel an dieser Stelle über einen längeren Zeitraum statt, wird der Zahn geschädigt. Fehlt eine dieser

Komponenten, bleiben die Zähne von der Erkrankung verschont. Die genannten not- wendigen Faktoren bei der Entstehung von Karies sind auch für die Entstehung von Parodontopathien verantwortlich (52).

Daraus ist zu folgern, dass auch in diesen 3 Punkten die Ansatzmöglichkeiten für eine wirksame Kariesprophylaxe liegen.

Auf die Erkrankungen des Parodontiums wird in der vorliegenden Arbeit nicht näher eingegangen, da bei ihnen kein direkter Zusammenhang mit der Therapie durch Füllungsmaterialien besteht.

2.2 Kariesprophylaxe

König weist darauf hin, dass im idealen Fall Karies durch das völlige Ausschalten eines der im vorhergehenden Punkt erläuterten Faktoren verhindert werden könne. Dies sei aber nicht möglich, ohne die normalen Lebensumstände und die Bedürfnisse des Menschen erheblich zu stören. Ziel der Kariesprophylaxe muss es also sein, an möglichst vielen ursächlichen Faktoren für Karies einzugreifen, um die vorliegende Störung im Gleich- gewicht zwischen Wirtsorganismus und Mikroorganismen zu korrigieren (52).

Ein Ziel der Prophylaxe ist es, den Bakterien möglichst wenig Nahrung zur Verfügung zu stellen. Dies kann geschehen, indem die Zuckeraufnahme auf wenige Hauptmahlzeiten beschränkt und auf den Verzehr von Süßigkeiten zwischen ihnen verzichtet wird. In zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen wurde bewiesen, dass mit zunehmender Häufigkeit der Aufnahme zuckerhaltiger Nahrung die Verfügbarkeit von Substrat stark ansteigt und Karies eher entsteht, als wenn weniger häufig Zucker zugeführt wird. Es ist also hierbei nicht die tatsächliche Menge entscheidend, sondern allein die Häufigkeit. So wirkt eine Zuckermenge von 30 - 100 g/Tag in Form von 8-24 Bonbons über den Tag verteilt deutlich stärker kariogen als eine Menge von 330 g/Tag, wenn diese Menge ausschließlich zu den Hauptmahlzeiten eingenommen wird. Eine weitere Schutzmöglich- keit ist auch der Verzehr von Lebensmitteln, die mit Zuckerersatzstoffen wie z.B. Xylit oder Sorbit gesüßt sind. Durch diese Stoffe kommt es nicht zu einem Abfall des pH-Wertes unter die kritischen 5,5 (52).

Bei diesen Stoffen handelt es sich um mehrwertige Alkohole, die zwar die Zähne schonen und für Diabetiker geeignet sind, die jedoch bei einem Verzehr von mehr als 20 bis 40 g/Tag Diarrhoe verursachen. Es ist somit nicht möglich, den vollständigen Zucker- verbrauch pro Person, der laut König Ende der 80er Jahre bei etwa 120 g/Tag lag, gegen Zuckerersatzstoffe auszutauschen. Es handelt sich aber um effektive Ersatzstoffe in kleineren Nahrungsmitteln wie zum Beispiel Kaugummis oder Bonbons (52). Zur Ernährung kann zusammenfassend gesagt werden, dass sie auch aus Gründen der Kariesprophylaxe abwechslungsreich zu gestalten ist, damit ein gesunder Organismus genügend Nährstoffe, Vitamine und Spurenelemente erhält, die nicht zuletzt auch das Gebiss vor einer Erkrankung schützen (52).

Zudem kann durch Zähneputzen nach jeder Mahlzeit den Mikroorganismen das Substrat, also Speisereste, entzogen und Plaque entfernt werden. Neben der mechanischen Wirkung unterstützt das in der Zahncreme enthaltene Fluorid die Mineralisation und Remineralisation der Zahnhartsubstanzen. Neben den karieshemmenden

Fluoridverbindungen enthalten geeignete Zahnpasten noch parodontalprophylaktische Wirkstoffe, Schäumer zur verbesserten Belagentfernung und Teilchen abrasiver Putzkörper zur Entfernung dunkler Beläge. Die Häufigkeit des Zähneputzens wird wie folgt empfohlen: Zweimal täglich gründlich, davon einmal nach dem Frühstück (mit dem Schwerpunkt Substratentzug) und einmal vor dem Schlafengehen (Schwerpunkt Belagentfernung) (52).

Auch das Kauen harter Nahrung hat einen Reinigungseffekt auf die Zähne und verhindert sowohl die Plaquebildung als auch die Auflagerung des Substrats. Dabei ist darauf zu achten, dass es sich möglichst um zuckerfreie Nahrung handelt und somit z.B. Nüsse hinsichtlich der Mundhygiene einem Apfel vorzuziehen sind. In einigen Fällen kann die Verbesserung der Zahnmorphologie hilfreich sein, um eine weniger retentive Form und Stellung der Zähne zu erreichen (52).

Einmal entstandene Plaque kann durch erhöhte Flüssigkeitszufuhr, Spülungen und durch Kaubewegungen nicht entfernt werden. Jedoch lösen sich dadurch größere Speisereste, die Substrat liefern und nicht eingeklemmt sind, aus ihren Retentionsgebieten (52). Es wurde außerdem durch Untersuchungen nachgewiesen, dass auch die mechanischen Eigenschaften von Nahrung einen Einfluss auf ihre Kariogenität haben. So stellte König in einem Rattenexperiment fest, dass durch den Verzehr von feingemahlenem Weißbrot deutlich weniger Karies entsteht als durch ganzkörniges Vollkornbrot. Erklärt wird dies durch die Entfernung der ernährungsphysiologisch wertvollen Teile des Getreides, die B- Vitamine und andere lebenswichtige Spurenelemente enthalten. Diese Stoffe sind nicht nur für den menschlichen Organismus wichtig, sondern unterstützen auch den schädigenden Stoffwechsel der Bakterien in der Mundflora (52).

Auch der Belag eines Brotes kann eine prophylaktische Wirkung haben: Bei einem Brot, das mit Käse und Butter belegt ist, ist die kariogene Wirkung nahezu bei null, bei einem Brot ohne Aufstrich oder Belag hingegen erhöht. Die Ursache hierfür sieht König in dem Fettgehalt der Nahrungsmittel, der sich als hydrophober Film um die Stärkekörner legt und die somit langsamer abgebaut werden können (52).

Der Bildung von Plaque kann, wie bereits erwähnt, durch Kauen harter Nahrung und durch gründliches Zähneputzen entgegengewirkt werden. Besondere Beachtung bei der Zahnreinigung mit einer Bürste haben die Retentionsbereiche, wie z.B. die Interdental- räume, aber auch die tieferen Fissuren der Molaren, da es hier vermehrt zur Plaquebildung kommt.

Für die schwierig zu reinigenden Zahnzwischenräume empfiehlt sich eine spezielle Interdentalbürste oder die regelmäßige Anwendung von Zahnseide („Floss“) 2-3 mal pro Woche (52).

Auch das Kauen sogenannter „Zahnpflegekaugummis“, die von vielen Firmen vertrieben werden und die den Zuckerersatzstoff Xylit enthalten, können den Speichelfluss anregen und durch den enthaltenen Stoff die Bildung von bakterieller Plaque hemmen. Ihnen wird inzwischen auch teilweise Natriumbikarbonat (“Baking Soda“) zur Vorbeugung von Zahnverfärbungen durch Tee, Tabakrauch oder Rotwein zugesetzt (63). Eine besondere Rolle bei der Kariesprophylaxe spielt Fluorid, das z.B. über fluoridierte Speisesalze, Fluoridtabletten oder fluoridiertes Trinkwasser zusätzlich zur Nahrung oral zugeführt werden kann. Es besteht aber auch die Möglichkeit, Fluoride lokal durch Fluorlacke, Fluoridlösungen oder Fluoridgelees zu applizieren. Durch Fluor wird eine Remineralisation der Zähne und, besonders im Kindesalter, die Mineralisation der Zahnhartsubstanzen gefördert und somit die Kariesanfälligkeit deutlich gehemmt. Die besten Ergebnisse hierbei erzielte man in Versuchen mit fluoridiertem Trinkwasser, was besonders in den USA früh in die Praxis umgesetzt wurde. In Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern fand die Umsetzung jedoch viele Gegner, obwohl der Rückgang von Karies durch diese Maßnahme erwiesen ist und keine negativen Auswirkungen auf den Organismus zur Folge hat (52).

3 Grundlagen zu Quecksilber und Amalgam

3.1 Geschichte

3.1.1 Quecksilber

Quecksilber wurde bereits 500 v. Chr. in der Mittelmeerregion aus dem Zinnober-Erz gewonnen, um durch die Bildung von Amalgamen andere Metalle zu binden. Das Erz selbst (HgS) verwendete man in der Antike als Farbpigment, was heute noch durch die Bezeichnung „Zinnoberrot“ bekannt ist. Die Alchemisten versuchten etwa 500 bis 1500 n. Chr. mit Hilfe von Quecksilber selbst aus unedlen Metallen Gold herzustellen, was ihnen aber nicht gelang. Statt dessen nutzten sie es zur Vergoldung von Gegenständen und zur Herstellung von Gold- und Silberimitationen (27).

3.1.2 Amalgam als Füllungsmaterial

Die Möglichkeit, Amalgame herzustellen und mit ihnen Kavitäten zu füllen, ist schon sehr lange bekannt. So wird nach Aussage von Chu Hsi T’Ao bereits in einer chinesischen Vorschrift, die etwa 600 Jahre vor Christi Geburt entstanden ist, berichtet, wie eine Silber-Zinn- Quecksilberpaste hergestellt werden kann. 1596 gab der Arzt Li Shi Chen zu dieser Paste an, dass man mit ihr „zerstörte Zähne reparieren“ könne (15).

Aber auch in Deutschland reichen die geschichtlichen Wurzeln dieser Form der Therapie weit zurück: So erstellte der Ulmer Arzt Johannes Stocker ein Rezept für Kupferamalgam, das durch eine Handschrift aus dem Jahr 1528 überliefert ist. 1601 wurde es in ein Rezeptbuch mit dem Hinweis übernommen, dass mit dieser Paste hohle Zähne gefüllt werden können und dass sie „hart und dauerhaft wie Stein“ werde (54). Es kann also festgehalten werden, dass die ersten Füllungen aus Amalgam etwa um 1528 in Deutschland gelegt worden sind, wobei davon auszugehen ist, dass die Rezeptur dafür schon früher bekannt war.

Im 17. Jahrhundert experimentierte der berühmte englische Wissenschaftler Isaac Newton mit einer Legierung aus Wismut, Blei und Zinn im Verhältnis 8: 5: 3. Dieser von ihm entwickelten Legierung fügte der Zahnarzt Regnart aus Paris 1818 einen Teil Quecksilber zu, der 10% der Gesamtmasse entsprach. Dadurch schaffte er es, den Schmelzpunkt deutlich zu reduzieren und einen Erstarrungspunkt von 55 ºC zu erreichen (69).

Ebenfalls zu erwähnen ist der preußische Hofzahnarzt Philipp Pfaff, der nach Angaben von Zinke zu Beginn des 18. Jahrhunderts die eigenständige, wissenschaftliche, deutsche Zahnheilkunde begründete. In seinem Werk „Abhandlung von den Zähnen“ aus dem Jahre 1756 wies er darauf hin, dass „ alle aus Quecksilber bereiteten Mittel [..], wenn sie in der Quantität gegeben und so eingerichtet wurden, dass solche einen Speichelfluss erregen, [..] die größten und schädlichsten Feinde der Zähne [sind].“ (67)

Aus diesem Zitat wird deutlich, dass schon damals die Notwendigkeit gesehen worden ist, für die Verwendung von Quecksilber und Amalgam feststehende Regeln zu schaffen, um die Gesundheit des Patienten nicht zu gefährden und eine Quecksilbervergiftung zu vermeiden.

Da zu dieser frühen Zeit die Verwendung der Amalgame als Zahnfüllmaterial lediglich die Ausnahme war, gilt heute der Franzose Taveau als Begründer der Amalgamverwendung in der Zahnmedizin. Er begann als erster 1885, systematisch Feilspäne von Silbermünzen mit Quecksilber zu vermischen, um mit dieser entstandenen, knetbaren Silber-Kupfer- Quecksilber-Paste Zahnkavitäten zu füllen. Er kann also als der Entwickler der ersten Silberamalgame bezeichnet werden (54).

Diese Quecksilberpaste rührte er noch mit dem rechten Daumen in der linken Handfläche an, was auch noch längere Zeit von seinen Kollegen so praktiziert wurde. Laut Hörsted- Bindslev zeichnete sich die Arbeit der Dentisten in der damaligen Zeit einerseits durch einen mangelnden Berufsethos aus und andererseits, dass nicht aus fundiertem Fachwissen heraus gehandelt wurde. So wurde wenig Wert darauf gelegt, die kariöse Zahnsubstanz vollständig zu entfernen und die Kavität vor dem Stopfen mit dem Silberamalgam trocken zu legen. Auch die Kondensation des Silberamalgams in der Hand mit einem Finger spricht für die Ansicht der Autorin. Das Hauptinteresse der Dentisten lag allgemein im Verdienen schnellen Geldes mit Hilfe des neuen Werkstoffs, was, laut Hörstedt-Bindlsev, bis hin zur „Quacksalberei“ führte (37).

In dieser Zeit stellten die Zahnärzte selbst, wie geschildert, ihre eigenen Amalgampasten her, die pharmakologisch noch sehr bedenklich waren. Dies führte besonders in den USA, in denen beispielsweise die New Yorker Brüder Crawcour für ihre skrupellose Verfahrens- weise mit Amalgam berüchtigt waren, zu Auseinandersetzungen zwischen den Zahnärzten. Die Folge war eine öffentliche Ablehnung des Amalgams als Zahnfüllmaterial durch die „American Society for Dental Surgeons“, die von ihren Mitgliedern verlangte, dass sie eine schriftliche Erklärung abgeben, in der sie auf die Verwendung von Amalgam in der Zukunft verzichteten. In der Folgezeit wurde allerdings deutlich, dass die Gesundheits- schäden, die bei Patienten bisher teilweise hervorgerufen worden waren, nicht in der Verwendung des Silberamalgams prinzipiell begründet waren, sondern dass vielmehr die unsachgemäße Handhabung des Materials zu Gesundheitsschäden führte (37). Letztendlich bewiesen wurde dies aber erst später von Witzel und Black nach 1900. Durch viele Versuche und Veränderungen der Rezeptur durch die einzelnen brzte wurde das Silber-Amalgam während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts so weit verbessert, dass die Praxis der Füllung von Kavitäten mit diesem Werkstoff mit Ende des Jahrhunderts allgemein anerkannt wurde. Durch die vielen unterschiedlichen Rezepturen und Versuche in diesen Jahren kam man schließlich zu der Erkenntnis, dass nur mit Ag-Sn-Legierungen Edelamalgame hergestellt werden können (54).

Bis etwa 1900 wurde davon ausgegangen, dass allein die Rezeptur der Paste und die Feilung der Ag-Sn-Legierungen für die Haltbarkeit und Güte der Füllungen verantwortlich sei. Das änderte sich jedoch insbesondere durch die Erkenntnisse des Deutschen A. Witzel und des Amerikaners G. V. Black, die beide erkannten, dass für die Qualität einer Amalgamfüllung ebenso die Art und Weise, wie ein Arzt seinen Werkstoff zubereitet und verarbeitet, wichtig ist (54).

Im 20. Jahrhundert blieb Amalgam das Füllungsmaterial, welches von den metallischen Materialien am meisten genutzt wurde, um defekte Zähne zu versorgen. Zu den besonderen Eckpunkten dieses Jahrhunderts in der Geschichte des Werkstoffes zählt das Jahr 1931, in dem erstmals eine Spezifikation für Zahnamalgame aufgestellt worden ist, die 1934 von der „American Dental Association“ anerkannt wurde. Darauf folgte erst die Anerkennung durch die Zahnärzte und die Amalgamhersteller in den USA und etwas später in der ganzen Welt. Überall wurde diese Spezifikation in den folgenden Jahren immer wieder erneuert, überarbeitet und auch ersetzt, um dem aktuellen Forschungsstand gerecht zu werden. So wurde in Deutschland für Amalgam z.B. 1975 die DIN 13904 und für Quecksilber 1974 die DIN 13905 eingeführt (54). Den letzten Höhepunkt in der Anwendung von Amalgam gab es mit der Einführung der Non-Gamma-Amalgame durch Innes und Youdelis 1963, die mit ihrer Entwicklung für eine erhebliche Qualitätsverbesserung der Amalgame sorgten. Bei diesen Werkstoffen handelt es sich um die heute zur Restauration defekter Zähne allgemein gebräuchlichen Amalgame (85).

3.2 Chemische und physikalische Grundlagen Quecksilber

Das Metall Quecksilber (Hg) besitzt die Ordnungszahl 80 und kann sowohl positiv ein- als auch zweiwertig sein, also auf der Oxidationsstufe +1 oder +2 vorliegen. Es hat eine Dichte von 13,54 g/cm³ und im Langperiodensystem steht es unter Zink (Zn) und Cadmium (Cd) in der Nebengruppe II b der Übergangselemente (56). Bei Hg handelt es sich um das einzige bei Zimmertemperatur flüssige Metall mit einem Schmelzpunkt von -38,89 ºC und einer Solidustemperatur von 357,3 ºC. Es zeigt einen silbernen Glanz und besitzt eine sehr gute elektrische und Wärmeleitfähigkeit (23). Beim Quecksilber kann zwischen drei chemischen Hauptformen unterschieden werden, die sich auch toxikologisch unterscheiden (vgl. 3.4): Es kommt als elementares, dampf- förmiges Quecksilber (Hg0 ) vor, wenn es oxidiert, bildet es anorganische Hg-Salze (Hg[II]), und es kann in organischen Verbindungen vorhanden sein (26). Schon bei Zimmertemperatur besitzt Hg einen Dampfdruck, der sich mit der Erhöhung der Temperatur noch erheblich steigert: 0,170 Pa (20ºC), 0,391 Pa (30ºC), 0,81 Pa (40ºC) und 1,69 Pa (50ºC).

Quecksilber bildet mit einigen anderen Metallen Amalgame, die, je nach Zusammen- setzung und Löslichkeit, fest, teigig oder flüssig sein können. Bei 20ºC ergibt sich beispielsweise folgende Löslichkeit verschiedener Metalle in Quecksilber: Kupfer (0,002%), Silber (0,035%), Gold (0,131%), Natrium (0,62 %), Zink (1,99%), Cadmium (5,0%) und Thallium (42,5%). Eisen hingegen löst sich nicht in ihm und wird deshalb als Material für Behälter zur Verwahrung von Quecksilber verwendet. Diese Behälter müssen laut Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) mit dem Gefahrensymbol „giftig“ (T), also dem schwarzen Totenkopf auf orangenem Grund, gekennzeichnet werden, da Quecksilber den krebserregenden, fruchtschädigenden und erbgutverändernden Gefahrstoffen zugerechnet wird. Hg selbst löst sich lediglich in oxidierenden Säuren, wie z.B. Salpetersäure und in konzentrierter, heißer Schwefelsäure. Bei trockener Luft und Raumtemperatur wird Hg nicht oxidiert, wohingegen sich bei feuchter Luft und Raumtemperatur allmählich eine dünne Oxidhaut bildet. Wird es in organische Verbindungen eingeführt, bezeichnet man dies als „Mercurierung“ (23).

3.3 Quecksilbervorkommen und Verwendung

Quecksilber ist in Spuren überall in der Umwelt zu finden. Die Erdkruste enthält im Durchschnitt etwa 50-80µg Hg/kg. In der Häufigkeit der Elemente steht Hg somit an 62. Stelle. Durch die Verwitterung von Gestein, der Entgasung der Erdkruste und durch Vulkanismus gelangt es als elementares Quecksilber in die Luft und in das Wasser. Aber nicht nur das natürliche Vorkommen in der Umwelt sorgt für eine Quecksilberexposition, sondern auch der Mensch verursacht durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe, Müllverbrennung, industrielle Aktivitäten und durch die Gewinnung von Quecksilber Hg-Emissionen (84).

Die WHO schätzt, dass etwa 2700 bis 6000 Tonnen Quecksilber jährlich durch die natürlichen Quellen in die Luft abgegeben werden. Hinzu kommen weltweit ca. 3000 Tonnen Hg jährlich, die aus den genannten anthropogenen Quellen stammen. Industriell produziert wurden 1991 weltweit etwa 10000 Tonnen Hg im Jahr. 90% der Quecksilberproduktion in der Europäischen Union stammen aus den spanischen Minen in Almaden, wo jährlich mehr als 1000 Tonnen Quecksilber gefördert werden (87). Dort gewinnt man das Hg aus dem Zinnober-Erz, das die einzige ausbeutbare Quelle für Quecksilber darstellt. Eine Notwendigkeit für das Vorhandensein des Erzes ist, dass es sich um ein Gebiet handelt, in dem früher Vulkane tätig waren (27).

Hg wird in fast allen Wirtschaftsbereichen benötigt, so z.B. bei der Produktion von Chlor, dem Schmelzen von Erzen, dem Bergbau, in Thermometern, zur Herstellung von Farben, bei der Produktion von Schaltern, in elektronischen Geräten, in Batterien, als Katalysator bei chemischen Prozessen in der Industrie, in Quecksilberdampflampen und in Fungiziden der Landwirtschaft (87).

Im medizinischen und kosmetischen Bereich wird Quecksilber u.a. zu folgenden Zwecken verwendet: in Desinfektionsmitteln (z.B. Merfen), in kosmetischen Bleichmitteln, in Tätowierungsmitteln und in Dentalamalgamen. Historisch wurde es außerdem für Abführmittel und in der Luestherapie eingesetzt (84).

Nach Aussage des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) wurden allein für Silber- amalgamfüllungen im Jahr 1980 in Deutschland 20 Tonnen Quecksilber verarbeitet (17).

3.4 Resorption und Toxikologie von Quecksilber

Quecksilber kann über die Haut, oral über den Magen-Darm-Trakt und inhalativ vom Organismus aufgenommen werden. Diese gilt für alle drei Formen des Hg: das metallische, elementare Hg (Hg0), die anorganischen Hg-Salze (Hg+/Hg2+) und die organischen Quecksilberverbindungen (R-Hg+/HgR2).

Elementares Quecksilber

Laut Schmidt et alii stellt die orale Aufnahme von metallischem Quecksilber keine Gefahr für den Organismus dar, da es selbst bei größeren Mengen kaum im Magen-Darm-Trakt resorbiert wird und dies in der Vergangenheit nur sehr selten mit Komplikationen verbunden war. Bei einer intravenösen Injektion von Quecksilbermetall kann es jedoch zu einer chronischen Vergiftung kommen.

Inhaliertes metallisches Quecksilber hingegen wird zu etwa 80% in den Alveolen der Lunge resorbiert und ist dadurch für einen Organismus deutlich gefährlicher. Da es lipidlöslich ist und keine Ladung besitzt, durchdringt es im Blut die Erythrozytenmembran und reichert sich innerhalb der Erythrozyten an. Hier wird es zum hochtoxischen, zweiwertigen Hg2+ oxidiert (74).

Sowohl für die Oxidation als auch für die Bindung des Hg2+ in den Zellen ist das Enzym Katalase im Zusammenhang mit vorhandenen Spuren von H2O2 verantwortlich (28). Durch die Oxidation, nach der sich das Hg wie eine Quecksilber(II)-Verbindung verhält, können Membranen vom Hg2+ nur noch schwieriger durchdrungen werden. Die Verweilzeit in den Zellen und Organen ist somit erhöht (57).

Des Weiteren kann das Quecksilber durch seine Lipidlöslichkeit in das Gewebe diffundieren und die Liquorschranke durchdringen. Dadurch kommt es zu einer besonders starken Anreicherung in den lipidreichen Geweben des Gehirns und des Zentralen Nervensystems (ZNS) (74).

Eliminiert wird der größte Teil des aufgenommenen Quecksilbers nach einer mittleren Halbwertzeit von etwa 60 Tagen hauptsächlich fäkal (etwa 60%) und renal (etwa 40%) als Hg2+ (28).

Jedoch etwa 10-20% des Hg verbleiben mit einer mittleren Halbwertzeit von bis zu max.

18 Jahren in Bereichen des Groß- und Kleinhirns. Weitere Speicherorgane sind die Nieren und die Leber (65).

Wirken Quecksilberdämpfe kurzzeitig mit einer hohen Konzentration von 1-3 mg/m3 auf einen Organismus ein, zeigen sich akute Vergiftungserscheinungen, die den Symptomen einer Lungenentzündung ähnlich sind. Typische Beschwerden sind: Lungenreizung, Fieber, Schüttelfrost, Schmerzen in der Brustgegend und eine Verengung der Atemwege. Eine chronische Quecksilberdampfvergiftung hingegen resultiert aus einer wiederholten Langzeitexposition bei mehr als 0,1-0,2 mg/m3. Typische Symptome einer chronischen Quecksilbervergiftung sind Tremor (Zittern) und Erethismus (gesteigerte Erregbarkeit). Ein Tremor wird bei sensiblen Personen schon bei einer dauerhaften Hg-Luftkonzentration von 0,1-0,2 Hg/m3, einer Konzentration von 70-140 µg Hg/l im Blut und 300-600 µg Hg/l im ausgeschiedenen Urin ausgelöst. Begleitet wird eine chronische Quecksilbervergiftung von einem metallischen Geschmack im Mund, einer Zahnfleischentzündung und vermehrtem Speichelfluss (57).

Anorganische Quecksilber(II)-Salze

Zielorgan für anorganische Quecksilber(II)-Salze ist hauptsächlich die Niere, wobei die Zellen der proximalen Tubuli am stärksten betroffen sind. Hier kommt es zu einem Zelltod, ausgelöst von einer Nierenischämie kombiniert mit der direkten toxischen Schädigung. Quecksilber(II)-Salze haben bei Kontakt aber auch direkte lokale Wirkungen, indem sie sich auf den Schleimhäuten der Lippen, des Magens und der Speiseröhre festsetzen und die Haut reizen (57).

Bei einer dermalen Exposition und bei oraler Aufnahme beträgt die Resorption des ionischen Hg jeweils etwa 5-10% bei einer Halbwertzeit von 40-60 Tagen (28).

Organische Quecksilberverbindungen

Organische Quecksilberverbindungen sind besonders in Form von Methylquecksilber (MeHg+) in Nahrungsmitteln, insbesondere in Fisch, zu finden (74).

Diese Verbindungen sind noch deutlich giftiger als anorganische Quecksilberverbindungen oder das metallische Quecksilber, da sie durch ihre ausgeprägte Lipophilität biologische Membranen leichter passieren können und somit eher nach oraler Aufnahme im Gastrointestinaltrakt resorbiert werden (27).

Sie verteilen sich sehr schnell im gesamten Organismus. Ihre wichtigsten molekularen Bindungspartner sind Schwefelgruppen, wobei sie sich durch Ligandenaustauschreaktionen von einer Gruppe zur anderen bewegen können (31).

Im Blut ist Methyl-Hg zu 90% an Erythrozyten gebunden. Besonders im peripheren und zentralen Nervensystem kann es irreversible Schäden verursachen. Weitere Zielorgane sind die Leber und zu einem geringen Teil die Niere (28).

Die Halbwertzeit von Methylquecksilber im Blut beträgt durchschnittlich etwa 50 Tage, wobei die Spanne von 39 bis 70 Tage reichen kann. Ausgeschieden wird es zu 90% fäkal und zu 10% über den Urin (57).

3.5 Quecksilberexposition

Für den Menschen sind die bedeutensten Expositionsquellen für Quecksilber das Methylquecksilber aus verzehrtem Fisch und das elementare Quecksilber aus Amalgamfüllungen (28).

Weiterhin sind hierbei die Atemluft und das Trinkwasser von Bedeutung (31).

3.5.1 Quecksilber in der Luft

Als Quelle für eingeatmetes anorganisches Quecksilber kommen die Atmosphäre und Amalgamfüllungen in Frage (vgl. 3.4).

Nach Aussage der WHO wurden innerhalb Europas äußerst unterschiedliche Konzentrationen von anorganischem Quecksilber in der Atmosphäre gemessen. Obwohl diese auch zwischen den Ländern und innerhalb der Länder sehr stark variieren, können folgende Durchschnittswerte für ländliche Gebiete, Städte und Industriegebiete im Bereich der Europäischen Union angegeben werden:
- ländliche Gebiete: 0,001-0,6 ng Hg/m3
- Städte: 0,1-5 ng Hg/m3
- Industriegebiete: 0,5-20 ng Hg/m3

Wie bereits erwähnt, handelt es sich hier um Mittelwerte. So wurde z.B. in der Stadt Mainz ein Wert von 10 ng/m3 gemessen, welcher erheblich über dem europäischen Durchschnitt für Städte liegt. Deutlich wird, dass die Quecksilberbelastung der Luft dort am höchsten ist, wo die meisten industriellen Emissionen zu verzeichnen sind, und dass Städte stärker belastet sind als die ländlichen Gegenden. Extremwerte, sogenannte „Hot Spots“, finden sich aber auch in ländlichen Gebieten, in denen verstärkt quecksilberhaltige Fungizide eingesetzt werden. So wurden in Japan in der Nähe von Reisfeldern Spitzenwerte mit bis zu 10000 ng Hg/m3 gemessen (87).

3.5.2 Quecksilber in der Nahrungskette

Die vergleichsweise deutlich giftigeren organischen Quecksilberverbindungen (besonders Methyl-Hg) werden über die Nahrung aufgenommen (74).

Wie oben erwähnt, sind besonders Wassertiere durch industrielle Abwässer mit Quecksilber belastet.

Eine Rolle spielen hierbei die in den Gewässern enthaltenen Mikroorganismen, die das ionische Hg in den Abwässern, z.B. der chlorproduzierenden Industrie, in das hochgiftige Methyl-Hg umwandeln. Da es nun in einer organischen Bindung vorliegt und lipophil ist, kann es über den Plankton von Muscheln und Fischen aufgenommen werden und sich in ihrem Körperfett über Jahre hinweg zunehmend anreichern. Dabei kann eine Hg- Konzentration im Körperfett des Tieres erreicht werden, die mehr als 1000-fach höher ist als die des Wassers, in dem es lebt. Wenn sich ein Mensch in hohem Maße von diesen belasteten Tieren ernährt, können in seinem Körper toxische Hg-Konzentrationen erreicht werden (29).

Die Gefährlichkeit des Methyl-Hg in Fischen zeigte auch die Katastrophe von 1952 im japanischen Minamata, bei der 52 Menschen nach dem Verzehr von hochgradig mit Quecksilber belastetem Fisch starben. Es konnte im Nachhinein nachgewiesen werden, dass das Hg durch die Abwässer einer der kleinen Gemeinde nahegelegenen Chemischen Fabrik ungeklärt in die Flüsse und somit ins Meer gelangt war. In Form von MeHgSMe reicherte es sich so in den Meerestieren an und vergiftete die Menschen des Dorfes, die sich hauptsächlich von Fisch ernährten (27).

Quecksilber ist aber auch in Deutschland in der Nahrung zu finden. So untersuchten Schelenz und Diehl 1973 die Quecksilberbelastung verschiedener Lebensmittel auf dem deutschen Markt und stellten bei Süßwasserfischarten folgende Durchschnittswerte fest

(72):

Tab. 1: Durchschnittliche Hg-Menge in Süßwasserfischen (72)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ein weiterer Weg des Quecksilbers in der Nahrungskette geht über die in der Landwirtschaft eingesetzten Hg-haltigen Fungizide und Pestizide. Wird das Saatgut damit vor der Aussaat behandelt, reichern sich Hg-Verbindungen im Boden an und gelangen mit dem Regenwasser in das Oberflächen- und das Grundwasser. Auch nach der Keimung werden die Pflanzen weiterhin mit Pestiziden behandelt, sodass es zu einer Belastung des Endprodukts, z.B. einem Futtermittel für Schweine, kommt (24).

Durch die Verwendung von Quecksilber in der Landwirtschaft kam es zu Beginn der sechziger Jahre zu einer epidemiologischen Vergiftung im Irak. Dort aßen viele Menschen Brot, das aus mit organischen Quecksilberverbindungen hochgradig belastetem Getreide hergestellt worden war (74). Dieses Getreide war ursprünglich für die Verwendung als Saatgut bestimmt und verursachte durch das enthaltene Methylquecksilber schwere neurologische Schäden bei den betroffenen Personen (57).

Aber auch auf dem deutschen Markt ist Hg nicht nur in Süßwasserfischen zu finden. Exemplarisch sollen hier nur kurz einige Ergebnisse genannt werden, zu denen Schelenz und Diehl 1973 kamen (72).

So ist in folgenden Lebensmitteln die jeweils angegebene durchschnittliche Hg-Menge gefunden worden:

Tab. 2: Durchschnittliche Hg-Menge in Lebensmitteln (72) Fleisch:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nach Schiele ist das Hg-Belastungsniveau von menschlichen Organen durch die Nahrung in Deutschland jedoch vergleichsweise gering. So stellte er 1981 in einer Untersuchung fest, dass hier die Hg-Konzentrationen des Gehirns „ein bis zwei Zehnerpotenzen unter denen von japanischen Normalpersonen und um etwa den Faktor 1000 unter denen der Opfer der Minamata-Katastrophe“ liegen (70).

3.5.3 Quecksilber aus dem Füllungsmaterial Amalgam

Aus Amalgamfüllungen und dem Werkstoff Amalgam wird anorganisches Quecksilber besonders in Form von Dämpfen freigesetzt und in der Lunge resorbiert (57). Betroffen sind hiervon sowohl die Patienten als auch besonders die Mitarbeiter in den Zahnarztpraxen.

Die Toxikologie dieser Dämpfe wurde bereits im Punkt „Resorption und Toxikologie von Quecksilber“ (vgl. 3.4) besprochen.

3.5.3.1 Messgrößen

Bei Personen, die wenig Methylquecksilber durch die Nahrung aufnehmen, ist der Quecksilbergehalt des Blutes ein nützlicher Indikator für die Quecksilberaufnahme aus Amalgamfüllungen oder die Hg-Belastung am Arbeitsplatz. Dieses Messinstrument scheidet aber aus, wenn z.B. sehr viel Fisch verzehrt wird, da das Methylquecksilber im Vollblut das Messergebnis verfälscht. Der am häufigsten verwendete Indikator ist der Hg- Gehalt des Urins, da dieser mit der vorhandenen Quecksilberexposition korreliert. Angegeben wird hierbei jeweils die Hg-Konzentration pro Gramm Kreatinin, da der Urinfluss vom Menschen durch die jeweilige Flüssigkeitsaufnahme gesteuert werden kann und die Hg-Konzentration bei vermehrter Urinausscheidung sinkt. Die Kreatininaus- scheidung ist hingegen unabhängig von der Flüssigkeitszufuhr und allein abhängig von der Muskelmasse (57).

3.5.3.2 Quecksilberbelastung der Patienten durch Amalgamfüllungen

Wie bereits erwähnt, werden von Amalgamfüllungen kontinuierlich Quecksilberdämpfe abgegeben, sodass die Quecksilberkonzentration im Urin und im Blut mit der Anzahl und Flächengröße der Amalgamfüllungen ansteigt (83).

Außerdem wird ein geringer Teil im Speichel gelöst, im Magen-Darm-Trakt resorbiert und gelangt so in die Blutbahn (65).

Begünstigt wird die Aufnahme des anorganischen Hg durch orale Atmung, Kauen von Nahrung, Zähneputzen, Trinken heißer Getränke und Rauchen.

In verschiedenen Untersuchungen wurde die Menge des Quecksilbers aus Amalgam- füllungen im Speichel, in der intraoralen Luft, in der Luft der Luftröhre und in der ausgeatmeten Luft gemessen. Dabei wurde übereinstimmend festgestellt, dass neben den erhöhten Hg-Konzentrationen im Blut und im Urin sowohl die Hg-Konzentration in der Atemluft als auch im Speichel bei Amalgamträgern deutlich höher ist als bei Patienten ohne Amalgamfüllungen (57).

Clarkson et alii gehen davon aus, dass täglich durchschnittlich etwa 2,9 µg Hg aus Amalgamfüllungen von Patienten mit mehr als 4 Füllungen aufgenommen werden. Pro Amalgamfläche rechnen sie mit etwa 0,4 µg resorbiertem Hg täglich (16). Somit ist die Hg-Belastung für den Menschen durch Amalgamfüllungen als sehr gering zu beurteilen. Verglichen damit ist die Belastung mit Methylquecksilber durch die Nahrung deutlich größer (73).

Das anorganische Hg aus Amalgamfüllungen, das in Form von Dämpfen abgegeben wird, hat im Körper eine Halbwertzeit von 50-60 Tagen (31).

In der Hypophyse kann es jedoch zu einer deutlich längeren Verweilzeit kommen. Sugita stellte hier eine extreme Halbwertzeit von bis zu 18 Jahren fest, was allerdings ohne erkennbare gesundheitliche Folgen für die Patienten blieb (80).

Es wird vermutet, dass die Konzentration an Quecksilber in den Bereichen des Gehirns folgenlos bleibt, da das Hg dort an Selen gebunden vorliegt (31).

Das aus Amalgamfüllungen resorbierte Hg ist des Weiteren plazentagängig, was aber nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen keine Entwicklungsstörungen der Feten und Embryonen zur Folge hat. So konnte auch kein Zusammenhang mit Aborten festgestellt werden (84).

3.5.3.3 Quecksilberbelastung des Praxispersonals durch Amalgam

Alle Personen, die im zahnärztlichen Bereich tätig sind, sind einer erhöhten Quecksilberexposition durch das dort verarbeitete Amalgam ausgesetzt. Hierzu kommt es z.B. beim Anmischen und Verarbeiten des Werkstoffes oder beim Herausbohren einer Amalgamfüllung. Bei diesen Arbeitsschritten entsteht jeweils Aerosol, das von den Mitarbeitern eingeatmet wird und über die Lunge resorbiert wird (32). Die WHO weist darauf hin, dass für das Personal eine Gesundheitsgefährdung durch Quecksilber entstehen kann, wenn schlechte Arbeitsbedingungen vorliegen. Deshalb ist es notwendig, dass gute hygienische Verhältnisse am Arbeitsplatz vorliegen und die Hg- Werte regelmäßig kontrolliert werden (88).

Zur Minimierung dieser Belastung wurden von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) im Jahr 2000 Empfehlungen für den Umgang mit dem Werkstoff Amalgam herausgegeben, auf die in dem Punkt „Das Arbeiten mit Amalgam in der Zahnarztpraxis“ (vgl. 4.4) noch näher eingegangen werden wird. 1997 führte die BGW in 9 zufällig ausgewählten Zahnarztpraxen Hg-Messungen durch, wobei hier speziell für die Messungen sehr ungünstige Arbeitsbedingungen für die Arbeit mit Amalgam geschaffen worden sind. So wurde darauf geachtet, dass für die Untersuchungsreihe einige Arbeitsempfehlungen, die in der Praxis zur Regel gehören, hier nicht eingehalten wurden. Ein Beispiel hierfür ist, dass z.B. die Arbeitsräume nicht gründlich und regelmäßig gelüftet wurden, um auch für einen ungünstigen Fall (worst- case) eine Prognose abgeben zu können. In einigen Praxen wurde bereits vor der Arbeit mit Amalgam ein Grundlevel von bis zu 6 µg Hg/m3 gemessen. Alle Messungen während der Verarbeitung des Werkstoffes lagen unter 10 µg Hg/m3, sowohl für den Zahnarzt als auch für die Zahnmedizinische Fachangestellte. Es konnte also auch in dieser Worst-Case- Simulation ein deutlicher Sicherheitsabstand zum MAK-Wert von 100 µg Hg/m3 (vgl. 3.6) eingehalten werden.

Die auftretenden Quecksilberkonzentrationen sind demnach bei den heute üblichen Arbeitsbedingungen gering und nehmen durch neue Techniken immer weiter ab, sodass bei der richtigen Arbeitsweise eine Gesundheitsgefährdung nach heutigem Kenntnisstand ausgeschlossen werden kann (32).

3.6 Grenzwerte

Bei den zu nennenden Grenzwerten handelt es sich um die Werte, bei deren Einhaltung eine Gesundheitsgefährdung allgemein ausgeschlossen wird.

Anhand von arbeitsmedizinisch-toxikologischen Bewertungen wurde der Wert für die Maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK) von Hg in der Luft mit 100 µg Hg/m3 in den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) 900 festgelegt. Es wurde hierbei eine Arbeitszeit von 8 Stunden berücksichtigt, sodass es sich um einen Schichtmittelwert handelt, da im Tagesverlauf die Quecksilberkonzentration in der Luft einer Zahnarztpraxis oder anderen belasteten Arbeitsbereichen sehr schwankend ist. Ab Oktober 1996 gilt ein maximaler Kurzzeit-Mittelwert von 400 µg Hg/m3 in einer Zeit von 15 Minuten und bei maximal einer Stunde Belastung pro Schicht.

Außerdem sind die Biologischen Arbeitstoleranzwerte (BAT) für die Quecksilberbelastung im Blut und im Harn in TRGS 903 wie folgt festgelegt: 50 µg Hg/l im Vollblut und 200 µg Hg/l im Harn (32).

Nach Greim und Deml gelten bis zu 1 µg Hg/m3 in der permanent eingeatmeten Luft als unbedenklich (28).

Laut Schiele wurden aber selbst bei erheblichem Überschreiten der Grenzwerte für Luft, Urin und Blut noch keine Schäden der Nieren oder des Nervensystems beobachtet (73). Die WHO gab 1976 eine Empfehlung für die maximale wöchentliche Aufnahme von Hg über das Trinkwasser, die Luft und Nahrungsmittel heraus. Angesetzt wurde hier ein maximaler Wert von 0,35 mg Hg/70kg, wobei Ohnesorg betont, dass es sich hierbei um einen Wert handelt, der einen Sicherheitsfaktor von 10 enthält. Die empfohlene maximale Aufnahme von 0,25 mg Methylquecksilber ist in dem Wert enthalten. Im Vergleich dazu liegt die tatsächlich aufgenommene Hg-Menge selbst bei Personen mit Amalgamfüllungen bei etwa einem Drittel des empfohlenen Grenzwertes, wobei es sich bei dem größten Teil um Methylquecksilber aus der Nahrung handelt (65).

4 Amalgam als Füllungswerkstoff

4.1 Silberamalgame

4.1.1 Gamma-2-Amalgame

Bei Amalgamen handelt es sich allgemein, wie schon im Punkt „Chemische und Physikalische Grundlagen Quecksilber“ (vgl. 3.2) erläutert, um Legierungen, die durch die Reaktion von Quecksilber mit anderen Metallen entstehen. Diese Reaktion kann durch den sehr niedrigen Schmelzpunkt schon bei Raumtemperatur ablaufen. Angemischt wird das flüssige Quecksilber, etwa 50 Gew.%, mit dem festen, metallischen Reaktionspartner, dessen gefeilte Partikel in einer möglichst feinen Form vorliegen müssen. Die erhaltene Masse ist plastisch und verfestigt sich im Laufe der Reaktion, wobei die Verarbeitungszeit zum Stopfen und Modellieren der Oberfläche, je nach Fabrikat, 10 bis 20 Minuten beträgt. Durch eine sehr lange Abbindereaktion erreicht das Material erst nach 8 Stunden lediglich 70-90% seiner Endfestigkeit, weshalb eine Kaubelastung noch frischer Füllungen in den ersten Stunden zu vermeiden ist (58).

Das Amalgam, das nach dem Stopfen in der Kavität verbleibt, ist durch die Kondensation des Quecksilbers immer Hg-ärmer als die vorher angemischte Masse. Dadurch liegt der Hg-Gehalt der Füllung bei unter 50 Gew.%, wie es auch von Marxkors und Meiners empfohlen wird (58).

Die beiden Autoren geben außerdem an, dass es sich 1982 bei den in der Zahnmedizin verwendeten Silberamalgamen um Werkstoffe handelte, deren feste Komponente im wesentlichen aus einer Silber-Zinn-Legierung mit kleineren Zusätzen bestand. Empfohlen wurde hierbei eine Zusammensetzung von mindestens 65% des Gesamtgewichtes für Silber (Ag) und höchstens 29% des Gesamtgewichtes für Zinn (Sn) (vgl. Tab. 3). Liegt der Zinngehalt zwischen 25,5 und 26,8 Gew.%, bilden Ag und Sn eine intermetallische, hexagonale Phase mit der Zusammensetzung Ag3Sn. Diese Phase wird als „ -Phase“ bezeichnet (58).

Die ablaufende Reaktion zwischen Gamma-Phase und Quecksilber sieht wie folgt aus:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(84)

Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Feilung nur aus der -Phase besteht. Sollte die -Phase in der Reaktion vollständig umgesetzt werden, müsste die Feilung und das Quecksilber im Verhältnis 1:2 angemischt werden. Da allerdings ein Verhältnis von 1:1 gewählt werden muss, ist immer noch -Phase vorhanden, die nicht verbraucht wurde. Das Endprodukt besteht somit aus einer Matrix von 1- und 2- Kristallen, zwischen die nicht amalgamisierte Reste der gefeilten Legierung eingelagert sind. Die Phase 2 ist unedel und korrodiert stärker als die 1-Phase (58).

Während der Reaktion unterliegt die Masse sowohl einer Expansion als auch einer Kontraktion, die sich gegenseitig überlagern. Das Kontraktionsverhalten wird von dem stattfindenden Lösungsprozess verursacht, während aus dem Kristallwachstum der 1- und der 2-Phase eine Expansion der Masse resultiert. Durch diese Expansion, die sich über Stunden hinzieht, können auch Mikroporen im Material entstehen. Zum Ende dieser Zeit kann es zu einer abermaligen geringen Kontraktion kommen, wenn die Matrixkristalle aus den Phasen 1 und 2 zusammenrücken. Das Resultat der gegensätzlichen Wirkung von Expansions- und Kontraktionsverhalten kann sowohl über die Zusammensetzung, als auch über die Feinheit der Feilung beeinflusst werden. Weitere Einflussfaktoren für das Volumenverhalten sind der Quecksilberanteil und die Art und Weise der Verarbeitung.

Das Dimensionsverhalten der handelsüblichen Silberamalgame wurde so weit verbessert, dass bei richtiger Verarbeitung lediglich eine Volumenänderung von 0-2% lin. auftritt, um eine Randspaltbildung zu vermeiden (58).

Zinnreiche Amalgame bilden ein Kristallgemisch aus der -Phase und reinem Zinn, das eutektisch ist.

Silberamalgame mit einem hohen Ag-Gehalt besitzen eine höhere Festigkeit und eine geringere Korrosionsanfälligkeit, weshalb bei moderneren Amalgamen auf freies Zinn in der verwendeten Legierung verzichtet wird. Basis dieser Amalgame ist also hauptsächlich die -Phase. Zu Beginn der Amalgamisierung ermöglicht das Zinn eine ausreichende Reaktionsgeschwindigkeit (58).

Die mechanischen Eigenschaften des Werkstoffes können noch verbessert werden, indem das Silber der -Phase bis zu etwa 2 Gew.% durch Kupfer ersetzt wird. Auch die Zerspanung der -Phase wird durch den Cu-Gehalt erleichtert. Der Legierung kann auch Zink hinzugegeben werden, um andere Legierungsbestandteile beim Schmelzen und Gießen vor Oxidation zu schützen. Das Hinzufügen von Zn kann jedoch zur Folge haben, dass Amalgam nach Legen der Füllung stark expandiert, wenn Feuchtigkeit in das Material beim Anmischen oder Stopfen der Füllung eindringt. Dieser Prozess setzt sich über Monate fort und wird als „verzögerte, exzessive Expansion“ bezeichnet. Kann das Durchmischen des Füllungsmaterials mit Feuchtigkeit also nicht ausgeschlossen werden, sind ausschließlich zinkfreie Legierungen zu verwenden (58).

4.1.2 Non-Gamma-2-Amalgame

In der Forschungsarbeit zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften der Silberamalgame ging man dazu über, harte Metallpartikel in das Amalgam einzulagern

(58).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dabei gelang Innes und Youdelis 1963 der Durchbruch, indem sie den Kupferanteil erhöhten und der Ag3Sn-Feilung feinverdüste Kugeln eines Ag-Cu-Eutektikums mit 72% Silber und 28% Kupfer hinzufügten. Dabei erkannten sie, dass durch den hohen Kupfergehalt die Bildung der unedlen 2-Phase unterdrückt wird (70). Statt dieser Phase tritt nun eine mit „ 1“ bezeichnete Phase auf, da Kupfer in Quecksilber nur gering löslich ist und sich die Cu-Sn-Legierung ausscheidet. Daraus folgt eine Verarmung der Lösung an Zinn. Die hohe Sättigungskonzentration von Zinn in Quecksilber, deren Überschreitung notwendig ist, damit die 2-Phase kristallisieren kann, wird somit nicht erreicht (58).

Die anfangs schon genannte Reaktion

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(84)

wurde so um folgenden Schritt erweitert: Sn8Hg + Ag/Cu : Cu6Sn5 + Ag3Hg4

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(84)

Zusammenfassend ergibt sich daraus die Summenformel: Ag3Sn + Ag/Cu + Hg : Cu6Sn5 + Ag3Hg4

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(84)

Die 2-freien Amalgame verfestigen sich deutlich schneller und expandieren nach dem Abbindevorgang langfristig nicht (84).

Des Weiteren besitzt die 1-Phase gegenüber der 2-Phase den Vorteil, dass sie deutlich korrosionsbeständiger ist und eine Füllung selbst bei Korrosion keinen verbreiterten Randspalt aufweist. Die Füllungsränder zeigen weniger Randschäden und Non-Gamma-2- Amalgame bleiben im Mund heller als Amalgame mit einer Gamma-2-Phase. Die Quecksilberabgabe dieses Materials ist, verglichen mit den Gamma-2-Amalgamen, deutlich vermindert (54).

Aufgrund der besseren Eigenschaften dieser Amalgame wird in Deutschland seit 1992 empfohlen, ausschließlich nur noch Non-Gamma-2-Amalgame zu verwenden (11).

4.2 Kupferamalgame

Kupferamalgame sind Legierungen aus ca. 35% Kupfer, ca. 65% Quecksilber und kleinen Mengen Zink, Zinn oder Indium. Sie sind verglichen mit den Silberamalgamen wenig korrosionsbeständig und bei ihrer Herstellung werden verstärkt giftige Quecksilberdämpfe freigesetzt. Ein Vorteil dieses Amalgams ist seine karieshemmenden Wirkung, die von dem hohen Kupferanteil ausgeht. Deshalb ist es bis vor einigen Jahren noch zur Füllung von Milchzähnen eingesetzt worden. (84).

Da die Nachteile des Kupferamalgams, verglichen mit den Vorteilen gegenüber Silberamalgam, deutlich überwiegen, wurde es schon vor vielen Jahren auf Veranlassung der Arzneimittelkommission-Zahnärzte in Deutschland vom Markt genommen (82). Die Kupferamalgame sind nur noch von medizinhistorischem Interesse (84). Somit kann auf eine detaillierte Darstellung im Rahmen der vorliegenden Arbeit verzichtet werden.

4.3 Spezifikation und Qualitätssicherung

Vor 1998 unterlagen die Füllungsmaterialien der Zahnmedizin dem deutschen Recht. Es galt als Normierung die DIN 13904 von 1981 für die Feilung der damals noch konventionellen Gamma-2-Amalgame.

Diese Norm schrieb folgende Zusammensetzung vor (Massengehalte in Prozent):

Tab. 3: Bestandteile des Legierungspulvers zur 2-Amalgamherstellung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(41)

Für die moderneren und heute gebräuchlichen Legierungspulver der Non-Gamma-2- Amalgame gilt die internationale DIN-EN 21 559 „Dentistry; alloys for dental amalgam“, die die Zusammensetzung der Feilung („alloy“) wie folgt festlegt (Massengehalte in Prozent):

Tab. 4: Bestandteile des Legierungspulvers zur Non-2-Amalgamherstellung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(41)

Außerdem ist den Herstellern die Möglichkeit gegeben, Teile des Zinns und des Kupfers durch andere Metalle zu ersetzen, wenn sie Nachweise über die Eignung und die Unbedenklichkeit erbringen (84).

Für das in der Anmischung zu verwendende Quecksilber wurde die Norm DIN EN 21560 „Dentistry; dental mercury“ eingeführt. Außerdem festgelegt sind die Verfahrensweisen bei der Verarbeitung in der Praxis in DIN-EN 7488 „Dental amalgamtors“ und in DIN-EN 8282 „Dental equipment- mercury and alloy mixers and dispensers“ (41). Seit 1998 unterliegen alle Füllungsmaterialien dem europäischen Medizinprodukterecht, das festlegt, dass alle Werkstoffe, bevor sie in Verkehr gebracht werden, geprüft und zertifiziert werden müssen. Verantwortlich hierfür sind die Hersteller und Prüfstellen, die von den zuständigen Behörden benannt und auch überwacht werden (11).

[...]

Ende der Leseprobe aus 124 Seiten

Details

Titel
Eine empirische Betrachtung von Amalgam als Zahnfüllmaterial
Hochschule
Universität Osnabrück
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
124
Katalognummer
V54442
ISBN (eBook)
9783638496506
ISBN (Buch)
9783638708487
Dateigröße
1067 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eine, Betrachtung, Amalgam, Zahnfüllmaterial
Arbeit zitieren
Michael Emering (Autor:in), 2004, Eine empirische Betrachtung von Amalgam als Zahnfüllmaterial, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54442

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