Das Zensurrecht des Hobbesschen Leviathan - ordnungspolitische Notwendigkeit oder totalitäre Entgleisung?


Seminararbeit, 2001

20 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1 Das System des Leviathan. Methode, Anthropologie und Politik
1.1 Die Erkenntnis und ihre Methode
1.2 Anthropologie und Ethik
1.3 Politik. Vertragsmodell, Repräsentation, Souveränitätsrechte und Bürgerpflichten

2 Das Zensurrecht des Leviathan – ordnungspolitische Notwendigkeit oder totalitäre Entgleisung?

Literatur

Einleitung

Thomas Hobbes’ großer staatsphilosophischer Entwurf Leviathan ist im Jahre 1651, also bereits vor 350 Jahren, erschienen, und doch bietet er bis heute Diskussionsstoff für die politische Theorie. Insbesondere die Ausführungen zur Begründung des Vertrags zwischen den sich vergesellschaftenden Individuen sind vielfach rezipiert und diskutiert worden. Im Laufe seiner langen Interpretationsgeschichte ist der Leviathan immer wieder von „rechter“ wie von „liberaler“ Seite für ihre Zwecke zu vereinnahmen versucht worden.[1] Während liberale Interpreten vor allem das Kalkül der Vertragsbegründung hervorgehoben haben, stand bei Vertretern des konservativen Lagers, allen voran bei Carl Schmitt, das Letztinstanzlichkeitsargument und die von ihm abgeleitete absolute Souveränität des Herrschers im Vordergrund.[2]

Ich möchte in der vorliegenden Arbeit ein einzelnes der in Kapitel achtzehn angeführten Rechte diskutieren, welche die Souveränität des Herrschers begründen: das Recht auf Zensur. Vielleicht ist es das strittigste der zwölf Souveränitätsrechte; im Spannungsfeld zwischen Liberalismus und Totalitarismus ist der Standort der von Hobbes propagierten Zensur klärungsbedürftig. Zu einer solchen Klärung möchte die Arbeit beitragen und schließlich entscheiden, ob es sich bei ihr um eine ordnungspolitische Notwendigkeit oder um eine totalitäre Entgleisung handelt

Die Arbeit versucht es, indem sie, von methodologischen über anthropologische bis hin zu politischen Grundlagen, Hobbes’ Argumentationsgang in einem ersten Teil systematisch darzulegen versucht. Auf diese Weise werden sich viele seiner Thesen als Konsequenzen methodologischer, anthropologischer und politischer Prämissen kenntlich machen lassen. Zudem kann nur fair kritisieren, wer die in ihrer Kohärenz liegende Stärke der Hobbesschen Theorie sichtbar gemacht hat. Nach dem allgemeinen, propädeutischen Teil soll der zweite, spezielle Teil eine kritische Bewertung des Zensurrechts vornehmen. Dabei geht es unter anderem um die Frage, inwieweit totalitäre Herrschaft legitimiert wird oder ob, im Gegenteil, Hobbes’ Anschauungen liberale Tendenzen aufweisen. Ohne eine Klärung der Begriffe „Liberalismus“ und „Totalitarismus“ wird dies nicht mit befriedigendem Ergebnis zu bewerkstelligen sein

Zitate und Nachweise aus dem Leviathan werden im Text durch in Klammern stehende Seitenzahlen angegeben. Ich beziehe mich dabei auf die im Literaturverzeichnis angegebene, von Iring Fetscher herausgegebene Ausgabe

1 Das System des Leviathan. Methode, Anthropologie und Politik

1.1 Die Erkenntnis und ihre Methode

Bei Hobbes ist das Gute, wie bei Platon, noch nicht von der Erkenntnis getrennt, Erkenntnistheorie und Ethik werden parallel geführt. Der Naturzustand des Menschen, beschrieben als „einsam, armselig, ekelhaft, tierisch und kurz“ (96), ist deshalb Resultat ungenügender Erkenntnis, genauer: eines unzureichenden politikphilosophischen Kenntnisstands. Diese Diagnose wirft die Frage nach Hobbes’ genauer Auffassung von Philosophie auf

Unter Philosophie versteht Hobbes „die durch richtiges Schlussfolgern gewonnene Erkenntnis der Wirkungen bzw. Phänomene im Ausgang vom Begriff ihrer Ursachen bzw. Erzeugungsweisen, und umgekehrt von möglichen Erzeugungsweisen im Ausgang von der Kenntnis der Wirkungen.“[3] Es wird klar, dass Hobbes unter Philosophie eine bestimmte Methode des Erkennens versteht. Nach seiner Definition von Philosophie ist die Erkenntnis einer Sache gleichbedeutend mit der Kenntnis ihrer Entstehung. Daraus folgt, dass, wer eine Sache gemacht hat, sie gleichzeitig verstanden hat. Hobbes Erkenntnistheorie ist, so kann man zusammenfassen, generativer Art. Die Forderung nach der Machbarkeit des Erkennbaren impliziert freilich, dass alle Erkenntnis letztlich auf Erfahrung zurückführbar sein muss. (23) Empirie als Verifikationskriterium kennzeichnet den Standpunkt Hobbes’ als spezifisch angelsächsischen

Die Philosophie lässt sich nach Hobbes in drei Bereiche einteilen. Erstens in Geometrie, worunter Hobbes versteht, was heute als Mathematik und Logik bezeichnet wird. Zweitens in Physik, gemeint sind die Naturwissenschaften, aber auch die Naturphilosophie. Schließlich in Moral, ein Bereich, der sowohl die Ethik als auch die Politik umfasst.[4]

Methodisch stellt Hobbes Synthese und Analyse ins Zentrum, das Zerlegen in kleinste Einheiten und ihr Zusammensetzen. Hobbes geht davon aus, dass nur derjenige das Ganze verstehen kann, der seine kleinsten Bestandteile kennt. Umgekehrt gibt bereits eines dieser Grundelemente Aufschluss über das Wesen des Ganzen. Als Beispiel nennt Hobbes die Uhr, deren Funktionieren nur durch Zerlegen in ihre Einzelteile deutlich wird.[5] Diese Figur kehrt in Hobbes’ Anthropologie wieder, wenn er das Wesen der Gesellschaft anhand der Untersuchung des Individuums bestimmen will. Er schlägt vor, die Gesellschaft probeweise in ihre kleinsten Bestandteile, die Menschen, zu zerlegen, damit erkannt werden kann, wie die menschliche Natur beschaffen ist. Daraus soll dann folgen, inwieweit sie zur Bildung eines Staates geeignet sind und auf welche Weise sich Menschen zu einem Staat zusammenschließen müssen.[6] Die fiktive Analyse stellt einen Naturzustand her, aus dem die Mittel zur Erreichung des gesellschaftlichen Friedens erkennbar werden sollen; letztlich soll sich zeigen, dass es die instrumentelle, hypothetischen Imperativen folgende Vernunft ist[7], die einen Zusammenschluss und die Einsetzung des absoluten Souveräns gebietet. (105)

Wirklich sicheres Wissen haben wir nur von jenen Grundelementen, die wir selbst erschaffen haben. Dieses Erschaffen ist kontingent, das heißt, es ist möglich, aber nicht notwendig. Zu den Schöpfungen solcher Art gehören nicht zuletzt die Gegenstände der Geometrie, die aus Linien, das heißt kleinsten Teilen, bestehen, die wir selbst ziehen, wenn wir einen Gegenstand zeichnen.[8] Hier wird deutlich, wie generativer Erkenntnisbegriff und synthetisch-analytisches Verfahren zusammenhängen

Das synthetisch-analytische Verfahren findet in den Operationen der Addition und Subtraktion statt, die Hobbes von der Mathematik auf die Philosophie übertragen will. Um eine Annäherung an die Präzision der Mathematik zu erreichen, muss er eine Schärfung der Begriffe einfordern, denn mit Zweideutigem lässt sich nicht rechnen. (37) Nichtsdestotrotz bleiben die Grundbegriffe willkürlich. Aber schließlich lässt sich nur das verstehen, was der Mensch selbst geschaffen hat, und so muss dieser auch das Werkzeug, mit dem er die Welt erkunden und erkennen will, selbst verfertigen. Auf diese Weise ist eine Naturerkenntnis möglich, die anstatt von einer objektiven Wahrheit von dem Nutzen, den sie erbringt, geleitet sein muss

[...]


[1] Vgl. Fetscher: Einleitung (1999), S. XLIV-LXIV

[2] Vgl. Kersting: Thomas Hobbes zur Einführung (1992), S. 187

[3] Hobbes: Vom Körper (1997), S. 16

[4] Vgl. Hobbes: Vom Menschen, Vom Bürger (1994), S. 60

[5] Ebd., S. 67

[6] Ebd

[7] Darin unterscheidet sich das Hobbessche Modell vom Kantischen: Der Vertrag kommt aufgrund partikularer Interessen zustande

[8] Vgl. Hobbes: Vom Menschen, Vom Bürger (1994), S. 20

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Das Zensurrecht des Hobbesschen Leviathan - ordnungspolitische Notwendigkeit oder totalitäre Entgleisung?
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Philosophisches Seminar)
Note
1,0
Jahr
2001
Seiten
20
Katalognummer
V55692
ISBN (eBook)
9783638505802
ISBN (Buch)
9783656815570
Dateigröße
511 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit stellt im ersten Teil (12 Seiten) die grundlegenden Elemente von Hobbes' politischer Philosophie aus "Leviathan" dar. Im zweiten Teil (6 Seiten) wird im Besonderen das Problem des Zensurrechts behandelt.
Schlagworte
Zensurrecht, Hobbesschen, Leviathan, Notwendigkeit, Entgleisung
Arbeit zitieren
Anonym, 2001, Das Zensurrecht des Hobbesschen Leviathan - ordnungspolitische Notwendigkeit oder totalitäre Entgleisung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55692

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