Die Auswirkungen des Luftkriegs auf die deutsche Zivilbevölkerung unter Auswertung des 'United States Strategic Bombing Survey'


Seminararbeit, 2002

24 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhalt

I. Einleitung

II. Konsequenzen des alliierten Luftbombardements unter

1. Berücksichtigung des „United States Strategic Bombing Survey“

2. Entstehung und Ziel der Einrichtung
Die Auswirkungen des Luftkriegs auf die deutsche Zivilbevölkerung
2.1 Offensive gegen die deutsche Moral
2.2 Die „Civilian Studies“ des „United States Strategic Bombing Survey“
2.3 Deutsche Bevölkerungsverluste im Verlauf des Luftkriegs

3. Der Umgang der nationalsozialistischen Regimes mit den Folgen des Luftkriegs
3.1 Der zivile Luftschutz in Deutschland in den Kriegsjahren 1939-1945
3.2 Moralerhalt durch Propaganda

III.

Zusammenfassung

Anhang

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Am 1. September 1939 fielen deutsche Truppen, unterstützt von einem Großaufgebot der Luftwaffe, in Polen ein und lösten damit den Zweiten Weltkrieg aus. Nachdem in einer Blitzaktion der Großteil der polnischen Luftverteidigung kampfunfähig gemacht worden war, richtete man das Hauptaugenmerk der Angriffe auf Warschau, die als erste Großstadt des Zweiten Weltkriegs unter dem Bombenhagel kapitulieren musste. Wie die kommenden Jahre zeigen sollten, gewann der Einsatz von Luftstreitkräften erhebliche Bedeutung und prägte den Kriegsverlauf entscheidend.

In der Anfangsphase des Luftkriegs, die bis zum 10. Mai 1940 andauerte[1], wurden zunächst jedoch fast ausschließlich Angriffe gegen militärische Ziele geflogen, um Provokationen durch die Bombardierung ziviler Ziele zu vermeiden. Der Angriff gegen Warschau, wurde in den ersten Kriegsmonaten immer wieder als „Terrorangriff“ bezeichnet. Obwohl der Überfall als solcher schon eine Verletzung des geltenden Kriegsrechts darstellte, fand er vor der Hager Landkriegsordnung Legitimation, die dies mit der mehrmaligen deutschen Aufforderung zur Kapitulation und der das Heer unterstützenden Tätigkeit der deutschen Luftstreitverbände bei einem Angriff auf eine verteidigte Stadt begründete.[2]

Im weiteren Verlauf des Krieges ging die Initiative der anfangs, vor allem durch Blitzkriege, erfolgreichen deutschen Armee auf die Alliierten über. Einen frühen Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg stellte die Luftschlacht um England dar, deren Entscheidung zugunsten der Briten Ende des Jahres 1942 zu einer Verlagerung der Kämpfe um die Luftüberlegenheit auf deutsches Gebiet führte. Die deutsche Zivilbevölkerung war nun zunehmend von den Attacken auf deutsche Städte betroffen und litt in hohem Maße unter den immer schlechter werdenden Lebensbedingungen. In der abschließenden Phase des Krieges führte die Wucht mit der, vom 6. Juni 1944 bis Kriegsende, deutsche Städte bombardiert wurden, zu einem enormen Anstieg von Toten und Verletzten.[3]

Im letzten Kriegsjahr begann eine amerikanische Einrichtung, das „United States Strategic Bombing Survey“, Untersuchungen über die Folgen des Bombardements deutscher Städte anzustellen und legte die Ergebnisse 1947 in mehreren umfassenden Berichten vor. Mit Hilfe dieser Studien, die der Arbeit als Hauptquelle zugrunde liegen, soll der Versuch unternommen werden, das Leben der deutschen Bevölkerung während der alliierten Luftangriffe genauer zu beleuchten und der Frage nachzugehen, wie sich die Angriffe auf Stimmung und Verhalten der Deutschen auswirkten. Während der anfänglichen Recherche zum Thema stellte sich zunächst das Problem der Literaturauswahl. Zwar ist eine Fülle von teilweise sehr umfassenden Werken, vorhanden, jedoch beziehen sich die meisten der Titel verstärkt auf den militärischen Verlauf des Krieges und nicht auf die Stimmungslage der Deutschen während der Bombardierung. Als nützliche Hilfsmittel erwiesen sich die „Dokumente deutscher Kriegsschäden“ aus dem Jahr 1958, sowie die Arbeiten Olaf Groehlers[4], die eine umfangreiche Sammlung an Informationen zum Thema boten. Ferner wurden Werke und Aufsätze mit sozialpsychologischem Charakter herangezogen, die sich verstärkt mit dem Verfall der Moral der deutschen Bevölkerung auseinandersetzen, sowie allgemeinere Abhandlungen zum Kriegsverlauf und der Geschichte des Nationalsozialismus.

Die Arbeit versucht im Folgenden darzustellen, in welchem Umfang der Luftkrieg das Leben der deutschen Zivilbevölkerung beeinflusste und welche Bedeutung die Studien des „United States Strategic Bombing Survey“ für die historische Forschung haben. Einleitend wird zunächst die Entstehung der Institution und ihre Arbeitsweise näher dargestellt. Im Mittelpunkt steht die Betrachtung der Zivilbevölkerung unter den Folgen des Bombardements. Der besondere Schwerpunkt liegt hierbei auf der Untersuchung der Stimmung und der moralischen Einstellung der Deutschen in der Zeit des Luftkriegs. Ferner soll der Umgang des nationalsozialistischen Regimes mit den Auswirkungen der Bombardierungen in Form von Luftschutzmaßnahmen und Propaganda dargestellt werden. Die Arbeit schließt mit einem Resumé, welches Stellung nimmt zur Frage nach der Effektivität des alliierten Bombardements und eine Bilanz zur moralischen Betroffenheit der deutschen Bevölkerung zieht.

II. Die Folgen des Luftbombardements unter Berücksichtigung des „United

States Strategic Bombing Survey“

1. Entstehung und Ziel des „United States Strategic Bombing Survey“

Als am 7. Mai 1945 die Gesamtkapitulation der deutschen Wehrmacht im Hauptquartier General Eisenhowers in Reims unterzeichnet worden war[5], lag Deutschland in Trümmern. Die militärischen Niederlagen, sowie die wachsenden Belastungen, die aus dem Krieg resultierten und für die das Deutsche Reich auf lange Zeit nicht vorbereitet gewesen war, läuteten nach zwölf Jahren Herrschaft und fast sechs Jahren Krieg das Ende des nationalsozialistischen Regimes ein. Dass dabei das veränderte Kriegswesen, die technischen, wie auch strategischen Neuerungen und die Art der Kriegsführung einen wesentlichen Anteil an der Kriegsentscheidung hatten, gilt als unbestritten. Besonders der Einsatz von Flugzeugen hatte den Kriegsverlauf stark beeinträchtigt, man könnte sogar behaupten, entschieden.

Die Amerikaner, die mit den Briten die entscheidenden Luftoffensiven gegen Deutschland geflogen waren, zeigten großes Interesse an den Folgen der Bombardierungen. Die Absicht, Informationen für militärische Zwecke zu nutzen, und auch rüstungspolitische und technische Interessen, waren der Antrieb für intensive Nachforschungen zu den Auswirkungen des Luftkriegs. Um sich ein Bild von den Zerstörungen im besiegten Deutschland machen zu können, wurden zunächst die im Krieg angefertigten Luftaufnahmen herangezogen. Doch schon früh erkannte man, dass diese nur ungenaue und lückenhafte Auskunft über den wahren Grad der Zerstörung liefern konnten und auch Angaben über die Betroffenheit der Zivilbevölkerung nicht zuließen.

Aus genau diesem Grund erließ Franklin D. Roosevelt, der damalige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, am 9. September 1944 die Weisung, eine Institution zu errichten, die diese fehlenden Informationen zusammentragen sollte. Zwei Monate später, am 3. November 1944, wurde das „United States Strategic Bombing Survey“ gegründet[6], dessen Tätigkeit sich über einen Zeitraum von etwa einem Jahr erstrecken sollte. In der Anfangsphase, die bis einschließlich April 1945 andauerte und geprägt war durch den Aufbau des Hauptquartiers in London, bemühte man sich zunächst darum, eine sinnvolle Struktur der Organisation zu bestimmen, Personal anzuwerben und vorhandenes Geheimdienstmaterial auszuwerten. Von April 1945 bis in den Juli desselben Jahres wurden dann kleine Arbeitsgruppen, sogenannte „field teams“ nach Deutschland und in deutsch-besetzte Gebiete geschickt, um Interviews zu führen, Umfragen zu machen und Material über den Grad der Zerstörungen und die Auswirkungen auf die Bevölkerung zu sammeln. Schließlich im Spätsommer 1945 wurde das zusammengetragene Material ausgewertet und zu abschließenden Berichten verfasst.[7]

An der Spitze der Einrichtung stand der Vorsitzende Franklin D’Olier. Ihm unterstellt waren neun Direktoren, die drei große Untersuchungsbereiche beaufsichtigten. Diese waren: Erstens, die sogenannten „Military Studies“, die, unterteilt in die „Military Analysis Division“ und die „Physical Damage Division“, den militärischen Aspekt der Luftangriffe untersuchten, zweitens, die „Economic Studies“, die sich mit den einzelnen Wirtschaftzweigen befassten, und drittens, die „Civilian Studies“, die untergliedert waren in die „Area Studies“, die „Moral Division“ und die „Civilian Defense Division“.[8] Die einzelnen Abteilungen verfassten jeweils voneinander unabhängige Berichte, so dass man am Ende der Tätigkeit des „United States Strategic Bombing Survey“ über 216 Berichte zum europäischen Kriegsschauplatz und 109 Berichte zum Krieg im Pazifik[9] verfügte. Darunter befanden sich spezielle Berichte über einzelne Betriebe, Städte und Gemeinden, Berichte über verschiedene Wirtschaftsbereiche, ein zusammenfassender Bericht, sowie eine Art Inhaltsangabe über die gesamten erstellten Dokumente. Für die Anfertigung der Berichte standen der Einrichtung verschiedene Möglichkeiten der Informationsbeschaffung zur Verfügung.

Zunächst untersuchte man sehr genau eine große Anzahl deutscher Betriebe, vornehmlich solche, die für die Rüstungsproduktion notwenig gewesen und dementsprechend bombardiert worden waren, ferner Städte und Gegenden, die starke Luftangriffe der Alliierten hatten aushalten müssen. Außerdem unterzog man statistisches Material deutscher Firmen und Städte, sowie Regierungsdokumente detaillierten Untersuchungen. Abschließend sind die zahlreichen Interviews zu nennen, die mit mehreren tausend Deutschen, darunter auch Führungspersönlichkeiten aus Militär und Politik, durch die „field teams“ geführt wurden.

2. Die Auswirkungen des Luftkriegs auf die deutsche Zivilbevölkerung

2.1 Offensive gegen die deutsche Moral

Als Deutschland im Mai 1941 nach mehreren stark umkämpften Monaten das Vorhaben, Großbritannien in einer Luftschlacht zu bezwingen, abgebrochen hatte, begann man, sich in erhöhtem Maße der Ostfront zuzuwenden und die Operation „Barbarossa“ vorzubereiten. Das stark geschwächte England, dessen Bomberkommando es bis Mai 1940 untersagt gewesen war, Angriffe gegen Ziele in Deutschland zu fliegen[10], erhielt dadurch die Möglichkeit, seine Streitkräfte neu zu formieren und die Rüstungsproduktion in die notwendigen Bahnen zu leiten, um den Gegenschlag gegen Deutschland führen zu können. Als die Gefahr einer möglichen Invasion durch die Nationalsozialisten abgewehrt worden war, stand also der Weg frei für eine großangelegte Offensive. Jetzt bekam auch die deutsche Zivilbevölkerung in zunehmendem Maße das Grauen des Kriegsalltags zu spüren. Ziele in der Anfangsphase waren besonders die großen Industriegebiete an Rhein und Ruhr. Lübeck war am 29. März 1942 die erste deutsche Stadt, die einem Großangriff aus der Luft ausgesetzt war.[11] In den folgenden drei Jahren sollten weitere Angriffe folgen und den Krieg entscheiden.[12]

England hatte bis zu diesem Zeitpunkt bei Luftangriffen die Strategie verfolgt, vorwiegend industrielle Einzelziele und Städte anzugreifen. Mit der Weisung des Air Staff vom 9. Juli 1941 aber, die den Schwerpunkt verstärkt auf das Flächenbombardement legen sollte[13], begann ein neuer Abschnitt der Luftangriffe. Mit der Zerstörung des Transport- und Verkehrsnetzes, das kriegswichtig für Nachschub und Material war, sowie der Bombardierung der Großstädte erhoffte man sich die Schwächung der deutschen Militärkräfte und, wichtiger noch, eine Demoralisierung der deutschen Zivilbevölkerung.

[...]


[1] Theodor Oberländer (Hrsg.): Dokumente deutscher Kriegsschäden. Evakuierte,

Kriegsgeschädigte, Währungsgeschädigte. Die geschichtliche und rechtliche Entwicklung

(Bd. 1), Bonn, 1958. S. 20.

[2] Franz Kurowski: Der Luftkrieg über Deutschland. Herrsching, 1984. S. 47-53.

[3] Theodor Oberländer (Hrsg.): Dokumente deutscher Kriegsschäden. S. 23-41.

[4] Siehe Bibliographie.

[5] Horst Möller, Volker Dahm, Hartmut Mehringer (Hrsg.): Die tödliche Utopie- Bilder Texte,

Dokumente, Daten zum Dritten Reich. München, 32001, S. 532.

[6] National Archives Microfilm Publications: Final Reports of the United States Strategic

Bombing Survey 1945-1947, Washington, 1975, Introduction, IfZ, MA 1566/1, S. 1.

[7] Ebd., Introduction, IfZ, MA 1566/1, S. 2.

[8] Ebd., Introduction, IfZ, MA 1566/1, S. 2.

[9] Ebd., Introduction, IfZ, MA 1566/1, S. 1.

Das United States Bombing Survey besteht aus dem European Survey und dem später, auf

Anweisung von Präsident Truman, verfassten, Pacific Survey.

[10] H. A. Probert: Die Auswirkungen des strategischen Luftkriegs auf die deutsche Moral 1940-

1945. Britische Erwartungen und deutsche Reaktionen. In: Müller Klaus-Jürgen; Dilks, David

N. (Hrsg.): Großbritannien und der deutsche Widerstand 1933-1944. Paderborn u.a., 1994.

S. 201.

[11] Karl Dietrich Erdmann: Der Zweite Weltkrieg, in: Herbert Grundmann (Hg.): Gebhardt-

Handbuch der deutschen Geschichte. Bd. 21, München, 91989. S. 119.

[12] Siehe Grafik 1: Die Zerstörung deutscher Groß- und Mittelstädte 1945, sowie Grafik 2: Die

Zerstörung deutscher Kleinstädte 1945, Anhang, S. 19/ 20. Anhand der Karten wird das

Ausmaß der Vernichtung, von der besonders die Großstädte betroffen waren, ersichtlich.

[13] Olaf Groehler; Bombenkrieg gegen Deutschland, Berlin, 1990. S. 16-17.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die Auswirkungen des Luftkriegs auf die deutsche Zivilbevölkerung unter Auswertung des 'United States Strategic Bombing Survey'
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Historisches Seminar, Abteilung für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte)
Veranstaltung
Nationalsozialistische Herrschaft 1933-1945
Note
1,7
Jahr
2002
Seiten
24
Katalognummer
V58026
ISBN (eBook)
9783638523288
ISBN (Buch)
9783656793045
Dateigröße
517 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Auswirkungen, Luftkriegs, Zivilbevölkerung, Auswertung, United, States, Strategic, Bombing, Survey, Nationalsozialistische, Herrschaft
Arbeit zitieren
Anonym, 2002, Die Auswirkungen des Luftkriegs auf die deutsche Zivilbevölkerung unter Auswertung des 'United States Strategic Bombing Survey' , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58026

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