Jenseitsvorstellungen des Alten Ägypten


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

20 Seiten, Note: 1-


Leseprobe


Inhalt

1. Jenseitsvorstellung – Ein Überblick

2. Erweiterter Modus und Gestalt des Toten
2.1 Der Ka – eine „Lebenskraft“
2.2 Der Ba – eine erweiterte Gestalt
2.3 Der Ach – der „Strahl“
2.4 Körper und „Seele“

3. Versuch einer periodischen Einteilung der Jenseitsvorstellungen
3.1 Neolithikum
3.2 Das Alte Reich
3.3 Das Mittlere Reich
3.4 Das Neue Reich

4. Zweifel an ein Leben nach dem Tod

5. Das Jenseitsgericht

Fazit

1. Jenseitsvorstellungen – Ein Überblick

Das ägyptische Weltbild ist für das Verständnis der Jenseitsvorstellungen von elementarer Bedeutung. Die Schöpfung der Welt geschah nach dem Prinzip der Differenzierung und Ordnung, der Maat, und nur innerhalb dieses Konstruktes ist Leben bzw. Sein möglich. Außerhalb dieses Systems herrscht das „Nicht-Sein“, welches auch als Chaos beschrieben wird. Die Welt, welche als ewig angesehen wird, ist in drei „Seinsbereiche“ gegliedert, den der Götter im Himmel und den der diesseitigen und jenseitigen Menschen auf der Erde und in der Unterwelt. Diese Bereiche, die ihre Existenz durch das Maat-Prinzip erfahren, können allerdings temporär oder vollkommen miteinander verknüpft werden.

Wichtig ist zu betonen, dass der Tod für den Ägypter nicht naturgemäß bzw. recht ist, denn sowie die Welt einen Ewigkeitsanspruch hat, so stellen sich die Ägypter diesen Anspruch auch. Das bedeutet, dass nach grundsätzlicher Vorstellung der Tod ungerecht und somit abwendbar ist. Hierzu wird vor allem auf den Osiris-Mythos, auf den im Folgenden noch eingegangen wird, verwiesen und als Leitmotiv herangezogen. Auch er überwand den körperlichen Tod und existiert / lebt im Jenseits weiter. Der allgegenwärtige Jenseitsglaube differenziert den Tod in zwei Arten:

1. Tod: Die Nichtfunktion des lebenden Körpers. Allerdings gilt auch Isoliertheit und Krankheit als Form des Todes. Zudem glaubten die Ägypter, dass ihr Reich gleichbedeutend mit der realen Welt ist und somit gilt auch die geographische Abwesenheit als Tod[1].

2. Tod: Diese Form stellt den „wahren“ Tod dar. Er ist gleichzusetzen mit der Nichtexistenz des Seins. Dies geschieht vor allem durch die Zerstörung oder Gefangennahme der jenseitigen Form, z.B. Ba, Ka oder Ach. Auch ein Negativurteil bei dem Jenseitsgericht (darauf wird im späteren Kapitel detailliert eingegangen) kann zum letztendlichen Tod führen.

Folglich versucht man den 2.Tod vehement zu verhindern, was zu einem ausgeprägten Totenkult führt. So sind die fünf Hauptfaktoren für die Erhaltung des jenseitigen Lebens 1. die Mumifizierung des Körpers, denn nur ein intakter Körper ermöglicht einem das Weiterleben im Jenseits,

2. der Grabbau, 3. die Grabausstattung und die Grabbeigaben, 4. Das Begräbnis und 5. der Totendienst.

Sowohl die Körperlichkeit als auch die Persönlichkeit werden nach dem Tod lediglich ins Jenseits „transferiert“; jedoch ändert sich der Inhalt und die äußere Form, was als Erweiterung angesehen werden kann. Diese kann bis zur Göttergleichstellung gesteigert werden. Das Jenseits weist vergleichbare Strukturen zum Diesseits auf. Dementsprechend ist der Tote bestrebt die materielle und ideelle Versorgung und die körperlichen Fähigkeiten zu erhalten bzw. auszubauen. Dies wird vor allem durch die mitgegebene magisch-materielle Ausstattung erreicht bzw. erhalten. Der Totenkult stellt hierbei eine elementare Funktion dar, denn der Tod wird als eine soziale Isolation angesehen. Nur wer im Gedächtnis der Lebenden weiterbesteht, wird auch im Jenseits weiterleben - „Einer lebt, wenn sein Name genannt wird“[2]. Denn dadurch wird er wieder in die Gemeinschaft eingebunden; so wie Horus die Götterwelt resozialisiert und Osiris als Herrscher einsetzt. Dies ist die soziale Sphäre. Es gibt wie bereits angedeutet auch eine körperliche Sphäre, die vor allem durch den Erhalt und Ausbau der materiellen Versorgung gewährleistet wird. Diese beiden Sphären stellen das Prinzip der Konnektivität dar. Das Prinzip der Diskonnektivität ist dementsprechend todbringend.

Die Lokalisierung des Jenseitsbereiches ist in zwei Kategorien aufgeteilt. Zum einen kann er sich über der Erde, d.h. im Tag- bzw. Nachthimmel befinden. Zum anderen ist er in diversen Formen - Grab, Nekropole und Unterwelt - unter der Erde zu finden. Der Jenseitsbereich hat drei äußere Erscheinungsformen. Er wird in den Quellen als Land, Wasser oder als ein Tier- oder menschengestaltiger göttlicher Leib dargestellt. Die folgende Grafik zeigt die Himmelsgöttin Nut und den Sonnenlauf des Gottes Re während der Nacht. Im Westen wird die Sonne bei Nacht untergehen und in den Körper der Nut eindringen. Während des Nachtlaufs verjüngt sich die Sonne und wird, im Osten, wiedergeboren. Auf diesem kontinuierlichen Kreislauf basiert der Jenseitsglaube.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild #1: Göttin Nut; aus: Ein Haus im Totenreich, S. 55

Das Diesseits unterscheidet sich vom Jenseits vor allem in drei wesentlichen Punkten:

1. die permanente göttliche Anwesenheit
2. die Örtlichkeit
3. die Erweiterung des Einzelseins.

Bei der Erweiterung des Einzelseins handelt des unterschiedliche Gestalten und Modi, welche miteinander kombiniert werden können, z.B. die Lebenskraft Ka (Modus), der Vogel mit dem Menschenkopf Ba (Gestalt), der Sonnenstrahl Ach (Modus) und der Schatten Schut (Modus). Auf dieses Phänomen wird in einem späteren Kapitel noch detaillierter eingegangen.

1.1 Der Osiris-Mythos

Um den Jenseitsglauben der Ägypter, und somit einen elementaren Teil ihrer Mentalität, zu verstehen ist die Kenntnis des Osiris-Mythos unumgänglich. Denn die Struktur des Jenseits mit seinem Nachtlauf, mit der Möglichkeit des Erhaltes und der Erweiterung des Seins, mit der ausgleichenden Gerechtigkeit, etc. basiert auf diesem Mythos.

Zunächst ist es wichtig auf die Kosmogonie nach ägyptischer Vorstellung einzugehen. Am Anfang steht die Präexistenz Atum, die im Übergang zur Existenz als Re dargestellt wird. Atum bringt aus sich die Gottheiten Schu, Luft, und Tefnut, Feuer bzw. Urlicht, hervor. Schu und Tefnut wiederum bringen die Gottheiten der Erde, Geb, und des Himmels, Nut, hervor. Geb und Nut „erschaffen“ vier Gottheiten, Osiris, der das Wasser personifiziert,

obwohl der Urozean Nun natürlich präexistent ist, Seth, Isis und Nepthys[3]. Somit stellen die männlichen Götter nicht nur eine „dynastische Sukzessionskette“[4], sondern auch die vier Grundelemente dar.

Die Vorgeschichte der Welt wird wie folgt überliefert. Die Götter lebten am Anfang gemeinsam mit den Menschen auf der Erde in Ägypten, was gleichbedeutend mit der geordneten Welt war. Dort übte der Sonnengott Re bis zu einem Zerwürfnis mit den Menschen seine Herrschaft aus. Aufgrund dessen bat er seinen Sohn, den Luftgott Schu, den Himmel hochzustemmen, d.h. Erde und Himmel zu trennen, und zog sich mit allen Göttern dorthin zurück. Die Herrschaft wurde von seinem Sohn Schu weitergeführt. Der Sukzession gemäß wurde Schu von seinem Sohn, dem Erdgott Geb, abgelöst. Diesem wiederum folgte Osiris auf den Thron. Dabei kommt es zu Thronstreitigkeiten mit Osiris Bruder Seth.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild #2: Eigene Skizze zur Verdeutlichung der Kosmogonie und Sukzessionskette

Die nun folgende Interpretation des Lebens und Sterbens des Osiris ist Jan Assmanns „Tod und Jenseits im Alten Ägypten“ entnommen.

Osiris ist im Gegensatz zu den vorangegangenen Generationen kein Einzelkind, sondern hat einen Bruder, welcher ihm den Thron streitig machen will. Seth erschlägt Osiris, somit kommt der Tod in die Welt, das Ungerechte, dem sich kein Mensch entziehen kann. Seth erschlägt nicht nur Osiris, sondern er zereist ihn und wirft seine einzelnen Glieder ins Wasser. Die Strömung des Nils verteilt diese über das ganze Land. Nach dem grausamen Mord kommen Osiris seine Schwestern zur Hilfe. Zunächst streift seine Schwestergattin Isis durch das Land, um die einzelnen Körperteile einzusammeln. Isis erweckt ihren Bruder und Gemahl mit einem Zauber zu einem Teilleben und zeugt mit ihm, de jure posthum, ihren Sohn Horus. Osiris kann jedoch nicht ins diesseitige Leben zurückfinden und wird seinem sozialen Status gemäß im Jenseits als Herrscher eingesetzt. Horus wiederum rächt den Tod seines Vaters; im Kampf besiegt er Seth und nimmt somit sein rechtmäßiges Erbe, die irdische Herrschaft, ein. Auf diesem Mythos baut der ägyptische Jenseitsglaube auf.

[...]


[1] Koch, S. 88

[2] Assmann, S. 54

[3] Horus ergänzt die Anzahl der Kinder aus rituellen Gründen zur Fünfzahl.

[4] Assmann, S. 30

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Jenseitsvorstellungen des Alten Ägypten
Hochschule
Universität Osnabrück
Veranstaltung
Das alte Ägypten - die Zeit Ramses'
Note
1-
Autor
Jahr
2004
Seiten
20
Katalognummer
V58913
ISBN (eBook)
9783638529815
ISBN (Buch)
9783640330522
Dateigröße
584 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jenseitsvorstellungen, Alten, Zeit, Ramses
Arbeit zitieren
Claudia Oldiges (Autor:in), 2004, Jenseitsvorstellungen des Alten Ägypten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58913

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