Das politische Denken und Handeln der Unitarier in Argentinien


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

34 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


I NHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Unitarismus – Ursprung und generelle Bedeutung
2.1. Die Ideen der Aufklärung
2.2. Allgemeine Begriffsbestimmung des Unitarismus

3. Die Situation des Argentinien nach der Unabhängigkeit

4. Der Unitarismus als politische Kraft am Rio de la Plata
4.1. Die politischenPrinzipien der unitarischen Staatsordnung
4.2. Die territoriale Aufteilung
4.3. Das unitarische Bild von Gesellschaft und Kultur
4.3.1. Die Kluft zwischen Städter und Provinzler
4.3.2. Das Immigrationsprojekt
4.4. Die Wirtschaftspolitik der Unitarier

5. Die unitarische Republik Argentinien
5.1. Die Reformen Rivadavias
5.2. Das Verfassungsmodell von 1826
5.3. Das unitarische Projekt der argentinischen Nation

6. Die Abgrenzung der unitarischen Ideologie zum Föderalismus

7. Fazit

8. Bibliographie

1. EINLEITUNG

In der post-revolutionären Phase zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist der lateinamerikanische Kontinent von Wirren, Unruhen und gewaltsamen Ausschreitungen gekennzeichnet. Das Machtvakuum, welches zum einen die nun fehlenden Strukturen des Kolonialsystems, zum anderen die Kämpfe der Revolution hinterlassen, verursacht Orientierungslosigkeit und Unordnung. Es entwickeln sich mannigfaltige Vorstellungen und Konzepte, wie eine neue Ordnung aussehen und herbeigeführt werden könnte.

In Argentinien erfolgt dies in einem besonders starken Antagonismus zweier Richtungen – dem Unitarismus und dem Föderalismus. Diese wirken nicht nur politisch, sondern schlagen sich in jedem Bereich des öffentlichen Lebens und auch in den Mentalitäten ihrer Anhänger nieder. Die Neuordnung des sozialen Gefüges und der Nationsbildungs-Prozess bedürfen sensibler Führung. Der heftige innere Konflikt zwischen Unitaristen und Föderalisten hemmt diese jedoch massiv und führt immer wieder zu Spannungen und Ausschreitungen, so dass eine stabile Konsolidierung bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts unmöglich ist.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Formierung Argentiniens in der Zeit der Unabhängigkeitsbewegung bis zur Diktatur Juan Manuel de Rosas und der Einflussnahme auf diese Phase durch den Unitarismus. So soll es nicht Schwerpunkt sein, die Entwicklung selbst in ihrer Breite historisch aufzuarbeiten; vielmehr zielen die Ausarbeitungen darauf ab, differenziert den Einfluss des Unitarismus in bestimmten Bereichen des öffentlichen Lebens vor seinem politischen Hintergrund zu erörtern.

Zunächst erfolgt eine allgemeine begriffliche Erläuterung des Unitarismus und der ihm zugrunde liegenden Ideen. Dann gilt es, kurz die Situation des neuen argentinischen Staates nach der Unabhängigkeit zu skizzieren, um aufbauend darauf die innere politische Zerrissenheit zwischen den beiden Hauptströmungen Argentiniens aufzuzeigen, die Jahrzehnte lang prägend wirken. Danach soll im Detail auf einzelne Aspekte des Unitarismus und seiner Konzeption verschiedener Bereiche des öffentlichen Lebens eingegangen werden. Hierbei werden die Staatsform, die Gesellschaftsstruktur und das Wirtschaftskonzept in den Mittelpunkt gestellt. Daraufhin soll eine differenzierte Darstellung der ersten unitarischen Republik, ihrer Reformen und ihrer Verfassung im Jahre 1826 folgen.

Schließlich wird eine Abgrenzung des argentinischen Unitarismus als Ideologie zum argentinischen Föderalismus vorgenommen, um abschließend ein kurzes Fazit über seine Schwächen und seine Auswirkungen in dieser kontroversen Zeit folgen zu lassen.

2. UNITARISMUS - URSPUNG UND GENERELLE BEDEUTUNG

2.1. Die Ideen der Aufklärung

Die Epoche der Aufklärung bezeichnet eine von Europa ausgehende geistige Bewegung des 17. und 18. Jahrhunderts. Ziel der Aufklärung ist es, das Denken aus der Abhängigkeit von durch Autoritäten getroffenen Vorgaben zu lösen und ein selbstständiges Erklärungssystem dar zu bieten. In erster Linie wendet sich die Aufklärungsbewegung gegen den kirchlichen Dogmatismus und absolutistische Staats- und Gesellschaftslehren[1]. Sie wird vornehmlich von einem zu politischem Selbstbewusstsein erwachenden Bürgertum getragen und fordert die Trennung von Staat und Kirche, den Schutz der Meinungsfreiheit, die Abschaffung ständisch-aristokratischer Privilegien, Rechtsstaatlichkeit, die Pflege der Wissenschaften und Künste und eine umfassende Reform des Schulwesens. Zentrale Begriffe der Aufklärung sind Vernunft, Menschenrechte, Freiheit und Humanität.

Der Aufklärung liegt das zentrale Prinzip des Rationalismus zugrunde: Wahrheitsfindung wird demzufolge mittels der klaren und deutlichen Erkenntnis durch die menschliche Vernunft befördert[2]. Der natürliche sowie der gesellschaftliche Zustand der Welt erklären sich demnach durch selbständiges und von Vernunftprinzipien geleitetes Denken. Damit geht eine Abwendung von Erklärungen übernatürlichen Ursprungs einher; die Aufklärung ist somit eine Säkularisierungsbewegung. Dies bewirkt auch eine gravierende Veränderung des Wissenschaftsverständnisses.

Die Aufklärung vertraut auf die wissenschaftlichen Errungenschaften der Neuzeit und verkörpert den Willen zum Fortschritt, was notwendigerweise eine Abkehr von der traditionellen Weltanschauung mit sich führt. Spürbar wird dies im Kontrast zwischen überlieferten traditionellen und modernen weltanschaulichen, kirchlichen und sozialen Konzepten[3].

Die Prinzipien der Aufklärung sind für das Verständnis der Konfliktsituation zwischen einer überwiegend traditionellen und einer recht modernen und fortschrittsorientierten Denkrichtung, dem Unitarismus, wie sie in Argentinien lange Zeit dominiert, von wesentlicher Bedeutung.

2.2. Allgemeine Begriffsbestimmung des Unitarimus

Die zentrale Bedeutung des Unitarismus spiegelt sich in seiner linguistischen Herkunft wider: das Wort ‚unitas‘ bedeutet Einheit. Im engeren staatsrechtlichen Verständnis ist Unitarismus mit Zentralismus gleichzusetzen. Die Stärkung staatlicher Zentralgewalt ist hierbei von einer föderalistischen Staatsordnung zu unterscheiden. Im weiteren politikwissenschaftlichen und soziologischen Sinne bedeutet Unitarismus die Einheitlichkeit der Rechts- bzw. Wirtschaftsordnung sowie der Lebensverhältnisse in einem Bundesstaat. Dies wird durch eine Repräsentationsstruktur sowie eine hochgradige Verflechtung zwischen den verschiedenen politischen Handlungsebenen veranschaulicht[4].

In Argentinien besteht nach Loslösung von der spanischen Kolonialmacht zu Anfang des 19. Jahrhunderts eine durch das streng zentralistisch geführte Vizekönigreich Rio de la Plata hinterlassene Ordnung von Administrationsbezirken. Die Idee eines Einheits- bzw. Zentralstaats in Konkurrenz zu einer föderalen Staatsordnung ist zu dieser Zeit ein zentraler Bestandteil der Suche nach einer adäquaten Neuordnung. Der argentinische Unitarismus hebt sich vom allgemeinen Begriff der Unitarismus ab, da er über die Staatsform hinaus auch wirtschaftliche und soziale Bereiche beeinflusst[5]. Der Antagonismus von Föderalisten und Unitariern gewinnt im Zusammenhang mit der Rio de la Plata-Region zusätzlichen Nachdruck durch den Kontrast von Traditionalismus, der eher das Hinterland prägt, und Liberalismus, der überwiegend von der städtischen Gesellschaft getragen wird.

3. DIE SITUATION DES JUNGEN ARGENTINIENS NACH DER UNABHÄNGIGKEIT

Mit der Krise im spanischen Mutterland und dem daraus entstehenden Machtvakuum treten im Kolonialreich fundamentale Veränderungen ein. Das Momentum des Kontroll- sowie Legitimitätsdefizits gepaart mit der Unzufriedenheit der Bevölkerung geht im Vizekönigreich Rio de la Plata in eine Unabhängigkeitsbestrebung über, die von weiten Kreisen der kreolischen Gesellschaft unterstützt wird[6]. Anregung findet die Bewegung auch durch das aus Europa überschwappende liberale Ideengut der Aufklärung, sowie vorangehende Unabhängigkeitsbewegungen auf dem Kontinent. Doch denken die Träger der Revolution nicht alle progressiv und liberal; es finden sich unter den Rebellen auch konservative Anhänger. Dies veranschaulicht die ausgeprägte Heterogenität der Gruppe, die schon in der Anbruchsphase der Unabhängigkeit besteht. Die Bewegung beschränkt sich nicht auf rein politische Aspekte. Sie erschüttert die gesamte Ordnung und schlägt sich in jedem Bereich des öffentlichen Lebens nieder. Moreno spricht sogar von einer Revolución moral [7].

Nach Einbruch der alten kolonialen Ordnung gilt es im La Plata-Raum, sich neu zu definieren und eine wirksame und zukunftsträchtige Ideologie als Fundament für ein effektives politisches Programm zu finden. Mit der Loslösung von alten administrativen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systemen erfolgt ebenfalls eine soziale Revolution und vorhandenen Strukturen werden fundamental derangiert. Um der Orientierungslosigkeit entgegenzuwirken, brauchen das Land und das Volk eine neue Richtung – es bedarf intern eines Charakters und extern eines Profils. Die Herrschafts- wie auch die Staatsform für die neue Nation müssen gewählt, das Territorium abgegrenzt, sowie sich gegenüber dem Ausland positioniert und die Beziehungen bestimmt werden[8]. Die Architekten dieses neuen Staates sind aber nun Männer unterschiedlichen Hintergrunds, die über begrenzte oder keine politische Erfahrung verfügen[9].

In Buenos Aires, als Dreh- und Angelpunkt der La Plata-Region, zentrieren sich geistige und materielle Kräfte, und bieten die Möglichkeit, der Bewegung eine Richtung zu geben. Das Hinterland verläuft sich in der territorialen Weite und die langsame Kommunikation wirkt ebenfalls hemmend[10]. Die Träger der sozialen Revolution sind - durchaus natürlich - gebildete und von liberalen Ideen Europas angeregte Gruppen[11]. So findet sich der Nukleus der Unabhängigkeitsbewegung in Buenos Aires, insbesondere unter den bonarensischen Kreolen. Buenos Aires sieht sich zweifelsohne weiterhin als Kopf des Landes und vertraut ausschließlich auf die eigenen Fähigkeiten, verbleibt jedoch überwiegend in Unkenntnis der Gegebenheiten im Hinterland, obwohl es dies nun zu regieren beansprucht[12]. Buenos Aires nimmt dabei eine janusköpfige Haltung ein, indem es einerseits die Revolution lenkt und unterstützt, sich auf der andern Seite jedoch konservative Elemente des kolonialen Erbes zu Nutze macht, wie beispielsweise die territorialen und hierarchischen Strukturen. Es sieht die territoriale Ausdehnung der Rebellion als Träger seiner Hegemoniebestrebungen[13].

Die Landbevölkerung folgt dem Ruf nach Unterstützung und schließt sich der Bewegung an, sieht sich aber mit dem Hegemonialanspruch der porteños konfrontiert[14]. So entsteht die Rivalität zwischen den Verfechtern des kontrollierten institutionellen Systems auf der einen Seite und der diffusen Ziele der breiten Volksmasse auf der anderen Seite[15], und die Bewegung büßt jegliches Kollektivitätsgefühl ein. Sonach entwickelt sich parallel zur Bekämpfung ausländischer feindlicher Mächte ein interner Konflikt zwischen diesen beiden rivalisierenden Gesinnungen, die sich in aggressiven Auseinandersetzungen entladen.

Ein weiterer Aspekt der postrevolutionären Neuordnung ist die militärische Komponente: Durch die Revolutionskämpfe ist die Bevölkerung an militärische Präsenz und militärische Machtdurchsetzung gewöhnt. Darüber hinaus stützen sich die Machthaber überwiegend auf militärischen Rückhalt. Die Herrschaft eines hohen Militärs wird nicht als abnorm empfunden[16] ; das Militär genießt sogar erhebliche Popularität in der Bevölkerung, und ohne militärischen Rückhalt ist eine Führungsrolle nicht erreichbar[17]. Die soziale Ordnung ist stark vom Militär abhängig und wird durch es geregelt[18]. So ist es nicht verwunderlich, dass das durch die nunmehr erfolgreiche Insurrektion der Kolonialmacht entstandene Machtvakuum vornehmlich durch das Militär ersetzt wird.

Das Hinterland sieht sich während der Unabhängigkeitsbewegung isoliert und ist im Verteidigungsfall auf sich selbst gestellt. Das Selbstvertrauen und die Unbeugsamkeit, die durch den Kult um Mut und Stolz des durchsetzungsfähigen Mannes noch verstärkt werden, bewirken einen eisernen Widerstand gegen Order und Vorgaben aus Buenos Aires. Hinzu kommt eine tief verwurzelte Abneigung gegenüber staatlichen Administrationsorganen, welche ihren Ursprung noch in der Kolonialzeit findet. Es muss bedacht werden, dass die Bevölkerung keinerlei Erfahrung in politischer Willensbildung und Partizipation besitzt und ebenso wenig politische Prozesse kennen gelernt hat, aus diesem Grunde auch wenig Vertrauen in selbige aufbringen kann[19]. Die divergierenden Wirtschaftsinteressen, die von Buenos Aires häufig nicht berücksichtigt werden, der zunehmende Druck durch die ungleiche wirtschaftliche Konkurrenz aus Großbritannien, persönliche Zwistigkeiten, und ein anderes gesellschaftliches Wertesystem entzweien die Bewohner des Hinterlands und die der Hauptstadt auf aggressive Weise[20]. Diese Faktoren erklären die natürliche Neigung im Inland zu Autonomie und somit zu einer föderalen Staatsordnung.

Aus dem Antagonismus zwischen der Überlegenheit und den Dominanzansprüchen Buenos Aires und den Autonomiebestrebungen der Provinzen entsteht die schwere politische Krise nach der Unabhängigkeit, die Bürgerkrieg und Anarchie auslöst[21]. Die Art und die Frequenz der inneren und äußeren Konflikte in der Revolution und der ersten Phase der Unabhängigkeit beeinflussen den Staatsbildungsprozess des jungen Landes. Dieses Erbe der revolutionären Bewegung soll bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts die Geschicke der argentinischen Republik bestimmen.

4. DER UNITARISMUS ALS POLITISCHE KRAFT AM RIO DE LA PLATA

Das Konzept des Einheitsstaats und einer zentralistischen Ausrichtung fußt auf zahlreichen Vorläufern aus der Kolonialzeit und entspringt verschiedenen Bereichen, beispielsweise der Regierungs- und Verwaltungseinheit des Vizekönigreichs, Sprach- und Religionseinheit, wirtschaftlicher Zentralismus und Jurisdiktionseinheit, und andere. Auch Buenos Aires ist schon in der Kolonialzeit die Hauptstadt seiner Region[22]. Die Unitarier beabsichtigen, auf dieses Erbe aufzubauen und unter eine neue Führungsstruktur zu etablieren.

Wie und wo entsteht nun der Unitarismus als politische Kraft? Wie zuvor dargestellt, findet sich das Zentrum des Unitarismus in Buenos Aires unter der kreolischen Bevölkerung. Hauptträger ist die gebildete, politische aktive, gutbürgerliche Bevölkerung, insbesondere die liberale Kaufmannschaft. Der Ursprung des Unitarismus liegt in den revolutionären Ideen, aus denen sich ein Konzept für Staats- und Gesellschaftsform herausbildet. Die Ideen sind stark europäisch beeinflusst und nicht von Anfang an klar definiert.

Die intellektuelle Elite ist der Überzeugung, dass die Revolution die koloniale Mentalität auslöschte. Die Souveränität sei nunmehr vollständig in die Hände des argentinischen Volkes übergegangen. Die politische Kraft soll somit in einem repräsentativen System gebündelt werden – die Errichtung einer Republik entspricht dieser Auffassung optimal[23]. Der Garant für Konsolidierung und Friede ist hierbei die Wahrnehmung und Wahrung des öffentlichen Willens. Einige Unitarier befürchten jedoch die Anarchie des Pöbels und sehen in der Inthronisierung eines Monarchen einen Garant für Stabilität und Ordnung; und sicherlich auch für die Wahrung der Interessen der Oberschicht. An diesem Punkt wird deutlich, dass die Gruppe der Unitarier heterogen, uneinig und Interessensgetrieben ist.

Die Unitarier verfolgen das Ziel, einen neuen Staat nach liberalen europäischen Vorbildern aufzubauen. Die Bewegung der französischen Revolution, angereichert mit den Ideen der Aufklärung und bestärkt durch die Geschehnisse um die Verfassung von Cadiz in Spanien[24], dient als Richtlinie für die politische Konzeption. Die Väter der Nationsgründung sind ihrer Zeit voraus. Ihre Ideen sind höchst fortschrittlich und ehrgeizig, jedoch nicht zeitgemäß[25], da die Annahmen der Ideologen über die Situation des Landes nicht der Realität entsprechen[26]. Es ist nun nicht der Fall, dass der zum Bürger des neuen Staates Ernannte nicht nach den neuen Regeln desselben, den Prinzipien des nunmehr nomokratischen Systems basierend auf Gesetzen und Institutionen, zu leben vermag, sondern dass er etwas Zeit für die Anpassung an die neuen Umstände benötigen würde[27]. Besonders im Hinterland herrschen Strukturen, die mit dem republikanischen System auf Basis effizienter, moderner Institutionen nicht konform sind. Die estancia ist die Welt des einfachen Volkes im Hinterland; was dort als Regel gilt, ist für die Bewohner Gesetz, und der Gutsherr verkörpert die Autorität[28]. Es fehlt also an ideologischer Erziehung und politischer Erfahrung, und die progressiven Intellektuellen lassen es an behutsamer Heranführung der Landbevölkerung an ihr institutionelles System mangeln[29].

Die Unitarier stehen auch nach der Unabhängigkeit dem durch die die Zwänge des bourbonischen Systems hervorgerufenen Unwillen der Bevölkerung gegen den aufoktroyierten Zentralismus der Kolonialstrukturen gegenüber. Föderalismus ist nicht lediglich eine Ablehnung der Monopolbestrebungen Buenos Aires´ durch die lokalen Instanzen, sondern auch eine Abscheu gegen die straffen zentralistischen Strukturen des kolonialen Intendantensystems allgemein. Deutlich wird dies auf der Asamblea von 1813 durch diverse Forderungen der Provinzdeputierten nach föderalistischen Maßnahmen, unter anderem den Versammlungsort aus Buenos Aires zu verlagern, begründet mit der Erklärung, der erniedrigende koloniale Feudalismus und das damit einhergehende Abhängigkeitsverhältnis seien besiegt und sollen nun nicht durch Vorgaben von Buenos Aires ersetzt werden[30]. Dieser Protest gegen die bonarensische Politik wird durch ökonomische Obligationen und militärische Suppression seitens Buenos Aires weiter verstärkt[31]. Den Konflikten wird von beiden Seiten statt durch Verständnis, Verhandlung und Verbesserung nun aber überwiegend mit kämpferischen Maßnahmen begegnet, und lässt Land und Leute nicht zur Ruhe kommen.

Die Forderung nach tatsächlicher Gleichberechtigung und Freiheit weitet sich aus, und es bilden sich in verschiedenen Regionen einzelne Nuklei des Widerstands.

[...]


[1] Vgl. Hirschberger, Johannes (1980): Die Geschichte der Philosophie, Band II, 11. Aufl., Frankfurt/M, S. 245 f.

[2] Vgl. Schulte, Günter (2002): Schnellkurs Philosophie, 2. Aufl., Köln, S. 98

[3] Vgl. Hirschberger, J. (1980): a.a.O., S. 245

[4] Vgl. Schmidt, Manfred G. (1995): Wörterbuch der Politik, Stuttgart, S. 976

[5] Carlos Segreti weist darauf hin, dass einerseits aus diesem Grund der argentinische Unitarismus keine Deckungsgleichheit mit reinem Zentralismus besitzt, andererseits aber auch föderale Ordnungsprinzipien mit einfließen: Vgl. Segreti, C. (1991): El Unitarismo Argentino. Notas para su estudio en la etapa 1810-1819, Buenos Aires, Vorwort

[6] Vgl. Buisson, Inge, Schottelius, Herbert (1980): Die Unabhängigkeitsbewegungen in Lateinamerika, 1788-1826, in: Handbuch der lateinamerikanischen Geschichte, Stuttgart, S. 66

[7] Vgl. Galletti, Alfredo (1972): Historia Constitucional Argentina 1, Buenos Aires, S. 269

[8] Vgl. Luna, Félix (2003): La independencia argentina y americana, Buenos Aires, S. 45

[9] Vgl. Luna, F. (2003): a.a.O., S. 46

[10] Vgl. Levene, Ricardo (1939): Argentinien. 400 Jahre Geschichte und Entwicklung, Essen, S. 62 f.

[11] Vgl. Romero, José Luis (1956): Las ideas políticas en Argentina, 2. Auflage, Buenos Aires, S. 67

[12] Vgl. Luna, F. (2003): a.a.O., S. 68 f.

[13] Vgl. Luna, F. (2003): a.a.O., S. 56

[14] Vgl. Luna, F. (1995b): Historia Integral de la Argentina Bd.5, Discordia y Dictadura, Buenos Aires, S. 198

[15] Vgl. Romero, J. L. (1956): a.a.O., S. 63

[16] Vgl. Pendle, George (1964): Argentinien, Passau, S. 38

[17] Vgl. López-Alvez, Fernando (2000): State Formation and democracy in Latin-America, 1810-1900, London, S. 178

[18] Vgl. Luna, F. (2003): a.a.O., S. 72

[19] Vgl. Segreti, C. (1991): a.a.O., S. 16

[20] Vgl. Rock, David (1985): Argentina 1516-1982, From Spanish Colonization to the Falklands War, Berkeley/Los Angeles, S. 94 f

[21] Vgl. Levene, R. (1939): a.a.O., S. 63

[22] Vgl. Segreti, C. (1991): a.a.O., S. 1 f.

[23] Romero, J.L. (1956): a.a.O., S. 75 f.

[24] Vgl. Gandía, Enrique de (1990): Historia política argentina. Rivadavia y su tiempo, Buenos Aires, S. 523

[25] Vgl. López-Alvez, F. (2000): a.a.O., S. 158

[26] Vgl. Romero, J.L. (1956): a.a.O., S: 71

[27] Vgl. Segreti, C. (1991): a.a.O., S. 24

[28] Vgl. Lynch, John, Cortes Conde, Roberto, Gallo, Ezequiel, Rock, David, Torre, Juan Carlos, de Riz, Lilinda (2001): Historia de la Argentina, Barcelona, S. 21

[29] Vgl. Romero, J.L. (1956): a.a.O., S. 69 und S. 76

[30] Vgl. Barba, E. (1972): a.a.O., S. 22 f.

[31] Vgl. Rock, D. (1985): a.a.O., S. 94 f.

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Das politische Denken und Handeln der Unitarier in Argentinien
Hochschule
Universität zu Köln  (Iberische und Lateinamerikanische Abteilung des Historischen Seminars)
Veranstaltung
Juan Manuel de Rosas und die Santa Federación
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
34
Katalognummer
V59538
ISBN (eBook)
9783638534499
ISBN (Buch)
9783656248408
Dateigröße
642 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Darstellung der Ideologie und der Ziele des Unitarismus in Argentinien in der Zeit von 1810-1830 sowie sein Wirken in den Bereichen der Politik und Staatsordnung, der Wirtschaft und der Gesellschaft, unter den besonderen Aspekten des Konflikts mit dem Föderalismus und der Nationsbildung.
Schlagworte
Denken, Handeln, Unitarier, Argentinien, Juan, Manuel, Rosas, Santa, Federación
Arbeit zitieren
Liza Torres (Autor:in), 2006, Das politische Denken und Handeln der Unitarier in Argentinien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59538

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