Tricksterfiguren und -konzeption


Trabajo, 2001

18 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Beispiele für Tricksterfiguren in verschiedenen Teilen der Welt
1.1. Nordamerika
1.2. Südamerika
1.3. Afrika
1.4. Ozeanien
1.5. Asien
1.6. Europa

2. Trickster in Mahadev Aptes interkultureller Sicht

3. Paul Radins Tricksterkonzeption
3.1. Trickster in C. G. Jungs psychologischer Sicht

4. Wolfgang Steins Kritik

5. Der Aguti-Zyklus der Kuna

6. „In Favor of Deceit“ - Trickstergestalten bei den Kalapalo

7. Schlußbetrachtung

Literaturangaben

Einleitung

Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit einer der schillerndsten mythischen Figuren, die in offenbar ähnlicher Form überall auf der Welt in der oralen Literatur auftaucht und besonders in der Gestalt des demiurgischen Tricksters durch ihre widersprüchlich-antagonistischen Charakterzüge besticht. Man kann durchaus behaupten, wieBernhard Streckin einer seiner Vorlesungen, daß Trickster wohl die menschlichsten unter allen mythischen Figuren sind.

Der scheinbare Gegensatz von schöpferischen und zerstörerischen Eigenschaften, in einem Wesen vereint als Kulturheros-Trickster, beschäftigte Heerscharen von Forschern und führte zu den unterschiedlichsten, mehr oder weniger plausiblen Erklärungsversuchen, Definitionen und Kategorisierungen.

Bevor ich einige dieser Forschungsansätze referiere und auf konkrete Beispiele näher eingehe, möchte ich anhand einer Auswahl von regionalen Trickstergestalten, die natürlich nicht einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben soll, die universelle Verbreitung von Trickstermotiven in den verschiedenen Mythologien zeigen. Ich halte mich dabei weitgehend anMahadev Aptes Zusammenstellung (Apte 1986: 213-224), sowie die Artikel „Trickster“ vonMelville J. Herskovits,Erminie W. VoegelinundAlfred Metraux(S. 1123-1125), „Coyote“ vonErminie W. Voegelin(S. 257-258), „Legba“ vonMelville J. Herskovits(S. 612) und „Maui“ (S. 693-694) in „Funk & Wagnalls Standard Dictionary of Folklore, Mythology and Legend“.

1. Beispiele für Tricksterfiguren in verschiedenen Teilen der Welt

1.1. Nordamerika

Der Terminus „Trickster“ wurde Ende des 19. Jahrhunderts von US-amerikanischen Ethnologen (zu nennen wären hier besondersBrintonundBoas) für bei den nordamerikanischen Indianern vorkommende Trickstergestalten eingeführt. Die meisten Berichte über Trickster stammen aus diesem Gebiet, daraus folgt, daß auch der Großteil der Untersuchungen zum Thema auf nordamerikanischem Material basiert.

Eine große Anzahl verschiedener therio- und anthropomorpher Tricksterwesen existiert bei den indianischen Stämmen, wobei jedoch die Ähnlichkeit der Motive der einzelnen Erzählungen typisch ist.

Der am weitesten verbreitete und Trickster par excellence ist wohl der Kojote.

Daneben finden sich allerdings noch unzählige andere theriomorphe Gestalten, wie z.B. Hase, Kaninchen, Rabe, der spinnengestaltige Ikto/ Iktomi/ Inktomi/ Ictinike/ Sitkonski bei den siouxsprachigen Ethnien, der ebenfalls spinnengestaltige Nihansan/ Nixant bei den algonkinsprachigen Arapaho, weiterhin auch noch Nerz und Blauhäher.

Die bekanntesten anthropomorphen Wesen sind Nanabozho, Wiskedjak, Wakdjunkaga (mit dem ich mich noch näher befassen werde), Gluskabe u.v.a. Die Schreibweise der Namen variiert bei den verschiedenen Autoren stark.

Es gestaltet sich schwierig, allgemeingültige Charakteristika für diese schillernden Gestalten zu formulieren, aberApte(1986: 214-216) nennt einige der am häufigsten auftauchenden Motive.

Kennzeichnend sowohl für die theriomorphen als auch anthropomorphen Figuren ist ihre durchweg männliche Natur.

Die Herkunft bzw. Geburt des Tricksters ist oft unklar oder ungewöhnlich. Manchmal wird er als von Anfang an existent gedacht.

Weiterhin typisch ist die Verwandlungsfähigkeit des Tricksters in Objekte, Tiere und Menschen jeden Alters und Geschlechts.

Der Trickster ist unsterblich und besitzt göttliche oder mythische Qualitäten.

Er wandert durch eine mythische Welt und agiert dabei sowohl als tölpelhafter Narr, wie auch als Kulturheros, der den Menschen so wichtige Dinge wie z.B. Feuer, Kulturpflanzen oder Wild bringt, allerdings meist zufällig oder unbeabsichtigt, als Folge seiner egoistischen, triebgesteuerten Handlungen.

Ein weiteres Merkmal ist die groteske physische Erscheinung des Tricksters. So heißt es von ihm, daß er seinen Darm oder überlangen Penis um seinen Körper geschlungen trägt, bzw. letzteren zusammengerollt in einem Kästchen auf dem Rücken.

Außerdem besitzt er keine Kontrolle über seine Körperausscheidungen, kann seine Körperteile nicht koordinieren oder verleiht ihnen Eigenleben bzw. spricht mit ihnen. Er verletzt sich selbst und ißt ausversehen Teile von sich.

Besondere Eigenschaften sind auch sein ständiger Hunger sowie sein unstillbarer sexueller Drang, der auch vor Inzest und anderen Tabubrüchen nicht zurückschreckt. In beiden Fällen ist er aber oft frustrierend erfolglos.

Der Trickster verletzt, verspottet und trickst andere aus, was ihm umgekehrt aber ebenfalls häufig wiederfährt. Dabei ist er oft grundlos grausam, gleichzeitig schlau und dumm und kennt keine Norm von Gut und Böse.

Er imitiert andere, besonders deren magische Tricks, bleibt aber dabei, wie so oft, erfolglos.

Weil er Warnungen ignoriert, gerät er in Schwierigkeiten.

Ständig bricht er Tabus und verletzt Heiligtümer.

Der Trickster lacht über andere und über sich selbst.

Alle diese Eigenschaften sind bei den einzelnen Stämmen verschieden stark vertreten; manche fehlen einer Trickstergestalt, die woanders wieder stärker betont werden. Allerdings besitzen Kojote und Wakdjunkaga die meisten dieser Attribute.

Viele dieser Charakteristika treffen auch auf außeramerikanische Beispiele zu, besonders die starke Betonung der sexuellen Komponente und des ständigen Hungers.Aptehat dazu ein vergleichendes Sytem konstruiert, auf das ich weiter unten eingehe.

1.2. Südamerika

Hier ist der Trickster meist einer der mythischen Zwillinge, wobei der andere die Rolle des Schöpferwesens spielt. Oft wird dieses antagonistische Zwillingspaar mit Sonne und Mond identifiziert.

Daneben existieren allerdings auch zahllose theriomorphe Trickstergestalten, wie z.B. das Aguti.

Zwei konkrete Beispiele für bei südamerikanischen Indianern vorkommende Trickstermythen werde ich weiter unten referieren.

1.3. Afrika

In Afrika finden sich besonders südlich der Sahara zahlreiche, vor allem tiergestaltige, Trickster.

Einer der bekanntesten ist allerdings der anthropomorphe Legba bei den Ewe.

Legba ist der Gott der Eingänge und Kreuzungen und jüngster Sohn der Schöpfergottheit Mawu. Seine Aufgabe ist es, die Königreiche seiner Brüder zu besuchen und Mawu darüber zu berichten. Er fungiert somit als Mittler zwischen Menschen und Göttern.

Legba besitzt große Weisheit und Schläue, schafft magische Dinge und ist der Schöpfer von solchen Tieren wie Hund und Schlange. Allerdings stellt er Mawu durch seine Taten oft bloß.

Aufgrund seines unstillbaren sexuellen Verlangens (auch Inzest), wird er mit einem dauerhaft erigierten Penis bestraft.

Bei den Yoruba begegnet er uns als Elegbara oder Eshu und taucht in dieser Gestalt auch in den synkretistischen Religionen Amerikas auf, besonders auf den Karibischen Inseln und in Brasilien. Als Folge der Missionierung wird er hier allerdings oft mit dem Teufel identifiziert.

Ein weiterer bekannter Trickster in Afrika ist Ture bei den Zande, dessen Name Spinne bedeutet, der aber trotzdem von anthropomorpher Natur ist.

Ture agiert manchmal als Frau, verwandelt sich aber ansonsten kaum. Er ist unsterblich und wenn er doch einmal getötet werden sollte, so ist er in der nächsten Geschichte wieder lebendig. Auch bei ihm finden wir wieder den ewigen Hunger und die mit Inzest verbundenen sexuellen Bestrebungen. Ture ist faul und bestrebt, magische Objekte und Formeln zu erlangen, die seine Wünsche sofort und dauerhaft erfüllen. Dabei begeht er fast immer Fehler und gerät darum in Schwierigkeiten. Er bricht soziale Normen und Tabus, ist betrügerisch, infantil, egoistisch, gierig, treulos, närrisch und beherrschungslos. Gleichzeitig ist aber auch Ture Kulturheros, der den Menschen Wasser, Nahrung und Feuer bringt.

Rein spinnengestaltige Trickster sind z.B. Wosi bei den Limba, der ständig versucht, seine Frau auszutricksen und zu übertreffen, oder Ananse bei den Akan-Ashanti.

Andere theriomorphe Figuren sind z.B. Mantis (Gottesanbeterin) bei den Buschleuten, sowie Hase, Schildkröte, Antilope, Eichhörnchen u.v.a., deren Streiche sich aber überall ähneln.

Sie alle werden dargestellt als listig und dumm, gefräßig, prahlerisch und tölpelhaft.

1.4. Ozeanien

Als Paradebeispiel eines demiurgischen Kulturheros-Tricksters kann wohl der in diesem gesamten Gebiet vorkommende Maui (Maui-of-the-thousend-thunders) gelten.

Er ist der am meisten auftauchende Heros in polynesischen Geschichten, deren lokale Variationen eines großen Zyklus‘ wie Glieder einer Kette die vielen Inseln der Region verbinden.

Maui ist der jüngste Sohn oder ausversehen weggeworfenes Kind (bzw. ein Blutklumpen) einer menschlichen Mutter, der bei den Seegottheiten aufwächst und von ihnen Magie lernt.

Er kehrt dann, sozusagen als verlorener Sohn, zu seiner Familie zurück und soll in die menschliche Gemeinschaft integriert werden. Maui vereint somit göttliche und menschliche Eigenschaften in sich. Er kann sich in Vögel, Insekten u. a. Tiere verwandeln, er spielt seinen Brüdern bösartige und grausame Streiche, er tötet seine Großmutter und fischt mit deren Kieferknochen die polynesischen Inseln aus dem Meer, die seine Brüder aus Neid zerstückeln.

Außerdem fängt er Sonne und Winde, stiehlt das Feuer, Kulturpflanzen und Techniken von den Göttern, das alles jedoch nicht aus altruistischem Antrieb, sondern unwissentlich und als Nebenerscheinung seiner draufgängerisch-prahlerischen Taten.

In einigen Varianten stirbt Maui bei dem Versuch, Unsterblichkeit für die Menschen zu erlangen.

1.5. Asien

Aptenennt einige Beispiele für Figuren mit tricksterhaften Zügen in Hindu-Mythen, so z.B. Indra, der vedische Götterkönig, dessen sexuelle Gier und Bereitschaft zu deren Befriedigung alles zu tun eine typische Eigenschaft ist. Dabei agiert er auch manchmal als Transvestit, wird aber auch erwischt und bestraft (z.B. mit tausend Augen am ganzen Körper, als Strafe für seinen Voyeurismus). Indra ist der Sohn von Himmel und Erde und trennt diese. Er bekämpft Dämonen, schafft das Universum, Sonne und Wasser.

Auch der Weise Narada besitzt ausgeprägte Tricksterzüge. Er fungiert als Botschafter zwischen Göttern und Dämonen, entstellt und verfälscht in dieser Funktion allerdings oft Nachrichten, um sich dann am angerichteten Unheil zu erfreuen. Eines seiner wichtigsten Attribute ist wiederum der sexuelle Eifer. Auch Narada wird selbst ausgetrickst und von den Göttern bestraft.

Krishna, der Held des Mahabarata-Epos‘, leistet sich besonders in seiner Kindheit und Jugend etliche Eskapaden, die als tricksterhaft angesehen werden können. So belästigt er des öfteren Mädchen und stiehlt Essen. Viele humorvolle und unterhaltende Darstellungen im indischen Volkstheater kreisen um Krishnas Jugend.

Als Beispiele für andere Trickster seien noch genannt Kantjil im malayo-indonesischen Raum, Rabe und Kutka bei einigen sibirischen Völkern sowie Onkel Thompa in Tibet.

1.6. Europa

Ein geradezu musterhafter Trickster ist Loki im germanischen Götterglauben, der sich sowohl als Helfer und Begleiter, wie auch als erfolgreicher Gegenspieler der Götter präsentiert.

Auch in der griechisch-antiken Mythologie lassen sich etliche Götter, Halbgötter und Menschen mit tricksterhaften Zügen finden, so z.B. der Götterbote Hermes, der Kulturheros-Trickster Prometheus, der Hirtengott Pan oder der menschliche Trickster Odysseus.

2. Trickster in Mahadev Aptes interkultureller Sicht

In dem Kapitel „The Trickster in Folklore“ in seinem Buch „Humor and Laughter. An Anthropological Approach“ (1986: 212-236) befaßt sichApteeingehend mit dem Thema. Er faßt alle Trickster-Geschichten unter dem Begriff „prose narratives“ zusammen und teilt die bisherigen Studien zum Thema Trickster in drei Kategorien (1986: 213): spezifische oder allgemeine Tricksteranthologien; analytische Studien zu bestimmten Trickstern und allgemeine Arbeiten, die den historischen Ursprung solcher Figuren untersuchen sowie deren physische, psychologische, symbolische und soziokulturelle Aspekte auswerten, um verschiedene Theorien über Natur und Funktion von Trickstern vorzuschlagen.

Weiter zeigtApteeinige Beispiele für Definitionen des Phänomens Trickster, wobei kulturspezifische Definitionen überwiegen (besonders solche, die auf nordamerikanischen Materialien basieren), da es wenig interkulturelle Vergleichsarbeiten gäbe und diese größtenteils auch noch unpräzise wären (1986: 224).

So sind nachMalefijtTrickster „supernatural beings of semi-divine origins who may accidentally give important culture traits to the group but are not basically concerned with human welfare“ (Malefijt 1968b: 162; zit. n. Apte 1986: 224).Aptefügt noch als Eigenschaft die Tendenz hinzu, andere auszutricksen, um die eigenen ursprünglichen („primordial“) Begierden zu befriedigen.

FürVoegelin(1949) sind Trickster tier-menschliche Wesen, die typischerweise gierig, erotisch, nachahmend, dumm, anmaßend und betrügerisch sind und von deren Taten die Menschen profitieren.

Ricketts(1964) sieht im Trickster einen ruhelosen Wanderer, der bei seinen Streichen nicht zwischen Freund und Feind unterscheidet und nachAbrahams‘(1968) Meinung ist er das paradoxeste Wesen von allen in traditionellen Erzählungen auftauchenden, dessen fehlende Moral kennzeichnend ist.

Apteselbst will keine neue Definition hinzufügen, sondern verschiedene theoretische Vorschläge unterbreiten. Dazu gehört die Konstruktion des auf der folgenden Seite abgebildeten allgemeinen Systems, das er als wichtig für die interkulturelle Tricksteranalyse ansieht und welches die Identifikation von kulturspezifischen Trickstern erleichtern soll (1986:229).

Ich halte dieses System durchaus für eine gute Übersicht, die zeigt, welche unterschiedlichen Charakteristika Trickster besitzen können, auch wenn eine solche Tabelle sicher niemals wirklich vollständig sein kann.

Den Grund dafür, daß Trickster in der oralen Literatur einen wichtigen Humor-Stimulus darstellen, siehtAptein der Trickster-Persönlichkeit, die durch biologische, psychologische und soziokulturelle Widersprüche gekennzeichnet ist (1986: 229). Er schließt sich damit Theorien an, die Humor als Konsequenz von Widersprüchlichkeit sehen. So nimmt z.B.McGhee(1979) an, daß Humor durch irgendetwas unerwartetes, unangemessenes, unlogisches, grundloses, übertriebenes usw. transportiert wird. Dabei erhöht sich der Spaßfaktor noch durch sexuelle, skatologische und gewalttätige Inhalte.

Weiterhin wichtig für den Humor ist nachAptes Meinung auch die Art und Weise der Erzählung. So werden in den meisten Fällen Trickstergeschichten von talentierten Erzähler-Darstellern vor großem Publikum schauspielerisch vorgetragen, wobei alle Register von Mimik, Gestik, Geräuscheimitation usw. gezogen werden. Manche Erzählungen werden auch gesungen oder nehmen Dialogform an. All dies stellt natürlich zusätzliche audiovisuelle Humor-Stimuli dar und eine solche Atmosphäre läßt sich kaum schriftlich festhalten. In diesem Zusammenhang bemängeltApte, daß Texte in der Forschung oft überbewertet und oben genannte Ausdrucksformen vernachlässigt würden (1986: 231).

Die Popularität von Trickstergeschichten begründet er mit ihrer Ventilfunktion, d.h. in der Gesellschaft unterdrückte sexuelle und aggressive Impulse kommen darin zum Ausdruck. Sie dienen sozusagen zum „Dampf ablassen“, wobei sich beim Zuhörer auch noch Überlegenheitsgefühle einstellen sollen, im Angesicht von Tricksters Dummheit und den unerfreulichen Konsequenzen seines Tuns.Apteschließt sich auchFreuds (1905, 1928) Meinung an, wonach solche Geschichten unterdrückte Begierden bedienen und ersatzweise Freude an normalerweise verbotenen Dingen versprechen (1986: 230).

Außerdem erkennt er eine normative Funktion von Humor in Trickstererzählungen, „because the tales reinforce self-control as a prerequisite for membership in social groups“ (1986: 236).

Schließlich zeigen Tricksterabenteuer fürApteauch, daß Humor ein integraler Bestandteil von Religion in den verschiedensten Kulturen ist, im Gegensatz zur Meinung vieler westlich-monotheistisch geprägter Religionswissenschaftler und Theologen, für die Humor und Religion oder Vulgäres und Heiliges unvereinbar sind oder nur in der primitiven Psyche nebeneinanderstünden (1986: 232-233).

3. Paul Radins Tricksterkonzeption

Ich beziehe mich im folgenden auf die beiden Bücher „Der göttliche Schelm. Ein indianischer Mythenzyklus“ und „The Trickster“, ersteres 1954 vonRadin gemeinsam mitKarl KerenyiundC. G. Jungherausgegeben, letzteres 1956 nur vonRadin.Beide Werke enthalten Essays zum Thema Trickster vonKerenyiundJung. „The Trickster“ beinhaltet außer der englischen Übersetzung des „Göttlichen Schelms“ noch den Hasen-Zyklus der Winnebago und eine Zusammenfassung verschiedener Kulturheros-Trickstergeschichten bei den Assiniboine und Tlingit.

Den Zyklus vom Trickster Wakdjunkaga zeichneteRadin1912 bei den siouxsprachigen Winnebago in deren Reservat in Nebraska auf (1954: 93). Diese waren ursprünglich Sammler, Jäger, Fischer und einfache Bodenbauer im heutigen Wisconsin und lebten jahrhundertelang inmitten algonkinsprachiger Ethnien (1954: 95).

In 49 zusammenhängenden Episoden beschreibtRadindie Erlebnisse Wakdjunkagas auf Erden in einer mythischen Urzeit. Er verwendet aber nur selten die indianische Eigenbezeichnung, sondern spricht stattdessen vom „Schelm“ oder in der englischen Fassung vom „Trickster“.

Es finden sich in diesen Episoden viele in Nordamerika weitverbreitete Motive, die vorzustellen mehr Platz bräuchte als hier zur Verfügung steht.

FürRadinist der Trickster die wahrscheinlich älteste mythische Gestalt der Menschheit (1954: 148). Wakdjunkaga ist in seinen Augen ein reiner Trickster und alle Kulturheros-Episoden sind spätere Einschiebungen und Verfälschungen des ursprünglichen Schelmenzyklus‘ (1954: 151). In diesem soll der Schelm Ausdruck „einer archaischen und uranfänglichen Vergangenheit“ sein, „wo es noch keine klaren Unterscheidungen zwischen Göttlichem und Nicht-Göttlichem gab“ (1954: 153).Radinerkennt im ursprünglichen Zyklus den Individuationsprozeß des Menschen imJungschen Sinne, d.h. Wakdjunkaga entwickelt sich von einem anfänglich undifferenzierten Instinktwesen zu einem Geschöpf mit menschlichen Zügen und sexuellem Bewußtsein. Er verwendet in diesem Kontext Begriffe wie „Lern- und Entwicklungsprozeß“, „sexuelle Erziehung“, „biologische Erziehung“, „erwachendes Bewußtsein und Realitätssinn“, „dämmerndes Gewissen“ u.ä. (1954: 116-133).

Ein weiterer Trickster der Winnebago ist Hase, demRadinallerdings die doppelte Rolle von Kulturheros und Trickster als „partieller Schelm“ zugestand (1954: 112).

Zusammen mit den reinen Kulturheroszyklen von Rothorn und von den Zwillingen bilden der Wakdjunkaga- und der Hasenzyklus einen Teil desRadinschen Individuations- und Sozialisationskonzeptes. Dabei vergleichtRadinin psychologischer Interpretation Figuren aus dem griechischen Pantheon mit denen aus den Winnebagozyklen, indem er ein Modell von vier Zeitaltern aufstellt, das die psychologische Entwicklung des Menschen repräsentieren soll.

So steht das erste Zeitalter mit den Protagonisten Wakdjunkaga bzw. Uranos für die undifferenzierte, das zweite mit Hase bzw. Kronos für die teilweise differenzierte, das dritte mit Rothorn bzw. Zeus für eine deutlich differenzierte und das vierte mit den Zwillingen bzw. Prometheus für die vollständig differenzierte Libido (Radin 1953b: 334, nach Stein 1993: 240).

[...]

Final del extracto de 18 páginas

Detalles

Título
Tricksterfiguren und -konzeption
Universidad
University of Leipzig
Curso
Ethnologie des Lachens
Calificación
1,7
Autor
Año
2001
Páginas
18
No. de catálogo
V60368
ISBN (Ebook)
9783638540674
Tamaño de fichero
506 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Trickster, Ethnologie, Lachens
Citar trabajo
Kay Ramminger (Autor), 2001, Tricksterfiguren und -konzeption, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60368

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Título: Tricksterfiguren und -konzeption



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