Der Rechtsstaat in Paraguay und Uruguay: Diagnose – Vergleich – Erklärungsversuch


Magisterarbeit, 2005

114 Seiten, Note: 2,3

Dietmar Klumpp (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Forschungsstand
1.1. Methode
1.2. Fallauswahl und Untersuchungszeitraum

2. Operationalisierung des Rechtsstaates
2.1. Definition des Rechtsstaats
2.2. Schlüsselvariablen
2.2.1. Unabhängigkeit
2.2.2. Effizienz
2.2.3. Zugang
2.2.4. Berechenbarkeit
2.2.5. Menschenrechte
2.3. Indikatoren
2.3.1. Unabhängigkeit
2.3.2. Effizienz
2.3.3. Zugang
2.3.4. Berechenbarkeit
2.3.5. Menschenrechte
2.4. Zusammenfassung
2.5. Übersichtsdarstellung der Schlüsselvariablen und Indikatoren

3. Die Rechtsstaatsausprägung in Paraguay und Uruguay
3.1. Rechtsstaatsmessung: Paraguay
3.1.1. Unabhängigkeit
3.1.2. Effizienz
3.1.3. Zugang
3.1.4. Berechenbarkeit
3.1.5. Menschenrechte
3.2. Rechtsstaatsmessung: Uruguay
3.2.1. Unabhängigkeit
3.2.2. Effizienz
3.2.3. Zugang
3.2.4. Berechenbarkeit
3.2.5. Menschenrechte
3.3. Vergleichende Zusammenfassung der Rechtsstaatsmessungen

4. Historische Entwicklung des Rechtsstaates in Paraguay und Uruguay.
4.1. Paraguay
4.1.1. Von der Unabhängigkeit bis zum Tripel-Allianz-Krieg
4.1.2. Der Wiederaufbau und die erste Verfassung.
4.1.3. Vom Chaco-Krieg zur exekutivlastigen Verfassung 1940..
4.1.4. Stroessners Wunschverfassung – Exekutivlastigkeit und scheinbare Gewaltenteilung
4.1.5. Erste demokratische Verfassung und die Anfänge eines Rechtsstaates
4.2. Uruguay
4.2.1. Von der Unabhängigkeit zur ersten Verfassung (1806-1870)
4.2.2. Principistas – Die Anfänge des formalen Rechtsstaates in Uruguay.
4.2.3. Vollständige Ausprägung des formalen und Entstehung des materiellen Rechtsstaates.
4.2.4. Diktatur mit formalem Rechtsstaat 1973-1984
4.2.5. Rückkehr der Demokratie und des materiellen Rechtsstaates
4.3. Zusammenfassung.

5. Rechtsstaatsimport durch Immigration
5.1. Immigration als Transporteur des Rechtsstaates
5.2. Urbanisierung und ihr Einfluß auf die Rechtsstaatsentwicklung.
5.3. Wirtschaftliche Entwicklung als Determinante des Rechtsstaates.
5.4. Politische Kultur und Demokratieerfahrung als Begleiter der Rechtsstaatlichkeit.
5.5. Zusammenfassung.

6. Schlussfolgerungen
6.1. Ausblick für Uruguay – Leben von der Substanz
6.2. Ausblick für Paraguay – Hoffen auf politische Stabilität.

7. Literaturverzeichnis

Der Rechtsstaat in Paraguay und Uruguay

Diagnose – Vergleich – Erklärungsversuch

1. Einleitung und Forschungsstand

Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die Rechtsstaatlichkeit und ihre Entwicklung in den beiden südamerikanischen Staaten Paraguay und Uruguay. Zunächst soll die Unterschiedlichkeit des Rechtsstaates in den beiden Ländern durch eine qualitative Beurteilung (Diagnose) festgehalten werden, der eine Operationalisierung des Rechtsstaates vorausgehen wird. Die dem eigentlichen Vergleich vorgelagerte historisch-genetische Darstellung soll Zusammenhänge und Faktoren aufdecken, die für die mögliche Verschiedenheit der Zustände der Rechtsstaatlichkeit in den beiden „kleinen“ Mercosur-Ländern als Ursachen in Betracht kommen. Diese Ursachen können sodann am Ende der Darstellung von anderen isoliert und durch den Vergleich herausgestellt werden. Jedoch soll Wert darauf gelegt werden, dass beiden Variablen (unabhängige und abhängige) im gleichen Maße Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Die zentrale Frage dieser Magisterarbeit beschäftigt sich mit den Gründen und Ursachen der unterschiedlich entwickelten und ausgeprägten Rechtsstaatlichkeit in Uruguay und Paraguay. Mit anderen Worten: Wodurch lassen sich Differenzen bei der abhängigen Variable (Rechtsstaatlichkeit) der beiden Länder erklären? Außerdem ist im Vorfeld zu klären, was den Unterschied der Rechtsstaatlichkeit zwischen beiden Ländern substantiell ausmacht.

Im Unterschied zu den beiden großen Mercosur-Ländern Argentinien und Brasilien werden vor allem Paraguay, aber auch Uruguay, generell in der Forschung der Geistes-, Sozial- sowie Staatrechtswissenschaft wenig berücksichtigt. Aktuelle Aufsätze und Monographien zu Themen des Rechtsstaates oder zur politisch-verfassungsrechtlichen Entwicklung dieser Länder sind noch seltener. Positive Ausnahmen bilden für Paraguay die Untersuchungen von Anja Schoeller-Schletter über Verfassungstraditionen und die des Instituto Internacional de Gobernabilidad de Cataluña über den Rechtsstaat an sich. Für Uruguay ist unter anderem die Analyse der uruguayischen Konstitutionen von Gros Espiell zu benennen. Ferner stellt der einzige direkte Vergleich zwischen beiden Ländern die Untersuchung von Norbert Lösing dar, die sich auf die Verfassungsgerichtsbarkeit konzentriert.[1]

Die hier vorgelegte Studie versteht sich als einen vergleichenden Beitrag zur Entwicklung und Ausprägung der Rechtsstaatlichkeit in Paraguay und Uruguay sowie der gesamten La-Plata-Region.

1.1. Methode

Der wissenschaftlichen Untersuchung der Fragestellung liegt die empirisch-analytische bzw. empirisch-historische Vorgehensweise zu Grunde.

Die Magisterarbeit zielt auf einen politikwissenschaftlichen Vergleich des Rechtsstaates in Paraguay und Uruguay, der mit Hilfe der Differenzmethode durchgeführt wird. Bei der Differenzmethode (most similar case design) treten in einem hinreichend homogenen Kontext, in den zwei (oder mehrere) Fälle eingebettet sind, zwei unterschiedlich ausgeprägte abhängige Variablen auf.[2] Die Differenz zwischen den beiden abhängigen Variablen soll im weiteren Vorgehen durch die unabhängige(n) Variable(n) erklärt werden, wobei eine Kausalannahme zwischen unabhängiger und abhängiger Variable zu Grunde liegt. Bei der Differenzmethode tritt in der Regel die Schwierigkeit auf, dass bei Vorliegen einer geringen Anzahl von Fällen viele Variablen zur Erklärung eines Problems auftauchen und eine leichte Isolierung der relevanten Variablen schwer fällt.[3] Daher kann es auch von Vorteil sein, wenn die Methode nicht zu starr und unbeweglich auf die untersuchten Fälle angewandt wird. Ferner erfordert der zu betrachtende Kontext eine relativ flexible Handhabung der Methode. Denn die Homogenität des gemeinsamen Kontextes ist nicht immer und absolut gegeben. Doch ist er für die Arbeit hinreichend homogen, nicht zu letzt wegen der Homogenität des historischen Kontextes in beiden Ländern.

Der Einsatz der Vergleichenden Methode lässt sich rechtfertigen, weil andere sozialwissenschaftliche Methoden den Untersuchungsgegenstand unvollständiger erfassen als die Komparation. Der hier vorgenommene synchrone Zwei-Länder-Vergleich versucht, anhand einer qualitativen Analyse Ursachen für die Differenz der Rechtsstaatlichkeit in den beiden zu untersuchenden Ländern aufzuzeigen. Dabei werden mit Hilfe der historisch-genetischen Darstellung die relevanten unabhängigen Variablen im vorgelagerten Schritt herausgefiltert.

1.2. Fallauswahl und Untersuchungszeitraum

Die beiden ausgewählten Fälle sind, wie unter 1.1. erwähnt, in einen hinreichend homogenen Kontext eingebettet, was für die Differenzmethode unerlässliche Vorraussetzung ist. Beide Staaten sind in der gleichen Region (area), dem La-Plata-Becken angesiedelt. Historisch betrachtet wurden beide Länder durch die knapp 300-jährige spanische Kolonialherrschaft entscheidend geprägt und hatten eine ähnliche Ausgangslage. Ferner sind die Einwohner beider Staaten mehrheitlich Christen.[4]

Bei aller Ähnlichkeit der Kontexte ist ein qualitativer Unterschied im Bereich des Untersuchungsgegenstandes (abhängige Variable: Rechtsstaat) zwischen den Ländern nötig und zwischen den untersuchten Ländern vorhanden, deren wesentliche Ursachen gefunden werden sollen.[5] Durch die Ergebnisoffenheit der Untersuchung, gerade bei den unabhängigen Variablen, können am Anfang keine Aussagen getroffen werden, welche speziellen unabhängigen Variablen als Erklärung in Betracht kommen.

Der Untersuchungszeitraum der abhängigen Variable beschränkt sich auf die Phase von 1992 bis heute, um den jetzigen Stand der Rechtsstaatlichkeit in den Ländern zu fokussieren. Das Jahr 1992 wurde gewählt, weil zu jenem Zeitpunkt in Paraguay das jahrzehntelange Stroessner-Regime durch ein demokratisches, das erste in der Geschichte Paraguays, abgelöst wurde. Entscheidender ist, dass mit der Verfassung von 1992 die Vorraussetzungen geschaffen sind, um überhaupt zu einer Ausbildung des formalen bzw. materiellen Rechtsstaates zu gelangen. In Uruguay liegt der letzte Übergang von der Diktatur zur Demokratie zeitlich etwas weiter zurück (1984/85) und kommt daher als Grenze des Untersuchungszeitraumes der abhängigen Variable nicht in Betracht.

Bei den unabhängigen Variablen muss jedoch weiter in der Geschichte zurückgegriffen werden, um die Entwicklung des Rechtsstaates im jeweiligen Land aufzeigen zu können. Der Zeitraum bis etwa 1870 sollte dabei in Betracht gezogen werden. Das Jahr 1870 eignet sich deswegen, weil nach dem verlorenen Tripel-Allianz-Krieg für Paraguay ein historisch neuer Abschnitt anfing, der mit der ersten geschriebenen Verfassung des Landes seinen Anfang nahm.[6] Für Uruguay begann 1875 mit dem Ende des letzten großen Bürgerkrieges eine Phase der politischen Stabilität, die sich dadurch auszeichnete, dass zum ersten Mal in der Geschichte Uruguays das gesamte Land von Montevideo aus regiert werden konnte sowie der Anfang der Modernisierung der Wirtschaft, vor allem der Viehwirtschaft, einsetzte.[7]

Dennoch soll ein kurzer Blick auf die Geschichte seit der Unabhängigkeit der platensischen Länder geworfen werden, um etwaige rechtsstaatliche Rezeptionen darzustellen.

2. Operationalisierung des Rechtsstaates

Dieser Arbeitsschritt soll für die relevanten Indikatoren des Rechtsstaates sensibilisieren und für Vergleichbarkeit der Rechtsstaatlichkeit beider Länder garantieren. Auch wenn im dritten Abschnitt nicht immer Daten und Belege zu Paraguay und Uruguay für alle hier aufgeführten Indikatoren in gleichem Maße gefunden werden können, sollen alle Indikatoren die Grundlage bilden, um zu validen Aussagen und einer qualitativen Bewertung der Rechtsstaatlichkeit in beiden Ländern zu gelangen.[8]

Ein funktionierender Rechtsstaat ist eine wichtige Vorraussetzung für Grundrechtssicherung, Gewaltenkontrolle und wirtschaftliche Entwicklung, gerade bei jungen Demokratien. Er ist ein Konzept für die erfolgreiche Entwicklung eines Landes. Trotz dieser ihm zukommenden Rolle, die durch den Aufsatz „Rule of Law Revival“[9] attestiert wurde, wird der Rechtsstaat in der politikwissenschaftlichen Literatur nicht in gebührendem Maße berücksichtigt. Quantitativ wie qualitativ zeigt sich daher das Forschungsgebiet innerhalb der Politikwissenschaft noch nicht klar und vollständig erhellend ausgearbeitet.[10]

Grundlegende Überlegungen, die diesen wissenschaftlichen Ausschnitt in seiner Gänze definieren und Operationalisierungregeln aufstellen, fehlen oder sind nur teilweise erarbeitet worden. So scheut sich mancher Autor davor, das Konzept des Rechtsstaates vollständig herauszuarbeiten und an einem Fall komplett „durchzudeklinieren“.[11] Prillamans Arbeit über eine „gesunde“ Judikative und Beethams Aufsatz zum Democratic Audit stellen in konzeptueller Hinsicht eine Ausnahme dar und sind demzufolge Grundlage für diese Untersuchung.

Arbeitsziel des zweiten Abschnittes soll sein, den Begriff Rechtsstaat sowie alle relevanten Variablen und Indikatoren so abstrakt wie möglich zu definieren und zu beschreiben. Der Rechtsstaat wird dabei in Schlüsselvariablen aufgeteilt, um abschließend durch Indikatoren operationalisiert zu werden. Dadurch wird der Rechtsstaat für die wissenschaftliche Arbeit messbar, handhabbar und für die weiteren Schritte erlauben, diese Kriterien, Indikatoren und Variablen auf Paraguay und Uruguay anzuwenden und zu brauchbaren Ergebnissen über den Rechtsstaat zu gelangen.[12]

2.1. Definition des Rechtsstaats

Der Rechtsstaat definiert sich als Staat, in dem eine Rechtsordnung und eine allgemeine Rechtsgebundenheit errichtet und garantiert sind.[13] Aus historischer Sicht können zwei Formen des Rechtsstaates – formell und materiell – unterschieden werden. Der formelle Rechtsstaat ist auf die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und auf Verfahrensrechte reduziert. Ein klassisches Beispiel liefert die wilhelminische Zeit in Deutschland und zum Teil auch die Weimarer Republik. Das aufstrebende Bürgertum sah darin eine Möglichkeit, seine Rechte gegenüber den Monarchen zu sichern. Zunächst waren diese bürgerlichen Rechte nicht in einer Verfassung verankert, wurden aber allmählich durch allgemeine Gesetze zur Gültigkeit überführt, die jedoch weiterhin von Exekutive und Legislative außer Kraft gesetzt werden konnten. Im Gegensatz dazu bietet der materielle Rechtsstaat eine Grundrechtsbindung und -schutz für die Bürger. Somit umfasst der materielle Rechtsstaat „[...] nicht nur die Garantie des formalen Rechtsstaates, sondern auch die Ausdifferenzierung der Grundrechte“[14]. Der formale Rechtsstaat lässt sich letztlich auf Gesetzmäßigkeiten der Verwaltung und Verfahrensrechte reduzieren, wohingegen der materielle Rechtstaat den formellen einschließt und durch bürgerliche Rechte erweitert wird. Auf diese materielle Rechtsstaatsdefinition wird sich die Untersuchung stützten.

Bevor der Rechtsstaat genauer untersucht wird, soll jedoch das Verhältnis von Rechtsstaat und Demokratie grundlegend geklärt werden. Dahl weist darauf hin, dass sein Modell des „polyarchischen Minimums“ ein gewisses Maß an Rechtsstaatlichkeit materieller Art einschließt, wie zum Beispiel die Durchführung freier Wahlen.[15] Dieser Teil des Rechtsstaates, der mit der Demokratie zusammenfällt, soll nicht oder nicht ausschließlich der Inhalt der Rechtsstaatsuntersuchung sein, sondern der weitaus größere Teil, der dafür Sorge trägt, dass in der Verwaltung, in den Gerichten und bei der Polizei nach rechtsstaatlichen Kriterien verfahren wird. Für die Untersuchung des Rechtsstaates ist es daher notwendig, diesen von der Demokratie zu lösen, um ihn greifbarer zu gestalten. Es darf also keine Vermischung der Begriffe stattfinden.

2.2. Schlüsselvariablen

Die Verfahrensrechte, Gesetzmäßigkeiten der Verwaltung und festgeschriebenen Grundrechte sind nach der Definition des materiellen Rechtsstaates die Grundpfeiler desselben.[16] Aus dieser Festlegung lässt sich die Frage ableiten, was diese Grundpfeiler substantiell ausmacht und wie sie für die Bürger gesichert werden können. Um Recht sprechen zu können, müssen grundlegende Rechte in Gesetzen und in der Verfassung garantiert werden. Des weiteren ist die Unabhängigkeit der Justiz von allen Personen und Akteuren der Gesellschaft entscheidend, um die garantierten Rechte effektiv in die gewünschte Verfassungsrealität übergehen zu lassen.[17]

Aber dafür muss die Judikative nicht nur unabhängig sein, sondern auch ein effizientes System darstellen, das durch fachkundiges Personal wirksam seine Aufgaben erfüllt. Effizienz muss nicht nur von der Judikative allein verlangt werden, sondern auch von weiteren substantiellen Akteuren des Rechtsstaates, wie sie die Polizei und der Strafvollzug darstellen. Daher müssen für die Untersuchung des Rechtsstaates diese beiden Akteure mit einfließen. Die Polizei und das Vollzugswesen sind Teil der Exekutiven Gewalt und können unter Umständen eine Einheit mit dem Militär bilden.[18] Somit ist die Judikative zu Teilen von der Exekutive abhängig. Die Funktion, die der ausführenden Gewalt und damit der Polizei und dem Vollzug zukommt, ist die Umsetzung der von der Legislative ausformulierten Gesetze und der von der Judikative gesprochenen Urteile und muss unter dem Gesichtspunkt der Effektivität, also der Wirksamkeit betrachtet werden.[19] Die ausführende Gewalt und im speziellen das Polizei- und Strafvollzugswesen wird jedoch nicht als Schlüsselvariable definiert, was grundsätzlich getan werden könnte. Zum einen würde dies den Umfang der Arbeit erheblich ausdehnen, was hier nicht geleistet werden kann. Zum anderen wird die spätere Operationalisierung der Variablen zeigen, dass Indikatoren und Indikatorenmerkmale in mehrfacher Weise vorkommen würden, die in den anderen fünf Variablen schon betrachtet wurden. Daher werden Polizei und Vollzugswesen als Akteurskategorie, wenn notwendig, in den einzelnen Variablen und Indikatoren mit eingearbeitet.

Letztlich treten aber noch zwei weitere Faktoren hinzu, um den materiellen Rechtsstaat zu komplementieren: Zugang zur Justiz und Berechenbarkeit. Der Zugang muss unabhängig von sozialen, ethnischen oder religiösen Unterschieden allen Bürgern gewährt sein, um Rechtsstaatlichkeit in einem gesellschaftspolitischen System zu erreichen. Berechenbarkeit bezieht sich dagegen auf die in der Definition des Rechtsstaates festgelegte Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und den Verfahrensrechten, die bei klarer Regelung die Justiz und ihre Entscheidungen berechenbar für Kläger und Angeklagte macht.

Als letztes muss die Korruption in Augenschein genommen werden, weil sie in allen Ländern mehr oder weniger häufig vorkommt und den Rechtsstaat elementar bedrohen kann. Korruption lässt sich definieren als ein geheimes und gegen die Öffentlichkeit gerichtetes Handlungsmuster von Akteuren und Personen einer Gesellschaft, das durch Bestechen, Fälschen und Amtsmissbrauch die bestehende Gesetzesordnung unterläuft, um sich oder Dritten Vorteile zu verschaffen.[20]

Korruption ist aber nicht eine Variable oder ein Indikator des Rechtsstaates, sondern vielmehr für eine mangelhafte Rechtsstaatlichkeit. Eine korruptionslose Justiz ist also ein Merkmal für den Rechtsstaat. Somit ist Korruption ein indirekter Indikator des Rechtsstaates (negative Abgrenzung). Analog zu diesem Verständnis von Korruption verhält es sich mit den Begriffen Klientelismus und alternative Normensysteme.[21] Da sich Korruption (Korruptionslosigkeit) nicht ohne weiteres einer einzelnen Variable zuordnen lässt, sondern sich mit diesen vermischt, wird sie folglich in allen Variablen anzutreffen sein. Daher wird Korruption in dieser Arbeit als (indirekter) Breitbandindikator Verwendung finden. Korruption ist bei der Unabhängigkeitsvariable häufig ein individuelles Problem. Dagegen wird Korruption bei Effizienz mit wirtschaftlichem Wachstum und Ausbildungsmängel in Zusammenhang gebracht. Zugang und Korruption stehen wiederum im Wirkungszusammenhang, weil ärmere Bevölkerungsschichten nicht dem nach Schmiergeld trachtenden Beamten gerecht werden können. Und zuletzt kann Korruption für die Berechenbarkeit ein Indikator sein, der es den Richtern erlaubt, nach dem jeweilig opportunen Gesetz zu urteilen. Korruption ist daher ein Problem und ein Indikator für alle Variablen gleichzeitig.[22]

Ferner spielt die innere Einstellung zum Rechtsstaat eine bedeutende Rolle, nicht nur bei dem schon erwähnten Akteur Justiz, sondern auch bei der Polizei. Um aber Korruption richtig einschätzen zu können, muss noch etwas hinzugefügt werden. Wenn zum Beispiel ein Vergehen gegen die Straßenverkehrsordnung begangen wird und der Täter die Polizei mit Geld besticht, so ist dies im weitesten Sinne ein Korruptionsdelikt. Doch gleichzeitig erkennt der Täter an, dass er eine Tat begangen hat, er bejaht also den Rechtsstaat mit seinen Gesetzen. Die Bestechung hat im Grunde nur das Ziel, den langen und aufwendigen Verfahrensweg abzukürzen, denn oft muss eine Tagesreise in Kauf genommen werden, um das Bußgeld zu bezahlen. Anerkennung des Gesetzes bei gleichzeitiger Bestechung eines Beamten, dieser paradoxe Umstand kann also mit Effizienzgründen erklärt werden. Folglich gibt es unterschiedliche Typen von Korruption, die abweichend bewertet werden müssen.[23]

Somit bilden Unabhängigkeit, Effizienz, Zugang, Berechenbarkeit und garantierte Menschenrechte die fünf Schlüsselvariablen des materiellen Rechtsstaates, die im weiteren Schritt genau definiert werden müssen.[24]

2.2.1. Unabhängigkeit

Die Unabhängigkeit der Justiz ist, wie schon erwähnt, notwendige Bedingung für den Rechtsstaat und dessen Grundpfeiler. Unabhängigkeit ist nur dann garantiert, wenn die Judikative souverän ohne Druck von Seiten der verschiedenen Akteure und Gruppen der Gesellschaft Recht sprechen kann.

Defekte der richterlichen Unabhängigkeit können entweder interner und/oder externer Natur sein. Die interne Unabhängigkeit bezieht sich auf einzelne Richter in speziellen Fällen, ist also individueller Natur. Externe Unabhängigkeit fokussiert hingegen Probleme, die das gesamte Justizwesen betreffen und ist somit institutioneller Natur.

Beide Arten der richterlichen Unabhängigkeit, intern sowie extern, können zwischen den Polen autonomer und abhängiger Justiz pendeln. Am Ende der rechten Seite des Spektrums steht dann ein völlig politisiertes Justizwesen, das unter starkem externen Druck und Kontrolle seine Unabhängigkeit verloren hat. Auf der linken Seite des beschriebenen Spektrums ist zu beachten, dass auch ein insulares oder völlig unabhängiges Justizwesen den Rechtsstaat gefährdet kann, weil die Obersten Richter mit zu viel Disziplinarmacht auf die ihnen untergebenen Richter ausgestattet sind. Völlige Unabhängigkeit und Isolation weisen keine der drei Gewalten in einem Gewaltenteilungssystem auf. So hängen die Gerichte vor allem von der exekutiven Gewalt ab, die dafür Sorge trägt, dass die Urteile durch die Polizei effektiv in die Tat umgesetzt werden sowie von der Legislative, die bei der Richterwahl und Ernennung in der Regel entscheidend beteiligt ist. Und wiederum gehört es zur Aufgabe der Justiz, die anderen Gewalten des Staates effektiv zu kontrollieren. Somit sollte das Justizwesen zwischen Unabhängigkeit und Berechenbarkeit ausbalanciert sein. Ferner muss Unabhängigkeit als etwas Relatives betrachtet werden, das in der Realität zwischen den beiden extremen Polen, tendenziell jedoch in der Nähe des maximalen Ausschlages der Unabhängigkeit des Spektrums steht.[25]

2.2.2. Effizienz

Ein effizientes Justizsystem gewährleistet eine schnellstmögliche und gleichzeitig professionelle Rechtsprechung im Sinne des Rechtsstaates.[26]

Dabei ist darauf zu achten, dass eine „schnelle“ Justiz nicht unbedingt eine bessere und den Kriterien des Rechtsstaates entsprechende Justiz sein muss. Obwohl die Schnelligkeit der Verfahren als ambivalent eingestuft wurde, tritt Effizienz oder Ineffizienz am offensichtlichsten zu Tage, wenn man die Dauer der Verfahren betrachtet und sich in diesem Zusammenhang vor Augen führt, dass die Monopolstellung der Judikative keine wirkliche Konkurrenz und damit auch keine absolute Effizienzkontrolle zu fürchten hat. Wird also eine Zeitvorgabe überschritten, ist dies ein Indikator dafür, dass es zu Verzögerung bei der Abwicklung des Falles gekommen ist, doch bedeutet das nicht automatisch, dass ein System ineffizient arbeitet. Auch in einem effizienten Justizwesen kommt es zu Verspätungen, die aber im Unterschied zu einem ineffizienten minimiert und kontrolliert werden können und nicht die Glaubwürdigkeit des ganzen Systems in Frage stellen. Sind die Gründe, die die Abhandlung eines Falles verzögern, nicht fallinhärent und für das gesamte System unkontrollierbar, so kann es, wenn die Ursachen nicht erkannt und abgeschafft werden, zu einer dauerhaften Störung kommen.[27] Indikatoren, die das gesamte Gerichtssystem sowie das Polizei- und Vollzugswesen beleuchten und Aufschluss über ihre Effizienz geben, können zum Beispiel Fragen nach der Professionalität und Ausstattung der Gerichte und Gefängnisse sein.[28]

2.2.3. Zugang

Der Zugang zum Justizwesen muss unabhängig von sozialer, ethischer und religiöser Zughörigkeit für alle Personen und Akteure einer Gesellschaft in einem Rechtsstaat gegeben sein.

Soziale, kulturelle, ethnische und linguistische „Cleavages“ werden in der Forschung als eine der entscheidenden Probleme beim Zugang zum Justizwesen gewertet. Aber auch ökonomische und geografische Bedingungen, wie hohe Gerichtskosten und ungleichmäßige Verteilung der Richterschaft im gesamten Land, stellen große Zugangsbarrieren für gewisse Gruppen dar.

Aber nicht nur institutionelle und strukturelle Probleme verhindern den gleichberechtigten Zugang, sondern gerade die Ansicht vieler Bürger, die einen Gerichtsgang als „Zeitverschwendung“ betrachten, versperrt den Zutritt zum Gericht auf eine „mentale“ Art und Weise. Durch Frustration und verlorengegangenes Vertrauen sind die psychologischen Kosten für den Rechtsstaat und die betroffenen Personen besonders hoch.[29]

2.2.4. Berechenbarkeit

Die Justiz, ihre Entscheidungen sowie Urteile müssen unter allen Umständen und über längere Zeitabschnitte berechenbar für die Gesellschaft und ihre Akteure sein. Die Berechenbarkeit der Justiz zielt also nicht auf die Dauer und Effizienz des Justizwesens, sondern auf den Ausgang der Gerichtsverfahren, ob diese einigermaßen berechenbar und vorhersehbar sind und eine gewisse Planungssicherheit für Kläger und Angeklagte besteht.[30]

Die Berechenbarkeit des Justizwesens kann von gesetzestechnischer, institutionell- struktureller oder funktioneller Art sein. Gesetzestechnische Berechenbarkeit zielt auf die Kalkulierbarkeit der Gesetze seitens der Bürger und umfasst ein ganzes Indikatorenbündel. Darunter fallen Indikatoren wie relative Stabilität der Gesetze und Verbot rückwirkender Gesetze. Bei einer klaren Rechtslage sollte ein zu erwartendes Urteil gefällt werden und nicht etwa, dass der Richter frei zwischen mehreren Gesetzen wählen und nach seinem eigenen Ermessen entscheiden kann. Einer der wichtigsten Gründe, warum der Rechtsstaat unberechenbar sein kann, ist daher, dass Gesetze willkürlich angewandt werden können. Dies wird durch vage ausformulierte Gesetzte oder Dekretismus, also eine auffällige Inkohärenz der Gesetze begünstigt.[31] Die Unübersichtlichkeit der Rechtsordnung und vorhandene Gesetzesattrappen verstärken außerdem eine unerwünschte Selbstprogrammierung der Justiz.[32] Die funktionale Berechenbarkeit bleibt im Wesentlichen auf den korrekten Ablauf der Verfahren beschränkt, spielt aber bei der Gewichtung der Indikatoren keine unbedeutende Rolle.

Als letzte der drei oben unterschiedenen Berechenbarkeitsarten steht die institutionell-strukturelle Berechenbarkeit mit einem isolierten Justizwesen, das die Gefahr in sich birgt, durch völlige Unabhängigkeit bei der internen Auswahl der unteren Richterposten sich zu verselbstständigen und eine bürokratische Elite herauszubilden, die dann gleichgültig gegenüber der Bevölkerung und ihren Problemen handelt und für diese unberechenbar wird.

2.2.5. Menschenrechte

Um nicht nur den formellen, sondern den um Grundrechte erweiterten materiellen Rechtsstaat erfassen und messen zu können, müssen diese Rechte als Variable definiert und ihr Indikatoren zugeordnet werden. Die Grundrechte müssen, um der Definition des Rechtsstaates gerecht zu werden, in der Verfassung oder in Gesetzen eines Staates festgehalten und verbrieft sowie durch eine Ewigkeitsgarantie geschützt sein.[33] Die Grundrechte haben ferner die Aufgabe, die Exekutive und Legislative in ihrer Macht zu zügeln und den Rechtsstaat sowie die Judikative zu stärken. Die festzuhaltenden Grundrechte bestehen aus dem Recht auf Menschenwürde, freie Entfaltung der Persönlichkeit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit der Person, Gleichheit vor dem Gesetz, Glaubensfreiheit, Meinungs- und Versammlungsfreiheit und dem Petitionsrecht, das jedem die Möglichkeit bietet, den Rechtsweg zu einem unabhängigen Gericht zu bestreiten und somit die Einklagbarkeit der Grundrechte garantiert.[34] Neben den schon genannten Grundrechten müssen darüber hinaus soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte für die Mitglieder einer Gesellschaft bestehen. Alle bisher genannten Rechte müssen etabliert und durchgesetzt sein, ist dies nicht gegeben, müssen diese durch ein Petitionsrecht einklagbar, kontrollierbar und sanktionierbar sein.[35]

[...]


[1] Siehe Schoeller-Schletter, Verfassungstradition und Demokratieverständnis; Diagnóstico Institucional de la República del Paraguay, ausgearbeitet durch das Instituto Internacional de Gobernabilidad de Cataluña; Gros Espiell, Evolución Constitucional del Uruguay; Lösing, La justicia constitucional en Paraguay y Uruguay.

[2] Vgl. Lauth/Winkler, Methoden der Vergleichenden Politikwissenschaft, S. 60.

[3] Vgl. Nohlen, Vergleichende Methode, S. 509.

[4] Vgl. Nohlen, Vergleichende Methode, S. 511f.

[5] Vgl. Lauth/Winkler, Methoden der Vergleichenden Politikwissenschaft, S. 60.

[6] Vgl. Mateo Balmelli, El Desarrollo Institucional, S. 48; Darin spricht sich Mateo für 1870 als Datum für die erste paraguayische Verfassung aus. Uruguay hatte bereits 1830 die erste Verfassung, dieses Datum kommt als Grenze für den Untersuchungszeitraum jedoch nicht in Betracht, weil die Literatur und Datenlage für diese Zeit stark reduziert sind.

[7] Vgl. Rial, Población y Desarrollo de un pequeño país, S. 7 u. 18.

[8] Vgl. Gehring/Weins, Grundkurs Statistik für Politologen, S. 59f; Die Validität der Messung, also die Gültigkeit der inhaltlichen Aspekte, kann für den Begriff Rechtsstaat nicht anhand eines Testverfahrens überprüft werden, sondern muss während des Forschungsprozesses ständig auf ihre Richtigkeit hin kritisch betrachtet werden.

[9] Carothers, The Rule or Law Revival, S. 95-106.

[10] Vgl. Prillaman, The judiciary and democratic decay in Latin America, S. 3; Vgl. auch Diagnóstico Institucional de la República del Paraguay, S. 3.

[11] Vgl. Helfrich-Bernal, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Kolumbien, S. 139.

[12] Vgl. Zakaria, The Rise of Illiberal Democracy, S. 40f; Vgl. auch Schmidt, Wörterbuch zur Politik, S. 676f.

[13] Vgl. Nohlen, Politische Begriffe, S. 541; Vgl. auch Schmidt, Wörterbuch zur Politik, S. 808f; Vgl. ebenso Avernarius, Die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, S. 21f.

[14] Lauth, Rechtsstaat, Rechtssysteme und Demokratie, S. 31; Obwohl es größere Unterschiede vor allem zwischen dem britischen Rule of Law-Begriff und dem deutsch geprägten Rechtsstaatsbegriff gibt, werden hier die Begriffe Rule of Law und Rechtsstaat synonym verwendet; Vgl. dazu ebd., S. 32.

[15] Vgl. Dahl, Democracy and its critics, S. 221 u. 233; Vgl. auch Nohlen/Thibaut, Trotz allem: Demokratie, S. 5; Vgl. dagegen Merkel/Puhle, Von der Diktatur zur Demokratie, S. 13.

[16] Grundrechte sind ein Oberbegriff für Menschenrechte, die allen Menschen zustehen, und Bürgerrechte, die nur den Staatsangehörigen zustehen; Vgl. dazu Nohlen, Politische Begriffe, S. 239.

[17] Vgl. Madlener, Die Justiz als Garantin der Menschenrechte in Lateinamerika, S. 153ff; Die Unabhängigkeit der Justiz ist ein fester und häufig verwendeter Begriff sowie Merkmal der Rechtsstaatlichkeit. Die richterliche Unabhängigkeit entstand im 19. Jh. in Deutschland, um die Rechtspflegetätigkeit der Judikative vor Eingriffen der Exekutive (Monarchen) zu schützen. In Uruguay und Paraguay wurde diesem Argument gefolgt, wenn auch zeitlich etwas später in der Geschichte; Vgl. dazu Schmidt Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 339ff.

[18] Wie der Fall Chiles zeigt, kann die Polizeigewalt auch dem Militär unterstellt sein, was bedeutet, dass die Judikative in diesem Fall zum Teil vom Militär abhängt.

[19] Vgl. Schmidt, Wörterbuch zur Politik, S. 243.

[20] Vgl. Nohlen, Politische Begriffe, S. 336; Vgl. auch Transparency International, S. 6.

[21] Vgl. Lauth, Rechtsstaat, Rechtssysteme und Demokratie, S. 25; Vgl. auch Waldmann, Alternative Normensysteme zur staatlichen Rechtsordnung in Lateinamerika, S. 112f.

[22] Vgl. Buscaglia, Obstacles to Judicial Reform in Latin America, S. 2; Vgl. Prillaman, The judiciary and democratic decay in Latin America, S. 25f.

[23] Ein anderer Typ von Korruption, und weitaus negativer zu bewerten, wäre der Fall, wenn ein Vergehen gegen die Straßenverkehrsordnung nur von der Polizei als Vorwand vorgebracht würde, um Schmiergelder zu erpressen; Vgl. dazu Gaya Ledesma, Pautas para detectar la corrupción en el Sector Público, S. 63ff.

[24] Die hergeleiteten Schlüsselvariablen basieren teilweise auf der Grundlage von Prillamans Arbeit zum Rechtsstaat. Prillaman, der einerseits nur den formellen Rechtsstaat erfassen kann, weil er die Festsetzung der Grundrechte außer Acht lässt und anderseits der Berechenbarkeit lediglich teilweise Beachtung schenkt, definiert drei Schlüsselvariablen: Unabhängigkeit, Effizienz und Zugang; Vgl. dazu das zweite Kapitel bei Prillaman, The judiciary and democratic decay in Latin America, S. 15-38.

[25] Vgl. Prillaman, The judiciary and democratic decay in Latin America, S. 16f; Vgl. auch Beetham, International IDEA Handbook on Democracy Assessment, S. 64; Eine unabhängige Judikative fördert nach Ansicht von Feld/Voigt auch das wirtschaftliche Wachstum eines Landes Vgl. dazu Feld/Voigt, Economic Growth and Judical Independence, S. 1.

[26] Vgl. Schmidt, Wörterbuch zur Politik, S. 243; Die Effizienzvariable wird sich in dieser Arbeit auf die Definition von Schmidt stützen, der die Effizienz als eine Kosten-Nutzen-Abwägung der Zweck-Mittel-Relation sieht. Effizienz ist vorhanden, wenn bei gegebenen Aufwand ein Höchstmaß an Ertrag erreicht wird.

[27] Vgl. Prillaman, The judiciary and democratic decay in Latin America, S. 17f u. 27, Fußnote 14; Auf Seite 18 zitiert Prillaman Buscaglia, der dieses Problem als “uncontrolled variations” bezeichnet.

[28] Vgl. Ambos, Erscheinungsform der impunidad und Gegenmaßnahmen, S. 243.

[29] Vgl. Prillaman, The judiciary and democratic decay in Latin America, S. 18 u. 24f.

[30] Ein Stück weit bildet die Arbeit Prillamans die theoretische Grundlage für diese Arbeit. Doch Prillaman unterscheidet lediglich drei Schlüsselvariablen (Unabhängigkeit, Zugang und Effizienz). Diese Ansicht wurde hier aber nicht vertreten, sondern um zwei weitere Variablen ergänzt. Zum einen fehlt Prillaman für die Erfassung des materiellen Rechtsstaates eine Menschenrechtsvariable, zum anderen die Berechenbarkeit. Die Berechenbarkeitsvariable verschafft der Analyse des Rechtsstaates eine größere Trennschärfe der Variablen und den dazugehörigen Indikatoren. Ferner lässt sie die Indikatoren übersichtlicher und handhabbarer bzw. operationalisierbarer gestalten. Dabei sind Indikatoren zumeist aus der Effizienzvariable Prillamans herausgenommen und der Berechenbarkeit zugeschlagen worden, wie zum Beispiel nur vage ausformulierte und widersprüchliche Gesetze, die eine Inkohärenz der Gesetze anzeigen und die Prillaman von Edgardo Buscaglia übernommen hat; Vgl. hierzu Prillaman, The judiciary and democratic decay in Latin America, S. 18; Um den Unterschied zwischen Berechenbarkeit und Effizienz darzulegen, müssen nochmals die Ziele genauer betrachtet werden. Effizienz fokussiert hauptsächlich die Dauer der Verfahren. Dabei kann eingewandt werden, dass Inkohärenz von Gesetzen, zum Beispiel widersprüchliche Gesetze, auch die Dauer der Verfahren beeinflussen können. Dies ist nicht auszuschließen – Prillaman packt deshalb die Berechenbarkeit in die Effizienzvariable –, doch ist diese Wirkung zu vernachlässigen, weil die hier unter die Effizienzvariable fallenden Indikatoren wesentlicher und grundlegender auf die Dauer einwirken als etwa widersprüchliche Gesetze. Auch die klare Definition von Effizienz bezieht sich grundlegend auf die Kosten-Nutzen-Abwägung (Vgl. Schmidt, Wörterbuch zur Politik, S. 243), währenddessen bei widersprüchlichen Gesetzen sich ein klarer Bezug zur Berechenbarkeit feststellen lässt. Die hier vertretene Ansicht, dass Berechenbarkeit eine Schlüsselvariable für die politikwissenschaftliche Erfassung des Rechtsstaates darstellt, steht in der Forschungsliteratur nicht alleine. So stellt Schmidt die Berechenbarkeit, bei ihm Voraussehbarkeit, als Kernpunkt in seine Rechtsstaatsdefinition; Vgl. Schmidt, Wörterbuch zur Politik, S. 808. Wenn auch nicht vollkommen deckungsgleich, so hat auch David Beetham in seinem Beitrag zur Democratic Audit klargestellt, das „legal accountability“ für seine Arbeit eine Schlüsselvariable ist, um Demokratie und damit auch den darin enthaltenen Rechtsstaat zu definieren und zu messen; Vgl hierzu Beetham, Key Principles and Indices for a Democratic Audit, S. 29; Wie bei der Unabhängigkeitsvariable fördert ein funktionierender und berechenbarer Rechtsstaat die wirtschaftliche Entwicklung. Gesicherte Besitzrechte sind für Investoren und deren Planungssicherheit besonders wichtig; Vgl. dazu Feld/Voigt, Economic Growth and Judical Independence, S. 2.

[31] Vgl. Prillaman, The judiciary and democratic decay in Latin America, S. 18.

[32] Vgl. Maihold, Heilung durch Recht und Genesung vom Recht, S. 83 u. 86.

[33] Vgl. Nohlen, Politische Begriffe, S. 239ff.

[34] Vgl. Schmidt, Wörterbuch zur Politik, S. 387ff.

[35] Vgl. Diagnóstico Institucional de la República del Paraguay, S. 33.

Ende der Leseprobe aus 114 Seiten

Details

Titel
Der Rechtsstaat in Paraguay und Uruguay: Diagnose – Vergleich – Erklärungsversuch
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Note
2,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
114
Katalognummer
V64738
ISBN (eBook)
9783638574808
ISBN (Buch)
9783638770965
Dateigröße
882 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Magisterarbeit lässt sich in zwei Teilbereiche trennen. Zum einen: die Operationalisierung des Rechtsstaates allgemein und Diagnose des Rechtsstaates in Paraguay und Uruguay. Zum anderen: ein differenzmethodischer Vergleich. Die Magisterarbeit lässt sich in zwei Teilbereiche trennen. Zum einen: die Operationalisierung des Rechtsstaates allgemein und Diagnose des Rechtsstaates in Paraguay und Uruguay. Zum anderen: ein differenzmethodischer Vergleich. Die Magisterarbeit lässt sich in zwei Teilbereiche trennen. Zum einen: die Operationalisierung des Rechtsstaates allgemein und Diagnose des Rechtsstaates in Paraguay und Uruguay. Zum anderen: ein differenzmethodischer Vergleich.
Schlagworte
Rechtsstaat, Paraguay, Uruguay, Diagnose, Vergleich, Erklärungsversuch
Arbeit zitieren
Dietmar Klumpp (Autor:in), 2005, Der Rechtsstaat in Paraguay und Uruguay: Diagnose – Vergleich – Erklärungsversuch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64738

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