Staatsoberhäupter im Vergleich: Der Weimarer Reichspräsident und der Bundespräsident


Seminararbeit, 2006

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Unterschiede bei der Wahl des Staatsoberhaupts

2. Die Befugnisse des Staatsoberhaupts in Weimarer Reichsverfassung und Grundgesetz – Ein Vergleich
a. Die Notgesetzgebung
b. Das Parlamentsauflösungsrecht
c. Rechte in der Regierungsbildung

3. Der Bundespräsident – Repräsentations- und Integrationsfigur Zwei grundverschiedene Staatsoberhäupter (Schlussbetrachtung)

Literaturverzeichnis

Einleitung

Am 23. Mai 2004 wurde Prof. Dr. Horst Köhler von der Bundesversammlung zum neunten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Doch was bedeutet eigentlich der Bundespräsident für unser Land? Schaut man sich die Kompetenzen an, die ihm das Grundgesetz zuweist, so muss man feststellen, dass er im Vergleich zu den übrigen Staatsorganen Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung und Bundesverfassungsgericht den geringsten politischen Einfluss im Staat besitzt. In diesem Zusammenhang wird manchmal die Frage aufgeworfen, ob „die Republik einen Präsidenten braucht“?[1] Doch wo rührt diese Machtarmut her? Der Bundespräsident ist doch schließlich das Oberhaupt des Staates und man würde in seinem Amt wesentlich mehr politische Kompetenzen vermuten. In der deutschen Geschichte war dies nicht immer so. Im Gegensatz zum Bundespräsidenten besaß der Weimarer Reichspräsident, das Staatsoberhaupt der Weimarer Republik, nach der Weimarer Reichsverfassung weitaus mehr Macht und hatte umfangreichere Aufgaben zu erfüllen.

Die grundlegenden Unterschiede zwischen Weimarer Reichspräsident und Bundespräsident sollen auf den folgenden Seiten in einem Vergleich der beiden Staatsoberhäupter herausgearbeitet und analysiert werden. Inwiefern unterscheiden sich beide Staatsoberhäupter voneinander? Welche Befugnisse des Reichspräsidenten fielen an andere Staatsorgane bzw. wurden ganz gestrichen? Schränkte der Parlamentarische Rat das künftige deutsche Staatsoberhaupt bei der Ausarbeitung des Grundgesetzes bewusst ein? Wenn ja, was waren die Gründe hierfür? Darüber hinaus soll geklärt werden, welche Funktion der Bundespräsident heute noch im politischen System der Bundesrepublik Deutschland besitzt?

Die Arbeit ist so aufgebaut, dass zunächst einmal auf die Unterschiede bei der Wahl der beiden Staatsoberhäupter hingewiesen werden soll. Hierbei soll herausgearbeitet werden, warum der Bundespräsident von der Bundesversammlung und nicht vom Volk gewählt wird. Der zweite Punkt des Hauptteils beinhaltet den Vergleich des Weimarer Reichspräsidenten mit dem Bundespräsidenten. Es sollen die drei Hauptbefugnisse[2] des Weimarer Reichspräsidenten, nämlich die Notgesetzgebung, das Parlamentsauflösungsrecht und die Rechte in der Regierungsbildung, mit den entsprechenden Befugnissen verglichen werden, die nach dem Grundgesetz in den Aufgabenbereich des Bundespräsidenten fallen, bzw. nicht mehr zu dessen Befugnissen zählen. Schließlich endet der Hauptteil mit der Darstellung der einzigen Funktion, die vom Bundespräsidenten stärker ausgefüllt wird als vom Weimarer Reichspräsidenten. Zum Schluss werden die Ergebnisse des Hauptteils noch mal zusammengefasst und bewertet, sowie aufgeworfene Fragen beantwortet.

1. Unterschiede bei der Wahl des Staatsoberhaupts

„Der erste Reichspräsident ist von der Nationalversammlung gewählt worden. Der künftige Reichspräsident muß unbedingt vom Volke unmittelbar gewählt werden.“[3] Dies schrieb Max Weber in der Berliner Börsenzeitung vom 25. Februar 1919. Kurze Zeit vorher war Friedrich Ebert (SPD) durch die Nationalversammlung zum ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik gewählt worden. Max Weber zählte zu den unabhängigen Sachkennern, die den Berliner Staatsrechtler Hugo Preuß bei der Erfüllung seines von Ebert erhaltenen Auftrages, einen Verfassungsentwurf zu erstellen, unterstützten.[4] Er vertrat die Meinung, dass ein vom Volk gewählter Reichspräsident ein unvergleichlich höheres Ansehen genießen würde, als ein Reichspräsident, der seine Legitimität auf ein Parlament stützen würde.[5]

Die Frage, ob das künftige Staatsoberhaupt unmittelbar vom Volk oder vom Parlament gewählt werden sollte, war im Verfassungsausschuss zunächst heftig umstritten, doch entschied sich eine große Mehrheit für die Volkswahl des Reichspräsidenten, die „seiner Stellung gegenüber dem Reichstag Festigkeit und Unabhängigkeit geben“[6] sollte. Wählbar war nach Art. 41 II Weimarer Reichsverfassung (WRV) jeder Deutsche, der das fünfunddreißigste Lebensjahr vollendet hatte. Laut Art. 43 WRV betrug die Amtszeit sieben Jahre. Eine Wiederwahl war ausdrücklich und unbegrenzt zulässig.

Im Verlauf der weiteren Ausarbeitung der neuen Verfassung wurde immer deutlicher, wie das künftige Regierungssystem aussehen würde. Vom Papier her ein parlamentarisches System, in dem jedoch der Weimarer Reichspräsident, als „direkter Repräsentant der Volkssouveränität“, gegenüber dem Parlament eine gleichberechtigte, „unabhängige“ Rolle einnehmen sollte.[7] Gleichzeitig waren die plebiszitären Wurzeln, aus welchen das Amt des Weimarer Reichspräsidenten seine Legitimität bezog, notwendige Grundlage für die weit reichenden Funktionen, die seinem Amt zukamen.[8]

Nach Art. 54 I GG wird der Bundespräsident von der Bundesversammlung gewählt. Diese Bundesversammlung besteht nach Art. 54 III GG zur Hälfte aus den Mitgliedern des Bundestages und zur anderen Hälfte aus Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder gewählt werden. Es findet demnach keine Volkswahl des Bundespräsidenten statt.

Der für die Ausarbeitung des Grundgesetzes zuständige Parlamentarische Rat zog hierbei zum einen die Konsequenzen aus den beiden „missglückten“ Präsidentenwahlen der Weimarer Republik in den Jahren 1925 und 1932.[9] Denn 1925 wurde mit Paul von Hindenburg eine Person zum Reichspräsidenten gewählt, „die dem politischen Denken der republiktragenden Kräfte sehr fern stand“[10]. Im Jahre 1932 wurde er dann wieder gewählt, weil ihn die demokratischen Kräfte unterstützten, um einen Reichspräsidenten Adolf Hitler zu verhindern. Also wurde ein „Antidemokrat“ unterstützt, um einen noch „schlimmeren Antidemokraten“ an der Spitze des Staates zu vermeiden.

Zum anderen wurde eine Volkswahl aufgrund der geringen Kompetenzen abgelehnt, welche man dem Bundespräsidenten zuweisen wollte. Der Bundespräsident sollte sich auf keine vom Bundestag „unabhängige Legitimationsquelle“[11] stützen. Da man ihm jedoch ein breites Fundament geben wollte, kam auch nicht nur der Bundestag für die Wahl in Frage. Auf diese Weise hätte man den angestrebten Föderalismus übergangen. Also musste eine Lösung gefunden werden, die sowohl das „demokratische“ als auch das „föderalistische Prinzip“ in sich vereinte. Man einigte sich auf das Organ der Bundesversammlung.[12]

Gemäß Art. 54 II GG dauert das Amt des Bundespräsidenten fünf Jahre. Eine anschließende Wiederwahl ist nur einmal zulässig. Die Amtszeit des Bundespräsidenten wurde somit um zwei Jahre verkürzt, sodass sie nur noch um ein Jahr länger ist als die parlamentarische Wahlperiode. Auf diese Weise sollte „ein gleichzeitiges Ende der präsidialen Amtsperiode und der parlamentarischen Wahlperiode möglichst unwahrscheinlich“ gemacht werden, um den Bundespräsidenten nicht bei der Wahrnehmung seiner Vermittlerfunktion bei der Regierungsbildung zu stören.[13] Eine anschließende Wiederwahl ist im Gegensatz zu Weimar nur einmal zulässig. Diese Tatsache resultiert ebenfalls aus der Absicht des Parlamentarischen Rates, den Bundespräsidenten in seinen Befugnissen einzuschränken und monarchische Elemente in der Präsidentenstellung auszumerzen.[14] Ob eine spätere Wiederwahl möglich ist, wenn zwischen den ersten beiden Amtsperioden und der Wiederwahl eine Wahlperiode eines anderen Bundespräsidenten liegt, ist umstritten.[15]

Doch gibt es in Weimarer Reichsverfassung und Grundgesetz nicht nur Unterschiede bei der Wahl des Staatsoberhaupts, sondern auch bei deren Befugnissen. So legt sich der Politikwissenschaftler Theodor Eschenburg beispielsweise darauf fest, dass Hitler, „wäre er 1932 zum Reichspräsidenten gewählt worden, infolge der mit diesem Amt verbundenen Befugnisse, schon damals die Macht hätte ergreifen können“.[16]

2. Die Befugnisse des Staatsoberhaupts in Weimarer Reichsverfassung und Grundgesetz

a. Die Notgesetzgebung

Gemäß Art. 48 II WRV war der Weimarer Reichspräsident im Ausnahmefall dazu befugt, Maßnahmen zu ergreifen, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung wiederherzustellen. Zu diesen Maßnahmen zählte zum einen das Eingreifen mit militärischen Mitteln. Diese Möglichkeit bestand, da der Weimarer Reichspräsident den Oberbefehl über die Reichswehr besaß. Zum anderen konnte er nach Art. 48 II 2 WRV bestimmte Grundrechte, wie das Recht auf persönliche Freiheit (Art. 114 WRV) oder die Meinungsfreiheit und damit insbesondere die Pressefreiheit (Art. 118 WRV), vorübergehend außer Kraft setzen.[17] Der Reichstag besaß nach Art. 48 III 2 WRV das Kontrollrecht und war dazu berechtigt, die Aufhebung der Notverordnungen zu verlangen. Der Art. 48 WRV sollte als eine Regelung sowohl bei Unruhen und Katastrophen als auch bei Aufständen und Hungersnöten Anwendung finden.[18]

Doch wurde die Anwendung der Notstandsbestimmung im Ausnahmefall in der ersten Hälfte der 20er Jahre, in der das Land schwere innen- und außenpolitische Krisen zu bewältigen hatte, zum Regelfall. Unter Reichspräsident Ebert wurden von Oktober 1919 bis Januar 1925 in insgesamt 136 Fällen aufgrund des Art. 48 II WRV Verordnungen erlassen.[19] Das Ende dieser ersten Welle von Notverordnungen trat fast zeitgleich mit der Amtsübernahme Hindenburgs im April 1925 ein. Doch kann man dies nicht seiner Person anrechnen, sondern vielmehr der Tatsache, dass sich die Zustände im Landesinneren zu dieser Zeit bereits gefestigt hatten. In den folgenden fünf Jahren sollte keine einzige Verordnung mehr aufgrund des Art. 48 II WRV erlassen werden.[20] Dies änderte sich im Juli 1930, als die Reichstagsmehrheit Gesetzesinitiativen der Reichsregierung Brüning zur Sanierung der Haushalte der öffentlichen Körperschaften ablehnte. Daraufhin wurden die Gesetzesvorlagen per Notverordnung durchgesetzt.[21]

[...]


[1] Josef Isensee: Braucht die Republik einen Präsidenten?, in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1994,

S. 1329-1330.

[2] Friedrich Karl Fromme: Von der Weimarer Verfassung zum Bonner Grundgesetz. Die verfassungspolitischen

Folgerungen des Parlamentarischen Rates aus nationalsozialistischer Diktatur, 3. Aufl., Berlin 1999, S. 152.

[3] Max Weber: Der Reichspräsident, in: Johannes Winckelmann (Hrsg.): Gesammelte politische Schriften,

3. Aufl., Tübingen 1971, S. 498.

[4] Karl Dietrich Bracher: Deutschland zwischen Demokratie und Diktatur, München 1964, S. 24.

[5] Max Weber: Deutschlands künftige Staatsform, in: Johannes Winckelmann (Hrsg.): Gesammelte politische

Schriften, 3. Aufl. Tübingen 1971, S. 449.

[6] Gerhard Anschütz: Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919. Ein Kommentar für

Wissenschaft und Praxis, 14. Aufl., Berlin 1933, S. 244.

[7] Bracher: Deutschland zwischen Demokratie und Diktatur, S. 25.

[8] Fromme: Von der Weimarer Verfassung zum Bonner Grundgesetz, S. 60.

[9] Hermann von Mangoldt: Das Bonner Grundgesetz, Berlin u. Frankfurt 1953, S. 296.

[10] Willoweit: Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 374.

[11] v. Beyme: Das politische System, S. 304.

[12] Hartmut Maurer: Staatsrecht I. Grundlagen, Verfassungsorgane, Staatsfunktionen, 4. Aufl., München 2005,

§ 15 Rn. 6, 7.

[13] Fromme: Von der Weimarer Verfassung zum Bonner Grundgesetz, S. 59-60.

[14] v. Mangoldt: Bonner Grundgesetz, S. 304.

[15] Vgl. Ulfried Hemmrich: Art. 54 GG, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.): Grundgesetzkommentar.

Band II, Art. 21 bis Art. 69, 5. Aufl., München 2001, Rn. 9.; Maurer: Staatsrecht I, § 15 Rn. 9.

[16] Theodor Eschenburg: Staat und Gesellschaft in Deutschland, 2. Aufl., Stuttgart 1956, S. 171.

[17] Hans Schneider: Die Reichsverfassung vom 11. August 1919, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.):

Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd.I, 3. Aufl., Heidelberg 2003, § 5 Rn. 65, 67.

[18] Fromme: Von der Weimarer Verfassung zum Bonner Grundgesetz, S. 125.

[19] Vgl. Tabelle bei: Fritz Poetzsch-Heffter: Vom Staatsleben unter der Weimarer Verfassung, Teil I, in: JöR 13

(1925), S. 141-147.

[20] Fritz Poetzsch-Heffter: Staatsleben, Teil III, in: JöR 21 (1933/34), S. 127.

[21] Fromme: Von der Weimarer Verfassung zum Bonner Grundgesetz, S. 130-131; Vgl. Staatsleben III, S. 127.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Staatsoberhäupter im Vergleich: Der Weimarer Reichspräsident und der Bundespräsident
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
18
Katalognummer
V64945
ISBN (eBook)
9783638576284
ISBN (Buch)
9783638753531
Dateigröße
475 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Staatsoberhäupter, Vergleich, Weimarer, Reichspräsident, Bundespräsident, Grundgesetz, Verfassung, Parlamentarischer Rat
Arbeit zitieren
Manuel Limbach (Autor:in), 2006, Staatsoberhäupter im Vergleich: Der Weimarer Reichspräsident und der Bundespräsident, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64945

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