Die Zeugen Jehovas als Körperschaft des öffentlichen Rechts?


Seminararbeit, 2002

22 Seiten, Note: 12 Punkte


Leseprobe


Gliederung

A. Methodik
I. Methodische Probleme
1) Quellen
2) Selbstverständnis
a) Schwerpunkt der Quellenkritik
b) Schwerpunkt der Arbeit
c) Grundsatz
3) Vorgehensweise
II. Rechtslage in Berlin

B. Zeugen Jehovas - geschichtlicher Überblick
I. Gestalt
II. Lehre

C. Gutachten
I. Anspruch der ZJ
1) Geschriebene Kriterien
a) Antrag
b) Verfassung
c) Mitgliederzahl
d) Gewähr der Dauer
2) Erfüllung
II. Ungeschriebene Kriterien
1) Anerkennungswürdigkeit
2) Rechtstreue
III. Präzisierung
1) Enger Begriff
a) Gewissensvorbehalt
b) Problemfelder
aa) Geistig-geistliche Einflußnahme
aaa) Isolation
bbb) Sanktionen
ccc) Überwachungssystem
bb) Arten der Einflußnahme
aaa) Elterliches Sorgerecht
bbb) Kindeswohl
ccc) Ghettoisierung
cc) Persönlichkeitsrecht des Kindes
c) Keine Rechtstreue
2) Beschränktes Loyalitätsmaß
a) Bewertung von Rechtsverstößen
b) Gewissensvorbehalt
aa) Transfusionsfrage
bb) Arbeits- und Sozialrecht
cc) Datenschutz
c) Rechtstreue gegeben
3) Undemokratische Grundüberzeugung
a) Beleihung mit hoheitlichen Befugnissen
b) Mangelndes Verantwortungsbewußtsein
c) Kein Anspruch auf Körperschaftsrechte

Literaturverzeichnis in Auswahl

Glockenthin, Gajus/ Pikl, Armin Jehovas Zeugen als Körperschaft des Öffentlichen Rechts

Huster, Stefan Körperschaftsstatus unter Loyalitätsvorbehalt? - BVerfG NJW 1997, 2396 in: JuS 98, S. 117

Isensee, Josef/ Kirchhof, Paul (Hrsg.) Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I u. II 1987, Bd. III 1988, Bd. IV 1990, Bd. VI 1989, Bd. V u. VII 1992, Bd. VIII 1995, Bd. IX 1997 (zitiert: Bearbeiter in HbStR)

Künz, Günter in: Der Wachtturm. Bd. 119, Nr. 20

ders. in: Erwachet! Bd. 75, Nr. 20

ders. in: Erwachet! Bd. 75, Nr. 17

ders. in: Erwachet! Bd. 75, Nr. 8

ders. in: Erwachet! Bd. 75, Nr. 4

Link, Christoph Zeugen Jehovas und Körperschaftsstatus in: ZevKR Bd. 43, S. 1

Listl, / Pirson, Dietrich (Hrsg.) Handbuch des Staatskirchenrechts, 2. Auflage, Bd. I 1994, Bd. II (zitiert: Bearbeiter in HdbStKR)

Maunz, / Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Stand 1998

Müller-Volbehr, Jörg Rechtstreue und Staatsloyalität: Voraussetzungen für die Verleihung des Körperschaftsstaus an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften? in: NJW 97, 3358

Sachs, Michael Anerkennung einer Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen rechts (hier: Zeugen Jehovas) in: JuS 98, S. 452

Templeton, Ramon in: Der Wachtturm. Bd. 122, Nr. 16

ders. in: Der Wachtturm. Bd. 122, Nr. 10

ders. in: Der Wachtturm. Bd. 120, Nr. 20

Wachtturm Bibel- und Traktatgesellschaft

der Zeugen Jehovas e.V.,Religionsgemeinschaft

der Zeugen Jehovas in Deutschland (Hrsg.) Kindeswohl und Elternverantwortung - Wenn ein Elternteil Zeuge Jehovas ist. Selters/ Taunus, 2000

dies. Jehovas Zeugen - Wer sind sie? Was glauben sie? Selters/ Taunus, 2001

dies. Jehovas Zeugen - Menschen aus der Nachbarschaft. Wer sind sie? Selters/ Taunus, 1995

dies. Lila Winkel - die „vergessenen Opfer“ des NS-Regimes. Die Geschichte eines bemerkenswerten Widerstandes. Begleitheft zur Ausstellung. Selters/ Taunus, 1999

Weber, Hermann Körperschaftsstatus für die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland? in: ZevKR Bd. 41, S. 172

Zeugen Jehovas als Körperschaft des öffentlichen Rechts?

A. Methodik

I. Ein Gutachten zu den Zeugen Jehovas als Körperschaft des öffentlichen Rechts stößt vorab auf grundlegende methodische Probleme:

1) Fraglich ist zunächst, anhand welcher Quellen eine sachgerechte Beurteilung erfolgen soll. Bereits in den Gutachten von Glockentin/ Pikl und Link[1] wird ausgeführt, daß ein Hauptproblem in der Zusammenstellung glaubwürdigen Quellmaterials zu sehen ist. Es liegt dabei in der Natur der Sache, daß die Masse des überhaupt greifbaren Materials durch Parteiinteressen geprägt ist. Auf seiten der Zeugen Jehovas stellte sich das Problem ein, daß aufschlußreiche oganisationscharakterisierende Schriften und Anweisungen gleichsam als Verschlußsachen für den Dienstgebrauch behandelt werden, und deshalb dem Verfasser nicht zugänglich waren. Daraus resultiert eine Asymmetrie der Quellenverwertung, die sich bei den Zeugen Jehovas nur auf das bereitwillig zur Verfügung gestellte Material stützen konnte.

2) Die Frage nach dem theologischen Selbstverständnis der Zeugen Jehovas kann hingegen rasch beantwortet werden. „Andere“ als die sog. altkorporierten Religionsgemeinschaften im Sinne des Art. 140 GG iVm Art. 137 V 2 WRV müssen sich dem Nachweis der Religions-, resp. Weltanschauungsgemeinschaft unterziehen. Bestimmend für Religionsgemeinschaften ist dabei, daß der Personenzusammenschluß „das Weltganze universell zu begreifen und die Stellung des Menschen in der Welt aus dieser umfassenden Weltsicht zu erkennen und zu bewerten suchen sowie diese Übereinstimmung umfassend bezeugen und danach handeln wollen (soll)“[2]. Liegt „nach aktueller Lebenswirklichkeit, Kulturtradition und algemeinem (...) Verständnis“[3] offen zutage, daß ein den Menschen als Individuum umfassendes transzendentes Bekenntnis die Stellung des Menschen im Weltgefüge bestimmt[4], so kann ohne weiteres vom Religionscharakter einer Gesellschaft ausgegangen werden[5]. Zeugnisse der religösen Konkurrenz und von Aussteigern können dagegen nur in untergeordnetem Maß in die wertende Gesamtschau einfließen.

a) Die Argumentation aller Religionsgemeinschaften leitet sich von den als für das Wesen der Gemeinschaft grundlegend empfundenen Zeugnissen ab[6]. Vorliegend ist das die Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift. Gleichwohl können die theologischen Implikationen dieser Bibelübersetzung nicht maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Religionsgemeinschaft sein[7]. Von Bedeutung für die Antragsberechtigung der Zeugen Jehovas muß vielmehr die von dem Bibelstudium abgeleitete, publizierte Handlungsanweisung an die Angehörigen der Religionsgemeinschaft sein. Verfassungsrechtliche Prüfung hat sich folglich schwerpunktmäßig auf die publizierten Quellen zu konzentrieren; daß dabei auf interne Quellen nur indirekt zugegriffen werden kann, wurde bereits deutlich gemacht. Daraus und in Verbindung mit einer wertenden Gesamtschau muß sich die verfassungsrechtlich eindeutige Kategorisierung als Religionsgemeinschaft ableiten lassen[8].

b) Es ist bei der Prüfung aus Gründen der Arbeitsökonomie nur auf die umstrittenen Fragen einzugehen. Streitig ist insbesonders, inwieweit ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzungen bestehen und gegebenenfalls von den Zeugen Jehovas erfüllt werden - müssen. Über die geschriebenen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen zur Antragsberechtigung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften bezüglich der Erfüllung dieser speziellen Kriterien durch die Zeugen Jehovas besteht hingegen weitestgehend, und folglich nur kurz darzustellende, Einigkeit. Insofern kann auch mit VG Berlin davon augegangen werden, daß der Fortbestand einer westdeutschen Niederlassung kein Zulässigkeitshindernis darstellt[9].

c) Abschließend ist der einhellig vertretene[10] Grundsatz zu beachten, daß dem Staat nicht eine Qulifizierungsaufgabe der theologischen Grundaussagen zukommt. Inwiefern die Annahme bestimmter innerer Ordnungskriterien damit kollidieren könnte, ist noch zu zeigen.

3) Die im folgenden Gutachten gewählte Vorgehensweise wird diese methodischen Probleme zu berücksichtigen haben. Dabei wird Wert gelegt auf eine enge Orientierung an den vorliegenden Quellmaterialien. Eingeleitet wird das Gutachten von einem Kurzüberblick zu den Zeugen Jehovas. Der Streitverlauf wird geschildert-. Während im Vortrag zum Rechtsgutachten des Berliner Senats zur Vorlage beim BVerwG die wesentlichen Punkte gegen die Zulässigkeit erläutert werden, um im unmittelbar folgenden Schritt Kriterien für die Verortung der Zeugen Jehovas ableiten zu können, stellt die Erwiderung des Prozeßvertreters der Zeugen Jehovas deren nachzuprüfende Sicht dar. Die Selbsteinschätzung der Zeugen Jehovas ist im wesentlichen den Ergebnissen der Gutachten von Weber[11], das im Verfahren vor dem OVG Berlin vorgelegt wurde, und Pikl/Glockentin[12], das eine Erwiderung auf die Veröffentlichung von Link[13] darstellt, zu entnehmen. Publikationen der Zeugen Jehovas müssen gegebenenfalls[14] mit Blick auf ihre beabsichtigte Wirkung bei der Auslegung in den Hintergrund treten. Die Argumentation der Zeugen Jahovas ist abschließend mit der des Berliner Senats abzugleichen.

II. Auf die Rechtslage in Berlin und bis zum Inkrafttreten des Einigungsvertrags kann nur am Rande hingewiesen werden. Vorliegend soll von einer bereinigten Antragssituation ausgegangen werden, in deren Rahmen geprüft wird, ob im Sinne des hilfsweise vor dem VG Berlin gestellten Verpflichtungsbegehrens[15] ein Rechtsanspruch auf Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts besteht.

B. Zeugen Jehovas - geschichtlicher Überblick

I. Die Zeugen Jehovas wurden 1881 von Charles Taze Russel in USA als Zion’s Watch Tower Tract Society gegründet. Am 15.12 1884 erfolgte die öffentliche Eintragung im Staate Pennsylvania. Seit 1897 sind Angehörige der Organisation in Deutschland tätig, seit 1902 gibt es ein deutsches Zweigbureau. 1926 wurde die Internationale Bibelforscher-Vereinigung, Deutscher Zweig gegründet, 1927 erfolgte die Eintragung als gemeinnütziger Verein im Vereinsregister des Amtsgerichts Magdeburg. Verbote erfolgten in der zeit des Dritten Reichs und, nach der Neugründung im September 1945, wiederum in Magdeburg, auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR (31.8.1950). In der Bundesrepublik wurde daraufhin die Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft, Deutscher Zweig e.V. gegründet. Am 14.3.1990 übersandte der Ministerrat der DDR - Amt für Kirchenfragen - eine staatliche Anerkennungsurkunde. Diese verlieh Rechtsfähigkeit und die Legitimation, auf der Grundlage des Art. 39 II VerfDDR ihrer Tätigkeit in voller Freiheit nachzugehen. Die Zeugen Jehovas sind der Auffassung, damit Körperschaftsrechte erworben zu haben, jedenfalls aber seit dem Einigungsvertrag ein Recht auf Anerkennung zu besitzen[16].

II. Die Zeugen Jehovas sind eine streng dualistische, eschatologisch ausgerichtete Glaubensgemeinschaft. Ihrer Auffassung nach ist alles Leid in der Welt ein Werk Satans, der die Menschen gegen Gott führen will. Allein die Abkehr von der Welt und die Hinwendung zu Gott gemäß den Worten der Bibel ermögliche die Erlangung des Paradieses nach dem alles vernichtenden Harmageddon. Auf die Einhaltung der biblischen Lehre gemäß der von einer „Glaubenskongregation“ geschaffenen Lehr- und Lernbücher wird im Rahmen eines straffen, zentralistisch und autoritären Predigtdienstes besonderer Wert gelegt. Jede Beschäftigung mit weltlichen Fragen, sofern sie nicht der reinen Daseinsvorsorge dienen, wird als überflüssig verworfen. Zeugen Jehovas lehnen die Kindstaufe ab. Nur die eigene freie Willensbildung im Sinne eines Wissens und Wollens könne zu der Einsicht führen, mit der Taufe und dem lebenslangen Dienst ad maiorem die gloriam das Heil erlangen zu können.

[...]


[1] Während Pikl/Glockentin den Wert von Aussagen der religiösen Konkurrenz und von Aussteigern kritisch hinterfragen (S. 3f. des Gutachtens), stellt Link auf eine Diskrepanz zwischen Eigendarstellungen der Zeugen Jehovas in Schriften für den internen Gebrauch und solchen für die Öffentlichkeit ab (ZevKR Bd. 43, S. 3f.).

[2] Kirchhof in: HdbStKR I, S. 651 (680)

[3] BVerfGE 83, 341 (353)

[4] Weber, Gutachten, S. 194

[5] BVerfGE 19, 129 (135); VG Berlin NVwZ 94, 610 (611); OVG Berlin NVwZ 96, 478 (479f.)

[6] OVG Münster NVwZ 91, 176 (178); BVerwGE NJW 92, 2497

[7] BVerfGE 83, 341 (353); NVwZ, 93, 357 (358) Weber, ZevKR Bd. 34, 309 (346f); Weber, Gutachten, S. 194; Link, Gutachten

[8] i.E. auch BVerwG NJW 97, 2396 (2398)

[9] NVwZ 94, 610

[10] BVerfGE NJW 72, 1183; Glockentin, Gutachten, S. 11;

[11] nachfolgend: Weber, Gutachten. Veröffentlicht in: ZevKR 41, S. 172ff

[12] nachfolgend: Glockentin, Gutachten. Veröffentlicht in:

[13] nachfolgend: Link, Gutachten. Veröffentlicht in: ZevKR 43, S. 1ff.

[14] sofern der Zweck nicht schwerpunktmäßig rechtliche Aufklärung, sondern bibelexegetische Untermauerung der vertretenen religiösen Ansicht ist

[15] VG Berlin NVwZ 94, 609

[16] nach: Jehovas Zeugen. Wer sind sie? Was glauben sie? Selters/Ts. 2001; VG Berlin NVwZ 94, 609

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Zeugen Jehovas als Körperschaft des öffentlichen Rechts?
Hochschule
Westfälische Wilhelms-Universität Münster  (Westfälische Wilhelms Universität Münster)
Veranstaltung
Aktuelle Fragen des Verwaltungs- und Verfassungsrechts
Note
12 Punkte
Autor
Jahr
2002
Seiten
22
Katalognummer
V6554
ISBN (eBook)
9783638140966
Dateigröße
409 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zeugen, Jehovas, Körperschaft, Rechts, Aktuelle, Fragen, Verwaltungs-, Verfassungsrechts
Arbeit zitieren
Boris Maskow (Autor:in), 2002, Die Zeugen Jehovas als Körperschaft des öffentlichen Rechts?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6554

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