Bedeutung und ethische Konsequenzen sportlicher Höchstleistungen im Kindes- und Jugendalter


Hausarbeit, 2004

13 Seiten, Note: 1,7

Meike Hentschel (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Verständnis von Kindheit

3. Äußere Einflüsse – Eltern, Trainer und Gesellschaft

4. Lebensbedingungen und -inhalte

5. Pro und Contra des Kinderhochleistungssports

6. Pädagogische Verantwortung

7. Vorschläge für einen humaneren Kinderhochleistungssport

8. Schluss

1. Einleitung

Immer wieder tauchen in den Medien Berichte aus dem Leistungssport über „geschundene“ und „gepeinigte“ Kinder auf[1]. Besonders betroffen sind Kinder, die in kompositorischen Sportarten wie Kunstturnen, Rhythmische Sportgymnastik, Eiskunstlauf etc. aktiv sind. Der Kinderhochleistungssport ist nicht erst in den letzten Jahren ein kontrovers diskutiertes Thema geworden. Diese Thematik wird schon seit etlichen Jahren aufgeworfen und immer wieder von Kritikern angegriffen, sowie von Befürwortern verteidigt. Im Diskurs um den Kinderleistungssport geht es den Kritikern immer darum, die Gefahren für die jungen Akteure zu verdeutlichen.

Die Befürworter (deren Anzahl deutlich zurückgeht) wollen die sich dadurch eröffnenden Möglichkeiten aufzeigen. Die Äußerungen derjenigen, die den Kinder­höchstleistungssport ablehnen, reichen von „Leistungsknecht“, „Muskelmaschine“ und „Leistungsroboter“ bis hin zu einem „Mängelwesen mit Orientierungslosigkeit“. Im Gegenzug sprechen die Befürworter davon, dass dem Kind neue Möglichkeiten aufgezeigt werden um Erfahrungen zu sammeln und somit ihre Kindheit intensiv auszuleben.

Diese Arbeit beschäftigt sich zunächst mit den Argumenten der Befürworter des Kinderhochleistungssport und denen, die diese Art von Sport ablehnen. Weiterhin zeigt sie Kompromisse, Möglichkeiten und Lösungsvorschläge, mit denen der Hochleistungssport für beide Parteien zufriedenstellend ausgeübt werden kann.

2. Das Verständnis von Kindheit

Kindheit, wie wir sie heute erleben (dürfen), gab es nicht immer.

Die Stellung des Kindes in der Gesellschaft hat sich im letzten Jahrhundert gravierend verändert. Den Kindern wurde eine lange Zeit stetig wachsender Schonraum eingerichtet, der sie von den Bereichen des Erwachsenenlebens fernhalten, und ihnen eigene Inhalte zuweisen sollte. Eine klare Definition der Begriffe Kind oder Kindheit ist aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich. Einerseits wird Kindheit durch eine Vielzahl an Faktoren bestimmt, die außerdem ständiger Veränderung unterliegen. Andererseits verhindert die Anerkennung des Individuums eine `Vereinheitlichung´ des Kindes. Das Kind gibt es nicht.

Jedes Kind unterscheidet sich durch seine Individualität von anderen Kindern. Allerdings finden sich einige Gemeinsamkeiten bei Heranwachsenden, die den Begriff Kind prägen[2].

Zum einen befinden sich Kinder in einem dauernden und unaufhörlichen Prozess der Veränderung - sowohl in physischer als auch in psychischer Hinsicht. Zum anderen haben Kinder im Vergleich zu Erwachsenen einige Mängel, die in der Entwicklung immer mehr zurücktreten.

Diese sind erst einmal die kognitiven Fähigkeiten. Das heißt, sie verfügen über weniger Wissen und Erfahrung und haben weniger Verständnis und Überblick bei Urteilen und Entscheidungen. Dann ist die Persönlichkeit weniger ausgeprägt bzw. die Ich-Identität. Das meint, dass Kinder Unsicherheiten in Bezug auf die eigene Person und die soziale Rolle haben. Auch sind Kinder sind im Hinblick auf Schutz, Erziehung und Ausbildung abhängig von Erwachsenen. Kinder haben spezielle Sorgen und Probleme: sowohl ihr biologisches Wachstum als auch die emotionalkognitive Entwicklung stellt sie immer wieder vor komplizierte Erkenntnisse.

3. Äußere Einflüsse – Eltern, Trainer und Gesellschaft

Aufgrund des hohen Kenntnis- und Erfahrungsgefälles sind Kinder von Bezugspersonen leicht manipulierbar. Sie folgen in ihrem Drang nach Expansion des eigenen Erfahrungshorizontes und der Unkenntnis von Schädigungsmöglichkeiten unbedenklich den Anweisungen der Erwachsenen. Sie liefern sich willig überfordernden Trainingsprogrammen aus, da sie ihre eigenen Fähigkeiten noch nicht einschätzen können.

Meist geht der erste Antrieb zum Leistungssport von den Eltern aus.

Durch Erfolge des Kindes werden sie für ihre Investitionen belohnt. Versagt das Kind jedoch, kann dies zu Schuldgefühlen beim Kind führen, oder zu einer Störung des Eltern-Kind-Verhältnisses. Andere Kinder kommen durch Sichtungs- und Förderungsprogrammen zum Hochleistungssport oder erhalten den Zugang durch Freunde und Bekannte. Sobald sich beim Kind überdurchschnittliche Begabungen zeigen, versuchen viele Eltern ihr Kind für eine leistungssportliche Karriere zu begeistern.

Das Eltern-Kind-Verhältnis ist der Schlüssel zu einem vernünftigen Leistungssport. Dieses Verhältnis ist von großer Bedeutung für die sportliche und persönliche Entwicklung des Kindes.[3]

Der Trainer bietet dem Sportler eine Summe an Erfahrungen, die er selbst gar nicht gewinnen kann. Indem der Trainer den Sportler entlastet, übernimmt er zugleich auch die geistige Führung über die Leistungsentwicklung seines Schützlings. Der Trainer bestimmt, wann, was und wie viel trainiert werden muss, um Erfolge zu garantieren.

Um im Hochleistungssport hochrangige Ziele zu erreichen, müssen die jungen Athleten viel Zeit und Kraft investieren. Neben der Schule und dem Training bleibt wenig Zeit für andere Dinge. Denn der Trainingsaufwand liegt zwischen 10 und 30 Stunden in der Woche. Hinzu kommt noch die wöchentliche schulische Belastung von ca. 30 Stunden sowie die langen An- und Abfahrtswege zwischen den verschiedenen Institutionen.

Diese Doppelbelastung strukturiert das Leben der Kinder.

Es muss eine genaue Organisation des Tages, der Woche, sogar des Monats vorgenommen werden. Alles muss geplant werden, sogar die Freizeit, das Mittagessen, soziale Interaktionen etc. Der Trainer unterliegt jedoch einer sozialen Kontrolle der Gesellschaft durch die das individuelle Handeln stark eingeschränkt wird. Die Gesellschaft erwartet, dass der Trainer den Athleten durch optimales Training zu absoluten Höchstleistungen treibt. Für den Trainer ist der Erfolg des Athleten eine Präsentation seiner eigenen Leistung. Der Trainer versucht, ohne Rücksicht auf das außersportliche Interesse des Sportlers und dessen Gesundheit die Leistung zu steigern. Nun stellt sich aber die Frage, inwieweit hier noch eine Erziehung durch Sport möglich sein soll.

Meist wird die Erfolgsbilanz des Sportlers nämlich von Eltern und Trainer benutzt, um die Richtigkeit des Vorgehens zu rechtfertigen.[4]

Es wird angenommen, dass das, was die Gesellschaft will also Selbstdarstellung durch sportliche Leistung auch zum Guten des Kindes sei. Das heißt, das was die Gesellschaft erwartet, müsste eigentlich im Kind als Bedürfnis angelegt sein. Auch gesellschaftliche Institutionen versuchen kindliche Aktivitäten in bestimmte Richtungen zu lenken.

So ist Schule ebenso ideologischen, gesellschaftlichen und politischen Vorstellungen ausgesetzt, wie auch der Sport den aktuellen Gegebenheiten Rechnung tragen muss. Einer dieser Gegebenheiten ist die Tendenz der Vorverlagerung des Höchstleistungsalters, was wiederum eine

Vorverlagerung des Trainingsbeginns nach sich zieht.

Die materielle Unterstützung der Spitzensportler (Lebensunterhalt, notwendige Zeitbudget für Ausbildung) unterliegt der Dialektik von Zwang und Freiheit. Entlastung durch gesellschaftliche Institutionen bedeutet aber, dass andere über die Zeit des Sportlers verfügen. Das Tauschgeschäft von Zeit und Geld macht Sportler abhängig. Sie unterliegen dem Zwang, den Erwartungen der Gesellschaft zu entsprechen und Wettkämpfe auch wahrzunehmen. Das Kind, das Hochleistungssport betreibt, wird permanent kontrolliert und leidet unter zunehmendem Verlust seiner Autonomie.[5]

4. Lebensbedingungen und -inhalte

Starkes leistungssportliches Engagement kann dazu führen, dass Kinder sich fast nur noch an den kontrollierten Orten Elternhaus, Schule und Trainingsstätte aufhalten.[6] Oftmals werden nicht nur schulische Veranstaltungen (Projekte, Klassenfahrten, o.ä.), sondern auch der `normale Unterricht´ durch leistungs­sportliche Verpflichtungen gestört:

„Aus dem zeitaufwendigen und belastenden hochleistungssportlichen Engagement ergeben sich für die alltägliche Lebensführung erhebliche Abstimmungsprobleme mit den sportexternen Lebensbereichen, zumal auch andere Lebensbereiche (wie etwa die schulische und berufliche Ausbildung) hochgradig institutionalisiert, wenig zeittolerant und in ihren Anforderungsstrukturen nicht ohne weiteres mit denen des Hochleistungssports kompatibel sind.“[7]

Auch die Entwicklung außersportlicher Interessen kommt meistens zu kurz, da oft sowohl der Freundeskreis als auch (zumindest ein Teil der) Eltern aus dem (Leistungs-) Sport kommen. Die größte Gefahr in diesem Zusammenhang scheint mir die Institutionalisierung von Lebensführung und Lebenslauf leistungssport­treibender Kinder zu sein.

[...]


[1] DER SPIEGEL, 43/1994 und 52/1994

[2] Weischenberg, Katharina: Kindheit im modernen Hochleistungssport, S. 61

[3] Franke, Elk: Bedeutung und ethische Konsequenzen sportlicher Höchstleistungen im Kindes- und Jugendalter, S. 50 ff

[4] http://www.uni-stuttgart.de/ifs/studium/download/Grundlagen.pdf

[5] ebd.

[6] Weischenberg, , Katharina: Kindheit im modernen Hochleistungssport, S. 392

[7] Baur, Jürgen: Leistungssportliche Karrieren von Kindern und Jugendlichen, S. 4

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Bedeutung und ethische Konsequenzen sportlicher Höchstleistungen im Kindes- und Jugendalter
Hochschule
Deutsche Sporthochschule Köln
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
13
Katalognummer
V67726
ISBN (eBook)
9783638604796
ISBN (Buch)
9783638768245
Dateigröße
487 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bedeutung, Konsequenzen, Höchstleistungen, Kindes-, Jugendalter
Arbeit zitieren
Meike Hentschel (Autor:in), 2004, Bedeutung und ethische Konsequenzen sportlicher Höchstleistungen im Kindes- und Jugendalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67726

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