Optimierung der Proteinkristallisation im Hinblick auf Filtrationseigenschaften des Präzipitats


Diplomarbeit, 2006

96 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Nomenklatur

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Aufgabenstellung und Ziel der Arbeit

2 Theoretischer Teil
2.1 Biochemische Grundlagen
2.1.1 Allgemeines zu Proteinen
2.1.2 Hühnereiweiß-Lysozym (HEWL)
2.1.3 Bovine Serum Albumin (BSA)
2.2 Grundlagen der Kristallisation
2.2.1 Kristallisationskinetik
2.2.2 Kristallstruktur und Habitus
2.3 Prozesstechnische Grundlagen
2.3.1 Energieeintrag
2.3.2 Reaktionstechnische Berechnungen
2.4 Grundlagen der Filtration

3 Experimenteller Teil
3.1 Materialien und Methoden
3.1.1 Kristallisation
3.1.2 Filtration
3.2 Kristallisationen
3.2.1 Kristallisation von HEWL ohne Energieeintrag
3.2.2 Kristallisation von HEWL im Rührkessel
3.2.3 Kristallisation von BSA ohne Energieeintrag
3.2.4 Kristallisation von BSA im Rührkessel
3.3 Filtrationen
3.4 Ergebnisse
3.4.1 Kristallisation von Lysozym ohne Energieeintrag
3.4.2 Rührkesselversuche mit Lysozym
3.4.3 Kristallisation von BSA ohne Energieeintrag
3.4.4 Rührkesselversuche mit BSA
3.4.5 Filtrationsergebnisse
3.5 Diskussion
3.5.1 Beurteilung der HEWL-Kristallisationen
3.5.2 Bewertung der Kristallisation von BSA

4 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Anhang A: Übersicht von gemessenen Werten

Anhang B: Auflistung der verwendeten Materialien und Laborgeräte

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nomenklatur

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Griechische Symbole

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Primärstruktur [6] und Tertiärstruktur von HEWL (PDB-ID:132L [23])

Abbildung 2: Löslichkeit HEWL für pH 5,0 (nach Cacioppo 1991 [25])

Abbildung 3: Dreidimensionale Struktur von Humanserumalbumin (PDB ID: 1e7i) [28]

Abbildung 4: Phasendiagramme: (NH4)2SO4-Präzipitationskurve für BSA (∆)

Abbildung 5: Dreiphasendiagramm bei 20 °C für (NH4)2SO4-Wasser-BSA, [19]

Abbildung 6: Schematisches Phasendiagramm einer Fällungskristallisation [34]

Abbildung 7: Abgestumpftes Oktaeder und Rhombendodekaeder

Abbildung 8: Leistungscharakteristik verschiedener Rührkörper [36]

Abbildung 9: Schema der Druckfiltration [39]

Abbildung 10: Mikroskopbilder der HEWL-Kristallisation in Microwells

Abbildung 11: Phasendiagramm der HEWL-Kristallisation mit NaCl

Abbildung 12: Phasendiagramm der HEWL-Kristallisation mit (NH4)2SO4

Abbildung 13: Mikroskopbilder von HEWL am Ende der Kristallisation im Rührkessel

Abbildung 14: Medianwerte der HEWL-Experimente mit verschiedenen Drehzahlen

Abbildung 15: Q3-Verteilung der HEWL-Kristalle am Ende der Kristallisation (ohne Exp. 2b)

Abbildung 16: Gemessene HEWL-Konzentrationen in den Rührkessel-Experimenten

Abbildung 17: Röntgenbeugung der Kristalle aus Experiment 2a, 5 und 8,

Abbildung 18: XRD von HEWL aus [22], Bereiche 6-11° 5-fach und 11-21° 14-fach vergrößert

Abbildung 19: Mikroskopbilder der Microwells nach 5-6 Tagen; 3,2-fache Vergr., BSA: 50 g/l

Abbildung 20: Mikroskopbilder von BSA-Kristallisationen in 10 ml Gläsern nach 1-2 Wochen

Abbildung 21: Phasendiagramm der BSA-Kristallisation mit (NH4)2SO4

Abbildung 22: Konzentrationsverlauf der 10 ml-Experimente mit NaCl, dargestellt bis 8 h

Abbildung 23: Konzentrationsverlauf der 10 ml-Experimente mit (NH4)2SO4, dargestellt bis 8 h

Abbildung 24: Mikroskopbilder von BSA am Ende der Kristallisation; 16-fache Vergr

Abbildung 25: Q3-Verteilung der BSA-Kristalle am Ende der Kristallisation

Abbildung 26: Medianwerte der BSA-Experimente mit verschiedenen Drehzahlen

Abbildung 27: Konzentrationsverlauf der Rührkessel-Experimente mit BSA

Abbildung 28: Röntgenbeugung der Kristalle aus Experiment 4 und 5 (30 g/l u. 20 g/l BSA)

Abbildung 29: Filterkuchenwiderstände der Modellpartikel (logarithmische Auftragung)

Abbildung 30: Filterkuchenwiderstände von HEWL-Kristallsuspensionen (50 g/l, n = 200 min-1)

Abbildung 31: Filterkuchenwiderstände von BSA-Kristallsuspensionen (50 g/l, n = 100 min-1)

Abbildung 32: Optimaler Kristallisationsbereich von HEWL im Rührkessel

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Namen der 20 natürlichen Aminosäuren und deren Abkürzungen [6]

Tabelle 2: Kristallsysteme und ihre Eigenschaften [33]

Tabelle 3: Einsatzgrenzen und Einbaubedingungen ausgewählter Rührorgane, Auszug aus [36]

Tabelle 4: Übersicht der Kristallisationen von HEWL in Microwells

Tabelle 5: Übersicht der Kristallisationsexperimente mit HEWL im Rührkessel

Tabelle 6: Übersicht der Kristallisationen von BSA in Microwells

Tabelle 7: Kristallisationen von BSA in 10 ml Gläsern

Tabelle 8: Übersicht der Kristallisationsexperimente mit BSA im Rührkessel

Tabelle 9: Filtrationsversuche mit Modellpartikeln

Tabelle 10: Konzentrationswerte der Rührkesselexperimente mit HEWL (ohne Exp. 2b)

Tabelle 11: Messwerte der Korngrößenverteilungen der HEWL-Rührkesselkristallisationen

Tabelle 12: Berechnung des spezifischen Energieeintrags Em bei der HEWL-Kristallisation

Tabelle 13: Filtrationseigenschaften der HEWL-Suspensionen aus dem Rührkessel

Tabelle 14: Reaktionstechnische Berechnungen mit HEWL-Kristallisat (ohne Exp. 2b)

Tabelle 15: Konzentrationswerte der Versuche mit BSA im Maßstab von 10 ml;

Tabelle 16: Konzentrationswerte der Rührkesselexperimente mit BSA

Tabelle 17: Messwerte der Korngrößenverteilungen der BSA-Rührkesselkristallisationen

Tabelle 18: Berechnung des spezifischen Energieeintrags Em bei der BSA-Kristallisation

Tabelle 19: Filtrationseigenschaften der BSA-Suspensionen aus dem Rührkessel

Tabelle 20: Reaktionstechnische Berechnungen mit BSA-Kristallisat

Tabelle 21: Filtrationseigenschaften der Modellpartikel, Dp = 6 bar, berechnet mit [8]

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Biologische Makromoleküle gewinnen zunehmend an Bedeutung. Peptide, Enzyme und Proteine sind als Medikamente in der Medizin nicht mehr wegzudenken. Allein am Beispiel des Peptidhormons Insulin zeigt sich die steigende Nachfrage an industriell hergestellten Biomolekülen. Mittlerweile hat sich diese Nachfrage längst auf andere Bereiche ausgedehnt. Neben der Pharmabranche, mit ihrer Forderung nach hochreinen Substanzen, haben sich vor allem die Kosmetik-, Lebensmittel- und Haushaltsindustrie als Interessenten von biologisch wirksamen Substanzen erwiesen. Dabei kommt es neben der Reinheit, zusätzlich auf die Menge und damit auf die Wirtschaftlichkeit der Produktion an. Werden die geringen Mengen an therapeutischen und analytischen Proteinen meist mit kostenintensiven Methoden, wie der Chromatographie gewonnen, genügt den übrigen industriellen Proteinen oft eine partielle Aufreinigung. Beispielsweise werden für die Herstellung von Waschmitteln hydrolytische Depolymerasen (Enzyme) in Mengen von 100 kg bis zu mehreren Tonnen pro Jahr produziert [1, 2]. In solchen Prozessen, aber auch als erste Reinigungsstufe der Aufarbeitung zum hochreinen Protein, hat die Kristallisation entscheidende Vorteile gegenüber anderen Trennungsmethoden. Ein einfacher apparativer Aufbau, eine schnelle Prozessführung sowie eine kostengünstige Verfahrensauslegung sind nur ausgewählte Eigenschaften, die für eine Kristallisation sprechen.

Grundsätzlich hat sich gezeigt, dass die Proteinkristallisation den gleichen Prinzipien folgt, wie eine klassische Kristallisation von kleineren Molekülen. Erzeugen einer Übersättigung, meist durch Kühlung oder durch Zugabe von verdrängenden Substanzen, führt zu Keimbildung und Keimwachstum. Erweitert werden die Parameter einer Technischen Kristallisation durch die Proteinaktivität. Anders als bei gewöhnlichen Kristallen gilt es, neben der Optimierung der Ausbeute und Reinheit gleichzeitig eine Erhaltung der Aktivität zu gewährleisten [1]. Durch die typischen Eigenarten des Proteins führt dies unweigerlich zu Einschränkungen in der Prozessauslegung. Die geringe Belastbarkeit von Proteinen, vor allem gegenüber extremen Temperaturen und pH-Werten sowie die Unverträglichkeit mit bestimmten Fällungsmitteln, schließen von vornherein viele Kristallisationsmethoden aus. Ist ein Protein diesen zerstörenden Einflüssen ausgesetzt, verliert es zunehmend an Aktivität, denaturiert irreversibel und wird dadurch meist wertlos. In komplexen Systemen ist oft die Ausgangskonzentration an Protein zu niedrig, daher ist die Gewinnung von Proteinen durch gezielte Kristallisation aus Fermentationslösungen noch nicht weit verbreitet [1].

Die Auslegung einer Proteinkristallisation scheitert häufig an fehlenden Löslichkeitsdaten. Bislang existieren nur für wenige Proteine verlässliche Daten. Die Einflüsse der einzelnen Parameter einer Kristallisation im technischen Maßstab, beispielsweise im Rührkessel wurden noch nicht genauer untersucht und sind nicht vorhersagbar [1, 3, 4].

Ziel muss es sein, allgemein gültige Erkenntnisse für Proteinkristallisationen zu erhalten. Angesichts der Tatsache, dass jeder Proteintyp anders reagiert und jede Spezies eine individuell ausgeprägte Form eines Proteins besitzen kann, ist dies problematisch. Beispielsweise sind für Albumin starke Unterschiede festzustellen, je nachdem ob es vom Rind, Pferd, Mensch oder aus dem Hühnerei stammt.

Trotz aller Schwierigkeiten besitzt die Kristallisation viel Potential, eine noch wichtigere Rolle bei der Verarbeitung von Proteinen zu spielen.

1.2 Aufgabenstellung und Ziel der Arbeit

Zuerst wird in dieser Arbeit untersucht, welche Parameter die Proteinkristallisation beeinflussen. Dabei wird die Ausprägung dieser Einflussgrößen auf die Kristallisierbarkeit von Proteinen ermittelt und die Eigenschaften der Kristallisationsprodukte eruiert. Besonderes Interesse gilt hierbei der Filtrierbarkeit von Kristallsuspensionen. Ziel ist es, eine Erleichterung und Verkürzung der Filtration durch systematische Anpassung der Kristallisationsbedingungen zu erreichen. Für einen späteren Vergleich der Filtrationseigenschaften werden hierfür die Filtrationswiderstände an Modellpartikeln bekannter Korngrößenverteilung gemessen.

In ausgewählten Systemen bestehend aus Puffer, Salz und dem Protein Lysozym oder Albumin werden zunächst in Gefäßen ohne Energieeintrag Bedingungen gesucht, die einen geeigneten Kristallisationsbereich eingrenzen. Variablen sind hierbei Temperatur, Proteinkonzentration, pH-Wert, Salzart, Salzkonzentration und die Dauer der Kristallisation. Für die unterschiedlichen Bedingungen werden die Produkteigenschaften wie Partikelgröße und Morphologie mit dem Mikroskop sowie die Kinetik der Proteinkristallisation untersucht.

Mit der Erkenntnis geeigneter Kristallisationen werden dann Experimente in diskontinuierlich arbeitenden Rührkesseln mit verschiedenen verfahrenstechnischen Parametern durchgeführt, welche eine mechanische Abtrennung mittels Druckfiltration ermöglichen. Das Ergebnis der Kristallisation und Filtration hängt sowohl von der Wahl der chemischen als auch der verfahrenstechnischen Einflüsse ab. Hinsichtlich der chemischen Einflüsse gilt es, eine Optimierung von Salzkonzentration, Salzart sowie Proteinkonzentration bei gleichzeitiger Erhaltung der Proteinaktivität durchzuführen. Bezüglich verfahrenstechnischer Parameter sind bei der Kristallisation die Temperatur, Rührerdrehzahl und die Geometrie des Rührkörpers maßgeblich. Außerdem ist es wichtig, die Verweilzeit des Präzipitats im Rührkessel so zu wählen, dass einerseits möglichst viele Kristalle gewonnen, andererseits diese nicht wieder durch zu langes Rühren zerstört werden. Die durchgeführten Rührkesselkristallisationen sind anhand der Kristallisationskinetik, der Korngrößenverteilung und der Produktbeschaffenheit zu beurteilen. Im Rührkessel hergestellte Kristalle sind bezüglich ihrer Qualität mit geeigneten Methoden zu untersuchen.

Nach Beendigung der Kristallisation sollen die Filtrationseigenschaften in einer Druckfiltrationsanlage bestimmt werden. Es soll versucht werden, möglichst große und eng verteilte Partikel herzustellen, da sich bei der Druckfiltration der Widerstand des Filterkuchens vorwiegend durch die Korngrößenverteilung beeinflussen lässt. Daher ist das Ziel die Minimierung des Filterkuchenwiderstands mit einhergehender Verkürzung der Filtrationszeit.

Beide Hauptziele, Optimierung der Kristallisation und Optimierung der Filtration, sind entscheidend, um in einem industriellen Prozess ein trocknungsfähiges, konfektionierbares, stabiles und konkurrenzfähiges Produkt zu erhalten.

2 Theoretischer Teil

2.1 Biochemische Grundlagen

2.1.1 Allgemeines zu Proteinen

Dem Namen nach ist die Biochemie die Chemie des Lebens. Auf seiner fundamentalen Stufe ist das Leben ein biochemischer Prozess. Biomoleküle sind an allen Stoffwechselprozessen beteiligt. Die Ursprünge der Biochemie gehen auf die Erforschung der Proteine zurück, da diese Makromoleküle leichter zu isolieren sind als Polysaccharide oder Lipide. Bereits sehr früh in der biochemischen Forschung wurde erkannt, dass viele Proteine, vor allem die Enzyme, offenkundige biochemische Funktionen besitzen. In diesem Abschnitt werden die Zusammenhänge von Aminosäuren, Peptiden, Enzymen und Proteinen erläutert, die zusammen eine enorme Vielfalt an biochemischen Verbindungen ergeben [5, 6].

Ihren Namen verdanken Proteine dem schwedischen Chemiker Jöns Jakob Berzelius. Mit der Ableitung vom griechischen Wort „proteios“ (erstrangig) betonte er bereits 1838 die herausragende Bedeutung dieser Stoffgruppe. Schon 1840 wurden von Hünefeld Kristallisationen mit Proteinen durchgeführt, jedoch wurden die Kristalle irrtümlich für Salze gehalten [7]. 1922 entdeckte Alexander Fleming ein Protein, welches er aufgrund seiner Wirkung Bakterienzellwände aufzulösen, Lysozym nannte [8]. Heute ist es eines der am meisten erforschten Proteine. Im Jahr 1926 gelang es James B. Sumner Urease aus Schwertbohnen als erstes Enzym, das als solches erkannt wurde, aufzureinigen und zu kristallisieren [9]. Außerdem kristallisierte er Concanavalin A, ebenfalls aus Schwertbohnen. Für die Entdeckung der Kristallisierbarkeit von Enzymen erhielt er 1946 den Nobelpreis für Chemie.

Aminosäuren sind Karbonsäuren, die sowohl saure Carboxylgruppen (-COOH) als auch basische Aminogruppen (-NH2) enthalten und daher amphoteren Charakter aufweisen. Durch das Verhältnis der NH2- zur COOH-Gruppe können Aminosäuren in sauer, basisch und neutral unterteilt werden. Glutaminsäure wird beispielsweise als sauer eingestuft, da im Molekül zwei Carboxylgruppen, jedoch nur eine Aminogruppe vorkommt. Dagegen ist Lysin mit zwei NH2- und einer COOH-Gruppe basisch. Wie Tabelle 1 jedoch zeigt, sind die meisten Aminosäuren neutral, da bei ihnen das Verhältnis von sauren zu basischen Gruppen ausgeglichen ist.

Tabelle 1: Namen der 20 natürlichen Aminosäuren und deren Abkürzungen [6]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Peptide und Proteine entstehen durch Polykondensation von Aminosäuren. Dabei reagieren die Carboxylgruppe einer Aminosäure und die Aminogruppe einer weiteren Aminosäure unter Wasseraustritt zur so genannten Peptidbindung (-CO-NH-). Sind weniger als 100 Aminosäuren zu langen Ketten verknüpft, spricht man von Peptiden. Liegt die Anzahl darüber, bezeichnet man die Makromoleküle als Proteine. Natürliche Proteine können aus den 20 verschiedenen proteinogenen Aminosäuren bis zu einer Länge von 4000 Aminosäuren zusammengesetzt sein. Bemerkenswert ist, dass in der Natur nur ein Bruchteil der theoretischen Vielfalt an Proteinen existiert. Eine Polypeptidkette eines Proteins mit 100 Aminosäuren erlaubt 20100 Kombinationen, das ergibt theoretisch mehr als 10130 verschiedene Proteine. Diese Abfolge der Aminosäuren in der Polypeptidkette wird Aminosäuresequenz genannt. Sie verleiht einem Protein seine charakteristischen Eigenschaften und wird als Primärstruktur bezeichnet. Durch Wechselwirkungen der Aminosäuren faltet sich das Protein. Die dadurch entstehenden lokalen räumlichen Anordnungen wie a-Helices und b-Sheets werden Sekundärstruktur genannt. Die Tertiärstruktur eines Proteins beschreibt die gesamte dreidimensionale Anordnung, die für die Funktion verantwortlich ist. Die Quartärstruktur umschreibt den räumlichen Aufbau von mehreren Proteinen oder Polypeptiden zueinander, die erst durch ihre Anordnung ihre Funktion erhalten [6, 10]. Bei Enzymen handelt es sich um Proteine, die eine katalytische Wirkung besitzen.

Im Organismus erfüllen Proteine vielfältige Aufgaben. Zum Beispiel sorgen die Strukturproteine Keratin und Kollagen für mechanische Stabilität. Hämoglobin und Myoglobin sind für Transport und Lagerung zuständig. Weitere Aufgaben der Proteine sind unter anderem die Immunabwehr (Antikörper), die Katalyse sowie die Kontrolle und Steuerung von Wachstum (Insulin) [6].

Proteine haben je nach Funktion, Größe oder Zusammensetzung unterschiedliche Eigenschaften in Bezug auf Löslichkeit und Belastbarkeit. Geringe Beständigkeiten gegenüber zerstörenden Einflüssen bezeichnen den Vorgang der Denaturierung. Zu hohe Temperaturen, erhöhter Druck, Säuren, Basen, bestimmte Salze, Detergentien und wasserlösliche organische Substanzen können die Sekundär-, Tertiär- oder Quartärstruktur von Proteinen irreversibel verändern, ohne die Primärstruktur zu beeinflussen. Je nach Protein ist der Beginn der Denaturierung unterschiedlich ausgeprägt. Während Ribonuclease A seine native Struktur erst bei etwa 60 °C verliert, denaturieren einige Proteine der roten Blutkörperchen bereits bei 42 °C (Gefahr bei Fieber). Eine Ausnahme bilden die Proteine thermophiler Bakterien, die selbst in heißen Quellen von annähernd 100 °C überleben.

Auch das Löslichkeitsverhalten unterschiedlicher Proteinklassen variiert stark. Membranproteine, die fest in biologische Membranen eingebunden sind, lassen sich beispielsweise nur durch denaturierende Substanzen lösen. Demgegenüber haben Transportproteine (z. B. Hämoglobin) eine außerordentlich hohe Löslichkeit. Beeinflusst wird die Proteinlöslichkeit vor allem durch die Temperatur, den pH-Wert, die Konzentration gelöster Salze, den Druck und die Polarität des Lösungsmittels. Der Einfluss der Temperatur, des pH-Werts und der Salzkonzentration auf die Proteinlöslichkeit wird im Folgenden genauer erläutert [6].

Mit steigender Temperatur nimmt die Löslichkeit bei den meisten Proteinen zu. Die Löslichkeit von Lysozym zum Beispiel steigt in einer 2%igen Natriumchloridlösung im Temperaturbereich 4,6 °C bis 21,4 °C von 3 g/l auf 15,4 g/l exponentiell an [11].

Die Abhängigkeit der Proteinlöslichkeit vom pH-Wert kann durch den isoelektrischen Punkt pI angegeben werden. In diesem Punkt haben die meisten Proteine die niedrigste Löslichkeit. Der isoelektrische Punkt entspricht dem pH-Wert, bei dem das Molekül keine elektrische Nettoladung besitzt. Oberhalb und unterhalb dieses pH-Wertes steigt die Löslichkeit stark an [6].

Begrenzt wird die Änderung der Löslichkeit durch den pH-Wert von der Denaturierung, da die meisten Proteine nicht beständig sind bei basischen pH-Werten über pH 10,0 oder sauren Bedingungen unter pH 5,0 [12].

Die Proteinlöslichkeit ist von der Konzentration gelöster Salze leicht beeinflussbar. Bei geringen Salzkonzentrationen steigt in den meisten Fällen, abhängig vom Protein, dessen Löslichkeit leicht an (Einsalzeffekt). Bei höheren Salzkonzentrationen hingegen nimmt die Löslichkeit von Proteinen ab (Aussalzeffekt).

Bei der Wahl eines geeigneten Salzes gibt es bei der Salzkonzentration im Gegensatz zur Temperatur und dem pH-Wert keine Bereiche, in denen das Protein denaturierenden Bedingungen ausgesetzt ist. Bei der Proteinkristallisation kann dies ausgenutzt werden, da die notwendige Übersättigung mit der Salzkonzentration meist effektiver gesteuert werden kann, als durch die Veränderung der Temperatur. Zur Gewinnung festen Proteins aus einer Lösung wird dessen Löslichkeit herabgesetzt, indem ein geeignetes Salz in einer bestimmten Konzentration zugegeben wird. Dabei entsteht eine Konkurrenz der Salzionen und Proteinmoleküle um die freien Wassermoleküle. Das Aussalzen entspricht demnach einer Dehydratation. [5, 6]. Mit steigender Salzkonzentration werden dem Protein immer mehr Wassermoleküle entzogen, so dass es gezwungen wird zu kristallisieren, um den Gleichgewichtszustand wieder herzustellen [10, 13, 14].

Dieser Vorgang wurde bereits Mitte des 19. Jahrhunderts von Panum und Virchow beobachtet. Virchow erkannte bereits 1854 die auf Eiweiße verdrängende Wirkung von Salzen durch Wasserentzug [15, 16]. Abhängig vom Protein geschieht diese Verdrängung bei unterschiedlichen Salzkonzentrationen. Laut Stryer [5] kristallisiert beispielsweise Fibrinogen bereits aus einer 0,8 M Ammoniumsulfatlösung, während Serumalbumin erst bei 2,4 M (NH4)2SO4 ausfällt. Durch das unterschiedliche Herabsetzen der Proteinlöslichkeit mit hohen Salzkonzentrationen lassen sich zudem verschiedene Proteine fraktionieren.

Einige Salze wie Kaliumdihydrogenphosphat und Ammoniumsulfat stabilisieren Proteine, so dass ihre native Struktur erhalten bleibt. Während sich z. B. NaCl und KCl nahezu neutral verhalten, wirken beispielsweise LiBr und KSCN destabilisierend auf Proteine. Die Abfolge der verschiedenen Ionen bei der Stabilisierung von Proteinen verläuft parallel zu ihrem Vermögen Proteine aussalzen zu können. Bereits 1888 untersuchte Hofmeister [17] diese Effekte und begründete damit die nach ihm benannte Hofmeister-Serie [1, 6, 10, 18]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In der vorliegenden Reihenfolge sinkt der Aussalzeffekt und die Proteinstabilisierung von links nach rechts. Ionen, welche eine Denaturierung von Proteinen fördern (z. B. Li+, Mg2+, Ca2+, Ba2+, I-, ClO4-, SCN-), werden als chaotrop bezeichnet. Der chaotrope Effekt verläuft demnach entgegengesetzt zum Aussalzeffekt. Chaotrope Substanzen wie Harnstoff oder das Guanidinium-Ion erhöhen in Wasser die Löslichkeit unpolarer Substanzen, verringern somit den hydrophoben Effekt. Chemische Substanzen mit der gegenteiligen Wirkung werden antichaotrop oder kosmotrop genannt.

Auf der linken Seite der Reihe stehen die Ionen, die einerseits eine Stärkung der geordneten Struktur von Wasser bewirken und Proteine stabilisieren, aber andererseits Proteine durch die Bindung von Wasser und einen verstärkten hydrophoben Effekt ausfällen [5, 6]. Ammoniumsulfat ist dabei erfahrungsgemäß am effektivsten, wirkt also nicht chaotrop, weshalb es häufig bei Kristallisationen oder Fällungen von Proteinen eingesetzt wird. [3, 4, 12, 19, 20].

2.1.2 Hühnereiweiß-Lysozym (HEWL)

Lysozym, auch Muramidase genannt, ist ein Enzym, das in der Natur weit verbreitet ist. Es kommt unter anderem im Speichel, in Tränen, manchen Körperschleimhäuten, im Blutplasma, in der Milch, bei manchen Pilzen sowie im Eiklar bei Vögeln vor [21]. Lysozym besitzt die Fähigkeit Bakterienzellwände durch Hydrolyse zu zerstören und gehört deshalb zur Enzymgruppe der Hydrolasen. Aus diesem Grund wird es in der Lebensmittelindustrie als Konservierungsmittel, z. B. bei der Käseproduktion aber auch bei der Weinherstellung verwendet und hat als Zusatzstoff die Bezeichnung E 1105. Lysozym wird auch häufig mit der Klassifikationsnummer EC 3.2.1.17 bezeichnet. Die Wirkung dieses Proteins, bakterielle Infektionen abwehren zu können, führte 1922 dazu, dass Lysozym von Alexander Fleming entdeckt und nach dem griechischen Wort Lysis (Auflösung) benannt wurde [8].

Diese Arbeit beschäftigt sich mit Lysozym aus Hühnereiweiß (HEWL), das wie alle Proteine des Hühnereiweißes eines der am meisten erforschten Proteine ist. Aufgrund seiner leichten Verfügbarkeit und Robustheit kann Lysozym als Modellprotein der Forschung bezeichnet werden. Infolge dieser Eigenschaften existieren eine Reihe von Studien über Kristallisationen mit HEWL [20, 22, 23, 24].

HEWL ist ein monomeres Polypeptid mit 129 Aminosäure-Resten. Es hat eine Dichte von ca. 1300 kg/m3 und ist mit der Molekülmasse von 14600 Da ein relativ kleines Protein [6, 21, 24]. In Abbildung 1 ist die Primär- und die Tertiärstruktur von HEWL dargestellt. Darin ist zu erkennen, dass die Polypeptidkette von HEWL durch 4 Disulfidbrücken verknüpft ist und die Tertiärstruktur 4 α-Helices und 3 β-Faltblatt-Strukturen (Pfeile) enthält.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Primärstruktur [6] und Tertiärstruktur von HEWL (PDB-ID:132L [23])

Für den isoelektrischen Punkt werden in der Literatur Werte zwischen 10,5 und 11 angegeben [21]. Enthalten Lösungen ausschließlich die Ionen H+, OH-, Na+ und Cl- liegt die minimale Löslichkeit von HEWL zwischen 10,6 und 10,9. Dies deckt sich mit der Tatsache, dass Lysozym aus Hühnereiweiß ein basisches Protein ist [21].

HEWL ist sehr stabil, selbst im sauren Bereich und bis zu 70 °C behält es seine Struktur. Lediglich im alkalischen Bereich geht mit steigender Temperatur die lytische Aktivität verloren [21].

Die Löslichkeit von HEWL ist abhängig von der Temperatur, dem pH-Wert und der Elektrolytkonzentration. Für HEWL sind zahlreiche Veröffentlichungen zu Löslichkeitsdaten vorhanden [11, 18, 25].

Die Abbildung 2 wurde mit Werten von Cacioppo [13] erstellt. Deutlich sind eine Zunahme der Löslichkeit mit steigender Temperatur und eine Abnahme der Löslichkeit mit steigender Salzkonzentration zu erkennen. Bei niedrigem Salzgehalt ist die Temperaturabhängigkeit besonders stark ausgeprägt [1]. Für den pH-Wert der Lösung zeigten sich laut Forsythe [11] verschiedenartige und unvorhersagbare Einflüsse auf die Löslichkeit von Lysozym.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Löslichkeit HEWL für pH 5,0 (nach Cacioppo 1991 [25])

2.1.3 Bovine Serum Albumin (BSA)

Albumin ist ein globuläres Protein, das im Blutplasma, in Eiern sowie in der Milch vorkommt. Im Blutplasma erfüllt es eine Reihe von Aufgaben. Es transportiert im Kreislaufsystem erhebliche Mengen an freien unlöslichen Fettsäuren (je nach Fettsäure 6 bis 12 mol/mol Protein). Ohne Albumin ist die maximale Löslichkeit freier Fettsäuren im Blut nur ungefähr 0,001 mmol/l. Oberhalb dieser Konzentration wirken Fettsäuren wie Detergentien, zerstören damit die Struktur von Membranen und Proteinen, wirken also toxisch. In Komplexen mit Albumin jedoch kann die effektive Löslichkeit bis zu 2 mmol/l betragen. Albumin dient außerdem der Aufrechterhaltung des kolloidosmotischen Drucks und leistet einen Beitrag zur Pufferkapazität des Blutes. Albumin macht im Plasma etwa die Hälfte an Gesamtprotein aus. Die Synthese erfolgt ausschließlich in der Leber [5, 6, 19].

Diese Arbeit beschäftigt sich ausschließlich mit Albumin aus dem Serum von Rinderblut (BSA). BSA ist eines der am meisten untersuchten Proteine. Es wird beispielsweise in der Biotechnologie für Zellkulturen, Diagnostik, Serologie und Immunologie eingesetzt. Die Aufreinigung dieses Proteins erfolgt im industriellen Maßstab bisher meist mit kaltem Ethanol oder mit Hilfe von Temperatur durch einen Wärmeschock [19].

BSA ist eine Polypeptidkette, besteht aus etwa 583 Aminosäuren. Als Besonderheit unter den Plasmaproteinen besitzt es keine Kohlenhydrate. Bei einem pH-Wert von 5 bis 7 existieren in der Kette 17 Disulfidbrücken und eine Sulfhydrylgruppe. Rinderserumalbumin besitzt ein Molekulargewicht von ca. 66430 Da und hat eine Dichte von ca. 1364 kg/m3. Der isoelektrische Punkt von BSA liegt etwa bei pI 4,9 [26, 27].

In Abbildung 3 ist die dreidimensionale Struktur von Humanserumalbumin zu erkennen. Die weißen, eingeschlossenen Moleküle sind Fettsäuren, von denen ein Proteinmolekül bis zu sieben transportieren kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Dreidimensionale Struktur von Humanserumalbumin (PDB ID: 1e7i) [28]

Wie bei HEWL ist die Löslichkeit von BSA ebenso von der Temperatur, dem pH-Wert und der Konzentration von Fällungsmitteln abhängig. Für BSA existieren jedoch weitaus weniger veröffentlichte Löslichkeitsdaten. Für BSA in reinem Phosphatpuffer schätzen Asanov et al. die Löslichkeit größer als 300 g/l, bei 52%-iger gesättigter Ammoniumsulfatlösung (2,13 M) kleiner als 10 g/l [29].

Belter [30] gibt für BSA Löslichkeitswerte von 12 g/l und 0,006 g/l in 2,5 M bzw. 3,5 M Ammoniumsulfat-Lösung an. Zur Bestimmung der Löslichkeit von BSA bei anderen Salzkonzentrationen ist dazu folgende Gleichung angegeben:

ln [Proteinlöslichkeit in g/l] = 21,6 - 7,65 [(NH4)2SO4 in mol/l]

In einer 2,13 molaren Ammoniumsulfatlösung wäre die Löslichkeit von BSA demnach 201,44 g/l. Dieses Beispiel verdeutlicht die unterschiedlichen Angaben zur Löslichkeit von BSA und damit die Schwierigkeit der Löslichkeitsbestimmung.

Eine andere Methode die Löslichkeitsdaten von BSA zu erhalten, ist die Fällung. In Abbildung 4 sind Kurven zur Fällung von BSA mit Ammoniumsulfat (Dreiecke) und Ethanol (Punkte) dargestellt. Im Diagramm ist zu sehen, dass die Präzipitationskurve von BSA ab 10 Massen-% (NH4)2SO4 rapide absinkt und bei etwa 28 Gew.-% gegen Null tendiert. Eine Abschätzung der Löslichkeit von BSA in Ammoniumsulfat ist anhand der Dreiecke möglich. Für eigene Versuche wurde aus diesem Phasendiagramm die Überlöslichkeitskurve herangezogen, wie sie mit den hellen Dreiecken dargestellt ist [19].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Phasendiagramme: (NH4)2SO4-Präzipitationskurve für BSA (∆)

und fettsäurearmes BSA (▲); EtOH-Denaturierung von BSA (○) und fettsäurearmem BSA (●) [19]

Genau genommen besteht eine Kristallisationslösung aus drei Stoffen. Deshalb existieren zum Verhalten von Rinderserumalbumin im Dreistoff-System Fällungsmittel-Wasser-BSA auch Dreiecksphasendiagramme für verschiedene Bedingungen. In dem dargestellten Diagramm (Abbildung 5) von Elysée-Collen [19] ist eine derartige Auftragung für das Dreistoffsystem (NH4)2SO4-Wasser-BSA bei 20 °C zu sehen. Daraus ist zu erkennen, dass je nach Zusammensetzung der drei Stoffe vier unterschiedliche Phasenbereiche entstehen können. Ein großer Teil des Stoffgemisches in Abbildung 5 besteht aus einem weißen, pulvrigen Feststoff (Bereich 2). Im Bereich 1 handelt es sich um eine durchsichtige Flüssigkeit, die bei geringen BSA-und (NH4)2SO4-Konzentrationen klar und farblos ist. Mit steigender Proteinkonzentration (ab etwa 15 Gew.-%) wird die Lösung zunehmend gelblich. Dabei konnte von Elysée-Collen [19] beobachtet werden, dass die Lösung gelartig wurde. Durch Erhöhen der Ammoniumsulfatkonzentration auf über 20-30 %, beginnt die Fällung von BSA aus der Lösung (Bereich 5). Die Linie zwischen Bereich 1 und 5 stellt damit die Grenze der Präzipitation des Proteins dar (15-30 Massen-% Salz). Diese entspricht somit der Löslichkeitskurve im binären Phasendiagramm (vgl. Abbildung 4). Bei weiterer Erhöhung der (NH4)2SO4-Konzentration entsteht ab etwa 25-30 Massen-% die Morphologie 6. In diesem Bereich bilden sich neben Proteinniederschlägen auch Salzkristalle. Durch weiteres Steigern der Salzkonzentration verschwindet der Flüssigkeitsanteil vollständig und es entsteht ein hydratisiertes Pulver (Bereich 2). Spätestens ab 85 Gew.-% existiert ausschließlich dieser Proteinfeststoff, der gelegentlich geringe Salzmengen enthält [19].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Dreiphasendiagramm bei 20 °C für (NH4)2SO4-Wasser-BSA, [19]

1: transparente Flüssigkeit, klar und farblos bei geringen BSA-Konzentrationen, zunehmend gelb bei höheren Konzentrationen (über 15 %)
2: Feststoff ohne freie Flüssigkeit; meist trockenes Pulver, gelegentlich mit geringen Salzmengen
5: Flüssigkeit enthält Präzipitat, das sich bei Verdünnung erneut auflöst
6: Flüssigkeit enthält Protein-Präzipitat und Salzkristalle, die sich bei Verdünnung erneut auflösen

2.2 Grundlagen der Kristallisation

Kristallisation bezeichnet das Überführen eines oder mehrerer Stoffe aus dem gasförmigen, flüssigen oder amorph-festen Zustand in den kristallinen Zustand. Die Kristallisation ist ein bedeutendes Trennverfahren zur Konzentrierung oder Reinigung von Stoffen aus Lösungen, Schmelzen oder aus der Gasphase. Dieser Abschnitt behandelt ausschließlich die Kristallisation aus Lösungen.

2.2.1 Kristallisationskinetik

Kristalle entstehen, wenn in der Lösung zunächst Kristallkeime gebildet werden und diese anschließend wachsen können. Damit Kristalle entstehen bzw. wachsen können, muss eine Lösung übersättigt werden. Die Übersättigung wird entweder als Konzentrationsdifferenz Dc = c - c* oder als relative Übersättigung S = c / c* ausgedrückt, die auch als Übersättigungsverhältnis bezeichnet wird. Die Übersättigung kann durch Erhöhen der Ausgangskonzentration (z. B. Verdampfen des Lösungsmittels) oder durch Erniedrigen der Löslichkeit (z. B. Abkühlen der Lösung) geschehen. Diese Verfahrensweisen werden als Kühlungs- und Verdampfungskristallisation bezeichnet. Bei der Vakuumkristallisation überlagern sich durch eine Entspannungsverdampfung Abkühlen und Verdampfen. Für die meisten Proteine sind diese Methoden eine Übersättigung zu erreichen, nicht geeignet. Denaturierung oder zumindest ein starker Aktivitätsverlust wären die Folge. Deshalb nutzt man eine andere Art, die Übersättigung herzustellen. Durch Zugabe eines dritten Stoffes lässt sich die Löslichkeit des Proteins verringern. Solche Stoffe (meist Nichtelektrolyte) nennt man Verdrängungs- oder Fällungsmittel. Das zugehörige Verfahren nennt man Verdrängungs- oder Fällungskristallisation. Ist das Fällungsmittel ein starker Elektrolyt, wie z. B. ein Salz es ist, spricht man auch vom Aussalzen [31, 32, 33].

Mit steigender Salzkonzentration nimmt der Aussalzeffekt zu. Ab einer bestimmten Übersättigung können die Proteinmoleküle nicht mehr in Lösung gehalten werden und fallen aus. Das System ist dann bestrebt, über Keimbildung und Keimwachstum das thermodynamische Gleichgewicht wieder herzustellen.

Sind in einer Lösung weder arteigene Kristalle noch feste Fremdpartikel, können Keime nur durch homogene Keimbildung entstehen. Bei der homogenen Keimbildung entstehen Keime nur durch eine schrittweise Aneinanderlagerung von Elementarbausteinen. Dieser Vorgang ist ein stochastischer Prozess gleichzeitiger Anlagerung und Zerfall von Kristallkeimen. Erst bei einer ausreichend großen Übersättigung können sich immer mehr Elementarbausteine anlagern und immer größere Keime entstehen.

Von heterogener Keimbildung spricht man, wenn Kristallkeime z. B. an der Gefäßwand gebildet werden. Homogene und heterogene Keimbildung werden als primäre Keimbildung bezeichnet. Die sekundäre Keimbildung in einer Lösung entsteht durch Impfkristallzugabe oder durch Abrieb bereits gebildeter Kristalle.

Beim Kristallwachstum werden aufgrund der Übersättigung als Triebkraft zunächst Elementarbausteine durch Diffusion und Konvektion herantransportiert und diese in die Oberfläche des Kristalls eingebaut. Dabei wird abhängig vom Strömungszustand, dem Stoffsystem und vor allem der Übersättigung der Gesamtvorgang von der Diffusion oder von der Einbaureaktion bestimmt [33].

Neben einem normalen Wachstum von Kristallkeimen zu einzelnen Kristallen gibt es außerdem Effekte der Zusammenlagerung mehrerer Kristalle zu Aggregaten oder Agglomeraten. Mit Aggregation bezeichnet man die flächenförmige Berührung von Kristallen. Agglomeration ist ein loser Verbund von Partikeln mit punktförmiger Berührung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Schematisches Phasendiagramm einer Fällungskristallisation [34]

Anhand von Abbildung 6 werden die Grundlagen einer Proteinkristallisation verdeutlicht. In dieser Abbildung ist ein schematisches Phasendiagramm dargestellt, wie es für eine Fällungskristallisation von einem Protein häufig zu finden ist. Mit der Auftragung der Löslichkeit eines Proteins als Funktion der Fällungsmittelkonzentration ist der Aussalzeffekt durch eine sinkende Löslichkeitskurve mit steigender Konzentration des Fällungsmittels zu erkennen.

Oberhalb der Löslichkeitskurve existiert ein metastabiler Bereich, in dem Kristalle wachsen können, aber keine Keime gebildet werden. Erhöht man die Übersättigung weiter, kommt man in den labilen Bereich, in dem sowohl Keimbildung als auch Keimwachstum stattfindet. Bei moderaten Übersättigungen erhält man Kristalle (karierter Bereich). Bei zu hohen Übersättigungen fällt amorphes Präzipitat aus (gepunkteter Bereich). Darüber hinaus können sich Effekte zeigen, wie die Bildung von Sphäruliten oder eine flüssig-flüssig Phasentrennung.

2.2.2 Kristallstruktur und Habitus

Kristalle sind Feststoffe mit einer dreidimensionalen und periodisch wiederkehrenden Anordnung von Elementarbausteinen (Ionen, Atome, Moleküle) in Raumgittern. Ein Kristall unterscheidet sich durch diese klare geordnete Struktur vom amorphen Körper. Dieser strukturierte Aufbau kommt durch metallische Bindungen, Ionenbindungen, Atombindungen, Van-der-Waals’sche Kräfte und Wasserstoffbrückenbindungen zustande [33].

Die Elementarbausteine eines Kristalls werden in sieben Kristallsysteme eingeteilt. In Tabelle 2 sind die Eigenschaften der verschiedenen Kristallsysteme zu sehen, die zum Beschreiben des Kristalls notwendig sind.

Tabelle 2: Kristallsysteme und ihre Eigenschaften [33]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Durch den Gittertyp allein ist die äußere Form eines gleichmäßig ausgebildeten Kristalls noch nicht vollständig beschrieben. Auch bei der Bildung gleicher Begrenzungsflächen können die Wachstumsbedingungen den äußeren Gesamteindruck von Kristallen des gleichen Stoffs unterschiedlich prägen. Für eine Beschreibung von Kristallen sind daher Angaben zum Kristallhabitus nötig [33].

Der Kristallhabitus beschreibt die Ausprägung einzelner Flächen eines Kristalls zueinander. Aufgrund unterschiedlicher Wachstumsgeschwindigkeiten einzelner Flächen ergeben sich unterschiedliche Größenverhältnisse der Flächen eines Kristalls. Daher werden Kristallformen in drei grundsätzliche Gruppen eingeteilt:

- prismatisch (nadelig, dentritisch) – Wachstum hauptsächlich in eine Raumrichtung
- planar (taflig) – flächenförmiges Wachstum.
- isometrisch - gleichmäßiges Wachsen in alle Raumrichtungen

Zusätzlich werden häufig Bezeichnungen verwendet wie Würfel, Oktaeder, rhomboedrisch und pyramidal aber auch kurzsäulig, stumpfsäulig, dicktafelig und viele mehr.

Mit einem Würfel und einem Oktaeder können zahlreiche Körper konstruiert werden, wie sie häufig bei Kristallen vorkommen. Als Bedingung muss jedoch der Eulersche Polyedersatz (Flächen + Ecken - Kanten = 2) immer erfüllt sein. So erhält man zum Beispiel ein abgestumpftes Oktaeder, indem an jeder Ecke des Oktaeders so abgeschnitten wird, dass 6 Quadrate entstehen. Ein abgestumpftes Oktaeder, wie es in Abbildung 7 links zu sehen ist, besitzt 14 Flächen (6 Quadrate und 8 Sechsecke), 36 Kanten und 24 Ecken. Als Durchschnitt eines Würfels mit einem Oktaeder und als konvexe Hülle einer Vereinigung eines Würfels mit einem Oktaeder erhält man ein Rhombendodekaeder, wie es in Abbildung 7 rechts zu sehen ist. Es besitzt 12 rhombenförmige Flächen, 14 Ecken und 24 Kanten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Abgestumpftes Oktaeder und Rhombendodekaeder

2.3 Prozesstechnische Grundlagen

2.3.1 Energieeintrag

Eine der wichtigsten Grundoperationen in der Verfahrenstechnik ist das Rühren zum Vermischen von fluiden und festen Medien. Kristallisationen werden sehr häufig in einfachen Rührkesseln durchgeführt, auch in der Biotechnologie ist der Rührkessel der am häufigsten verwendete Reaktortyp [35].

Die Rührwerkstechnik im Reaktor kann dabei die folgenden fünf Aufgaben übernehmen:

1. Homogenisieren: Ausgleich von Temperatur- und Konzentrationsunterschieden
2. Suspendieren: Gleichmäßiges Verteilen und ggf. Lösen eines Feststoffs in einer Flüssigkeit
3. Intensivierung: Beschleunigung des Austausches von Wärme und Stoff
4. Emulgieren: Dispergieren von zwei ineinander nicht löslichen Flüssigkeiten
5. Begasen: Dispergieren eines Gases in einer Flüssigkeit

Bei einer diskontinuierlichen Proteinkristallisation im Kessel setzt sich die Rühraufgabe nur aus den ersten drei Punkten zusammen. Die Wahl geeigneter Rührorgane erfolgt nach deren charakteristischen Eigenschaften, mit dem Ziel die Parameter Mischzeit und Energieeintrag zu minimieren. In der Praxis werden Rührkörper nach den folgenden Eigenschaften ausgewählt:

- axial, radial oder tangential fördernd
- Viskositätsbereich
- Verhältnis der Durchmesser von Rührer und Behälter
- Umfangsgeschwindigkeit des Rührkörpers

Zwei der gebräuchlichsten Rührertypen sowie übliche geometrische Anordnungen und Arbeitsbereiche sind in Tabelle 3 aufgeführt.

Tabelle 3: Einsatzgrenzen und Einbaubedingungen ausgewählter Rührorgane, Auszug aus [36]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Beim Betrieb eines Rührwerks wirken durch innere Reibung und die Massenträgheit der Flüssigkeit auf seine Rührflächen Kräfte. Aus diesen Kräften ergibt sich an der Welle des Rührers ein Bremsmoment M, das den Einfluss auf die in die Flüssigkeit dissipierte Energie bestimmt. [36]

Kennt man die Winkelgeschwindigkeit ω oder die Drehzahl n, ergibt sich die eingetragene Leistung zu:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten bzw. Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (1)

Da dieses Bremsmoment nicht bekannt ist, kann auf Basis der Ähnlichkeitstheorie der Leistungseintrag als Funktion folgender Parameter beschrieben werden:

P= ƒ (n, ηFluid1, ηFluid2, ρFluid1, ρFluid2, g, d1, d2, …) (2)

Berücksichtigt man die Kriterien der Ähnlichkeit von Dimensionen (z. B. d1/d2) und Stoffwerten von zwei zu mischenden Fluiden (ηFluid1/ηFluid2, ρFluid1/ρFluid2), so lassen sich folgende dimensionslose Kennzahlen einführen:

Newtonkennzahl: Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (3)

Reynoldszahl: Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (4)

Froudezahl: Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (5)

Bleiben während einer Rühraufgabe die geometrischen Verhältnisse konstant und treten keine wesentlichen Dichte- und Viskositätsunterschiede auf, müssen die Verhältnisse der Dimensionen, Dichten und Viskositäten nicht berücksichtigt werden. Mit diesen Bedingungen lässt sich ein dimensionsloser, funktioneller Zusammenhang erstellen: Ne = ƒ (Re, Fr)

In den meisten Fällen kann die Erdbeschleunigung und daher auch die Froudezahl vernachlässigt werden, da beim Rühren nur eine geringe Trombenbildung zu erkennen ist [35, 36]. Demnach hängt die Leistungskennzahl nur noch von der Reynoldszahl ab: Ne = ƒ (Re)

Diese Beziehung ermöglicht eine dimensionslose Darstellung der Leistungscharakteristik, wie sie in Abbildung 8 zu sehen ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Leistungscharakteristik verschiedener Rührkörper [36]

Die Darstellung kann in drei Bereiche eingeteilt werden. Im Bereich 1 verläuft das Rühren laminar. Der Rühreffekt ist in diesem Bereich mit Re-Zahlen kleiner 10 gering. Legt man die Form des Rührkörpers, dessen Drehzahl sowie den Durchmesser fest, so ist der Leistungsbedarf beim laminaren Rühren unabhängig von der Dichte und nur noch eine lineare Funktion der Viskosität.

In diesem Fall berechnet sich die Newtonzahl folgendermaßen: Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im Bereich 3 (Re > 10000) ist die Strömung turbulent. In diesem Strömungsbereich kann der Einfluss der Viskosität auf den Leistungsbedarf vernachlässigt werden. Einzig die Dichte hat einen linearen Einfluss auf die Leistungskennzahl. Die Newtonzahl ist demnach unabhängig von der Reynoldszahl (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten). Für einen Propellerrührer liegt die Newtonzahl im Bereich 3 bei 0,35 (vgl. Tabelle 3 und Abbildung 8).

Der Bereich 2 stellt ein Übergangsgebiet dar. Bei gegebenem Rührertyp wird der Leistungseintrag sowohl von der Dichte als auch von der Viskosität beeinflusst. Mit steigender Reynoldszahl schwindet der Einfluss der Viskositätskräfte, während die Massenträgheitskräfte an Geltung gewinnen [35, 37]. Mit Hilfe der dimensionslosen Darstellung der Leistungscharakteristik können Angaben zum Energieeintrag in ein System für verschiedene Rührkörper und für unterschiedliche Rührmedien gemacht werden [36, 37].

Hierfür wird zunächst mit Gleichung (4) die Reynoldszahl bestimmt. Mit der Reynoldszahl erhält man aus Abbildung 8 die Newtonzahl, mit der die eingetragene Leistung berechnet werden kann (Gleichung 3).

Die eingetragene Leistung reicht jedoch nicht aus, um den Einfluss des Rührens auf die Kristallisation zu beschreiben, da der Faktor Zeit unberücksichtigt bleibt. Daher ist es bei einer Kristallisation sinnvoller, die spezifisch eingebrachte Energie zum Vergleich heranzuziehen (siehe Gleichung 6). Laut Stenger [38] hat sie sich als eine der wichtigsten Einflussgrößen für den Energieeintrag zur Zerkleinerung in Rührwerkskugelmühlen herausgestellt. Im diskontinuierlichen Betrieb ist der Energieeintrag das Produkt aus eingetragener Leistung und Kristallisationszeit. Bezieht man die eingetragene Energie auf die maximal im Rührkessel befindliche Kristallmasse, so eignet sich Em auch als Kenngröße für den prozesstechnischen Einfluss auf die Proteinkristallisation.

[...]

Ende der Leseprobe aus 96 Seiten

Details

Titel
Optimierung der Proteinkristallisation im Hinblick auf Filtrationseigenschaften des Präzipitats
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Lehrstuhl für Feststoff- und Grenzflächenverfahrenstechnik)
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
96
Katalognummer
V69397
ISBN (eBook)
9783638602662
Dateigröße
2684 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Optimierung, Proteinkristallisation, Hinblick, Filtrationseigenschaften, Präzipitats
Arbeit zitieren
Dipl.-Ing. (Univ.) Kevin Moritz (Autor:in), 2006, Optimierung der Proteinkristallisation im Hinblick auf Filtrationseigenschaften des Präzipitats, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69397

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