Späte Mutterschaft - ein neues biographisches Muster?


Hausarbeit, 2006

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Statistik

2 Medizinische Aspekte

3 Mögliche Gründe für eine späte Mutterschaft

4 Späte Mutterschaft in der Diskussion

Schluss

Literaturverzeichnis

Einleitung

Im Sommer 2001 wurden die Bewohner New Yorks durch eine ungewöhnliche Werbekampagne in Erstaunen versetzt. Die Amerikanische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin machte mit Plakaten, auf denen eine umgedrehte Nuckelflasche für Kleinkinder in Form einer Sanduhr zu sehen war, auf folgende Botschaft aufmerksam: Die besten Jahre zum Kinderkriegen sollte man nicht einfach verstreichen lassen, denn genau wie der Sand verrinne auch die Fruchtbarkeit.[1] Martin Spiewak, Autor der ZEIT, hält eine solche Kampagne auch in Deutschland für sinnvoll, wobei er sich auf aktuelle Entwicklungen bezieht. Nicht nur, dass sich seit Mitte der 60er Jahre vor allem in den alten Bundesländern der Trend des Geburtenrückgangs verstärkt, auch steigt die Anzahl der Mütter, die mit 35 Jahren oder später ein Kind bekommen, bundesweit an.[2] Zwar gibt es Unterschiede zwischen den alten und neuen Bundesländern, doch sowohl im Osten, als auch im Westen Deutschlands zeigt sich deutlich, dass seit den 60er Jahren bestimmte gesellschaftliche Prozesse dazu führen, dass die „Einheitlichkeit der weiblichen Normalbiographie, ihrer typischen Verläufe, Stationen und Ziele“ nicht mehr existiert und sich „eine neue Vielfalt“ innerhalb der bisher gewohnten Biographien von Frauen ergibt[3]. Das beinhaltet unter anderem, dass sich der bis dato gewohnte Zeitpunkt für eine Erst-Schwangerschaft bei vielen Frauen nach hinten verschiebt.

Diese Tatsache hat natürlich großen Einfluss auf die demographische Situation, und die Statistiken, die jenen „Gegentrend“ zur weiblichen Normalbiographie in Zahlen einfangen, lassen klar erkennen, dass das Alter der Mütter bei der Geburt ihres ersten Kindes durchschnittlich ansteigt. So entstand auf der Basis einer medizinischen Definition der Begriff der „späten Mutterschaft“, der sich auf Frauen, die ihr erstes Kind mit 35 Jahren oder später bekommen, bezieht.[4]

Insgesamt handelt es sich um ein sehr junges Forschungsfeld, das bisher nur vereinzelt erforscht wurde. In der medizinischen Forschung wurde späte Mutterschaft aufgrund der reproduktionsmedizinischen Fortschritte in den letzten 20 Jahren schon häufiger diskutiert, doch gerade in den sozialwissenschaftlichen Disziplinen fand es bisher keine große Beachtung.[5] Es fehlen ausführliche Betrachtungen über die späte Mutterschaft in ihrer ganzen Tragweite, insbesondere auch die differenzierte Darstellung der vielseitigen Gründe für dieses Phänomen, sowie eine noch genauere Betrachtung der unterschiedlichen Entwicklungen in Ost -und Westdeutschland. Auch veränderte Partnerschaftsformen und die gestiegene Lebenserwartung von Frauen wurden nicht ausreichend in der bisherigen Forschung berücksichtigt.

Eine der wenigen Forschungsarbeiten auf diesem Feld stammt von Ingrid Herlyn und Dorothea Krüger. In ihrer empirisch-biographischen Studie XXX beschäftigen sie sich mit den praktizierten Mustern später Erstmutterschaft und mit der Frage, ob letztere ein gänzlich neues, biographisches Muster der Familiengründung beschreibt oder ob, wie Dr. Martina Beham es formuliert „Mutterschaft nach wie vor eine selbstverständlich anerkannte Norm ist, deren Realisierung im Lebenslauf lediglich zeitlich später stattfindet“.[6]

In der vorliegenden Arbeit wird zunächst auf statistische Werte und medizinische Aspekte eingegangen. Darauf folgend soll erläutert werden, welche Gründe dazu führen können, dass sich Frauen vermehrt für eine späte Familiengründung entscheiden. Am Schluss steht eine Darstellung über mögliche Vor -und Nachteile, die sich durch eine solche Form der Familiengründung ergeben können.

1 Statistik

Seit Mitte der 60er Jahre ist ein Rückgang der Geburtenraten im gesamten Westeuropa festzustellen. Zwar sind die Geburtenzahlen seit den 80er Jahren wieder leicht angestiegen, doch näherten sich diese nicht im Entferntesten den Raten der 60er Jahre an. Wolfgang Ochel betont in seinem Aufsatz 'Familiengründung trotz Studium', dass eine von vielen Erklärungen dafür sei, dass Frauen ihr erstes Kind immer später bekommen. Bezogen auf das westliche Europa zeigt sich, dass sich zwischen 1965 und 2003 das durchschnittliche Erstgebärendenalter, abhängig vom Land, um 2 bis 5 Jahre erhöhte und 2003 im Durchschnitt bei knapp 28 Jahren lag.[7]

Betrachtet man die demographische Lage innerhalb Deutschlands, zeigt sich eine ähnliche Entwicklung. 1970 waren Mütter bei der Geburt ihres ersten Kindes durchschnittlich 23,1 Jahre[8], 1991 26,9 Jahre und im Jahr 2003 29,4 Jahre alt. Anders ausgedrückt nimmt der Anteil später ehelicher Erstgeburten von Frauen über 35 stetig zu, er hat sich zwischen 1991 und 2003 von 5,7% auf 16,9% fast verdreifacht.[9] Dies ist, beachtet man den relativ kurzen Zeitraum von 12 Jahren, tatsächlich ein enormer Anstieg.

Jedoch bestehen zwischen den alten und neuen Bundesländern erhebliche Unterschiede. Eine zuverlässige Grundlage für diese These bieten Daten des Statistischen Bundesamtes. Demnach lag 2003 der Anteil der älteren Mütter an der Gesamtzahl der Mütter von Neugeborenen in drei Viertel aller ostdeutschen Landkreise klar unter dem Bundesdurchschnitt.[10] Dem gegenübergestellt lagen ungefähr die Hälfte aller Kreise in den alten Bundesländern über dem bundesdurchschnittlichen Wert von 16,9%.[11] Besonders im Südwesten und dort speziell in den Ballungszentren ist das Phänomen der späten Mutterschaft sehr ausgeprägt.[12] Nun stellt sich die Frage, wie solche regionalen Unterschiede zu erklären sind, wozu eine umfangreiche Analyse der sozialen und infrastrukturellen Gegebenheiten von Nöten wäre. Aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Arbeit soll nur kurz auf zwei wichtige Punkte eingegangen werden: Die Frauen haben natürlich in den städtischen Gebieten viel mehr Möglichkeiten, was ihre Ausbildung und Berufschancen betrifft und schon allein deshalb verschiebt sich der Geburtenzeitpunkt hier eher nach hinten als in den ostdeutschen Gebieten, in denen die Arbeitslosenquote bekanntermaßen weitaus höher ist. Und während in den neuen Bundesländern 2004 jedes zweite Kind unter 3 Jahren durch eine öffentliche Einrichtung betreut werden konnte, konnte im Westen Deutschlands nur jedes 10. Kind einen Krippenplatz oder eine Tagesmutter in Anspruch nehmen. Das führt natürlich dazu, dass sich Mütter im Osten verhältnismäßig eher für ein Kind entscheiden, da sie ihr Kind gut betreut wissen. Auch in der ehemaligen DDR bekamen die Frauen ihr erstes Kind zu einem relativ frühen Zeitpunkt, weil sie die Möglichkeit bekamen, weiterhin berufstätig zu bleiben und nach einer kurzen Pause relativ schnell wieder in ihrem Beruf arbeiten zu können. Zwar hat sich die Situation im Osten mittlerweile etwas an die des westdeutschen Bundesgebietes angenähert, doch wirkt diese Tradition weiterhin fort.[13]

An dieser Stelle ist es wichtig, zu erwähnen, dass bei allen bisher erstellten Statistiken zu dieser Problematik, zwei „systematische Lücken“[14] dafür sorgen, dass es nicht möglich ist, die Zahl der Erstgeborenen von Müttern über 35 Jahren exakt anzugeben. Denn das Datenmaterial lässt zwar erkennen, dass die Anzahl der späten Mütter ansteigt; ob es sich bei den Kindern jedoch um das erste oder dritte Kind handelt, ist nicht ersichtlich. Das liegt daran, dass die gesetzliche Regelung nur die Erfassung der Geburtenfolge bei verheirateten Müttern erlaubt. Des Weiteren werden auch nur die ledigen Kinder der Ehe mit einberechnet.[15] Dieser Punkt sollte bei allen Betrachtungen nicht außer Acht gelassen werden. Jedoch kann man davon ausgehen, „daß die geschätzte Gesamtzahl „später“ erster Mutterschaften weitgehend -wenn auch eher zufällig- mit der Zahl ehelicher Erstgeburten gemäß der amtlichen Diskussion übereinstimmt, da die darin zuviel enthaltenen tatsächlichen Erstkinder die außer acht gelassenen Familiengründungen unverheirateter Mütter ausgleichen .“[16]

2 Medizinische Aspekte

Die biologisch erfolgreichste Zeit für die Zeugung von Nachkommen liegt laut Fortpflanzungsmedizinern in der Phase vor dem 25. Lebensjahr.[17] Von da an beginnt die Fertilität leicht zu schwinden, ab 35 „fällt die Fruchtbarkeitskurve steil ab“[18] und in den kommenden Jahren sinkt die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, jedes Jahr um einige Prozent. Interessant ist, dass sich in den letzten Jahren jedoch eine andere Sichtweise hinsichtlich des Risikos für Spätgebärende ergeben hat: Wurde vor einigen Jahren eine Frau, die mit 35 Jahren oder später ein Kind zur Welt bringen wollte, in der Gynäkologie häufig als Risikoschwangere eingestuft[19], so überwiegt „in den neueren Arbeiten [..] die Auffassung, daß ältere Schwangere bei guter medizinischer Vorsorge und Versorgung nicht mehr Risiken tragen als junge; das gilt insbesondere hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Neugeborenen. Der Grundtenor ist sichtlich positiv.“[20]

Klaus Vetter vom DGGG[21] vertritt ebenfalls die immer populärer werdende Ansicht, dass für das Gelingen einer Schwangerschaft nicht ausschließlich das Alter, sondern in großem Maße auch das individuelle Körpergefühl der Mutter, der Gesundheitszustand, die sozialen Verhältnisse oder eventuell vorausgegangene Schwangerschaftskomplikationen, entscheidend sind.[22]

Engstler und Lüscher heben in ihren Untersuchungen hervor, dass durch den Fortschritt in den Behandlungsmethoden und der Diagnostik eine späte Mutterschaft in bestimmten Fällen überhaupt erst möglich ist. Doch trotz der neu hinzugekommenen Möglichkeiten hinsichtlich der Empfängnisverhütung, der vorgeburtlichen Diagnostik, aber auch der Betreuung von Eltern und Kind und der Behandlung von Unfruchtbarkeit, weisen die beiden Forscher darauf hin, dass jene Möglichkeiten auch ethische Fragen aufwerfen.[23]

[...]


[1] Martin SPIEWAK: Mutterglück im Rentenalter. In: Die ZEIT, 05/2003. S.24.

[2] Dr. Stephanie SALETH: Späte Mutterschaft – ein neuer Lebensentwurf? S.14.

[3] Elisabeth BECK-GERNSHEIM: Die Kinderfrage – Frauen zwischen Kinderwunsch und Unabhängigkeit. S.119.

[4] Heribert Engstler und Kurt Lüscher weisen ihrem Aufsatz 'Späte erste Mutterschaft. Ein neues biographisches Muster der Familiengründung?' darauf hin, dass „die in der Öffentlichkeit verbreitete Definition später Mutterschaft aus der Medizin [stammt].“ Doch „wird angesichts systematischer Forschungsergebnisse hinsichtlich der Gesundheitsrisiken für Mutter und Kind die Bedeutung des Lebensalters für sich allein zusehends geringer gewichtet.“ (S.449). Auch in der vorliegenden Arbeit werde ich die Bezeichnung „späte Mütter“ pauschal verwenden, um einen einheitlichen Begriff für die Gruppe der Mütter, die ab 35 Jahren ihr erstes Kind bekommen, zur Verfügung zu haben.

[5] Ingrid HERLYN / Dorothea KRÜGER: Späte Mütter. Eine empirisch-biographische Untersuchung in West -und Ostdeutschland. S.18.

[6] aus Zus.fassung über Herlyns und Krügers Buch --> Internet!

[7] Wolfgang ORCHEL: Familiengründung trotz Studium. S.7.

[8] Ingrid HERLYN / Dorothea KRÜGER: Späte Mütter. Eine empirisch-biographische Untersuchung in West -und Ostdeutschland. S.15.

[9] tabelle Stat.Bundesamt (Folie); Ebenfalls eine gute Übersicht über die Zunahme der späten ersten, ehelich lebendgeborenen Kinder bietet die Tabelle bei Heribert ENGSTLER / Kurt LÜSCHER: Späte erste Mutterschaft. Ein neues biographisches Muster der Familiengründung? S.437.

[10] Dr. Stephanie SALETH: Späte Mutterschaft – ein neuer Lebensentwurf? S.14.

[11] Im Statistischen Monatsheft Baden-Württemberg 11/2005 wird mit 19% die Anzahl älterer Mütter höher eingestuft als in der vorher zitierten Geburtenstatistik des Statistischen Bundesamtes (16,9%). Siehe: Dr. Stephanie SALETH: Späte Mutterschaft – ein neuer Lebensentwurf? S.14. Bei der Recherche zu dieser Arbeit bin ich des öfteren auf ähnliche, jedoch nicht völlig gleiche Werte gestoßen, was sicherlich in den unterschiedlichen Methoden und Definitionen der einzelnen Forscher begründet liegt. Ich verzichte aufgrund der Übersichtlichkeit aber darauf, bei geringfügig voneinander abweichenden Werten diese auch immer mit anzugeben.

[12] ebd. S.14.

[13] ebd. S.17

[14] Heribert ENGSTLER / Kurt LÜSCHER: Späte erste Mutterschaft. Ein neues biographisches Muster der Familiengründung? S.434.

[15] Dr. Stephanie SALETH: Späte Mutterschaft – ein neuer Lebensentwurf? S.14 /Vgl.: Heribert ENGSTLER / Kurt LÜSCHER: Späte erste Mutterschaft. Ein neues biographisches Muster der Familiengründung? S.434.

[16] ebd. S.434.

[17] Martin SPIEWAK: Die Uhr tickt unerbittlich. In: Die ZEIT, 08/2004. S.9.

[18] ebd. S.9. / AUCH NOCH MEDIZINER ZITIEREN!

[19] Heribert ENGSTLER / Kurt LÜSCHER: Späte erste Mutterschaft. Ein neues biographisches Muster der Familiengründung? S.438.

[20] ebd. S.438.

[21] Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe

- [22] Petra FOSEN-SCHLICHTINGER: Späte Mütter. In: Psychologie Heute, 2 /2006. S.62.

[23] So wird häufig berichtet, dass die Möglichkeiten wie z.B. die Eizellspende und damit oft verbundene mehrmalige, misslungene Versuche, zu psychischen Problemen bei den Frauen führen kann. Vgl.: Heribert ENGSTLER / Kurt LÜSCHER: Späte erste Mutterschaft. Ein neues biographisches Muster der Familiengründung? S.439.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Späte Mutterschaft - ein neues biographisches Muster?
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Institut für Europäische Ethnologie)
Veranstaltung
Familie und Verwandtschaft
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
17
Katalognummer
V70038
ISBN (eBook)
9783638626347
ISBN (Buch)
9783638626309
Dateigröße
528 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die vorliegende Arbeit kann aufgrund ihres Themas auch in den Fachbereich 'Soziologie' oder 'Gender Studies' eingeordnet werden.
Schlagworte
Späte, Mutterschaft, Muster, Familie, Verwandtschaft
Arbeit zitieren
Julia Lubierski (Autor:in), 2006, Späte Mutterschaft - ein neues biographisches Muster?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70038

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