Das Motiv des Aussatzes in der deutschen Literatur unter besonderer Berücksichtigung der Fassungen des 'Armen Heinrichs' von Hartmann von Aue, Gerhart Hauptmann und Ricarda Huch


Hausarbeit, 2007

16 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2. Was ist Aussatz? - die medizinische Sicht
2.1.Ursachen
2.2. Isolation und Öffentlichkeit
2.3. Verbreitete Bezeichnungen
2.4. Religiöse Betrachtungsweisen des Aussatzes
2.5. Aussatz in der Literaturgeschichte

3. Hartmann von Aues “Der arme Heinrich”

4. Gerhart Hauptmanns “Armer Heinrich - eine deutsche Sage“

5. Die Adaption Ricarda Huchs

6. Schlussbemerkung

7. Literaturverzeichnis
Primärliteratur:
Sekundärliteratur:

1.Einleitung

Was ist es, was die Autoren und uns Leser an Krankheiten, an Leidensgeschichten so fasziniert? Ist es die gleiche Erregung, die uns bei Verkehrsunfällen hinschauen lässt, obwohl es uns schaudert?

Im Folgenden will ich versuchen, Lepra, die Legenden um diese Krankheit und ihre Widerspiegelung in Religion und vor allem Literatur genauer zu beleuchten. Dabei möchte ich keinesfalls eine medizinische Arbeit schreiben. Ich denke jedoch, zu einer Beschäftigung mit dieser Thematik gehören einige Fakten. Konzentriert habe ich mich bei der kurzen medizinischen Übersicht auf das Wissen, das Hartmann von Aue in seiner Zeit über die Krankheit hatte.

Über Jahrhunderte hinweg beschäftigten sich immer wieder Autoren mit dem Motiv des Aussatzes. Meine Arbeit soll zeigen, wie vielfältig die Bearbeitungen sind. Da die Literaten im Mittelalter sehr stark von der Kirche beeinflusst wurden, soll und kann der religiöse Aspekt hier nicht außen vor gelassen werden. Als Hauptgegenstand habe ich mich auf das Werk “Der arme Heinrich” von Hartmann von Aue und dessen Adaptionen von Gerhart Hauptmann und Ricarda Huch konzentriert.

2. Was ist Aussatz? - die medizinische Sicht

In der modernen Medizin wird Aussatz als Lepra bezeichnet und gilt als Infektionskrankheit. Die Infektion befällt innere Organe und das Nervensystem. Sichtbar wird sie auf der Haut und den Schleimhäuten. Die große Anzahl an Verlaufsformen war schon in der Antike bekannt. Galen von Pergamon[1] und Isidor von Sevilla[2] kannten viele verschiedene Typen der Erkrankung. In der Ikonographie des Mittelalters wird Aussatz mit Hautverfärbungen und Verlust von Armen und Beinen dargestellt. Leprakranke wurden oft zu Bettlern, was daher rühren könnte, dass ein Mensch ohne Arme und Beine nicht mehr erwerbsfähig ist.

Anzeichen bestimmter Lepraerkrankungen fallen oft erst bei sorgfältiger Suche auf. Die Ärzte im Mittelalter hatten meist große Probleme, die richtige Diagnose zu stellen. Berühmte Heilpraktiker waren Heinrich von Mondeville, Lanfrank von Mailand[3] und Guy de Chaulliac[4]. Besondere Aufmerksamkeit schenkten die Lepraschauer den äußeren Veränderungen wie Flecken, Schuppen oder Knötchen. Seltsame Methoden der Diagnose des Mittelalters waren Experimente mit Blut und Harn[5].

2.1.Ursachen

Auch im noch nicht aufgeklärten Mittelalter gaben sich die Gelehrten nicht mit der einfachen Erklärung, Lepra sei eine Strafe Gottes zufrieden. Man war der Ansicht, jegliche Körperflüssigkeitkönne Auslöser der Krankheit sein. Resultate sah man in Überhitzung und Austrocknung. Die damalige Volksmeinung legte sich auch auf Melancholie als Ursache des Aussatzes fest. Melancholiker fänden eine regelrechte Lust daran, andere anzustecken. An diesen Glauben erinnert heute noch z.B. der Melaten-Friedhof in Köln[6]. Anders als bei vielen Infektionskrankheiten konnte man nicht genau nachweisen, wer sich bei wem angesteckt hatte. Es konnte sehr lange dauern, bis die Erkrankung ausbrach. Doch wie wird Lepra wirklich übertragen? Im Mittelalter stützte man sich vor allem auf die Vererbungstheorie. Wenn bei einem Kind die Infektion ausbrach, sprach man oft davon, dass sein Vater Sünden begangen oder dass der Zeugungsakt während der Menstruation der Frau stattgefunden haben müsse[7].

2.2. Isolation und Öffentlichkeit

Wegen der hohen Ansteckungsgefahr wurden die Kranken meist in ein Leprosorium ausgemeindet. Im Hochmittelalter nannte fast jede größere Stadt ein Quarantänehaus sein eigen. Auch heute noch werden Menschen mit Hautausschlag oft sozial isoliert. In der damals unaufgeklärten Gesellschaft muss dies noch viel schlimmer gewesen sein. Ein des Aussatzes verdächtigter Bürger, der ein Schriftstück vorweisen konnte, dass er vom Verdacht der Lepraerkrankung frei gesprochen wurde, war gesellschaftlich wieder rehabilitiert.

Wenn der so genannte “Schaubrief”[8] dagegen eine Aussatzerkrankung bescheinigte, berechtigte er dessen Besitzer zu öffentlichen Betteln an Feiertagen und vor Kirchenportalen.

Mit der Lepraerkrankung verloren die Betroffenen in den Augen der Gesellschaft gleichzeitig ein Stück Menschlichkeit. Sie wurden gesammelt in so genannten Siechenhäusern, dort wurden sie versorgt und ihnen eine Existenzgrundlage geschaffen. Um sich die finanzielle Unterstützung zu sichern, mussten die Kranken aber auch in ihren Unterkünften arbeiten. Da es den Leprakranken in Leprosorien z.T. besser ging als anderen Menschen der Unterschicht, kauften sich einige sogar in die Unterkünfte ein. Dadurch finanzierten sich diese Häuser, wie z.B. das Leipziger Johannishospital[9]. Doch nicht nur die arme Bevölkerungsschicht traf es, sondern auch Angehörige der Oberschicht, was laut Ortrun Riha in ihrem Aufsatz “Aussatz- Geschichte und Gegenwart einer sozialen Krankheit”[10] auf die Kreuzzüge zurückzuführen ist.

2.3. Verbreitete Bezeichnungen

Die im deutschsprachigen Raum meist benutzte Bezeichnung Aussatz erklärt sich aus der sozialen Konsequenz für die Betroffenen. Sie werden ausgegrenzt, als anstößig angesehen. Weitere mittelalterliche Namensgebungen waren spittelsiech[11], sondersiech und, wenn sie nicht in Leprosorien lebten, feltsiech. Die Frage nach dem Verbreitungsgebiet von Lepra, ist die Frage danach, wo Kranke überhaupt gesellschaftlich isoliert wurden. Im alten Ägypten wurden z.B. nur bestimmte Krankheitstypen verbannt.

2.4. Religiöse Betrachtungsweisen des Aussatzes

In den Legenden um Franz von Assisi[12] oder Elisabeth von Thüringen[13] wird das persönliche Engagement in der Leprakrankenpflege erwähnt. Die vom Aussatz Betroffenen hatten sogar eigene Schutzpatrone, um mit Othmar von Gallen[14] und Hedwig von Schlesien[15] nur zwei zu nennen. Für gläubige Christen war das Gebot der Nächstenliebe nur schwer mit dem natürlichen Ekel und der gesellschaftlichen Norm des Ausstoßens zu vereinen. Eine weitere Frage, die die Christen beschäftigte war die, was nach dem Tod mit den Leprösen geschehe?

Die sich durchsetzende Meinung ging davon aus, dass die Kranken direkt in den Himmel kämen, ohne die Bewährung im Fegefeuer ,da man die allgemeine Auffassung besagte, ein Aussätziger wurde ihm Leben schon genug geprüft. Motivisch wird der Aussatz aufgegriffen in der Geschichte des Hiob, der gesegnet mit Reichtum und vielen Kindern von Gott u.a. die Last des Aussatzes auferlegt bekam und sich erst beweisen muss. Hartmann von Aue greift in seinem Werk „Der arme Heinrich“ die Geschichte des Hiob auf und verweist im Werk auf die biblische Geschichte. „als ouch Jobe geschach, dem edeln und dem richen, der ouch vil jaemerlichen dem miste wart ze teile iemitten in sinem heile“[16].Auch Jesus selbst heilte, so steht es in Bibel, Leprakranke. So steht im Lukasevangelium:

“und es begab sich, [...], da war ein Mann voller Aussatz. Als er Jesus sah, [...], sprach (er): Herr, willst du, so kannst du mich reinigen. Und er streckte die Hand aus und rührte ihn an[...] Und sogleich wich der Aussatz von ihm.”[17]

[...]


[1] Galen von Pergamon, um 129 bis 216, griechischer Arzt und Anatom

[2] Isidor von Sevilla, um 560 bis 636, Bischof, Kirchenlehrer, Enzyklopädist

[3] Lanfrank von Mailand, um 1245 bis 1306, bedeutendster Chirurg des Mittelalters

[4] Guy de Chaulliac, um 1298 bis 1368, Arzt

[5] Riha, Ortrun: Aussatz- Geschichte und Gegenwart einer sozialen Krankheit. Leipzig: Verlag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften 2004

[6] Die Bezeichnung Melaten stammt vom im 12.Jahrhundert häufig verwendete Bezeichnun”Melaten” für ein Heim von Aussätzigen

[7] Riha, Ortrun: Aussatz- Geschichte und Gegenwart einer sozialen Krankheit. Leipzig: Verlag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften 2004

[8] ebenda

[9] Riha, Ortrun: Aussatz- Geschichte und Gegenwart einer sozialen Krankheit. Leipzig: Verlag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften 2004

[10] ebenda

[11] ebenda

[12] Franz von Assisi lebte außerhalb der Stadtmauern von San Damiano und pflegte Aussätzige

[13] Ehefrau von Ludwig von Thüringen, wegen ihres Engagements für Aussätzige vielfach in der Kritik

[14] Othmar von St.Gallen, um 689 bis 759, Gründer der Benediktinerklosters St.Gallen

[15] Hedwig von Schlesien, geläufige Bezeichnung für Heilige der römisch- katholischen Kirche

[16] von Aue, Hartmann: Der arme Heinrich. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1993, Vers 128

[17] Peterson, Erik: Lukasevangelium und Synoptica. Würzburg: Echter 2005. 3.Buch Mose, Kapitel 14. Vers 2-32

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Details

Titel
Das Motiv des Aussatzes in der deutschen Literatur unter besonderer Berücksichtigung der Fassungen des 'Armen Heinrichs' von Hartmann von Aue, Gerhart Hauptmann und Ricarda Huch
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Germanistische Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
"Der arme Heinrich" von Hartmann von Aue
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
16
Katalognummer
V72019
ISBN (eBook)
9783638632478
ISBN (Buch)
9783638822343
Dateigröße
405 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Motiv, Aussatzes, Literatur, Berücksichtigung, Fassungen, Armen, Heinrichs, Hartmann, Gerhart, Hauptmann, Ricarda, Huch, Heinrich, Hartmann
Arbeit zitieren
Julia Grubitzsch (Autor:in), 2007, Das Motiv des Aussatzes in der deutschen Literatur unter besonderer Berücksichtigung der Fassungen des 'Armen Heinrichs' von Hartmann von Aue, Gerhart Hauptmann und Ricarda Huch , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72019

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