Antisemitismus, oft als „Judenhass“ übersetzt, ist kein neues Phänomen. Über die Jahrhunderte ist die starke Abneigung gegen Juden, vor allem innerhalb der christlichen Glaubensgemeinschaft, gleichermaßen belegbar. Sie gipfelte etwa in den Kreuzzügen, die Ende des 11. Jahrhunderts gegen Juden in Mitteleuropa geführt wurden, in zahlreichen Pogromen und schließlich im Holocaust durch die Nationalsozialisten.
Wie konnte es dazu kommen? Was schürt den Hass gegen die Glaubensgemeinschaft, das „Volk“ der Juden? Was genau ist Antisemitismus, in welchen Erscheinungsformen kann er sich zeigen, und durch wen? Dies sind Fragen, die im Lauf der Arbeit erörtert werden und schließlich zum Hauptpunkt führen: Wie kann es sein, dass nach den Greueltaten der Nazis weiterhin eine Abneigung gegen Juden in der BRD respektive der DDR und später immer noch in Gesamtdeutschland existierte und existiert? Was ist dabei der Unterschied zum „traditionellen“ Antisemitismus, nach der Zäsur durch den Holocaust? Und: Gegen wen kann sich Hass eigentlich richten, wenn die Hassobjekte de facto kaum mehr im eigenen Land vorhanden sind und in welchen konkreten Handlungen äußert er sich?
Gliederung
1. Einleitung
2. Entwicklung des Antisemitismus bis zum Holocaust
3. Entwicklung des Antisemitismus nach 1945
3.1 Neue Formen des Antisemitismus
3.1.1 Geschichtsrevisionismus
3.1.2 Täter-Opfer-Umkehr
3.1.3 Sekundärer Antisemitismus
3.1.4 Antizionismus
3.2 Konkrete Erscheinungsformen von Antisemitismus
3.3 Antisemitismus in der Öffentlichkeit und im Privaten
4. Schluss
Literaturverzeichnis
Literatur
Internetquellen
1. Einleitung
„Vier Monate nach der öffentlichen Verbrennung eines Tagebuchs der Anne Frank in Pretzien hat die Staatsanwaltschaft Magdeburg sieben Männer wegen Volksverhetzung angeklagt. Nach dem antisemitischen Vorfall an einer Schule in Parey wurden die Ermittlungen ausgeweitet.“[1]
Bei dem „Vorfall“ im obigen Zitat, entnommen aus einem Artikel auf SPIEGEL Online vom 19. Oktober 2006, handelte es sich darum, dass Schüler einen Jungen zwangen, mit einem Schild mit der Aufschrift "Ich bin am Ort das größte Schwein, ich lass mich nur mit Juden ein."[2] über den Pausenhof zu laufen. Der Spruch stammt aus den tiefbraunen Zeiten des Nationalsozialismus und der ganze Vorgang ist Sinnbild dafür, wie aktuell und alltäglich Antisemitismus in Deutschland auch heute noch ist. Dass der Vorfall sich in Ostdeutschland ereignet hat ist nicht unbedingt ein Zufall, denn die antisemitischen Tendenzen in Deutschland sind, wie später belegt werden wird, nicht überall in der Bundesrepublik gleich stark vorhanden, jedoch nach wie vor noch im ganzen Land präsent.
Antisemitismus, oft als „Judenhass“ übersetzt, ist kein neues Phänomen. Über die Jahrhunderte ist die starke Abneigung gegen Juden, vor allem innerhalb der christlichen Glaubensgemeinschaft, gleichermaßen belegbar. Sie gipfelte etwa in den Kreuzzügen, die Ende des 11. Jahrhunderts gegen Juden in Mitteleuropa geführt wurden,[3] in zahlreichen Pogromen und schließlich im Holocaust durch die Nationalsozialisten.
Wie konnte es dazu kommen? Was schürt den Hass gegen die Glaubensgemeinschaft, das „Volk“ der Juden? Was genau ist Antisemitismus, in welchen Erscheinungsformen kann er sich zeigen, und durch wen? Dies sind Fragen, die im Lauf der Arbeit erörtert werden und schließlich zum Hauptpunkt führen: Wie kann es sein, dass nach den Greueltaten der Nazis weiterhin eine Abneigung gegen Juden in der BRD respektive der DDR und später immer noch in Gesamtdeutschland existierte und existiert? Was ist dabei der Unterschied zum „traditionellen“ Antisemitismus, nach der Zäsur durch den Holocaust? Und: Gegen wen kann sich Hass eigentlich richten, wenn die Hassobjekte de facto kaum mehr im eigenen Land vorhanden sind und in welchen konkreten Handlungen äußert er sich?
2. Entwicklung des Antisemitismus bis zum Holocaust
Theologisch betrachtet wurzelt der Judenhass in Identitätsproblemen des Christentums, das sich als „wahres Israel“[4] verstand. Da die Juden die Erlösung durch Christus nicht anerkannten, wurden sie von den Christen deklassiert und auf eine Stufe mit Heiden und Ketzern, also Ungläubigen gestellt. Das Christentum verstand sich als einzig wahre Religion und war zu langen Zeiten sehr fundamental, duldete also keinen anderen Glauben. Ein Bibelzitat dient noch heute Rassisten und Antisemiten als Legitimation, um ihren Judenhass und ihre Ausschreitungen zu begründen: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“[5] als falsch verstandenes Dogma steht über der religiös begründeten Judenverfolgung. Dass dieses Zitat in nur einem der vier Evangelien, nämlich im Matthäusevangelium, vorkommt und bei Lukas, Johannes und Markus nicht erwähnt wird, interessiert nicht. Aus dem einfachen Grund, dass ein Vorwand gefunden ist, der sich wunderbar für die eigenen Zwecke nutzen lässt. So verhält es sich nicht nur bei der Bibelpassage sondern bei allen so genannten „Gründen“, die den Judenhass rechtfertigen. „Hass“ an sich als Gefühlsregung kann niemals rational begründet sein, die Gründe sucht man erst hinterher oder legt sie sich zurecht. Auf diese Weise entstehen negativ konnotierte Stereotype, die im schlimmsten Fall nicht nur im Kreis und im Geist der Aggressoren verbleiben. An sich Unbeteiligte adaptieren sie und werden somit zu Mitläufern. Auf diese Weise kann sich eine ganze Gemeinschaft gegen eine andere, sich in der Minderheit befindliche, richten, im zu behandelnden Fall verhält es sich so zwischen Christen und Juden. Der Judenhass wurde über die Jahrhunderte von offizieller kirchlicher Seite her geschürt und propagiert. Es wurden Legenden erfunden, die weitere Gründe aufwerfen sollten. Etwa, dass Juden Ritualmorde an christlichen Kindern begehen, um das Leiden Christi zu verhöhnen oder dass sie Hostien schändeten. Die Verbreitung dieser Geschichten startete etwa im 13. Jahrhundert.[6] Weit verbreitet ist auch die Legende, die Juden hätten die Brunnen vergiftet und damit die Pestepidemie im 14. Jahrhundert ausgelöst.
Bis ins 18. Jahrhunderts kann man von „nur“ religiös motiviertem „Antijudaismus“[7] sprechen. Von „Rassenhass“ ist erst später die Rede. Doch vor allem im mittelalterlichen Leben bildete der Glaube das zentrale Identifikationsmerkmal, bestimmte in existentiellem Maße den Alltag und war somit Grund genug, Andersgläubige zu verurteilen, zu verfolgen und zu töten.
Die Situation änderte sich, wie angesprochen, gegen Mitte des 18. Jahrhunderts, im Zeitalter der Aufklärung. Zu diesem Zeitpunkt begann man, die Menschen naturwissenschaftlich, also zoologisch zu betrachten. Religion spielt zwar nach wie vor eine Rolle im Leben der Menschen, jedoch setzt die Naturwissenschaft einen anderen Ansatzpunkt. Das Ergebnis dieser neuen Betrachtung ist, dass man die Menschen in Rassen untergliedert, der Rassengedanke kommt auf. Damit einhergehend auch der „Rassenhass“. Festzumachen ist diese neue Form des Antisemitismus zunächst an der napoleonischen Besatzung der verschiedenen deutschen Kleinstaaten, Königs- und Fürstentümer. Napoleon setzte sich für die Emanzipation der Juden ein und vollzog diese auch. Als sich in der deutschen Bevölkerung eine Antipathie den Besatzern gegenüber, Napoleon respektive Frankreich, entstand, wurden damit einhergehend auch erneut die Juden verurteilt. Denn wenn Napoleon deren Emanzipation unterstützt und man sich gegen Napoleon richtet, muss auch die Emanzipation wieder rückgängig gemacht werden.[8]
Erstmals kam durch die Rassentheorie auch eine Bilderwelt auf, die Juden durchgehend deklassierte, sie mit Ratten und Schlangen gleichsetzte. Juden können nunmehr, aus antisemitischer Sicht, ihr „Verfehlen“, also ihre pure Existenz, nicht zum guten Wenden. Im Mittelalter wurden sie während der Pogrome noch vor die Wahl gestellt: Zum christlichen Glauben übertreten, durch Taufe an Ort und Stelle, oder getötet werden. Dort ging es einzig und allein um die Glaubensfrage. Die Rassentheorie, der daraus resultierende Rassismus, lässt diese weitestgehend außer Acht: „Was er glaubt ist einerlei, im Blute liegt die Schweinerei.“[9] Juden werden durch ihre angeblich physiognomisch übereinstimmenden Merkmale, wie etwa die Hakennase, und Charaktereigenschaften wie Geldgier, Rachsucht und Nutznießertum klassifiziert. Sämtliche Konnotationen waren negativ und viele haben sich bis in die Jetztzeit gehalten. Die Schmähungen waren endlos, beispielsweise wurden Juden metaphorisch „als Schmarotzer und Parasiten im Gastland gegenüber dem Wirtsvolk“[10] bezeichnet.
Ein neuer Terminus kommt in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf: Die „Judenfrage“. Da eine Frage immer nach einer Antwort verlangt, wurde seit der Konstruktion der Frage auch eine „Lösung“ gesucht. Bei der Judenfrage ging es um die unterstellte „konstitutionelle Andersartigkeit der Juden als Rasse“.[11] Man versuchte, die Juden loszuwerden, um sich nicht mehr mit ihnen auseinandersetzen zu müssen, um wieder nur unter Deutschen, unter Christen zu sein, die eigene „Rasse“ bewahren vor Fremdeinflüssen. Die Lösung konnte also entweder nur die Vertreibung oder die Vernichtung des unerwünschten Volkes sein. In gleicher Terminologie sprach Hitler und sprachen die Nazis von der „Endlösung“, die erstmals in den Nürnberger Gesetzen 1935 festgehalten wurde. Die finale Ausrottung der Juden als Antwort auf die Judenfrage wurde angestrebt und durch den Holocaust praktiziert.
[...]
[1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,443550,00.html, aufgerufen am 20. Oktober 2006.
[2] Ebd.
[3] Vgl. Benz, Wolfgang: Antisemitismus: Zum Verhältnis von Ideologie und Gewalt. In: Samuel Salzborn (Hg.): Antisemitismus. Geschichte und Gegenwart. Verlag des Netzwerks für politische Bildung, Kultur und Kommunikation e.V.: Giessen 2004, S. 33-50. S. 37.
[4] Benz 2004, S. 36.
[5] Neues Testament, Mt 27, 25
[6] Vgl. Benz 2004, S. 37f
[7] Benz 2004, S. 42.
[8] Vgl. Brumlik, Micha: Der Fall Hohmann und warum er gar keiner ist. In: Jörg Döring u.a. (Hg.): Antisemitismus in der Medienkommunikation. Frankfurt a.M.: Verlag der Gesellschaft zur Förderung arbeitsorientierter Forschung und Bildung 2005, S. 129-141. S. 132.
[9] Brumlik 2005, S. 133.
[10] Benz 2004, S. 42.
[11] Benz 2004, S. 41.
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