Diese Arbeit wird untersuchen, ob und in welcher Weise Fragen der militärischen Sicherheit Gegenstand der Diskussionen waren, die im Laufe der Grundgesetzentstehung geführt wurden. Auch soll untersucht werden, zu welchen Aspekten der militärischen Sicherheit Bezug genommen wurde und wie diese verfassungsrechtlich normiert wurden. Diese Analyse ist notwendig, um die Frage beantworten zu können, ob die Wiederbewaffnung Deutschlands in Einklang mit dem Willen der Verfassungsgeber stand. Auf einer allgemeineren Eben soll geklärt werden, wie das Grundgesetz in Bezug auf die Möglichkeit einer Wiederbewaffnung zur damaligen Zeit einzuordnen war – auch hinsichtlich den Umständen der Nachkriegszeit im besetzten Deutschland, in deren Kontext die Ausarbeitung des Grundgesetzes historisch einzubetten ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Ausarbeitung des Grundgesetzes
a) Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee
b) Der Parlamentarische Rat
3. Militärische Sicherheit als Beratungsgegenstand
a) Art. 24 Abs. 2 GG: System der kollektiven Sicherheit
b) Art. 4 Abs. 3 GG: „Recht auf Kriegsdienstverweigerung“
c) Art. 26 Abs. 1 GG: „Ächtung des Angriffskrieges“
4. Schlussfolgerungen
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Nicht einmal sechs Jahre nach dem der amerikanische Finanzminister Henry Morgenthau am 1. September 1944 seinen Plan zur Zerstückelung und De-Industrialisierung Deutschlands nach dem Krieg vorgelegt hatte, wurde der neugegründeten Bundesrepublik auf der Außenministerkonferenz in New York im September 1950 seitens der Westalliierten die Aufstellung eigener Streitkräfte in Aussicht gestellt. Zwar wurde aufgrund des Widerstandes Frankreich eine sofortige Bildung einer paramilitärischen Bundespolizei abgelehnt, jedoch verständigte man sich auf eine grundsätzliche Bejahung einer deutschen Wiederbewaffnung – wenngleich man die zukünftigen deutschen Streitmächte in einer internationalen westlichen Streitmacht integriert sehen wollte.
Der Ausbruch des Korea-Krieges im Juni 1950 führte den Westalliierten die Gefahr vor Augen, die von der offensiven, aggressiven Ideologie des Kommunismus auszugehen schien. Man kam zu dem Entschluss, dass ein deutscher Verteidigungsbeitrag für die Sicherheit Westeuropas unentbehrlich sein würde. Diese Entwicklungen wurden auf Seiten der damaligen bundesrepublikanischen Regierung unter Konrad Adenauer mit Wohlwollen registriert, verfolgte man doch eine Politik, die die Bundesrepublik zu einem festen Bestandteil der westlichen Staatengemeinschaft machen sollte. Eine mögliche Eingliederung in ein westliches Militärbündnis und die damit verbundene Wiederbewaffnung wurde als Mittel betrachtet, um der Bundesrepublik außenpolitischen Handlungsspielraum zurückzugeben und somit dem Fernziel, Erlangung der vollen Souveränität, näher zu kommen.
Die Politik der Regierung Adenauer bezüglich des Aufbaus von militärischen Strukturen in den Jahren zwischen 1950 bis 1955 endete am 2. Januar 1956 mit der Einberufung der ersten 1000 deutschen Soldaten.
Diese Entwicklung der Wiederbewaffnung führte innenpolitisch zu erheblichen Auseinandersetzungen, wobei sich eine parteipolitische Konfliktlinie zwischen CDU und SPD auftat. Letztere opponierte unter ihrem damaligen Vorsitzenden Kurt Schumacher vehement gegen eine deutsche Wiederbewaffnung.
In den Debatten im deutschen Bundestag über die Aufstellung von Freiwilligen im Juni 1955 beziehungsweise über den Aufbau einer Bundeswehr im März 1956 warf die SPD-Fraktion der CDU Regierung vor, durch die Wiederbewaffnung „das Wesen der Bundesrepublik Deutschland von Grund auf zu verändern.“ (Adenauer 1965: 384). Die SPD vertrat die Ansicht, das geschaffene Grundgesetz schließe den Aufbau deutscher Streitkräfte aus.
In diesem Lichte sind auch die beiden Eingangszitate zu lesen. Einerseits die Stellungnahme Adenauers, der seine Politik der Wiederbewaffnung durch den Verweis auf die Diskussionen, und damit den Willen der Verfassungsgeber, bezüglich militärischer Sicherheit in der Verfassungsgebenden Versammlung zu rechtfertigen sucht. Andererseits die Ausführungen Carlo Schmids, wonach militärische Sicherheit kein Beratungsgegenstand während der Ausarbeitung des Grundgesetzes war. Dies, so Schmid, wäre in Anbetracht der Haltung der Besatzungsmächte, die sich die Führung der auswärtigen Angelegenheiten der Bundesrepublik vorbehalten hatten, ohne Sinn gewesen (Schmid 1979: 492).
Diese Arbeit wird untersuchen, ob und in welcher Weise Fragen der militärischen Sicherheit Gegenstand der Diskussionen waren, die im Laufe der Grundgesetzentstehung geführt wurden. Auch soll untersucht werden, zu welchen Aspekten der militärischen Sicherheit Bezug genommen wurde und wie diese verfassungsrechtlich normiert wurden. Diese Analyse ist notwendig, um die Frage beantworten zu können, ob die Wiederbewaffnung Deutschlands in Einklang mit dem Willen der Verfassungsgeber stand.
Auf einer allgemeineren Eben soll geklärt werden, wie das Grundgesetz in Bezug auf die Möglichkeit einer Wiederbewaffnung zur damaligen Zeit einzuordnen war – auch hinsichtlich den Umständen der Nachkriegszeit im besetzten Deutschland, in deren Kontext die Ausarbeitung des Grundgesetzes historisch einzubetten ist.
Hierzu wird zunächst auf die Ausarbeitung des Grundgesetzes im Verfassungskonvent von Herrenchiemsee und im Parlamentarischen Rat eingegangen. Im Hauptteil werden schließlich die Diskussionen des Herrenchiemseer Verfassungskonvent und des Parlamentarischen Rats, die in Zusammenhang mit Fragen militärischer Sicherheit geführt wurden, untersucht. In einer abschließenden Bewertung soll deutlich gemacht werden, ob es der Wille der Mehrheit, der im Parlamentarischen Rat Vertretenen war, das Grundgesetz für einen möglichen deutschen militärischen Beitrag zu konzipieren oder ob die Wiederbewaffnung „das Wesen der Bundesrepublik von Grund auf verändert hat.“
2. Die Ausarbeitung des Grundgesetzes
Den deutschen Ministerpräsidenten wurde durch Vertreter der alliierten Besatzungsmächte am 1. Juli 1948 die sog. „Frankfurter Dokumente“ überreicht. Gemäß diesen Dokumenten wurden die deutschen Ministerpräsidenten in den elf Westzonen autorisiert, bis zum 11. September 1948 eine Verfassungsgebende Versammlung einzuberufen, die eine „demokratische Verfassung ausarbeiten sollte, die für die beteiligten Länder eine Regierungsform des föderalistischen Typs schafft.“[1]
Die Frankfurter Dokumente wurden von der politischen Elite in Deutschland gemischt aufgenommen. Einerseits herrschte Erleichterung darüber, dass man nach nur drei Jahren seit Kriegsende die Ermächtigung erhalten hatte, eine Verfassung auszuarbeiten. Andererseits wurden hinsichtlich der Forderungen der Westalliierten, sich eine Reihe von Zuständigkeiten bezüglich des neuen deutschen Staates vorzubehalten[2], auch kritische Stimmen laut. So nahm Konrad Adenauer in einem privaten Schreiben dahingehend Stellung, dass er die Dokumente als „katastrophal“ bezeichnete und glaubte, der Versailler Vertrag von 1919 sei „dagegen ein Rosenstrauß“ gewesen (Feldkamp 1998: 20).
Trotzdem waren sich CDU und SPD einig, dass man eine Verfassungsgebende Versammlung einberufen werde, wobei es sich bei dem auszuarbeitenden Dokument nur um ein Provisorium („vorläufiges Grundgesetz“) handeln solle (Feldkamp 1998: 20).
a) Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee
Die Ministerpräsidenten einigten sich darauf, dass ein aus Sachverständigen zusammengesetzter Ausschuss einen Verfassungsvorschlag ausarbeiten sollte, der dann der verfassungsgebenden Versammlung als Arbeitsgrundlage dienen sollte. Im Auftrag und durch Ernennung der Ministerpräsidenten konstituierte sich am 10. August 1948 der sog. „Herrenchiemseer Verfassungskonvent“, der sich aus je einem Bevollmächtigten der westdeutschen Länder sowie deren Mitarbeitern und Sachverständigen zusammensetzte. Obwohl das am 23. August 1948 verabschiedete Dokument offiziell nur als „Bericht“ deklariert wurde, diente es dem direkt im Anschluss tagenden Parlamentarischen Rat als Diskussions- und Arbeitsgrundlage. Trotz der verhältnismäßig kurzen Beratungsdauer von nur zwei Wochen, gelang es dem Verfassungskonvent von Herrenchiemsee, die „ziemlich vollständige und richtige Zusammenfassung der verfassungsrechtlichen Vorstellungen in Westdeutschland auszuarbeiten.“ (Feldkamp 1998: 31).
Einige Mitglieder des Verfassungskonvents waren später auch Mitglieder des Parlamentarischen Rats, so zum Beispiel Carlo Schmid und Otto Suhr (beide SPD) sowie Anton Pfeiffer (CSU). Da der Entwurf der Delegierten aus Herrenchiemsee in den Ausschüssen des Parlamentarischen Rats als Ausgangspunkt der Diskussion über das aufzuarbeitende Grundgesetz fungierte, wird die Arbeit auch hin und wieder Bezug auf Diskussionen nehmen, die bereits auf Herrenchiemsee stattgefunden hatten. Nur so kann sich ein vollständiges Bild bezüglich der diskutierten Fragen militärischer Sicherheit ergeben.
b) Der Parlamentarische Rat
Der Parlamentarische Rat konstituierte sich am 1. September 1948 und setze sich aus 65 stimmberechtigten Vertretern aus den westdeutschen Ländern zusammen. Außerdem gehörten ihm fünf nichtstimmberechtigte Vertreter aus Westberlin an. Die Abgeordneten wurden von den Landtagen der Länder gewählt. Die Wahl wurde nicht dem Zufall überlassen, sondern die Parteiführungen gaben ihren jeweiligen Landtagsfraktionen vor, wer gewählt werden sollte (Feldkamp 1998: 36). Die parteipolitische Zusammensetzung gestaltete sich demnach wie folgt: CDU/CSU 27, SPD 27, FDP 5, KPD 2, DP 2 und Zentrum 2.
Konrad Adenauer (CDU) wurde von den Delegierten zum Präsidenten des Parlamentarischen Rats gewählt. Der Parlamentarische Rat tagte in sechs Ausschüssen, die thematisch untergliedert waren: Ausschuss für Wahlrechtsfragen, für Finanzfragen, für das Besatzungsstatut, für Zuständigkeitsabgrenzung (Bund-Länder), für die Organisation des Bundes/Rechtspflege und ein Ausschuss für Grundsatzfragen.
Im Hauptausschuss, an dem alle Abgeordneten stimmberechtigt waren, wurde das in den Unterausschüssen Besprochene zu einem Ganzen zusammengeführt. Hauptausschussvorsitzender war Carlo Schmid (SPD).
Diejenigen Stellen des Grundgesetzes, die einen Bezug zu sicherheitspolitischen Aspekten aufweisen sollten, wurden im Ausschuss für Grundsatzfragen behandelt. Ihm gehörten zwölf Mitglieder an und Vorsitzender war Hermann von Mangoldt (CDU). Die Arbeit des Parlamentarischen Rates endete am 23. Mai 1949, wo die Annahme des Grundgesetzes durch die Landtage festgestellt wurde.
Im Folgenden soll nun untersucht werden welche Fragen der militärischen Sicherheit in den beiden Gremien, Verfassungskonvent von Herrenchiemsee und Parlamentarischer Rat, diskutiert wurden. Auch soll gezeigt werden in welchen grundgesetzlichen Normen diese Fragen ihren Niederschlag gefunden haben.
[...]
[1] Dokument I (Grundlinien für die Verfassung): http://www.documentarchiv.de/brd/frftdok.html (02.06.05)
[2] Dies bezog sich hauptsächlich auf Dokument III der Frankfurter Dokumente, das u.a. vorsah, dass die Alliierten Deutschlands auswärtige Beziehungen wahrnehmen werden.
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