Einfluss sensorischer Sensitivität und Erfahrungen auf Lebensmittelpräferenzen in den ersten Lebensjahren


Diplomarbeit, 2007

121 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Aufbau der Arbeit

2 Grundlagen der Sensorik
2.1 Sinnesphysiologie
2.1.1 Sinneseindrücke und Empfindungen
2.1.2 Das Zusammenspiel der verschiedenen Sinneseindrücke beim Essen und Trinken
2.1.3 Anatomische und physiologische Grundlagen der Sinne
2.1.4 Geruchswahrnehmung
2.1.5 Geschmackswahrnehmung
2.1.6 Wahrnehmung von Flavor und Aroma
2.2 Sensorische Prüfmethoden
2.2.1 Sensorische Prüfmethoden bei Säuglingen
2.2.2 Hedonische Prüfungen bei Kleinkindern und Kindern

3 Grundlagen der Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern
3.1 Die Ernährung des Säuglings
3.1.1 Ernährungsplan für das erste Lebensjahr
3.1.2 Muttermilch und Säuglingsanfangsnahrungen
3.2 Ernährungsverhalten von Säuglingen und Kleinkindern
3.2.1 Psychologische Einflussfaktoren bei der Entwicklung des Ernährungsverhaltens
3.2.2 Einfluss der Eltern auf das Ernährungsverhalten des Kindes
3.2.3 Ähnlichkeiten im Ernährungsverhalten von Eltern und Kindern

4 Bildung von Nahrungsmittelpräferenzen
4.1 Angeborene Geschmackspräferenzen
4.2 Konditionierte Geschmacks- und Nahrungsmittelpräferenzen
4.3 Kulturelle Einflüsse
4.4 Nahrungsmittelaversionen
4.5 Nahrungsmittelneophobien und die Akzeptanz neuer Nahrungsmittel

5 Sensorische Studien mit Säuglingen, Kleinkindern und jungen Schulkindern
5.1 Frühkindliche Geschmackserfahrungen
5.1.1 Geschmackserfahrungen durch Muttermilch
5.1.2 Geschmackserfahrungen durch Säuglingsanfangsnahrung
5.2 Reaktionen auf die Grundgeschmacksqualitäten und ihre Auswirkungen auf Geschmackspräferenzen
5.2.1 Geschmacksqualität süß
5.2.2 Geschmacksqualität sauer
5.2.3 Geschmacksqualität salzig
5.2.4 Geschmacksqualität bitter
5.3 Olfaktorische Studien bei Säuglingen
5.3.1 Pränatale Gerüche
5.3.2 Pränatale und postnatale Gerüche im Vergleich
5.3.3 Postnatale Gerüche
5.4 Entwicklung der Akzeptanz von Lebensmitteln in den ersten Lebensjahren
5.4.1 Einfluss der Eltern
5.4.2 Neue / unbekannte Lebensmittel

6 Vergleich der Studiendesigns

7 Schlussbetrachtung und Ausblick

8 Zusammenfassung

9 Abstract

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Sensogramm

Abbildung 2: Zusammenwirken verschiedener Teilfaktoren des Flavors

Abbildung 3: Veränderung des Gesichtsausdruck von Neugeborenen als Reaktion auf verschiedene Gerüche

Abbildung 4: Testvorrichtung für Geruchstest mit Säuglingen

Abbildung 5: Hedonische Gesichterskala

Abbildung 6: Der Ernährungsplan für das 1. Lebensjahr

Abbildung 7: Veränderung der Wechselwirkung innerer Signale, äußerer Reize und Einstellungen & Überzeugungen im Lebenszyklus

Abbildung 8: Veränderung der Aufnahmemenge eines neuen Lebensmittels im Zeitverlauf

Abbildung 9: Durchschnittliche Aufnahmemenge (g) der erhaltenen Gemüsevariante bei gestillten und nicht gestillten Kindern

Abbildung 10: Anzahl der in den Studien untersuchten Altersgruppen

Abbildung 11: Anzahl primärer und sekundärer Messmethoden

Abbildung 12: Untersuchte Einflussfaktoren auf die Ausbildung von Lebens-mittelpräferenzen im Kindesalter

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Einteilung der Sinneseindrücke

Tabelle 2: Ähnlichkeiten von Vorlieben und Abneigungen verschiedener Lebensmittel bei Mutter und Kind

Tabelle 3: Klassifikation menschlicher Nahrungsversionen

Tabelle 4: Häufigkeit der Messmethoden in den Untersuchungsfeldern

Tabelle 5: Häufigkeit der Messmethoden in den verschiedenen Altersgruppen

1 Einleitung

Die Bedeutung einer angemessenen Ernährung für eine gesunde körperliche und geistige Entwicklung von frühster Kindheit an ist seit Langem bekannt.[1] In den letzten Jahren ist darüber hinaus deutlich geworden, dass die Ernährung während der Kindheit und Jugend mit dem Auftreten verschiedener, vor allem chronischer Erkrankungen im Erwachsenenalter zusammenhängt. Somit hat die Ernährung schon im Kindsalter eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Auswirkungen der Ernährung in den ersten Lebensjahren zeigen sich bis ins Erwachsenenalter.[2] Sowohl Ernährungsgewohnheiten als auch Geschmacks-präferenzen werden schon in den ersten Monaten des Lebens geprägt. So hat die Wahl der ersten Nahrung – Muttermilch oder Säuglingsnahrung – schon Einfluss auf die Ausbildung von Geschmackspräferenzen.

Die Ernährung der Bevölkerung westlicher Industrienationen, insbesondere die von Kindern, entspricht nicht den Empfehlungen für eine gesundheitsförderliche Ernährungsweise. Kampagnen zur Verbesserung der Ernährungsweise, wie z.B. „5-am-Tag“, zielen meist auf eine Steigerung des Ernährungswissens und auf eine daraus resultierende Änderung der Einstellung ab. Eine langfristige Änderung des Ernährungsverhaltens hat sich allerdings als schwierig erwiesen, da eine Verhaltensänderung durch die Steigerung des Ernährungswissens allein kaum erreicht wird. Eine alternative Perspektive zielt auf hedonische Faktoren ab, wie Geschmack, Geruch, Textur und Aussehen eines Lebens-mittels. Versuche zu erklären, weshalb beispielsweise der Gemüsekonsum bei Erwachsenen und bei Kindern nicht den Empfehlungen entspricht, haben als Hindernis oft Geschmackspräferenzen hervorgehoben. Bei Kindern hat das Mögen eines Lebensmittels den größten Einfluss auf dessen Verzehr. Wenn also das Nicht-Mögen der wichtigste Grund für eine geringe Gemüseaufnahme ist, so könnten bei Kindern Interventionen, die eine Änderung der Lebensmittel-präferenzen bewirken wollen, Einflüsse auf die Änderung der Akzeptanz von Gemüse haben.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es zu untersuchen, wodurch Lebensmittel-präferenzen beeinflusst werden können und wie diese Einflussfaktoren zusammenwirken. Dabei sollen sowohl genetische Einflüsse als auch Erfahrungswerte im Kindesalter behandelt werden.

Im Rahmen eines Forschungsprojektes[3] der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) soll die sensorische Akzeptanz von öko-logischen Lebensmitteln bei Kindern im Alter von zwei bis sieben Jahren im Zusammenhang mit potentiellen sensorischen Prägungen durch ihre Ernährung im ersten Lebensjahr untersucht werden. Es soll insbesondere geprüft werden, ob gestillte Säuglinge und Säuglinge, die mit selbst hergestellter Beikost ernährt wurden, im Kleinkind-, Vorschulalter und jungem Schulalter größere Geschmacksvariationen – wie bei ökologischen Lebensmitteln – akzeptieren als Kinder, die überwiegend mit industriell hergestellter Säuglingsnahrung und Beikost ernährt wurden.

Mit der vorliegenden Arbeit werden mögliche Einflussfaktoren auf die Entwicklung von Geschmackspräferenzen in den ersten Lebensjahren beleuchtet und verschiedene Untersuchungen auf diesem Fachgebiet vergleichend dargelegt. Dabei wird bereits ein möglicher Einfluss auf den Fötus im Mutterleib näher betrachtet. Weiter werden die Akzeptanzmuster gestillter und mit Säuglingsnahrung ernährter Säuglinge vergleichend gegenübergestellt. Einen weiteren Untersuchungsgegenstand stellen der Einfluss der Ernährung des Kindes und die Fütterungspraxis der Eltern auf die Ausbildung von Geschmackspräferenzen im Kindesalter dar. Damit liefert diese Arbeit wichtige Hintergrundinformationen für das oben beschriebene Forschungsprojekt.

1.1 Problemstellung

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Einflussfaktoren auf die Ausbildung von Geschmackspräferenzen in den ersten Lebensjahren aufzuzeigen. Hierbei sollen sensorische Studien mit Säuglingen, Kleinkindern und jungen Schul-kindern beleuchtet werden, die sich mit der sensorischen Sensitivität und Geschmackspräferenzen befassen. Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit liegt auf der Betrachtung von Studien aus den Jahren 1994 bis 2006, da ältere Untersuchungen schon umfassend in einer vorangegangenen Diplomarbeit dargestellt wurden.[4] Die in der vorliegenden Arbeit beschriebenen Studien befassen sich ausschließlich mit gesunden Säuglingen, Kleinkindern und Kindern, die in westlichen Industrienationen leben. Nicht berücksichtigt werden sowohl Untersuchungen mit Kindern, die eine bestimmte Krankheit aufweisen und Untersuchungen mit Kindern aus Entwicklungsländern. In erster Linie werden Studien aus den USA beschrieben, da auf dem Gebiet der Kinderernährung dort die meiste Forschung betrieben wird. In Deutschland werden vergleichsweise wenig sensorische Studien mit Kindern durchgeführt.[5]

1.2 Aufbau der Arbeit

Nach der Einleitung soll zunächst eine kurze Einführung in die Sinnes-physiologie mit besonderem Augenmerk auf die Geschmacks- und Geruchs-wahrnehmung erfolgen. Im Anschluss daran werden eine Auswahl von sensorischen Prüfmethoden bei Untersuchungen mit Säuglingen und Klein-kindern vorgestellt, die ihre Anwendung in zahlreichen Untersuchungen des 5. Kapitels finden.

Darauf folgend sollen die Grundlagen der Ernährung von Säuglingen und das Ernährungsverhalten von Säuglingen und Kleinkindern beschrieben werden. Damit bilden die Kapitel 2 und 3 die Ausgangsbasis und das Verständnis der Untersuchungen im 5. Kapitel.

Im anschließenden Kapitel 4 werden Faktoren beschrieben, die die Bildung von Nahrungsmittelpräferenzen im Kindesalter prägen. Dabei werden sowohl angeborene, als auch erlernte Geschmacks- und Nahrungsmittelpräferenzen näher betrachtet. Zudem werden Nahrungsmittelneophobien und die Entstehung von Nahrungsmittelaversionen beschrieben.

Im darauf folgenden 5. Kapitel werden, unterteilt nach verschiedenen Themen-gebieten, einige sensorische Studien mit Säuglingen, Kleinkindern und jungen Schulkindern vorgestellt und vergleichend gegenübergestellt. Die Studien-designs der sensorischen Untersuchungen werden im anschließenden 6. Kapitel unter unterschiedlichen Gesichtspunkten miteinander verglichen.

Im Schlussteil werden zunächst die untersuchten Einflussfaktoren auf die Ausbildung von Lebensmittelpräferenzen im Kindesalter zusammengetragen. Anschließend werden daraus Empfehlungen für Eltern und Erziehende abgeleitet.

Die Arbeit schließt mit einer kurzen Zusammenfassung der Arbeit, sowie einem Abstract.

2 Grundlagen der Sensorik

Dieses Kapitel beginnt mit einer kurzen Einführung in die Sinnesphysiologie, in der ein Überblick über die menschlichen Sinne und die Sinneseindrücke gegeben wird. Alle fünf Sinne werden dargestellt und die anatomischen und physiologischen Grundlagen der Sinne werden näher gebracht. Im Folgenden wird genauer auf die Geruchs- und Geschmackswahrnehmung eingegangen, da diese zum Verständnis folgender Kapitel unerlässlich sind. Sensorische Prüfmethoden, die sich mit der Untersuchung von Säuglingen, Kleinkindern und Kindern befassen, werden im Anschluss vorgestellt.

2.1 Sinnesphysiologie

Sinne werden von Mensch und Tier benötigt, um Informationen aus der Umwelt aufzunehmen und um den Zustand ihres Organismus zu kontrollieren.[6] Traditionellerweise wurden die einzelnen Sinnesfühler, die oft in größeren Sinnesorganen zusammengeschlossen sind, Rezeptoren genannt. Mittlerweile hat sich der Rezeptorbegriff aber gewandelt; für Sinnes-Rezeptor wird heute hauptsächlich der Begriff Sensor verwandt. Beim Menschen gibt es verschiedene Arten von Empfindungen, die von verschiedenen Sinnessystemen vermittelt werden: Hören, Sehen, Schmecken, Riechen und Fühlen. Diese Grundtypen der Empfindung werden Sinnesmodalitäten genannt. Innerhalb einer Sinnesmodalität werden wiederum verschiedene Qualitäten unter-schieden, z.B. Süß- oder Salzig­schmecken.

Bereits in der Embryonalphase werden alle Sinne angelegt und reifen unter-schiedlich schnell und lang.[7] Im letzten Drittel der Schwangerschaft sucht der Fötus z.B. Berührungsreize, und es ist ihm möglich, zu hören und zu schmecken. Der Tastsinn ist zum Zeitpunkt der Geburt am weitesten entwickelt, der Geruchs- und Geschmackssinn recht weit und das Gehör mäßig entwickelt. Der Gesichtssinn ist zu diesem Zeitpunkt nur bruchstückhaft entwickelt.

2.1.1 Sinneseindrücke und Empfindungen

Die Sinneseindrücke werden durch die Sinnesorgane an das Zentralnerven-system weitergeleitet.[8] In entsprechenden Empfindungen äußern sich daraufhin die hervorgerufenen Reaktionen. Den Sinnesorganen entsprechend verfügt der Mensch über fünf Sinne (Empfindungsmodalitäten). Das Zusammenwirken aller Sinne macht den sensorischen Gesamteindruck aus. Einen genaueren Überblick über die Zusammenhänge von Sinnesorgan, Empfindungsmodalität, Sinneseindruck und Empfindungsqualität gibt Tabelle 1.

Tabelle 1: Einteilung der Sinneseindrücke[9]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.1.2 Das Zusammenspiel der verschiedenen Sinneseindrücke beim Essen und Trinken

Gewöhnlich geschieht der erste Kontakt mit einem Lebensmittel durch das Sehen, dem das Riechen, Hören und Tasten folgen können.[10] Verschiedene Sinneseindrücke, wie Aussehen und der Geruch von frisch gebackenen Brötchen, Geräusche beim Kauen und der Unterschied von knuspriger Kruste und weicher Krume im Mund, können auch gleichzeitig ablaufen. Beim Essen tasten zunächst die Lippen; Konsistenz und Beschaffenheit werden im Mundraum weiter ertastet. Die Wahrnehmung von Kälte, Wärme und Schmerz erfolgt ebenso wie die Vermittlung von Kaugeräuschen durch das Hören. Darauf folgen unmittelbar das Schmecken auf der Zunge und das damit verbundene Riechen einer Vielfalt von Aromen, indirekt vermittelt über den Nasen-Rachenraum. Von diesen Empfindungen wird unser Gesamturteil über ein Lebensmittel, vereinfacht auch als Geschmack bezeichnet, beeinflusst. In Abbildung 1 ist die Komplexität der sinnlichen Wahrnehmung dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Sensogramm[11]

2.1.3 Anatomische und physiologische Grundlagen der Sinne

Gesichtssinn

Das Sinnesorgan des Gesichtssinns ist das Auge mit Sehnerv und Sehzentrum im Gehirn.[12] Das Sehen wird durch das einwandfreie Zusammenwirken ermöglicht. Über Kornea und Linse dringt Licht in das Auge ein und trifft auf die Retina (Netzhaut). Auf dieser befinden sich zwei unterschiedliche Sehzellen: die Stäbchen und Zäpfchen. Während wir mittels Zäpfchen Farben wahrnehmen können, sind die Stäbchen für das Schwarz-Weiß-Sehen verantwortlich.

Der Gesichtssinn ist für die sensorische Beurteilung von Produkten von großer Bedeutung. Farbe, Form, Größe, Struktur, Trübheit oder Glanz sind mit dem Auge wahrnehmbare Merkmale, die Aufschluss über ein Produkt geben und eine gewisse Produkterwartung erzeugen: die Farbe grün kann beispielsweise bei manchen Früchten mangelnde Reife signalisieren.[13] Die erste Sinnes-wahrnehmung eines Produkts erfolgt meist mit dem Auge.[14] Mit der Farbe werden bestimmte Gerüche und Geschmacksrichtungen assoziiert, mit rot z.B. Erdbeere oder braun mit Schokolade. Der visuelle Sinn wirkt also dominierend und ist in der Lage, die chemischen Sinne Geruch und Geschmack irre-zuführen.[15]

Geruchssinn

In jeder Nasenhöhle befinden sich drei mit Schleimhaut ausgestattete Conchen.[16] Auf der obersten Conche befindet sich, beschränkt auf einen nur etwa 2 x 5 cm² großen Bereich, die olfaktorische Region (Riechepithel). Das Riechepithel besteht wiederum aus drei verschiedenen Zelltypen: den eigentlichen Riechzellen, den Stützzellen und den Basalzellen. Der Mensch besitzt etwa 30 Millionen Riechzellen mit einer durchschnittlichen Lebensdauer von einem Monat. Die Riechsinneszellen sind primäre Sinneszellen, die durch zahlreiche in den Schleim ragende dünne Sinneshaare (Zilien) mit der Außenwelt verbunden sind.[17]

Geschmackssinn

In einer ganzheitlichen Betrachtungsweise versteht man unter Geschmack eines Stoffes alle Empfindungen, die über orale Reize während der Nahrungs-aufnahme entstehen.[18] Neben dem klassischen Geschmackssinn sind auch verschiedene andere Sinnesorgane beteiligt, wie insbesondere oral-trigeminale und olfaktorische Anteile. Der Geschmackssinn soll in diesem Abschnitt aber eher im traditionell anatomischen und physiologischen Ansatz beschrieben werden.

Auf dem Zungenrücken (Oberseite der Zunge) liegen die Geschmacks-papillen.[19] Es lassen sich drei Typen von Papillen morphologisch unterscheiden: Übe­r die ganze Oberfläche verstreut sind die Pilzpapillen und stellen mit 200 bis 400 die zahlenmäßig größte Gruppe dar. Die 15 bis 20 Blätterpapillen finden sich am hinteren Seitenrand der Zunge und die großen Wallpapillen, von denen der Mensch nur sieben bis zwölf besitzt, liegen an der Grenze zum Zungen-grund.

Erwachsene besitzen etwa 2000-4000 Geschmacksknospen,[20] die sich in den Wänden und Gräben der Geschmackspapillen sowie vereinzelt am weichen Gaumen, der hinteren Rachenwand und am Kehldeckel befinden. Pilzpapillen enthalten jeweils nur drei bis vier Geschmacksknospen, die Blätterpapillen ca. 50 und die Wallpapillen oft mehr als 100.[21] Auf jeder Geschmacksknospe befinden sich wiederum etwa zehn bis 50 Geschmackssinneszellen, die nur eine mittlere Lebensdauer von zehn Tagen haben und aus Basalzellen der Geschmacksknospe regeneriert werden. Die geschätzte Zahl der Geschmacks-knospen reduziert sich mit zunehmendem Alter.[22]

Hautsinn

Unter dem Hautsinn wird der taktile Hautsinn oder das Getast verstanden.[23] Synonym werden häufig auch die Begriffe trigeminale Wahrnehmung[24] und Somatosensorik gebraucht. Der Hautsinn setzt sich aus

- Tastsinn (Mechanozeption),
- Temperatursinn (Thermorezeption) und
- Schmerzsinn (Nozizeption) zusammen.

Der Tastsinn trägt entscheidend zur Gestaltwahrnehmung von Gegenständen bei.[25] Um eine genaue Vorstellung von einem Gegenstand zu bekommen, können die Finger über seine Oberfläche geführt werden. Die Haut an der Beugeseite der Hand kann somit als das wichtigste Tastorgan unseres Körpers betrachtet werden. Die Mechanozeption, d.h. die Wahrnehmung mechanischer Reize, die auf die Haut einwirken, dient nicht nur dem Tastsinn im engeren Sinne. Mit ganz ähnlichen Mechanosensoren ausge­stattet wie die Handflächen, sind auch Körperregionen, die sich kaum zum Betasten von Gegenständen eignen. So haben Berührungs- und Vibrationssinn die Fähigkeit, unterschiedliche Frequenzen mechanischer Schwingungen zu unterscheiden. Auch in der Mundhöhle, vor allem auf der Zungenhaut, befinden sich eine Vielzahl von Mechanosensoren. Selbst kleinste Unebenheiten in der Mundhöhle können mit der Zunge ertastet werden.

Zwei grundverschiedene Aufgaben hat der Temperatursinn der Haut: Einerseits dient er der Kontrolle der Thermoregulation, also der Aufrechterhaltung der Körpertemperatur und damit dem Schutz vor Überhitzung oder Unterkühlung.[26] Andererseits liefert er Informationen über die Temperatur von Gegenständen, die mit der Haut in Berührung kommen. Entsprechend der Reizqualität wird von Wärmesinn und Kältesinn gesprochen. Zudem werden Warm- und Kalt-empfinden an unterschiedlichen Hautpunkten unterschieden. Der Gesichts-bereich reagiert am empfindlichsten auf Kälte und Wärme, denn die Kalt- und Warmpunkte liegen hier sehr dicht beieinander. Das Temperaturempfinden ist sehr eng mit dem Geschmacksempfinden verknüpft. Die Aromafreisetzung bzw. das Geruchsempfinden ist bei höheren Temperaturen stärker.

Ebenso ist die Sensibilität für die Grundgeschmacksarten bei unterschiedlichen Temperaturen verschieden.[27]

Der Schmerz ist eine unangenehme Sinnesempfindung, die spezifisch beim Einwirken gewebeschädigender (noxischer) Reize ausgelöst wird.[28] Die Haut ist für Schmerzen nicht gleichmäßig empfindlich, sondern besitzt spezifische Schmerzpunkte. Schmerz-Rezeptoren, sog. Nozizeptoren, reagieren auf mechanische, chemische und thermische Reize. Schmerzen werden nach dem Ort in Oberflächenschmerz (Haut), somatischer Tiefenschmerz (z.B. Muskel) und viszeraler Tiefenschmerz (Eingeweideschmerz) eingeteilt.

Gehörsinn

Das empfindlichste Sinnesorgan des Menschen ist das Ohr.[29] Anatomisch betrachtet besteht das menschliche Ohr aus dem äußeren Ohr, dem Mittel- und dem Innenohr. Schall gelangt durch den äußeren Gehörgang zum Trommelfell, welches den Gehörgang abschließt und die Grenze zum Mittelohr bildet. Der Schall wird durch die Gehörknöchelchen des Mittelohrs auf das Innenohr übertragen. Im flüssigkeitsgefüllten Innenohr läuft er als Welle weiter. Die Sinneszellen des Innenohrs wandeln das mechanische Schallsignal in ein bioelektrisches Signal um. Nun gelangt das Signal an den Hörnerv, welcher die Information an das Gehirn weiterleitet.

Alle mit dem Ohr wahrnehmbaren Sinneseindrücke zählen zu den auditiven Eindrücken.[30] Im Zusammenhang mit Lebensmitteln sind das vor allem Geräusche, die beim Kauen und Abbeißen entstehen, wie z.B. knacken und die Lautstärke. Sensorische Eindrücke wie Knusprigkeit werden also nicht nur durch den Tastsinn, sondern auch durch den Gehörsinn wahrgenommen. Der Gehörsinn spielt jedoch im Vergleich zu den anderen Sinnesorganen bei der sensorischen Produktbewertung eine untergeordnete Rolle.[31]

2.1.4 Geruchswahrnehmung

Klassifikation von Geruchsqualitäten

Beim Menschen geht man von etwa 10.000 unterscheidbaren Düften aus, die jedoch nur mangelhaft in verbale Duftkategorien eingeordnet werden können.[32] Ein bereits 1952 von Amoore vorgeschlagenes Schema von sieben typischen Geruchsklassen (blumig, ätherisch, moschusartig, campherartig, schweißig, faulig, minzig) hat noch heute Gültigkeit. Es existieren für jede dieser Duftklassen typische, charakteristische Leitdüfte, wie z.B. Buttersäure für schweißig.

Klassifikation durch Kreuzadaptation

Eine weitere Möglichkeit der Klassifizierung stellt die Kreuzadaptation dar.[33] Nach einer gewissen Zeit nehmen wir Duft, z.B. Zigarettenrauch, im Raum nicht mehr wahr. Das Riechsystem ist adaptiert. Die Adaptation beschränkt sich dabei immer auf eine bestimmte, reproduzierbare Gruppe von Düften. Ist man beispielsweise auf Zigarettenduft adaptiert, kann Kaffeeduft trotzdem wahr-genommen werden. So lassen sich zehn verschiedene Duftklassen unter-scheiden, die sich teilweise mit denen von Amoore decken.

Die Rolle der Geruchswahrnehmung beim Verzehr von Lebensmitteln

Der Geruchs- und der Geschmackssinn sind anatomisch eigenständige Sinne, dennoch wirken sie beim Verzehr von Lebensmitteln in der Wahrnehmung von Flavor[34] zusammen.[35] Der Geruch eines Lebensmittels kann durch zwei verschiedene Wege wahrgenommen werden: orthonasal, durch Riechen an dem Lebensmittel und retronasal, während des Kauens und Schluckens. Flüchtige Substanzen des Lebensmittels im Mund gelangen während des Kauens und Schluckens zu den Geruchsrezeptoren der Luftröhre. Für diese Sinnesempfindung muss der Nasengang geöffnet sein. Wenn das nicht der Fall ist, wie z. B. bei einer Erkältung, können diese flüchtigen Substanzen beim Verzehr eines Lebensmittels nicht wahrgenommen werden. Eine besondere Eigentümlichkeit dieser Sinnesempfindung ist, dass sie scheinbar im Mund und nicht in der Nase lokalisiert ist. Aus diesem Grund wird die olfaktorische Komponente, beim Verzehr von Lebensmitteln, oft mit dem Geschmack verwechselt und im allgemeinen Sprachgebrauch werden diese auch nicht voneinander abgegrenzt.

2.1.5 Geschmackswahrnehmung

Geschmacksqualitäten

Beim Menschen gibt es vier primäre Geschmacksempfindungen: süß, sauer, salzig und bitter.[36] Es gibt innerhalb dieser Gruppen Abstufungen der Wirksamkeit und des Geschmackscharakters. Viele Geschmacksreize setzen sich aus mehreren Grundqualitäten zusammen, z.B. süß-sauer. In den letzen Jahren wurde eine fünfte Geschmacksempfindung gefunden, der Umami-Geschmack für Glutamat. Ebenso wie das Vorhandensein von Geschmacks-rezeptoren für fetthaltige Substanzen, so wird auch die Existenz eines alkalischen und eines metallischen Geschmacks noch diskutiert.

Bisher wurde angenommen, dass eine Zuordnung bestimmter Areale auf der Zunge zu einer Geschmacksqualität möglich sei.[37] Die Geschmacksqualität süß soll so vor allem an der Zungespitze, sauer und salzig am Rand und bitter am Zungenhintergrund wahrgenommen werden. Neuere Forschungsdaten können diese Befunde nicht bestätigen. Der Bittergeschmack, der vorwiegend am Zungengrund wahrgenommen wird, bildet hiervon eine Ausnahme. Alle anderen Qualitäten sind auf der gesamten Zungenoberfläche etwa gleich wirksam. So ist jede Papille empfindlich für mehrere, meist sogar alle Geschmacksqualitäten.

Adaptation[38] der Geschmacksqualitäten

Wird die Zunge mit einer Reizlösung benetzt, so steigert sich die Empfindung in den ersten fünf bis zehn Sekunden.[39] Danach wird der Geschmack adaptiert. Die Reizschwelle ist in diesem Zustand erhöht. Bei einer fünfprozentigen Kochsalzlösung stellt sich bereits nach acht Sekunden eine Adaptation ein. Im Gegensatz zu süß und bitter, adaptieren sauer und salzig allerdings nicht vollständig. Bis die ursprüngliche Empfindlichkeit wiedererlangt ist, bedarf es einer Erholungszeit. Diese dauert bei Kochsalz z.B. nur einige Sekunden und bei bestimmten Bitterstoffen kann sie mehrere Stunden betragen. Sie ist abhängig von der Konzentration und der Reizsubstanz. Die Adaptation einer Geschmacksqualität kann auch die Empfindlichkeit für die anderen Geschmacksqualitäten beeinflussen. So wird süß viel süßer empfunden, wenn der Sauergeschmack adaptiert ist und umgekehrt. Wird beispielsweise die Zunge auf süß adaptiert und dann mit destilliertem Wasser gespült, so schmeckt dieses schwach sauer.

Biologische Bedeutung des Geschmackssinns

Neugeborene zeigen bereits die gleichen mimischen Lust- bzw. Unlust-reaktionen, die verschiedene Geschmacksreize bei Erwachsenen auslösen, wenn er „sauer schaut“, eine „bittere Miene macht“ oder „süß lächelt“.[40] Diese angeborenen mimischen Reaktionsmuster werden als gustofazialer Reflex bezeichnet. Es konnte zudem ein Zusammenhang zwischen der hedonischen Bewertung und einem ernährungsphysiologischen Bedarf hergestellt werden. So lässt sich z.B. die Aversion gegen Süßes und die Lust auf deftig Saures am Ende der Weihnachtstage erklären oder, dass Kochsalzmangel einen regel-rechten Salzhunger auslöst.

Unterschiede in der gustatorischen Wahrnehmung bei Kindern und Erwachsenen

In ihrer gustatorischen Wahrnehmung sind Kinder Erwachsenen weit über-legen.[41] Sie besitzen mehr Geschmackszellen, die über ein größeres Gebiet verteilt sind. Kleine Kinder haben z.B. auch Geschmacksknospen in der Wangenschleimhaut oder im Gaumen und nicht nur auf der Zunge. Mit zunehmendem Alter verringert sich die Zahl der Geschmackszellen kon-tinuierlich.[42] Die Zahl sinkt von acht- bis zwölftausend im Säuglingsalter auf vier- bis sechstausend im Erwachsenenalter. Ebenfalls verringert sich die Anzahl der Geschmacksknospen mit zunehmendem Alter.

2.1.6 Wahrnehmung von Flavor und Aroma

Aroma

In der Lebensmittelanalytik wird die Gesamtheit aller Geruchseindrücke, die von einem Lebensmittel verursacht werden, als Aroma dieses Lebensmittels definiert.[43] Im Laufe der Zeit hat sich der Begriff Aroma gewandelt, wird aber auch heute noch nicht einheitlich verwendet. Im täglichen Sprachgebrauch bezieht sich dieser Begriff heute auf den angenehmen Geruch und Geschmack von Nahrungs- und Genussmitteln. Wobei dabei, im Gegensatz zu den Praktiken der Lebensmittelanalytik, häufig zwischen dem Begriff Aroma und dem Begriff Geschmack nicht unterschieden wird. Der Geruch eines Lebens-mittels wird wahrgenommen, wenn flüchtige Inhaltsstoffe beim Einatmen direkt durch die Nase zu den Geruchsrezeptoren gelangen. Als Aroma wird die Sinneswahrnehmung der Geruchsrezeptoren in der Nasennebenhöhle und in der Mundhöhle-Rachen-Nasen-Passage bezeichnet, da ein Teil der Aroma-stoffe erst beim Kauen freigesetzt werden.[44]

Flavor

Der Begriff Flavor ist definiert als oral-nasaler Gesamtsinneseindruck.[45] Das Flavor umfasst die Summe olfaktorischer, gustatorischer, temperaturbedingter und/oder trigeminaler und haptischer Eindrücke im Mund. Die olfaktorischen Eindrücke entstehen hierbei durch Einwirkung flüchtiger Substanzen auf die Chemosensoren in der Riechschleimhaut der Nase.[46] Der Gesamtgeruchs-eindruck, der sich aus dem Geruchseindruck direkt über die Nase (nasal) und indirekt über den Rachenraum beim Verzehr (retronasal) zusammensetzt, wird als Aroma beschrieben. Über die Geschmacksrezeptoren der Mundhöhle werden die gustatorischen Eindrücke wahrgenommen. Temperaturbedingte, trigeminale und haptische Eindrücke können vereinfacht als Tastempfindung zusammengefasst werden. In Abbildung 2 wird das Zusammenwirken verschiedener Teilfaktoren des Flavors schematisch dargestellt.

Der Begriff Off-Flavor (kann mit „Fehleindruck“ übersetzt werden) bezeichnet Sinneseindrücke, die als negativ und nicht charakteristisch für das Lebensmittel angesehen werden.[47]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Zusammenwirken verschiedener Teilfaktoren des Flavors[48]

2.2 Sensorische Prüfmethoden

2.2.1 Sensorische Prüfmethoden bei Säuglingen

Sensorische Untersuchungen zu Geruchs- und Geschmacksempfindungen bei Säuglingen greifen auf unterschiedliche Messmethoden zurück.[49] So wird die Geruchsempfindung Neugeborener häufig durch die Veränderung des Gesichtsausdrucks beobachtet.

Einige Beispiele für die Veränderung des Gesichtsausdrucks von Neu-geborenen als Reaktion auf den Geruch von Banane (BA.), Vanille (VA.), Fisch (FI.), Butter (BU.) und faulen Eiern (R.E.) sind in Abbildung 3 zu sehen. Ein neutraler Gesichtsausdruck zeigt sich für eine geruchslose Substanz (C.) und dient als Vergleich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Veränderung des Gesichtsausdruck von Neugeborenen als Reak­tion auf verschiedene Gerüche[50]

Ein Geruchstest mit einer speziellen Testvorrichtung bietet bei Säuglingen die Möglichkeit, ihre Präferenz für einen Geruch herauszufinden.[51] Den Säuglingen werden hierbei zwei verschieden riechende Substanzen vorgelegt. Diese werden jeweils auf einen Gazetupfer pipettiert und symmetrisch auf beiden Seiten des Gesichts des Säuglings präsentiert, sodass sich beide Substanzen im gleichen Abstand von der Nase des Säuglings befinden. Durch die Beobachtung, zu welcher der beiden Seiten die Kinder ihren Kopf stärker orientieren, können Rückschlüsse auf ihre Präferenz der Gerüche gezogen werden. Außerdem kann ihre Reaktion auf die Gerüche beobachtet werden; ein verändertes Schreiverhalten oder mimische Reaktionen sind hier besonders interessant.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Testvorrichtung für Geruchstest mit Säuglingen[52]

So wie Geruchsempfindungen, können auch Geschmacksempfindungen Neugeborener durch die Beobachtung der mimischen Reaktionen auf bestimmte Geschmacksreize untersucht werden.[53] Mit dieser Methode kann unter anderem festgestellt werden, ob die Reaktion auf die Geschmacks-qualitäten genetisch vorgegeben sind.[54] Durch die mimischen Reaktionen der Säuglinge auf die unterschiedlichen Geschmacksreize können angeborene Fähigkeiten abgeleitet werden. Während des Geschmackstests werden die Säuglinge meist auf Videoband aufgezeichnet, um hinterher die Interpretation des Gesichtsausdrucks und andere reflexartige Reaktionen (z.B. Strampeln) des Säuglings durch mehrere Personen zu ermöglichen.

Eine weitere Messmethode der Geschmacksempfindungen stellt die Ermittlung der Aufnahmemenge von verschiedenen Lösungen dar.[55] Bei den meisten Untersuchungen der Aufnahmemenge werden schwächer konzentrierte Lösungen als bei der Untersuchung des Gesichtausdrucks verwendet.[56] Bei einer hedonisch positiven Bewertung zeigt sich gegenüber einer Vergleichs-lösung ein erhöhtes Trinkvolumen. Es kann zudem ermittelt werden, wie schnell und über welchen Zeitraum getrunken wird. Bei dem Vergleich der Aufnahme-menge ist eine Kontrolle einiger Parameter, wie Konzentration, Temperatur und Menge der Reizlösung und der gleiche Grad an Sättigung und Erfahrungen der Kinder, unerlässlich.

Spezielle Sauger ermöglichen ebenfalls die Messung der Saugbewegungen der Säuglinge.[57] Der Sauger misst dabei den Druck, der im Mund während der Saugbewegung entsteht.

Des Weiteren können auch die Messungen von Atmungs-, Saug- und Herz-frequenz Aufschluss über Geschmacksempfindlichkeiten geben.[58] Zunächst werden die Frequenzen bei Säuglingen ohne Flüssigkeitszufuhr gemessen. Anschließend findet die gleiche Messung während der Aufnahme einer Test-lösung statt. Nun können die Ergebnisse beider Messungen verglichen und interpretiert werden.

2.2.2 Hedonische Prüfungen bei Kleinkindern und Kindern

Hedonische Prüfungen sind Verfahren, bei denen die subjektive Wahrnehmung von Produkten getestet wird.[59] Dies kann entweder durch eine direkte Messung der Akzeptanz an einer hedonischen Skala oder durch die Ermittlung der Präferenz in Form eines Paarvergleichs oder einer Rangordnung geschehen.

Akzeptanztests

Die Proben werden anhand einer vorgegebenen Bewertungsskala ein-geordnet.[60] Die bekannteste Skala ist eine Verbalskala, die hedonische Neun-Punkte-Skala, aber auch Skalen mit sieben oder fünf Punkten werden verwendet.[61] Es können auch numerische Skalen verwendet werden, wo die Kategorien 1 bis 9 als Zahl vorgegeben sind und verbale Beschriftungen nur an den Enden der Skala zugefügt werden. Allen Skalen ist gemein, dass die Anzahl positiver, als auch negativer Antwortmöglichkeiten gleich groß ist.

Spezielle Skalen wurden für Akzeptanztests mit Kindern entwickelt.[62] Hier wird meist eine Gesichterskala mit drei oder fünf Stufen verwendet, bei der die verbal formulierten Präferenzgrade noch durch entsprechende Gesichts-ausdrücke illustriert sind. Häufig werden Smileys (Abbildung 5) oder auch Snoopies und andere fröhliche bis traurige Gesichter dargestellt.[63] Bei einem Vergleich verschiedener hedonischer Skalen für Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren konnte festgestellt werden, dass Kinder einen größeren Skalen-bereich nutzen, wenn anstelle von Wörtern Symbole verwendet werden. Außerdem konnte gezeigt werden, dass die verwendeten verbalen Formu-lierungen keinen Einfluss auf die Skalenverwendung haben.

Experimente mit Kleinkindern zeigten, dass vierjährige Kinder in der Lage sind, anhand von Gesichterskalen mit fünf Gesichtern ihre Präferenzen zum Ausdruck zu bringen.[64]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Hedonische Gesichterskala[65]

Die Verwendung von Symbolskalen kann auch Nachteile mit sich ziehen, da Kinder unter sechs Jahren von den Bildern abgelenkt werden können und die Testaufgabe teilweise nicht richtig verstehen. So konnte beobachtet werden, dass Kinder häufig das fröhliche Gesicht ankreuzen, weil sie dieses am liebsten mögen bzw. am lustigsten finden.[66]

Präferenztest

Präferenztests sind Verfahren, bei denen die relative Beliebtheit von Produkten ermittelt wird.[67] Zwei Methoden können unterschieden werden: Paarweise Vergleichsprüfungen, bei denen aus zwei Proben die bevorzugte ausgewählt wird, und Rangordnungsprüfungen nach Präferenz. Diese werden durchgeführt, wenn mehr als zwei Proben verglichen werden sollen. Liegen mehr als zwei Proben vor, kann auch ein multipler Paarvergleich durchgeführt werden. Bei dieser Prüfung werden alle möglichen Probenpaare auf Präferenz getestet.

Eine modifizierte Version der Rangordnungsprüfung kann bei Kindern ab fünf Jahren angewendet werden.[68] Diese wird als ranking by elimination bezeichnet. Aus allen angebotenen Produkten wählt das Kind seinen Favoriten aus, dann wird dieses Produkt entfernt, und das Kind wählt aus den übrigen wieder seinen Favoriten aus, welcher wiederum im Anschluss entfernt wird. Dieser Prozess wird sukzessiv fortgeführt, bis nur noch ein Produkt übrig bleibt.

3 Grundlagen der Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern

3.1 Die Ernährung des Säuglings

Als Säuglinge werden Kinder im ersten Lebensjahr bezeichnet; Kinder im Alter von ein bis drei Jahren werden als Kleinkinder bezeichnet.[69] In diesem Zeitraum ändert sich die Ernährung sehr stark. Aufgrund des hohen Wachstums von Neugeborenen ist der Bedarf an Energie und Nährstoffen, bezogen auf das Körpergewicht, in den ersten Lebensmonaten am höchsten und nimmt dann kontinuierlich ab.

Ernährung ist, besonders für Säuglinge, mehr als nur die Deckung des Nährstoffbedarfs.[70] Sie bietet dem Kind auch Nähe und Geborgenheit, erweitert seine sensorischen Eindrücke und ermöglicht ihm das Entdecken seiner Umwelt. Konzepte für die Säuglingsernährung sollten daher neben dem ernährungsphysiologischen Bedarf auch die entwicklungsphysiologischen Bedürfnisse im Verlauf des ersten Lebensjahres berücksichtigen und möglichst praktisch in Form von Lebensmitteln und Mahlzeiten formuliert sein.

3.1.1 Ernährungsplan für das erste Lebensjahr

Der „Ernährungsplan für das 1. Lebensjahr“ wurde vom Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund (FKE) in Zusammenarbeit mit der Ernährungs-kommission der deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugend-medizin entwickelt und wird außerdem von der Nationalen Stillkommission empfohlen.[71] Es handelt sich hierbei um ein ganzheitliches Ernährungskonzept, das sich in der Ernährungsberatung in Deutschland seit vielen Jahren bewährt hat.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Der Ernährungsplan für das 1. Lebensjahr[72]

Der in Abbildung 6 gezeigte „Ernährungsplan für das 1. Lebensjahr“ setzt die aktuellen wissenschaftlichen Daten des Energie- und Nährstoffbedarfs in lebensmittel- und mahlzeitenbezogene Empfehlungen um und berücksichtigt hierbei die Ernährungsgewohnheiten und das Lebensmittelangebot in Deutschland.[73]

Bei der Ernährung im ersten Lebensjahr werden drei ernährungs- und entwicklungsphysiologisch begründete Altersabschnitte unterschieden:[74]

- Ausschließliche Milchernährung in den ersten 4-6 Lebensmonaten,
- Einführung von Beikost ab dem 5.-7. Lebensmonat,
- Einführung von Familienkost ab dem 10. Lebensmonat.

Die genannten Zeitspannen sind als Orientierung mit Spielraum zur Berück-sichtigung der individuellen Entwicklung des Kindes zu verstehen.

Mit der Einführung der Beikost wird Monat für Monat eine Milchmahlzeit durch einen Brei ersetzt, wobei der neben der Beikost verbleibende Milchanteil der Ernährung weiterhin durch Stillen gegeben werden kann.[75] Mit der Einführung eines Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Breis wird begonnen. Es folgt ein Vollmilch-Getreide-Brei und schließlich wird ein milchfreier Getreide-Obst-Brei eingeführt. Die Milch- und Breimahlzeiten der Säuglingsernährung gehen etwa ab dem zehnten Lebensmonat nach und nach in die Haupt- und Zwischenmahlzeiten der Familienernährung über.

3.1.2 Muttermilch und Säuglingsanfangsnahrungen

Stillen

Stillen ist die normale Ernährung des Säuglings.[76] In Anlehnung an die Weltgesundheitsversammlung 2001 und in Übereinstimmung mit zahlreichen Expertengremien empfiehlt die Nationale Stillkommission das ausschließliche Stillen in den ersten vier bis sechs Lebensmonaten für die Mehrzahl der Säuglinge.[77] Bei geeigneter und ausreichender Beikost kann solange weiter gestillt werden wie Mutter und Kind es wünschen. In Deutschland werden die meisten Säuglinge jedoch nicht so lange gestillt wie empfohlen.[78]

[...]


[1] Vgl. Forschungsinstitut für Kinderernährung (2006).

[2] Vgl. Birch/Fisher (1998), vgl. Skinner et al. (2002).

[3] Forschungsthema: Sensorische Akzeptanz von ökologischen Lebensmitteln bei Kindern im Alter von zwei bis sieben Jahren (Gieland, Busch-Stockfisch)

[4] Vgl. Gieland (1995).

[5] Vgl. Forschungsinstitut für Kinderernährung (2006).

[6] Vgl. Handwerker (2006), S. 182.

[7] Vgl. Manz/Manz (2005), S. 88 ff.

[8] Vgl. Fliedner/Wilhelmi (1989), S. 13.

[9] In Anlehnung an Neumann/Molnár (1991), S. 23.

[10] Vgl. Heindl (2005), S. 264 f.

[11] Maid-Kohnert (2002).

[12] Vgl. Busch-Stockfisch (2002), S. 5.

[13] Vgl. Derndorfer (2006), S. 13.

[14] Vgl. Cardello (1996), S. 11, vgl. Honikel (2005), S. 183.

[15] Vgl. Busch-Stockfisch (2002), S. 5.

[16] Vgl. Hatt (2005), S. 415.

[17] Vgl. Hatt (2006), S. 341.

[18] Vgl. Honikel (2005), S. 187, vgl. Hatt (2006), S. 328.

[19] Vgl. Hatt (2005), S. 409.

[20] Vgl. Hatt (2005), S. 409.

[21] Vgl. Derndorfer (2006), S. 19.

[22] Vgl. Hatt (2006), S. 329.

[23] Vgl. Busch-Stockfisch (2002), S. 10.

[24] Unter trigeminaler Wahrnehmung versteht man die Sinnesreize, die über den Trigeminus-Nerv vermittelt werden.

[25] Vgl. Handwerker (2006), S. 203 ff.

[26] Vgl. Handwerker (2006), S. 216.

[27] Vgl. Busch-Stockfisch (2002), S. 11.

[28] Vgl. Schaible/Schmidt (2005), S.318 ff.

[29] Vgl. Zenner (2005), S. 335 ff.

[30] Vgl. Busch-Stockfisch (2002), S. 11.

[31] Vgl. Derndorfer (2006), S. 27.

[32] Vgl. Hatt (2006), S. 343.

[33] Vgl. Hatt (2005), S. 418.

[34] Siehe 2.1.6.

[35] Vgl. Beauchamp/Mennella (1996), S. 164.

[36] Vgl. Hatt (2006), S. 331.

[37] Vgl. Hatt (2006), S. 332.

[38] Adaptation (von lateinisch adaptare: anpassen)

[39] Vgl. Hatt (2006), S. 338.

[40] Vgl. Hatt (2005), S. 414.

[41] Vgl. Burdach (1988), S. 46 ff.

[42] Vgl. Schubert/Godersky (1996), S. 119, vgl. Burdach (1988), S. 49.

[43] Vgl. Neumann/Molnár (1991), S. 76.

[44] Vgl. Schwedt (2005), S. 88.

[45] Vgl. DIN 10950-1

[46] Vgl. Stephan (1999), S. 12.

[47] Vgl. Busch-Stockfisch (2005), S. 6.

[48] Stephan (1999), S. 12.

[49] Vgl. Ditscherlein/Lentze (1996).

[50] Steiner (1977) nach Ganchrow/Mennella (2003), S. 834.

[51] Vgl. Marlier/Schaal (2005), vgl. Marlier et al. (1998), vgl. Porter/Schaal (2003), S. 312.

[52] Porter/Schaal (2003), S. 312.

[53] Vgl. Ganchrow/Mennella (2003), S. 826 ff.

[54] Vgl. Ditscherlein/Lentze (1996).

[55] Vgl. Ganchrow/Mennella (2003), S. 824.

[56] Vgl. Mennella/Beauchamp (1997b), S. 203.

[57] Vgl. Ditscherlein/Lentze (1996), vgl. Manz/Manz (2005), S. 89.

[58] Vgl. Ditscherlein/Lentze (1996).

[59] Vgl. Derndorfer (2006), S. 72.

[60] Vgl. Busch-Stockfisch (2005).

[61] Vgl. Derndorfer (2006), S. 72 f.

[62] Vgl. Diehl (1996), S. 45 f.

[63] Vgl. Derndorfer (2006), S. 75.

[64] Vgl. Chen et al. (1996) zitiert nach Derndorfer (2006).

[65] In Anlehnung an Diehl (1996), S. 46.

[66] Vgl. Derndorfer (2006), S. 75.

[67] Vgl. Derndorfer (2006), S. 76.

[68] Vgl. Derndorfer (2006), S. 77.

[69] Vgl. Kersting et al. (2003), S. 25.

[70] Vgl. Kersting et al. (2003), S. 40.

[71] Vgl. Kersting (2001).

[72] Forschungsinstitut für Kinderernährung (2005).

[73] Vgl. Forschungsinstitut für Kinderernährung (2005).

[74] Kersting (2001).

[75] Vgl. Kersting (2001), S. 204 ff.

[76] Vgl. American Academy of Pediatrics (1997).

[77] Vgl. Nationale Stillkommission am Bundesinstitut für Risikobewertung (2005).

[78] Vgl. Kersting/Dulon (2001), S. 273.

Ende der Leseprobe aus 121 Seiten

Details

Titel
Einfluss sensorischer Sensitivität und Erfahrungen auf Lebensmittelpräferenzen in den ersten Lebensjahren
Hochschule
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
121
Katalognummer
V76754
ISBN (eBook)
9783638740999
Dateigröße
1100 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Einfluss, Sensitivität, Erfahrungen, Lebensmittelpräferenzen, Lebensjahren
Arbeit zitieren
Miriam Busemann (Autor:in), 2007, Einfluss sensorischer Sensitivität und Erfahrungen auf Lebensmittelpräferenzen in den ersten Lebensjahren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76754

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