Das Verhältnis von Gemeinschaft, Recht und Staat bei Aristoteles und Hobbes

Ein Vergleichsversuch


Seminararbeit, 2003

23 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Gemeinschaft
1.1. Definition und Gemeinschaftsverständnis beider Autoren
1.1.1. Aristoteles
1.1.2. Hobbes
1.2. egoistisches Individuum oder zoon politikon – was ist der Mensch?
1.2.1. Naturzustandslehre Hobbes – Gemeinschaft durch Unterordnung
1.2.2. Der Mensch als zoon politikon
1.2.3. Hobbes Kritik an Aristoteles

2. Recht
2.1. Aufgaben von Gesetz und Gesetzgebung bei Aristoteles
2.2. Bürger und Gemeinschaftsrecht
2.3. Recht, Gesetz und Gerechtigkeit bei Hobbes
2.4. Vergleichsversuch der Rechtsauffassungen

3. Demokratische Staatsverfassung und Funktion des Staates gegenüber Gemeinschaft, Recht und Individuum
3.1. Demokratische Staatsverfassung bei Aristoteles und Hobbes – Merkmale
3.1.1. Demokratiebegriff Hobbes
3.1.2. Demokratiebegriff von Aristoteles im sechsten Buch von „Politik“
3.2. Legitimität der staatlichen Herrschaft
3.2.1. Was ist der Staat? – Leviathan oder Gemeinschaftsherrschaft
3.2.2. Staatliche Zwangsmittel im hobbesschen Staat – legitimer Widerstand?

4. Vergleichsergebnis – Gegensätze und Entwicklung

5. Literaturverzeichnis

Einleitung

Zur Erkenntnisleitenden Fragestellung dieser Arbeit muss auf das vorangestellte Thema verwiesen werden. Das Verhältnis von Individuum, Gemeinschaft und Recht im demokratischen Staat sollen die zu betrachtenden Punkte sein, auf die der Vergleich allgemein angelegt ist. Durchgängig wird der Versuch gemacht, die Vorstellungen der Autoren Aristoteles und Thomas Hobbes auf der Basis der genannten Begriffe darzustellen und in kritische Beziehung zu setzen. Hierbei ist besonders die hobbessche Kritik an Aristoteles ein wichtiger Anhaltspunkt in der Betrachtung. Die eigene Sicht des Thomas Hobbes auf Aristoteles bewahrt den Betrachter von einer reinen Postbetrachtung außerhalb der zeitlichen Einordnung der Autoren.

Die Gemeinschafts- und Rechtstheorien von Aristoteles und Hobbes lassen einen Schluss auf ihre theoretischen Erklärungsversuche zur Einordnung des Individuums in die Gesellschaft, auf dem letztlich alle menschliche Aktivität und Passivität fußt, zu. Das Recht soll aus der Basis der benutzten Quellentexte heraus als Verbindungslinie zwischen Gesellschaft und Staat untersucht und verglichen werden. Die Entwicklungslinie von Aristoteles praktischer Philosophie zu Hobbes deduktiver Methode der politischen Wissenschaft soll ebenso in den Vergleich einfließen wie die historische Situation beider Autoren nicht außer Acht gelassen werden darf.

Eine vollständige Untersuchung der Ansichten zu Staatsverfassung und Regierungsform ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Es soll methodisch der Leviathan als Idealstaatsmodell von Hobbes gelten und es soll weiterhin der demokratische Staat – also die athenische polis – als Idealstaat des Aristoteles angenommen werden. Der Autor dieser Hausarbeit bemüht sich, dem allzu schematischen Vorgehen bei der Analyse zu widerstehen und die Tatsachen-Analyse zum Vergleich weiterzuentwickeln. Die Struktur der Arbeit, die dem Inhaltsverzeichnis zu entnehmen ist, soll einen systematischen Versuch wiederspiegeln den Leser in die Theorien der beiden Autoren einzuführen und ausgehend von diesem Wissen einen Vergleich auf jeder Ebene anzustellen.

Auf diesem Wege soll erkenntnisleitend sein, ob es einen nachvollziehbaren Paradigmenwechsel gegeben hat und inwieweit die Theorien beider Autoren noch heute politische Bedeutung haben.

Die Auswahl der benutzten und im Literaturverzeichnis nachzusehenden Werke reichen natürlich von den Originaltexten in deutscher Sprache „Poltik“ von Aristoteles und „Leviathan“ und „De Cive“ von Hobbes bis zu analytischer Sekundärliteratur über Begriffe, Leitthemen und Kritik das Hauptthema betreffend. Auf die Heranziehung der zahlreichen anderen Werke der Autoren (z.B. Nikomachische Ethik, Elements of law, Behemoth) soll verzichtet werden, da dies wahrscheinlich den Rahmen der Arbeit sprengen würde.

Der Vergleich stützt sich auf die Kernelemente der im Seminar besprochenen Literatur der Autoren und versucht zusammengefasst gesagt, Kontinuitäten und Entwicklungslinien aufzuzeigen.

1. Gemeinschaft

1.1. Definition und Gemeinschaftsverständnis beider Autoren

1.1.1. Aristoteles

Wenn man Aristoteles glauben darf, dann bestimmt die Natur des Menschen sein Verhältnis zur Gemeinschaft. Aristoteles prägte den Begriff des zoon politikon – des gesellschaftlichen Wesens. Inbegriffen in den Gemeinschaftsbegriff von Aristoteles sind jegliche Arten derselben. Er zieht als beobachtender praktischer Philosoph Schlüsse aus den kleinsten Gemeinschaften der Gesellschaft auf die Gesamtheit der politischen Gemeinschaft – den Staat.

Nach Aristoteles gründet sich jede Gemeinschaft um einer Sache willen und verfolgt sozusagen (unbewusst?) ein Ziel. Damit begründet er die Natürlichkeit der menschlichen Gemeinschaft – wie die Natur in der Aristotelischen Logik ein Ziel verfolgt, so verfolgt auch die Gemeinschaft des Menschen, und als Basiseinheit dieser „die Familie“[1], ebenso ein Ziel.

Aristoteles sieht den Staat als einen Aufbau aus verschiedenen Gemeinschaften mit verschiedenen Werten und Aufgaben. Durch die Projektion des effektiven Nutzens, den er auch der Natur unterstellt, erklärt Aristoteles das gemeinsame Existieren in einer vermeintlichen Harmonie die auf das „gute Leben“ ausgerichtet ist. Dieses Erklärungsmuster lässt ihn auch vor der Rechtfertigung der Sklaverei nicht halt machen. Sklaverei, Mann und Frau bilden das Haus welches in häufiger Zahl das Dorf bildet. Mehrere Dörfer bilden die größere Stadt bzw. als oberste Verwaltungseinheit der griechischen Antike die Polis – den Staat.[2] „Daraus geht nun klar hervor, dass der Staat zu den von Natur aus bestehenden Dingen gehört und dass der Mensch von Natur aus ein staatsbezogenes Lebewesen ist.“[3] - dieser Meinung ist zumindest Aristoteles und er postuliert damit, dass der Mensch frei von Gemeinschaft entweder ein schlechter Mensch ist oder gottähnlich, jedenfalls kein natürlicher Mensch.

1.1.2. Hobbes

Thomas Hobbes Verständnis von menschlicher Gemeinschaft definiert sich vor allem durch eine fundamentale Opposition zur klassischen Philosophie. Dafür steht als bedeutender Vertreter Aristoteles. Hobbes kritisiert wie später noch genauer zu zeigen sein wird, das Aristotelische Bild des zoon politikon. Dieser natürliche Zustand des Menschen wird in De Cive in den ersten beiden Kapiteln scharf kritisiert und im Leviathan zum Thema Staat wieder aufgenommen. In beiden Fällen stellt er das aristotelische zoon politikon – Konzept durchaus unterschiedlich dar. Sowohl in seiner Darstellung des Menschen und des Staates geht er auf dieses Konzept ein und entwickelt ein Gegenkonzept, durch welches er den Naturzustand des Menschen (also den vorstaatlichen Zustand, d.V.) als „Krieg aller gegen alle“ beschreibt. Gemeinschaft als solche versteht er daher nicht als Naturzustand sonder als aktive, bewusst oder unbewusst bleibt fraglich, Handlung des Menschen mit einem bestimmten Ziel. Dieses Ziel beschreibt er ausgehend von der Behauptung, dass jeder Mensch der Angst unterliege ihm gehörende Güter, besonders das eigene Leben zu verlieren, als eine Reaktion des Eigennutzes. Es sei weiterhin ein Gesetz der Natur (des Menschen) aus diesem sog. Naturzustand heraustreten zu wollen. Dazu sucht der Mensch Frieden, mit seinen Mitmenschen um in eine Position der Sicherheit und Stärke zu kommen. Ehre und Vorteil[4] führt er als Gründe für Gemeinschaft an. Die Zurückweisung des zoon politikon ist beiden hier zu behandelnden Werken Hobbes gemeinsam jedoch wird der Begriff mehrmals verändert dargestellt.[5]

1.2. egoistisches Individuum oder zoon politikon – was ist der Mensch?

Wie beschrieben liegen die Vorstellungen der beiden Autoren weit auseinander und die Kritik beider an beiden wäre eine kompetente Grundlage des Vergleichs. Da aber aus verständlichen Gründen lediglich kritische Schriften von Thomas Hobbes zur Verfügung stehen, muss sich der Autor mit dieser Quelle begnügen.

Im Folgenden wird auf das Gemeinschaftsverständnis der beiden Autoren einzugehen sein und ein erster Schritt in Richtung eines Vergleichs unternommen. Der Vergleich soll sich an der hobbesschen Kritik an Aristoteles orientieren und auch Schwachstellen dieser aufzeigen. Es soll nicht darum gehen, zu bewerten welche der beiden Sichtweisen besser ist oder dem heutigen näher kommt – diese Wertung soll späteren Kapiteln überlassen werden.

1.2.1. Naturzustandslehre Hobbes – Gemeinschaft durch Unterordnung

Der Naturzustand des Menschen wird von Hobbes als „bellum omnium contra omnes“ definiert – als Krieg aller gegen alle. Er betont in den 1647 nachträglich hinzugefügten Anmerkungen in De Cive, dass er durchaus der Meinung sei, dass der Mensch der Gemeinschaft anderer Menschen bedürfe, dass dies aber nicht bedeute, dass er auch dazu in der Lage ist eine friedliche Gemeinschaft mit anderen einzugehen. Die Erziehung zum Logos, zur rechten Vernunft[6] ist notwendig, da nur so eine Gemeinschaft, im Besonderen die bürgerliche Gemeinschaft, entstehen kann und Bestand hat. Das Streben nach Frieden zwischen den Menschen ist nach Hobbes der menschlichen Natur immanent, da nur so die einzelne Existenz, die im Naturzustand allen anderen Individuen feindlich gegenübersteht, eine Möglichkeit erhält sein Leben zu verlängern und zu verbessern. Die hobbessche Definition der rechten Vernunft bzw. des natürlichen Gesetzes deutet an dass alle Mittelanwendungen erlaubt seien, die „...zu einer möglichst langen Erhaltung des Lebens und der Glieder zu tun und zu lassen...“[7] seien. Um diesen Frieden nach der rechten Vernunft zu erreichen erscheint es Hobbes notwendig, die Rechte, auf welche im Naturzustand alle Anspruch haben, zu verteilen. Er zäumt sozusagen das Pferd von hinten auf und macht das Aufgeben von Rechten und die Akkumulation von Macht (durch die Weitergabe von individuellen Freiheiten) zur Bedingung des Friedens. Außer Acht bleibt dabei die Realität des 17.Jh – in der nicht Individuen verzichten, sondern von oben in die wenigen Rechte von Individuen eingegriffen wird.

Der Verzicht auf das Widerstandsrecht gegenüber dem Rechte-nehmenden bedeutet für Hobbes geradezu die Herstellung von Frieden. In diesem Frieden sind die Ansprüche auf Rechte und die Rechte selbst klar eingegrenzt und verhindern somit den Übergriff und den Krieg. Dieser resultiert im Naturzustand ja gerade daraus, dass alle Anspruch auf alles haben und somit Konflikte entstehen.

Die besondere Übereinkommensart des Vertrages wird im 2.Kapitel von De Cive beschrieben. Der Wille zur Annahme und Abgabe von Rechten bzw. zur Bestätigung von Verträgen muss vorhanden sein, daher sind auch keine Verträge mit Tieren oder Gott zulässig. Damit zwei sich gegenseitig misstrauende Individuen oder Personen einen Vertrag (der grundsätzlich auf Vertrauen basiert) beschließen und erfüllen können entspricht es der rechten Vernunft, dass beide zur Kontrolle ihrer Furcht ,die der Ersterfüllende vor der möglichen. Nichterfüllung des Anderen hat, einer Instanz bedürfen die diese Furcht kompensiert indem sie Vertragserfüllung garantiert und mit Zwang durchsetzen kann. Hierbei bringt er erstmals die Rolle des Staates in die Diskussion ein und umreißt sie im Rahmen der Behandlung von privatwirtschaftlichen Verträgen.

Die Entwicklung zur bürgerlichen Gesellschaft ist also der entscheidende Entwicklungsschritt vom kriegerischen Naturzustand in den Frieden. Auch hier leitet im Weltbild Hobbes die rechte Vernunft den Menschen in Richtung des Friedens. In diesem Frieden, der auf dem Willen der Bürger basiert und durch die eingesetzte Staatsgewalt garantiert wird, ist dem Individuum möglich ohne dauerhafte Furcht vor materiellem Verlust oder Tod seinem Interesse nachzugehen. Die Individuen des Naturzustandes geben so ihre Rechte an einen einzelnen Menschen oder eine Versammlung ab. Dieser neue Herrscher ist der sog. Leviathan. Das Individuum gibt sein Recht, der Herrschaft des Leviathan zu widerstehen, ab und nimmt jede Entscheidung dessen als seinen eigenen Willen an. Die Gemeinschaft gründet sich aus einer der Vernunft folgenden willentlichen Aufgabe von individuellen Widerstandsrechten. Hobbes setzt dem zu dass jeder Bürger mit jedem Mitbürger sozusagen einen Vertrag schließt, indem man sich gegenseitig versichert, alle Rechte zu übertragen. Nur aus dieser Gleichheit entsteht die bürgerliche Gesellschaft mit freiem Willen und in Gleichheit.

[...]


[1] Damit sind in erster Linie Mann und Frau gemeint deren gemeinsamer Zweck die Auslebung des naturgegebenen Zweckes der Fortpflanzung ist

[2] Vgl. Politik: Erstes Buch passim

[3] Politik S.78 (1274b)

[4] De Cive S.77

[5] Wolfers S.55ff

[6] De Cive S.86/87in Verbindung mit den Anmerkungen im 1. Kapitel von De Cive bes. den Bemerkungen zur Erziehung zur Vernunft

[7] De Cive S.86/87 Schlusssätze des ersten Unterkapitels

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Das Verhältnis von Gemeinschaft, Recht und Staat bei Aristoteles und Hobbes
Untertitel
Ein Vergleichsversuch
Hochschule
Universität Potsdam  (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät)
Veranstaltung
Proseminar 4. Semester
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
23
Katalognummer
V77791
ISBN (eBook)
9783638823227
ISBN (Buch)
9783638824835
Dateigröße
446 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verhältnis, Gemeinschaft, Recht, Staat, Aristoteles, Hobbes, Proseminar, Semester
Arbeit zitieren
Mirko Hanke (Autor:in), 2003, Das Verhältnis von Gemeinschaft, Recht und Staat bei Aristoteles und Hobbes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77791

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