Die SPD im Kontext der Wiederbewaffnungsdebatte der 50er Jahre

Die Reaktion der SPD auf die EVG-Politik der Bundesregierung 1950-1953


Seminararbeit, 2005

22 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Ausgangslage für die Wiederbewaffnung der BRD
1.1. Strategische und geopolitische Vorraussetzungen
1.2. Die gesellschaftliche Debatte um die Wiederbewaffnung in Deutschland
1.2.1. Adenauers Politik der Westintegration – ein Abriss
1.2.2. Heinemann und die Opposition innerhalb der Regierungspartei
1.2.3. Die Gewerkschaften
1.2.4. Die evangelische Kirche

2. Die sozialdemokratische Position zur EVG
2.1. Position der SPD vor Gründung des westdeutschen Staates sowie dem Beginn des Krieges in Korea
2.2. Der Korea-Krieg und seine strategischen Folgen
2.3. Aspekte der sozialdemokratischen Position
2.4. Die EVG-Argumentation Schumachers
2.5. Die Rolle der „deutschen Frage“ in der Argumentation der SPD
2.6. Die Konzeption Erlers in der Politik der SPD

3. Inkonsequente Politik der SPD? Ein Fazit.

Literaturverzeichnis
Monographien
Aufsätze und Aufsatzsammlungen
Quellen

Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit der Entwicklung der außenpolitischen Programmatik der SPD im Kontext der Wiederbewaffnungsdebatte. Kurt Schumacher, der Parteivorsitzende der SPD bis zu seinem Tod am 20. August 1952, und Erich Ollenhauer, Schumachers direkter Nachfolger, hatten durchaus unterschiedliche Vorstellungen von der politischen Strategie in bezug auf die Westbindungspolitik Adenauers und den daraus resultierenden Wehrbeitrag der jungen Bundesrepublik. Im Besonderen soll die Debatte um den „Einstieg“ in die Wiederbewaffnung durch den EVG-Vertrag und den damit verbundenen Generalvertrag beleuchtet werden. An zentraler Stelle steht die Debatte um die grundsätzliche Bereitschaft der Bundesregierung zur Wiederaufrüstung sowie die Konzeption und die tatsächliche politische Umsetzung dieser Konzeption. Die „deutsche Frage“ soll in diesem Zusammenhang unter besonderer Beobachtung stehen, da sie untrennbar mit den Argumentationslinien aller Meinungsträger innerhalb der Partei- und Fraktionsführung verbunden ist.

Ziel dieser Arbeit soll die Dokumentation der Wiederbewaffnungsdebatte in Grundzügen und der Meinungsbildung in Partei und Bundestagsfraktion zur Wiederbewaffnung sein. In diesem Zusammenhang konzentriert sich die erkenntnisleitende Fragestellung der Arbeit auf Kontinuität und Wandel sowie den Charakter der Politik der SPD-Führung in Bezug auf Westbindung und Wiederbewaffnung der BRD. Ob es inhaltliche Veränderungen im Verhältnis zur Regierungspolitik gegeben hat oder lediglich eine, mit jedem neuen Vorsitzenden einziehende, Veränderung der Meinungsbildung und des Führungsstils, wird die Fragestellung sein, die der Autor im Umfang einer Seminararbeit im Hauptstudium zu klären haben wird. Letztlich wird auch zu klären sein, warum die von der SPD vertretene Politik trotz des massiven gesellschaftlichen Widerstands gegen die Remilitarisierung nicht erfolgreich war und möglicherweise auch nicht sein konnte. Die Position der SPD zur EVG nach Ratifizierung des EVG-Vertrages wird weggelassen. Ebenso werden die Stalinnoten und die damit verbundene Politik der Bundesregierung sowie der SPD keine besondere Beachtung finden können.

Die Position der SPD in der Wiederbewaffnungsdebatte ist seit den 50er Jahren bereits in Form von Aufsätzen und Monographien behandelt worden. Der Autor wird diese Veröffentlichungen in Auszügen verwenden sowie auch neuere Publikationen einfließen lassen. Unter diese ist die zwar inhaltlich begrenzte, jedoch sehr pointierte Darstellung von Ramuschkat (2003) zu zählen. Zur Programmatik der SPD wurde auf Monographien wie z.B. von Löwke (1976) oder von Miller (1974) sowie auf die edierten Protokolle der Bundestagsfraktion zurückgegriffen. Die Protokolle des Parteivorstandes sowie des Plenums des Deutschen Bundestages werden aus den Verweisen der genannten Monographien zitiert, da die Arbeit mit den Primärquellen in diesem Falle den Umfang der Arbeit sprengen würde. Dennoch kann nicht auf diese Dokumente verzichtet werden, da sie die Meinungsbildung in Fraktion und Partei dokumentieren, soweit man diese an öffentlichen Äußerungen der Spitzenfunktionäre festmachen kann. Die Darstellung von Rudolf Hrbek „Die SPD - Deutschland und Europa“ ist daher zentral bei der Betrachtung der Position der Partei im Spannungsfeld von Westintegration und Deutschlandpolitik in den fünfziger Jahren. Biographische oder auf Personen bezogene Literatur wird nur in Auszügen und insbesondere im Zusammenhang mit Kurt Schumacher verwendet. Die Auszüge bzw. Verweise auf die Ausgaben des „Neuen Vorwärts“ sind sämtlich den Publikationen von Hrbek und Ramuschkat entnommen.

1 Ausgangslage für die Wiederbewaffnung der BRD

1.1. Strategische und geopolitische Vorraussetzungen

Die Geschichte des Kalten Krieges und seiner Ausprägungen in den frühen 50er Jahren lassen sich aus den hervortretenden Konflikten erklären, die bis zum Ende des 2. Weltkrieges in Europa unter dem Mantel der Waffenbrüderschaft verdeckt waren. Schon während des Zweiten Weltkrieges bestanden ideologische und machtpolitische Spannungen zwischen den späteren Siegermächten. Solange Deutschland nicht geschlagen war, mussten die Alliierten pragmatisch vorgehen und ihre Differenzen zugunsten der gemeinsamen Sache vorerst zurückstellen. Doch als unmittelbar nach dem Krieg die politische Landschaft in Europa neu zu gestalten war und sich grundlegende Entscheidungen nicht mehr vertagen ließen, brachen die in den Kriegsjahren unterdrückten Konflikte offen aus.

Im Westen Europas und in den Vereinigten Staaten verbreitete sich bald nach der Kapitulation Deutschlands die Angst vor einer kommunistischen Unterwanderung und einer expansionistischen Politik der Sowjetunion. Der Zweite Weltkrieg hatte die gesamte europäische Staatenwelt zerrüttet und ein Machtvakuum auf dem Kontinent hinterlassen, das die Sowjetunion nun zu füllen drohte. Die Rote Armee war bis ins Zentrum Deutschlands vorgerückt, hatte große Gebiete in Osteuropa annektiert, hielt noch größere Teile Europas besetzt und schien die Schwäche vieler mittel- und osteuropäischer Staaten zum Ausbau ihrer eigenen Machtposition auszunutzen. Bei Kriegsende hatten bei den Westmächten und der Sowjetunion noch etwa gleich viele Soldaten unter Waffen gestanden. Bis 1946 hatte sich dieses Gleichgewicht schon stark zugunsten der Roten Armee verschoben. Während im Westen demobilisiert worden war, hatte die UdSSR ihre Truppenstärke und Rüstungsindustrie auf dem hohen Kriegsniveau belassen.

Die Perzeption der Bedrohung durch die Sowjetunion war ausschlaggebend für die militärische Planung der NATO-Partner. Diese Wahrnehmung konnte sich aus objektiv nachvollziehbaren Gründen nicht an der undurchsichtigen und von der jeweils herrschenden Führungsclique der Sowjetunion abhängigen Motivationslage orientieren. Das strategische Potential der Sowjetunion musste als Ausgangspunkt für die militärische Planung der NATO gelten. Aufgrund des nuklearen Monopols der USA, waren die Bündnispartner in Europa an der militärischen Konzeption zunächst wenig beteiligt. Jedoch umso mehr daran interessiert, den Schutz ihrer Länder durch eine starke Bindung an die USA durch die NATO sicherzustellen. Als der Militärausschuss der Allianz im Dezember 1949 die erarbeitete Konzeption vorstellte, schätzten die meisten Bündnispartner die Bedrohungslage ähnlich ein. Ein Angriff auf die Vereinigten Staaten wurde als unwahrscheinlich erachtet, Europa jedoch als mögliches Angriffsziel gesehen. Trotz der atomaren Übermacht und des einstweiligen Monopols der USA, hatte man die verstärkte Bildung von konventionell ausgerüsteten Truppenverbänden geplant. Diese Truppenplanung konnte aufgrund des noch immer eingeschränkten militärischen Potentials der westeuropäischen NATO-Partner kaum ohne deutsche Hilfe auskommen. Das politische Ventil für einen solchen Schritt war der im Juni 1950 ausbrechende Korea-Krieg. Wie politisch brisant die Remilitarisierung Deutschlands war, wird durch die Tatsache vorstellbar, dass der verheerende 2. Weltkrieg erst seit 5 Jahren beendet war. Verwüstung und Zerstörung, Ruinen und Kriegsversehrte, dominierten das Bild der deutschen sowie der anderen europäischen Städte gleichermaßen. Im Ausland waren ähnliche Schäden entstanden und ebenso Opfer zu beklagen – das Ausmaß der Zerstörung des letzten Krieges war daher für die Europäer keineswegs in den Hintergrund geraten. Es setzte sich mit wachsender Konfrontation der Blöcke die Vernunft durch, dass der Schutz vor Deutschland nur mit einem integrierten Deutschland gelingen könne. Wiggershaus hat das unter dem Titel „Effizienz und Kontrolle“ beschrieben[1] - die Kontrolle der politischen Zuverlässigkeit der Bundesrepublik und die Effizienz des westlichen Verteidigungsbündnisses mussten unter diesen Bedingungen in Übereinstimmung gebracht werden. Der Angriff des kommunistischen Nordens auf den Süden Koreas wurde von den strategischen Planern auf die Situation des geteilten Deutschlands übertragen. Ein Angriff von kasernierter Volkspolizei wurde als potentielle Gefahr für die Provokation eines innerdeutschen Bürgerkrieges gesehen – in dessen Rahmen sich die ehemaligen Alliierten ebenso gegenüber stünden wie im Korea-Krieg. Dass dieses Szenario nach Kräften geschürt und mit an fälschlich genannten Zahlen der sowjetischen und ostdeutschen Truppenstärke untermauert wurde, soll zumindest erwähnt sein. Dies beruhte auf der Unvergleichbarkeit sowjetischer und alliierter Truppenverbände und der Praxis, Divisionen in numerischer Weise zu zählen und diese Zahlen gegenüberzustellen.

In der Direktive JCS XXX sowie wurde diese Planung in Form gegossen. Der Aufbau militärischer Verbände wurde beschlossen. Im Laufe der Umsetzung dieser Pläne und der Veränderung der Verfügbarkeit atomarer Waffen für die Sowjetunion wurde klar, dass ein deutscher Beitrag unverzichtbar war. Von deutscher Seite, namentlich von Bundeskanzler Konrad Adenauer, wurde der effiziente Aufbau deutscher Truppen mit der innenpolitischen Stärke durchgesetzt. Obwohl die SPD für Adenauer wichtig war, um die Änderung der Verfassung für einen deutschen Beitrag zu erreichen, ließ er sich nicht auf die noch darzustellende kompromisslose Argumentation Schumachers ein. Er argumentierte gegenüber den USA derart, dass zweitklassig ausgerüstete deutsche Truppen, die Vermutung nahe legen, dass diese nur als Kanonenfutter dienen sollen und dies somit innenpolitisch nicht vermittelbar wäre. Die Auseinandersetzung der SPD mit der Regierungspolitik in bezug auf die Integration in das westliche Bündnis wird im Folgenden dargestellt.

1.2. Die gesellschaftliche Debatte um die Wiederbewaffnung in Deutschland

Widerstand gegen die mögliche Remilitarisierung und die bedingungslose Westintegrationspolitik der Bundesregierung gab es durchgängig in allen gesellschaftlichen Schichten sowie in allen gesellschaftsrelevanten Institutionen. Sogar innerhalb der Bundesregierung gab es zu diesem Thema heftigen Streit, der letztendlich im Austritt Gustav Heinemanns aus Regierung und Partei führte. Der spätere Bundespräsident Heinemann war in den 50er Jahren die zentrale Persönlichkeit der Antimilitarisierungsbewegung. Im Folgenden sollen die Positionen Adenauers, Heinemanns sowie der zwei wichtigsten gesellschaftlichen Kräfte außerhalb der Parteien kurz dargestellt werden, um die komplexe Meinungsstruktur dieser Debatte zu verdeutlichen. Die Nähe zur politischen Position der SPD wird für den weiteren Verlauf der Arbeit wichtig sein – eine Gesamtdarstellung des Meinungsbildes ist jedoch weder zielführend noch im Umfang dieser Arbeit möglich.

[...]


[1] Wiggershaus, Norbert „Effizienz und Kontrolle. Zum Problem einer militärischen Integration Westdeutschlands bis zum Scheitern des EVG-Vertragswerkes“ in: Herbst, Ludolf: „Westdeutschland 1945-1955“

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die SPD im Kontext der Wiederbewaffnungsdebatte der 50er Jahre
Untertitel
Die Reaktion der SPD auf die EVG-Politik der Bundesregierung 1950-1953
Hochschule
Universität Potsdam  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Hauptseminar "Zäsuren in der Geschichte der BRD"
Autor
Jahr
2005
Seiten
22
Katalognummer
V77792
ISBN (eBook)
9783638823234
ISBN (Buch)
9783638824842
Dateigröße
450 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kontext, Wiederbewaffnungsdebatte, Jahre, Hauptseminar, Zäsuren, Geschichte
Arbeit zitieren
Mirko Hanke (Autor:in), 2005, Die SPD im Kontext der Wiederbewaffnungsdebatte der 50er Jahre, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77792

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