Der Gattungswechsel von William Shakespears "The Taming of the Shrew" zu Otto Ludwigs Roman "Die Heiteretei und ihr Widerspiel"


Hausarbeit, 2006

25 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Einleitung

1. Otto Ludwig und William Shakespeare

2. Roman und Drama
2.1. Die dramatische Form
2.2. Die epische Form

3. Von der dramatischen Vorlage zur eigentlichen Erzählung

4. Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis
Primärliteratur:
Sekundärliteratur:

Einleitung

Die vorliegende Hauptseminararbeit beschäftigt sich mit dem Gattungswechsel von der Motivvorlage „The taming of the shrew“ von William Shakespeare zu „Die Heiteretei und ihr Widerspiel“ von Otto Ludwig. Sie ist im Rahmen des Hauptseminars „Realistisches Erzählen“ entstanden und beschäftigt sich mit den Motiven aus dem Werk William Shakespeares in dem Roman „Die Heiteretei und ihr Widerspiel“ von Ludwig.

Um die Aufgabenstellung erfüllen zu können, ist es zunächst notwendig, das Verhältnis Otto Ludwigs zu William Shakespeare zu umreißen. Das nötige Material hierzu liefern vor allem Ludwigs Shakespeare – Studien, welche in verschiedenen Werken unterschiedlicher Autoren betrachtet und bewertet wurden sind.

Dann müssen die dramatische Form und die epische Form im Einzelnen betrachtet werden. Auch hierbei wird besonders aus der ludwigschen Sicht, welche aus dessen Studien deutlich wird, argumentiert. Außerdem werden hier die Entwicklungen und Ergebnisse Ludwigs an den einzelnen Werken gezeigt.

Diese Einzelbetrachtungen sollen dann im letzten Teil der Arbeit die Zusammenhänge zwischen den Motiven des dramatischen Werkes Shakespeares und der Erzählung von Otto Ludwig aufzeigen und die Umsetzung aus der einen Gattung in die andere im speziellen Fall untersuchen.

Der Problematik des Gattungswechsels muss besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, da die dramatische Form und die epische Form unterschiedliche Anforderungen an den Dichter, den Text und den Leser stellen. Diese verschiedenen Gattungsmerkmale und ihre Ansprüche aus der Sicht von Otto Ludwig hat Albert Meyer in seiner Abhandlung, „Die ästhetischen Anschauungen Otto Ludwigs“, zur Erlangung der Doktorwürde behandelt. Neben einigen anderen Arbeiten bildet diese Untersuchung die theoretische Grundlage der Einzelbetrachtungen von Drama und Roman.

Um die vorliegende Arbeit abzuschließen, wird am Ende der Versuch einer Ergebnisauswertung mit einem Fazit stehen.

1. Otto Ludwig und William Shakespeare

Otto Ludwig wurde am 12. Februar 1813 in Eisfeld in Thüringen geboren. Dort verbrachte er die ersten Jahre seines Lebens in behüteter Umgebung. Bereits mit 13 Jahren verlor er seinen Vater und wenige Jahre darauf die Mutter.[1] Er verbrachte einige Jahre in Saalfeld, um dann in Leipzig Musik zu studieren. 1850 lässt sich Otto Ludwig in Dresden nieder. Hier heiratet er auch seine Frau Emilie Winkler. Während seines ganzen Lebens hatte er immer eine schwache Gesundheit und kränkelte von Zeit zu Zeit. 1860 allerdings erkrankt er an einem Nervenleiden, an welchem er schließlich 1865 stirbt.[2]

Gerade wenn seine Perioden künstlerischen Schaffens von Krankheiten unterbrochen wurden, widmete sich Ludwig besonders intensiv dem Studium der Werke Shakespeares. Otto Ludwig lebte in einer Zeit, die von der Revolution von 1848 geprägt war. So war der Rekurs auf Shakespeare nicht zufällig, denn die ganze erste Hälfte des 19. Jahrhunderts schwelgte in der Shakespearomanie[3]. Die Ursache dafür ist weniger ein ästhetisches Interesse, als vielmehr die Suche nach den Gründen für das Zusammenfallen von politischem Erfolg und dem gleichzeitigen Auftreten eines Dichterheroen in England, da man in Deutschland eine analoge Situation herbeisehnte.[4] Weiter beschreibt Baumeister Ludwigs Affinität zu Shakespeare folgendermaßen:

Ludwig hatte also in Shakespeare eine allgemein anerkannte und Sicherheit bietende Autorität zur Hand, die er für seine Exkurse in die dramatische Literatur benötigte. Weniger Wert legte er auf die politischen Implikationen der Shakespeare – Rezeption, da er vornehmlich seine eigene Fortentwicklung im Sinn hatte und erst in zweiter Linie die der deutschen Nation. Daß auch der letzte Gesichtspunkt hier und da in seinen Schriften aufblitzt, spricht nicht gegen diese Feststellung, da ihm der Wunsch nach nationaler Einigung und Stärke wie seinen Zeitgenossen vertraut war. (…) Insofern bleibt Shakespeare für ihn in erster Linie ein künstlerisches Vorbild. Jedes Infragestellen dieses zeitlos gültigen Idols hat er ohne Rücksicht auf sonstige Positionen rigoros bekämpft.[5]

Hier kommt also die Beziehung, die Ludwig zu Shakespeare hat, gut zum Ausdruck. Für ihn war seine Form die einzig mögliche für das nicht antike Drama.[6] Außerdem hatte es eine Vorbildfunktion für das deutsche Drama bzw. bildete dessen Grundlage.

Otto Ludwig hielt seine Aufzeichnungen zunächst als tagebuchartige Niederschriften fest, die nicht zur Veröffentlichung gedacht waren. Er wollte eine Analyse der shakespearschen Dramaturgie, sozusagen ein zu verbesserndes Studienmaterial. Die Studien erzählen die Geschichte seiner dramaturgischen Selbsterziehung. Zunächst stellten sie lediglich ein Hilfsmittel und Regulator seiner eigenen dramatischen Praxis dar. Sie führten zum Umschwung, der Klärung und der Berichtigung seiner künstlerischen Überzeugung und zeigen Ludwigs eigentümlichen Bildungsprozess, der im Abschluss des künstlerischen Werks gipfelt.[7]

„Ludwig betrachtet Shakespeare mit naiven, das feinste Detail liebevoll beobachtendem Auge des praktischen Künstlers.“[8] Die Hauptabsicht der Studien besteht für Ludwig darin, die psychologische Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der dramatischen Form nachzuweisen. Dabei stellt er sich die Fragen: Wie verfährt Shakespeare? Wie die anderen? Worin unterscheiden sie sich von ihm? Worin sind sie ihm verwandt?

Ein großer Verdienst der ludwigschen Studien besteht in dem Erkennen der Kernpunkte der Komposition und ihrem Aufzeigen. Ludwig knüpft wie Lessing an Aristoteles an. Die beiden Künstler untersuchen die Entwicklung des innersten und eigentümlichsten Zwecks der Tragödie. Sie weisen nach, wie Shakespeare ihn festhielt und mit welchen Kunstmitteln er ihn erreichte.[9]

Ludwigs Studien haben aber auch einen historischen Wert, welcher darin besteht, dass mit dem Begriff des poetischen Realismus, den er in seinen Studien als ästhetisches Phänomen zu definieren versucht, das Selbstverständnis einer ganzen Epoche wohl treffend umschrieben wird.[10]

Besonders faszinierte Ludwig die charakteristische Verschiedenheit des dramatischen Kunststils, die in der unterschiedlichen Auffassung und künstlerischen Darstellung der Natur und der Wirklichkeit liegt. Auch die mannigfaltige Behandlung von Schuld und Sühne beeindruckte ihn. Shakespeare geht immer vom wirklichen Leben und der Natur aus und nicht von absoluten Vernunftsidealen menschlicher Vollkommenheit.[11]

2. Roman und Drama

Nach dieser kurzen Darstellung des Verhältnisses Otto Ludwig zu William Shakespeare soll nun in den Einzelbetrachtungen näher auf die dramatische und die epische Form eingegangen werden. Der sich immer wiederholende Verweis auf Shakespeare lässt sich nicht vermeiden und zeigt weiterhin deutlich die Bezugnahme Ludwigs auf Shakespeare.

In dem Werk „Die ästhetischen Anschauung Otto Ludwigs“ werden dessen Gedanken systematisiert. Besonders intensiv beschäftigt es sich mit Otto Ludwigs Ideen zu Roman und Drama. Er geht zunächst von der menschlichen Natur aus. Des Weiteren muss das Kunstwerk ein Organismus sein. Der Zweck der Kunst ist es, praktische Lebensweisheiten zu lehren. Die Wirklichkeit in Roman und Drama ist eine Beschreibung derselben. Die psychologische Realität besteht aus dem, was den Geist wirklich macht. So ist die Welt Shakespeares eine Schule für das wirkliche Leben, denn sie lehrt, dass alle Art von Übermaß und Verkehrtheit, jede Störung der Harmonie der Kräfte sich straft. Das Drama soll bestätigen, dass die in der Welt vorhandene Ordnung vernünftig ist. Es vermittelt die Kenntnis des Lebens und stellt ein Bild der Weltordnung her, in dem das ordnende Prinzip die Vernunft ist. Ludwig nennt das die praktische Vernunft. Schuldig werden heißt in dem Zusammenhang gegen die Vernunft verstoßen. Und nur der Schuldige kann und darf untergehen. Es zeigt sich, dass Ludwig wie Shakespeare, von einer gerechten Weltordnung ausgeht. Daher ist auch ein gutes Ende nötig, weil der Mensch sich im Leben zurechtfinden soll. Das ästhetische Urteil darf allerdings nicht vom sittlichen getrennt werden und das Gefühl für das Gute und Schlechte soll nicht durch das Schöne verwirrt werden.[12]

Bei Shakespeare ist die eigentliche Bühne das Gewissen des Helden. Es siegt und straft. Aus diesem Grund wird er unbeirrbar und sittlich dargestellt und ist damit die Basis der Kunst. Jener Boden ist sicher, weil er Menschen aller Stände und Zeiten gemeinsam sein kann. Als Stoff enthält er fundamentale Substanz. Shakespeare steht auf dem Boden der Natur und lässt das Gewissen siegen, weil es sich als das stärkere, der Leidenschaft überlegene erweist. Aus diesem Grund ist der englische Dichter für Ludwig ein sittlicher Dichter, dessen Anschauungen es in den eigenen Werken zu verwirklichen gilt.[13]

2.1. Die dramatische Form

Um die Motive aus Shakespeares Komödie „The Taming of the Shrew“ herauszuarbeiten, ist es zunächst notwendig, das Werk in seinen Einzelheiten zu betrachten. Zur Unterstützung der Aussagen werden hier wiederum „Die ästhetischen Anschauungen Otto Ludwigs“ herangezogen.

„The Taming of the Shrew“, zu deutsch „Der Widerspenstigen Zähmung“, entstand 1594 und wurde 1623 gedruckt. Das Stück, welches Shakespeare in eine Theateraufführung eingebettet hat, handelt von Katharina und Bianca, den beiden Töchtern des Baptista. Lucentio hat sich in Bianca verliebt, aber um sie zu gewinnen, muss er sich gegen die beiden Mitbewerber Hortensio und Gremio durchsetzen und zusätzlich einen Mann für Katharina finden, denn Bianca darf erst heiraten, wenn auch ihre Schwester sich vermählt hat. Allerdings hat Katharina einen sehr renitenten Charakter, sodass kein Mann in Padua um sie freien will. Da trifft es sich gut, dass Petruchio, ein Bekannter von Hortensio, in die Stadt kommt und beschließt, um sie zu werben. In ihm findet Katharina einen würdigen Gegner, welcher es schließlich schafft, sie zu zähmen. Das Stück gipfelt in einer Wette der Männer, welcher von ihnen die gehorsamste Frau habe. Sie endet damit, dass Petruchio zum Erstaunen aller gewinnt.

Die folgenden Grundsätze sind Bedingungen dieser poetischen Gattung:

1. Der dramatische Dichter muss die Gesamtheit der menschlichen Kräfte in ein lebendiges
Spiel versetzen.
2. Die wesentlichen Faktoren des Dramas sind Dichter, Schauspieler und Publikum.
3. Der dramatische Dichter hat zweierlei darzustellen: Existenz und Bewegung.[14]

Im Folgenden wird sich herausstellen, dass diese Prinzipien auch in der Komödie „Der Widerspenstigen Zähmung“ erfüllt sind.

Zunächst fordert Ludwig von der dramatischen Form, dass sie die ursprüngliche Ganzheit des Menschen wieder herstellen muss. Er konzipiert eine Totalität des Menschen, die sich aus seinen sinnlich-geistigen Vermögen, wie die Sinne, die Phantasie, den Verstand und die Vernunft zusammensetzt. Daraus folgend stellt er die Forderung an das Theater, „allen etwas zu bringen“. Dies lässt sich erfüllen, wenn alle ohne Unterschied etwas gemeinsam haben. Nach Ludwig soll jenes Gemeinsame die psychologische Beschaffenheit der menschlichen Natur sein. Die Aufgabe des Theaters ist es nun die menschlichen Kräfte zu aktivieren.[15]

[...]


[1] Grainer (1838): Otto Ludwig. Ein deutsches Dichterleben S. 8 ff

[2] Grainer (1838): Otto Ludwig. Ein deutsches Dichterleben S. 190 ff

[3] ein von Christian Dietrich Grabbe geprägter Begriff

[4] Baumeister (1981): Künstlerische Berufung und sozialer Status: Otto Ludwig S. 58

[5] Baumeister (1981): Künstlerische Berufung und sozialer Status: Otto Ludwig S. 60

[6] Baumeister (1981): Künstlerische Berufung und sozialer Status: Otto Ludwig S. 62

[7] Hydrich (1901): Otto Ludwig, Shakespeare-Studien. Mit einem Vorbericht und sachlichen Erläuterungen S. II

[8] Hydrich (1901): Otto Ludwig, Shakespeare-Studien. Mit einem Vorbericht und sachlichen Erläuterungen S. IV

[9] Hydrich (1901): Otto Ludwig, Shakespeare-Studien. Mit einem Vorbericht und sachlichen Erläuterungen S. V

[10] Korte (1989): Ordnung und Tabu. Studien zum poetischen Realismus S. 11 f

[11] Hydrich (1901): Otto Ludwig, Shakespeare-Studien. Mit einem Vorbericht und sachlichen Erläuterungen S. VI

[12] Meyer (1957): Die ästhetischen Anschauungen Otto Ludwigs S. 4 – S. 10

[13] Meyer (1957): Die ästhetischen Anschauungen Otto Ludwigs S. 18 ff

[14] Meyer (1957): Die ästhetischen Anschauungen Otto Ludwigs S. 27

[15] Meyer (1957): Die ästhetischen Anschauungen Otto Ludwigs S. 28 ff

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Der Gattungswechsel von William Shakespears "The Taming of the Shrew" zu Otto Ludwigs Roman "Die Heiteretei und ihr Widerspiel"
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Neuere deutsche Literatur- und Medienwissenschaften)
Veranstaltung
realistisches Erzählen
Note
2,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
25
Katalognummer
V77799
ISBN (eBook)
9783638823296
ISBN (Buch)
9783638824873
Dateigröße
481 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Benotung nicht besser, weil die Aufgabenstellung aufgrund der Lage der Sekundärliteratur überdurchschnittlich schwer war.
Schlagworte
Gattungswechsel, William, Shakespears, Taming, Shrew, Otto, Ludwigs, Roman, Heiteretei, Widerspiel, Erzählen
Arbeit zitieren
Patricia Laukó (Autor:in), 2006, Der Gattungswechsel von William Shakespears "The Taming of the Shrew" zu Otto Ludwigs Roman "Die Heiteretei und ihr Widerspiel", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77799

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