Die RAF als "terroristisches" Pop-Phänomen


Hausarbeit, 2006

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Terrorismus in Deutschland

3 Die Rote Armee Fraktion als Kultobjekt
3.1 RAF- Mode
3.2 RAF in Kino, Musik und Literatur (ausgewählte Beispiele)
3.3 Die Berliner RAF- Kunstausstellung

4 Mögliche Gründe für den RAF- Kult

5 Schlussbemerkungen

6 Quellenverzeichnis
6.1 Literaturverzeichnis
6.2 Artikel aus Zeitungen und Zeitschriften
6.3 Internetquellen
6.4 zusätzliche Quellen

1 Einleitung

Es ist der 2. April 1968. Die Kaufhäuser Schneider und Kaufhof in Frankfurt stehen in Flammen. Die Geburtsstunde der RAF[1] und des Terrorismus in Deutschland hat geschla- gen. Es entstand eine Organisation, die mit diversen Anschlägen auf wichtige Personen aus Wirtschaft und Politik sowie zahlreichen Banküberfällen, die deutschen Behörden bis zu ihrer Auflösung 1998 in Atem hielten. Auf ihr Konto gehen unter anderem vierund- dreißig Morde, über 200 Verletzte und ein Sachschaden von mehr als 250 Millionen Eu- ro.[2] Heute, nachdem die RAF Geschichte ist, wird in Zeitungen und Zeitschriften über T- Shirts und Poster mit dem RAF- Logo berichtet. Es werden Lieder und Filme produziert, welche die Geschichte der RAF wiedergeben und manchmal sogar ihre Taten und politi- sche Meinung rechtfertigen. Ist dies die Art und Weise wie eine Gesellschaft mit vergan- genen terroristischen Aktionen umgeht? Gab es schon immer einen Kult um die RAF, der aber erst nach ihrer Auflösung kommerzialisiert werden konnte? Oder gibt es überhaupt keinen Kult und es ist nur als Versuch von Medien und Wirtschaft anzusehen, Profit zu erzielen?

Terrorismus ist wohl das präsenteste Thema der gegenwärtigen Medienberichterstattung. Es handelt sich hierbei um „politisch motivierte Gewaltkriminalität extremistischer Or- ganisationen, Gruppierungen oder Einzelpersonen in Form von gezielten, direkten Aktio- nen gegen hohe Funktionsträger in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft oder gegen symbol- trächtige Einrichtungen und Institutionen“.[3] Es liegt also nahe vergangene terroristische Aktivitäten, wie das Auftreten der Roten Armee Fraktion, zu analysieren, um auf mögli- che Zusammenhänge zu heutigen Terrororganisationen schließen zu können, was aber nicht die Aufgabe dieser Arbeit sein soll. Da Terroristen politische Interessen verfolgen, haben sie natürlich, neben dem Ziel Angst in der Gesellschaft zu verbreiten, auch das Ziel Anhänger ihrer Ideologie zu finden und diese zu terroristischen Aktivitäten zu motivie- ren.[4] Eine entstehende Popkultur könnte dieses Ziel des Terrorismus unterstützen. Ande- rerseits würde sie die „Angst“ als Waffe des Terrorismus verringern. Popkultur meint „den kommerzialisierten, gesellschaftlichen Bereich, der Themen industriell produziert, medial vermittelt und durch zahlenmäßig überwiegende Bevölkerungsgruppen -egal, welcher Schicht oder Klasse zugehörig- mit Vergnügen benutzt und weiterverarbeitet wird“.[5] Es stellt sich die Frage wann Terrorismus zur Popkultur wird und inwieweit popkulturelle Phänomene im Interesse der terroristischen Organisationen liegen. In der folgenden Arbeit soll demnach die These behandelt werden, dass es eine „terroristische Popkultur“ in Verbindung mit der RAF gibt und diese von den Terroristen selbst vorangetrieben wurde, um ihre Gefolgschaft zu vergrößern. Nach einer geschichtlichen Zusammenfassung soll die RAF anhand ausgewählter Beispiele als Kult und verschiedene Meinungen zu popkulturellen Phänomenen dargestellt werden. Ferner möchte ich näher auf mögliche Gründe für eine Popkultur eingehen.

2 Terrorismus in Deutschland

Die ideologischen Ursprünge der RAF sind auf die Studentenbewegung der 60er und 70er Jahre zurückzuführen. Die Studenten protestierten hauptsächlich gegen den vom Konsum geprägtem Kapitalismus, das Meinungsmonopol des Axel- Springer- Verlages, den Vietnamkrieg der USA und die Verdrängung des Dritten Reiches. Das Auflehnen gegen Staat und Justiz war geprägt von zahlreichen Demonstrationen, die oft zu Aus- schreitungen zwischen Polizei und Demonstranten führten, vor allem in Berlin. Die Si- tuation eskalierte als am 2. Juni 1967 der Romanistikstudent Benno Ohnesorg bei einer Demonstration von einem Polizeibeamten erschossen wurde.[6] Danach waren die Studen- ten sich ihrer Meinung so sicher wie nie zu vor und die Protestwelle weitete sich aus. Man fühlte sich dem Widerstand gegen den Unrechtsstaat gerade zu verpflichtet. Auch Andreas Baader, über den Bekannte berichten, dass er gerne ein Medienstar, ein Anführer wäre, [7] beteiligte sich rege an den Protesten. Nach dem Ereignis am 2. Juni spricht er über „Aktionen“ die er „militant“ gestalten möchte und Gudrun Ensslin fordert: „Wir müssen uns bewaffnen!“.[8] Aussagen, denen auch bald Taten folgen sollten. Am 2. April 1968 machten sich die beiden zusammen mit Thorwald Proll und Horst Söhnlein auf den Weg die Frankfurter Kaufhäuser Schneider und Kaufhof als „Protest gegen die Gleichgültig- keit, mit der die Menschen dem Völkermord in Vietnam zusehen“,[9] wie Gudrun Ensslin sagte, in Brand zu setzen. Es entstand die linksextremistische militante Terrororganisati- on RAF, auch wenn der Name erst später angenommen wurde. Den Strafprozess nach ihrer Festnahme gestalten die vier Angeklagten, ohne Rücksicht auf Ordnungsstrafen, als eine Art „Justizhappening“, um die Staatsmacht zu schikanieren. Das Urteil lautete: drei Jahre Haft. Allerdings wird dieses Urteil, da Revision eingelegt wurde, vorerst nicht rechtskräftig und die vier „Aufrührer“ werden nach vierzehn Monaten Untersuchungshaft am 13. Juni 1969 entlassen. In den Wochen nach ihrer Entlassung werden sie überall in der Frankfurter Szene gefeiert. Sie entwickelten sich zu „kleinen Medienstars der radika- len Linken“.[10] Als das Urteil am 10. November 1969 doch rechtskräftig wird, begeben sich die vier „Brandstifter“ auf die Flucht quer durch Europa. Schließlich kommen Baa- der und Ensslin wieder nach Berlin zurück um den „bewaffneten Kampf“ fortzusetzen und schlüpfen in der Wohnung der bekannten Journalistin Ulrike Meinhof unter. Einige Zeit später wird Baader gefasst, woraufhin er am 14. Mai 1970 unter Mitwirkung der beiden Frauen gewaltsam befreit wurde. Im Untergrund gründeten sie die RAF, vorerst als „Baader- Meinhof- Bande“ bekannt, und absolvierten eine monatelange militärische Guerilla-Ausbildung in einem palästinensischen Camp der Befreiungsorganisation El Fatah in Jordanien bevor die ersten Banküberfälle und Anschläge folgten. Die Zeitschrif- tenartikel über den neuen „Staatsfeind Nummer 1“ häuften sich. Auch die RAF selbst veröffentlichte, in Spiegel und anderen Zeitschriften, einige Kampfschriften, die ihre Handlungen ideologisch begründen sollten. Beispielsweise „Das Konzept Stadtguerilla“ oder „Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa“.[11] Weitere wichtige Mitglieder, die der Terrororganisation folgten, waren Jan-Carl Raspe, Horst Maler, Holger Meins oder Hans-Jürgen Becker. Nach mehreren Anschlägen der RAF, zum Beispiel auf das Europa- Hauptquartier der US-Armee in Heidelberg, wurde die größte Fahndungsaktion in der Geschichte der Bundesrepublik gestartet. Im Juni 1972 wurden die „Gründungsväter“ schließlich verhaftet. Ein Ende der RAF war allerdings nicht abzusehen. Durch Hunger- streiks der Gefangenen, über die ausführlich in den Medien berichtet wurde, kam es in ganz Deutschland zu Protestdemonstrationen. Einige Sympathisanten schlossen sich zu mehreren Gruppen der „Zweiten (RAF-) Generation“ zusammen, mit dem obersten Ziel ihre ideologischen Voreiter und Idole aus dem Gefängnis freizupressen. Es folgten Akti- onen wie der Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm und die Ermordung des Berliner Kammergerichtspräsidenten Günter von Dreckmann. [12]

Das Jahr 1977 wird als Höhepunkt des Terrorismus in Deutschland bezeichnet. Im so genannten „Deutschem Herbst“ wurden Jürgen Pronto, Vorsitzender der Dresdner Bank, der Generalbundesanwalt Siegfried Buback und der Arbeitgeberpräsident Hans Martin Schleyer ermordet. Zudem wurde von mit der RAF verbündeten Palästinensern eine Lufthansamaschine entführt, um Andreas Baader und Co. freizupressen. Als diese Aktion scheiterte begingen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe, nach dem Vor- bild von Ulrike Meinhof, im Gefängnis kollektiven Selbstmord. Für die Anhänger war das eine Art „Märtyrer-Tat“, vergleichbar mit Selbstmordattentätern heutiger Terrororga- nisationen.[13] Danach wurde es einige Zeit ruhiger um die RAF. 1982 wurden auch die Hauptakteure der zweiten Generation verhaftet. Jedoch dauerte es nicht lange bis neue Täter an ihre Stelle traten, um das „Konzept Stadtguerilla“ fortzusetzen. Die dritte Gene- ration ging „professioneller“ vor, so dass die Terroristen bis heute weitgehend unbekannt sind. Sie hatte zum Ziel eine „westeuropäische antiimperialistische Front“ aufzubauen, dabei mit ausländischen Aktivisten zu kooperieren und „Angriffe auf führende Repräsen- tanten aus Wirtschaft und Staat“ auszuüben.[14] So wurden in den nachfolgenden Jahren unter anderem der MTU-Chef Horst Zimmermann, der Vorstandsvorsitzende der Deut- schen Bank Alfred Herrhausen und Treuhandchef Karsten Rohwedder ermordet. Die Zer- störung des neu errichteten Justizvollzugsgebäudes Weiterstadt 1993 ist der letzte An- schlag der Roten Armee Fraktion. Danach zieht sich die RAF in den Untergrund zurück und verfasst Leserbriefe als politische Erklärungen, die in kleinen Zeitungen, wie Interim oder Junge Welt abgedruckt werden bis letztendlich am 20. April 1998 der Nachrichten- agentur Reuters eine Auflösungserklärung zugespielt wird. Darin heißt es: „Vor fast 28 Jahren am 14. Mai 1970 entstand in einer Befreiungsaktion die RAF. Heute beenden wir das Projekt. Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte“.[15] Seitdem wurde nie wieder etwas von der RAF gehört, doch der Medienhype ging weiter und weitete sich aus. Neben zahlreichen Zeitschriftenartikeln und Dokumentation entstanden Kinofilme über die RAF, Musik, die in ihren Texten von der RAF berichtet, eine RAF- Mode und es wurde eine breit diskutierte Kunstausstellung über die RAF in Berlin veranstaltet. Auf diese Aspekte soll im folgenden Abschnitt eingegangen werden.

3 Die Rote Armee Fraktion als Kultobjekt

Anfang 2001 begann die Transformation der RAF in Popzeichen. Die Illustrierte Max veröffentlichte eine Fotostrecke mit dem Titel „Die Zeit ist reif für RAF- Popstars“. Die Terroristen wurden in Kinofilmen wie „Baader“ von Christopher Roth als Helden darge- stellt. Es war plötzlich „in“ Kleidung zu tragen, die den roten fünfzackigen Stern als Emblem trug.[16] Dabei rückte in den Hintergrund, dass mehr als dreißig Menschen von der RAF ermordet wurden. Was zählte war durch diese Provokation die Produkte gut zu verkaufen. Andererseits wurde, unabhängig davon in welchem Ausmaß die Bevölkerung den RAF- Kult konsumierte, sehr viel Kritik laut, den Terrorismus zu verharmlosen. Die Kritik kam zu ihrem Höhepunkt als im Sommer 2003 die „Kunst-Werke“ aus Berlin das Ausstellungsprojekt „Mythus RAF“ planten.

3.1 RAF- Mode

Die Fotostrecke, welche die Illustrierte Max von der nicht mehr existierenden Tussi De- luxe übernahm, war nicht die erste dieser Art. Bereits 1997 veröffentlichte eine dänische Zeitschrift namens „Damernes Verden“ unter der Überschrift „Die Mutter der Revolutio- nen“ eine Bilderserie über Ulrike Meinhof, die Modeartikel bewarben.[17] Zum Beispiel wurden die Terroristen- Models in einem Café in Szene gesetzt und der dazugehörige Text lautete: „Eine Manifestation wird geplant, die klar herausstellen soll, dass es zu we- nig Frieden in der Welt gibt. Ulrike trägt einen gelben Overall aus Baumwolle und Poly- amid von Diesel für 1199 Kronen. Andreas eine gestreifte schwarze Strickjacke mit Po- lokragen von Martinique [...]“.[18] In der schon erwähnten Fotostrecke der Illustrierten Max werden Bilder der Schleyer- Entführung oder des Stammheim- Prozesses nachge- stellt um Schuhe zu bewerben. Der Fotograph selbst sagt, „dass er seine Bilder nicht dem direkten Vergleich mit der Realität ausgesetzt sehen will, sondern er will mit den Bildern der RAF im kollektiven Gedächtnis spielen“.[19]

Weiterhin wurde in vielen Zeitungsartikeln von T-Shirts, Unterwäsche und sogar Kon- domen, die das RAF- Logo tragen, berichtet.[20]

[...]


[1] Abk. für Rote Armee Fraktion.

[2] Vgl. Butz (2004, S. 31).

[3] Artikel: "Terrorismus" in Microsoft® Encarda 2006 [DVD]. Microsoft Corporation, 2005.

[4] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Terrorismus.

[5] Jacke (2004, S. 22).

[6] Vgl. Butz (2004, S. 81ff).

[7] Vgl. ders.: S. 60.

[8] Vgl. ders.: S. 94.

[9] Vgl. Butz (1993, S.36).

[10] Vgl. Butz (2004, S. 121).

[11] Vgl. ders.: S. 266.

[12] Vgl. http://www.rafinfo.de/hist/index.php.

[13] Vgl. Moll „Der RAF- Terrorismus“ (S. 5). URL: http://www.rafinfo.de/archiv/files/RAF-Pop.pdf.

[14] Vgl. Butz (2004, S. 595f).

[15] Vgl. ders.: S. 713ff.

[16] Vgl. Reinecke „Die RAF und die Politik der Zeichen“. In: Biesenbach (2005, S. 219).

[17] Vgl. Mohr „Die Prada-Meinhof-Bande“. In: Spiegel-Online (27.02.2002).

[18] Ebd.

[19] Vgl. Moll a.a.O. (S.15).

[20] Vgl. Günter „Zeitzeichen“. In: Neue Züricher Zeitung (24.02.2005). Als Beispiel.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die RAF als "terroristisches" Pop-Phänomen
Hochschule
Universität Erfurt
Veranstaltung
Islamismus, Terrorismus, Medien
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
19
Katalognummer
V81309
ISBN (eBook)
9783638851428
ISBN (Buch)
9783638937573
Dateigröße
599 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pop-Phänomen, Islamismus, Terrorismus, Medien, RAF, Baader, Meinhof
Arbeit zitieren
Thomas Braun (Autor:in), 2006, Die RAF als "terroristisches" Pop-Phänomen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81309

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