Erzählung als Gang

Zur Dominanz des Schreibvorgangs in Robert Walsers „Räuber“- Roman


Hausarbeit, 2003

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Inhaltsangabe

3. Erzählperspektive und Erzählweise
3.1. Die Register der literarischen Rede
3.2. Das Verhältnis Ich- Erzähler und Räuber

4. Die Dominanz des Schreibvorgangs
4.1. Die scheinbare Selbstkritik
4.2. Die sprachliche Umsetzung des Phänomens
4.2.1. Die Gegenläufigkeit der Sprache
4.2.2. Sagen und Zurücknehmen
4.2.3. Aussparen am Beispiel der Beschreibung des Räubers
4.3. Erzählung als Gang

5. Die Rolle des Lesers

6. Die Rolle der Mikrogramme

7. Der Roman in seiner Zeit
7.1. Die Auseinandersetzung mit der damaligen Art der Literatur
7.2. Vergleich mit Werken der Zeit

8. Schluss

9. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„ … was denn mit diesem Stück literarischer Rücksichtslosigkeit anfangen…“ fragt sich Martin Jürgens im Nachwort zu Robert Walsers Roman „Der Räuber“.[1] Diese Frage stellt sich wohl das Gros der Leser dieses Romans. Unter anderem auch ich. Als rücksichtslos könnte man die Art und Weise bezeichnen, mit der dieser Roman die Leseerwartungen enttäuscht. Es gibt weder einen klaren Plot noch eine nachvollziehbare Strukturierung des Romans. Stattdessen scheint dieser Text eine willkürliche Aneinanderreihung von Trivialitäten und Nebensächlichkeiten zu sein.

Die Erzählweise ist außergewöhnlich. Der Roman entsteht nicht durch Handlungen der Protagonisten, sondern durch den Schreib- und Erzählvorgang selbst.

Der Entwicklungsprozess dessen dominiert durchgehend den Text. Ziel dieser Arbeit ist es, die erzählerischen und sprachlichen Elemente näher zu betrachten, die der Dominanz des Schreibvorgangs zugrunde liegen.

Die Dominanz des Schreibprozesses tritt auf verschiedenen Ebenen in Erscheinung.

Deswegen werde ich zu Beginn der Arbeit kurz die erzählerischen Elemente, die den Roman kennzeichnen, darlegen und folgend untersuchen, welche sprachlichen Elemente Walser nutzt, um den Schreibvorgang voranzubringen. Ebenfalls gilt es zu klären, welche Rolle die Mikrogramme in diesem Kontext spielen.

Im 5. Kapitel untersucht die Arbeit die Kommunikabilität des Romanes. Aufgrund der vielen Divergenzen, die Robert Walsers Texte seit jeher bei den Lesern auslösen, versuche ich abschließend den Roman in das Gesamtwerk Walsers und die damalige Zeit einzuordnen. Die Kontroversen über diesen seinen Text vorwegnehmend, stellte Robert Walser fest: „Noch nie, so lange ich am Schreibtisch tätig bin, habe ich so kühn, so unerschrocken begonnen zu schriftstellern.“ (DR:29)

2. Inhaltsangabe

Walsers Protagonist ist ein Krimineller. Ein Räuber, der sich diese Bezeichnung allerdings nicht selbst zuzuschreiben hat, sondern von der Gesellschaft in die Rolle gedrängt wurde. Grundlage ist die Geschichte der hilflosen Liebe des Räubers zu einer Kellnerin namens Edith.

Die Frage nach dem Inhalt des Romans würde wohl immer eine unbefriedigende Antwort nach sich ziehen. Aufgrund der vielen Abwege und Nebenschauplätze des Textes, lässt sich nur schwer ein Inhalts- Nenner finden.

Im „Räuber“- Roman geht es hauptsächlich um die Produktion eines Romans und nicht um dessen Inhalt (vgl. Widmer 1978:23; Andres 1997:137).

3. Erzählperspektive und Erzählweise

Bevor ich mich konkret mit dem Schreibvorgang im Text beschäftige, möchte ich einige grundlegende Dinge, die Erzählstruktur betreffend, erläutern. Dies ist notwendig, damit die verschiedenen Ebenen, auf denen Ich- Erzähler und Räuber agieren, sichtbar werden.

3. 1. Die Register der literarischen Rede

Diesem Kapitel liegt die strukturale Poetik Tzvetan Todorovs zugrunde. Die Eigentümlichkeiten der literarischen Rede und die ungewöhnliche Strukturierung des Romans sind Gegenstand der strukturellen Analyse (vgl.Todorov 1981:107f.). Diese betrachtet das Werk als Manifestation von etwas Anderem. Die verschiedenen Ebenen des „Räuber“- Romans sollen mit diesen Registertypen offen gelegt werden:

Die referentielle Rede ist das eigentlich romanhafte Element. In dieser Kategorie tritt das Medium Sprache zugunsten des bezeichneten Objektes in den Hintergrund. Eine fiktive Wirklichkeit wird konstruiert.

Im vorliegenden Roman bezeichnet die referentielle Rede die Geschichte von dem Räuber und Edith. Deren Agieren und das der weiteren Personen schafft die Romanwirklichkeit, die den Roman im eingeschränkten Sinne ausmacht. Ein Beispiel wäre unter anderem der erste Satz des Romans: „Edith liebt ihn.“ (DR:7) (vgl. Bolli 1991:16).

Die literale Rede zeichnet sich dadurch aus, dass die Figürlichkeit der Rede, die eigentliche Literalität im Vordergrund steht. Diese Figuren sind nichts anderes als eine spezielle Disposition der Wörter. Drei konkrete Formen kennzeichnen dieses Rederegister: Wiederholung, Gradation und Antithese. Auf andere literale Elemente des Textes werde ich ausführlicher in Kapitel 4. 2. zurückkommen (vgl. Bolli 1991: 23f.; Todorov 1981:117).

Die subjektive Rede macht auf das Subjekt oder den Urheber der Aussage aufmerksam. Diese Subjektivität kommt in lexikalischen, semantischen oder grammatischen Eigenheiten des Textes zum Ausdruck. Der Gegenstand, der im „Räuber“- Roman hauptsächlich auf dieses Weise thematisiert wird, ist der Schreibvorgang an sich. Im Roman tritt als Schreibinstanz der sich in Ich- Form vorstellende Autor deutlich hervor: „Immerhin werde ich mich kurz fassen“ (DR:8). Dieses Erzähl- Ich ist selbst das Subjekt der literarischen Aussage, da es eigen den Schreib- und Erzählvorgang reflektiert und problematisiert.

Auf die Dominanz des Schreibvorgangs wird in Kapitel 4 ausführlicher eingegangen. Erwähnt sei an dieser Stelle aber noch, dass Todorov innerhalb der subjektiven Rede auf zahlreiche Untergruppen eingeht, die auch anhand des „Räuber“- Romans nachgewiesen werden könnten.

Die in der referentiellen Rede angelegte Romanwirklichkeit wird durch die subjektive Rede immer wieder durchbrochen. Sei es durch Wertungen oder zum Beispiel durch Selbstkorrekturen des Erzähl- Ichs.

Diese beiden Register der Rede sind die wesentlichen Elemente, die die Struktur des „Räuber“- Romans ausmachen (vgl. Bolli 1991:16-23).

3. 2. Das Verhältnis zwischen Ich- Erzähler und Räuber

Der Autor des vorliegenden Textes ist das Erzähl- Ich selbst. („ Ich halte mich nämlich für einen vornehmen Autor.“, DR: 8). Allerdings nur in eingeschränktem Sinne, ist es doch so, dass der Räuber „wacker bei der Niederschrift dieses Buches mithilft.“ (DR: 169). Die Beziehung zwischen Ich- Erzähler und Räuber möchte ich etwas präziser betrachten:

Räuber und Erzähler müssten, laut den Kriterien für einen Roman, auf verschiedenen Textebenen angesiedelt sein. Jedoch kann man sie im vorliegenden Text weder als identisch, noch als klar getrennt bezeichnen.

Der Ich- Erzähler versucht unentwegt eine Grenze zwischen sich und dem Räuber aufzuzeigen. Er gibt sich als ein Bürger, materiell besser gestellt als der Protagonist, und bezweifelt, dass er „mit dem Aufzählen seiner [des Räubers] Verfehlungen“ (DR:53) jemals fertig werden würde. Im Verlauf des Romans erscheinen sowohl Erzähl- Ich als auch Räuber sehr ähnlich, als arme und absonderliche Außenseiter. Sie teilen Gemeinsamkeiten und gelten als Einzelgänger, die sich bemühen, sich in einer Gesellschaft zu behaupten: Das Erzähl- Ich, indem es ein Buch schreibt („… denn ich muss zu einem Buch […] kommen, da ich sonst noch tiefer verachtet werde …“, DR: 103) und der Räuber, indem er mithilft, „weil ihm immer noch kein passender Roman erstand.“ (DR: 136) (vgl. Andres 1997: 141; Bolli 1991: 75- 77).

Der Erzähler entwickelt im Verlauf des Romans eine Sympathie für den Räuber. Nimmt er ihn einerseits gegen Vorwürfe in Schutz („Sie wundern sich, wie wir den Räuber hier in Schutz nehmen.“, DR: 47f.), andererseits aber schimpft er auf diesen. Vor allem zu Beginn und am Schluss des Romans beschreibt der Erzähler den Räuber auf negative Art. So als gelte es, wenigstens bei der Rahmung des Romans eine klare Position zu beziehen. Das unklare Verhältnis zwischen Erzähler und Räuber problematisiert die Kommunikation zwischen den Beiden.

Während der häufigen Veränderung seiner Position im Verlaufe des Erzählprozesses muss der Ich- Erzähler sogar darauf achten, „daß ich mich nicht mit ihm verwechsle.“ (DR:87).

Zwischen Ich- Erzähler und Räuber besteht eine räumliche Trennung. Das Erzähl- Ich flüstert dem Räuber etwas ins Ohr (DR: 123) oder nimmt ihn an die Hand und führt ihn zu Edith (DR: 129). Diese Gegebenheiten zerstören die Illusion einer dichterischen Wirklichkeit. Außerdem erwecken die direkten Ansprachen an die Romanpersonen („ Nieder mit dir, Räuber!“, DR: 188) den Eindruck, als ob das Erzähl- Ich sich auf eine ganz besondere Weise für seine Romanfiguren interessiert. Das Erzähl- Ich hat die Romanhandlung in der Hand und kann nach eigenem Ermessen über die Protagonisten verfügen (vgl. Bungartz 1988: 52- 54; Bolli 1991: 66f.).

[...]


[1] Im Nachfolgenden beziehe ich mich auf Robert Walser, Der Räuber. Frankfurt am Main 2003. suhrkamp
Nachfolgend zitierte Teststellen aus diesem Werk werden mit DR abgekürzt.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Erzählung als Gang
Untertitel
Zur Dominanz des Schreibvorgangs in Robert Walsers „Räuber“- Roman
Hochschule
Universität Konstanz  (Fachbereich Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Kurzprosa und neue Formen der Öffentlichkeit im 19. und frühen 20. Jahrhundert
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
17
Katalognummer
V83017
ISBN (eBook)
9783638890205
ISBN (Buch)
9783638929011
Dateigröße
488 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erzählung, Gang, Kurzprosa, Formen, Jahrhundert
Arbeit zitieren
M.A. Claudia Engelmann (Autor:in), 2003, Erzählung als Gang, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83017

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