Wilhelm von Humboldts Bildungsbegriff - Ein Blick auf das heutige Schulsystem und Humboldts Relevanz für die Schulsozialarbeit


Hausarbeit, 2007

41 Seiten, Note: 1,2


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Das Leben von Wilhelm von Humboldt
2.1 Kindheit und Jugend
2.2 Humboldts Zeit der Selbstbildung
2.3 Humboldts politisches Wirken
2.4 Humboldts Altersmuße in Tegel

3. Gesellschaft und Leben zu Humboldts Zeit

4. Humboldts Reform des preußischen Bildungswesens
4.1 Schule und Pädagogik um 1800
4.2 Reform des preußischen Schulwesens unter Humboldt
4.2.1 Reform des preußischen Bildungswesens
4.2.2 Die Reform des Schulwesens unter Humboldt

5. Ideengeschichtliche Einordnung von Humboldts Bildungsbegriff
5.1 Der vorklassische Bildungsbegriff
5.1.1 Die griechische „paideia“
5.1.2 Der humanistische Bildungsbegriff
5.1.3 Der rationalistische Bildungsbegriff
5.2 Der klassische Bildungsbegriff
5.2.1 Humboldts Bildungsbegriff
5.2.2 Hegels Bildungstheorie
5.3 Bildung im 19. Jahrhundert

6. Humboldts Bildungsbegriff
6.1 Der Einfluss der griechischen Antike auf Humboldts
Bildungsbegriffs
6.2 Der Begriff der Allgemeinbildung/Menschenbildung

7. Soziale Arbeit in der Bildungseinrichtung Schule
7.1 Die Funktion der Schule
7.2 Zwei Institutionen auf der Suche
7.3 Die Chance das Kooperationsmodell
7.3.1 Kooperationsverhältnisse zwischen Schulsozialarbeitern und Lehrern
7.4 Schulsozialarbeit als Handlungsfeld der Jugendhilfe
7.5 Wie kann die Soziale Arbeit in die Schule integriert werden?
7.5.1 Wirkliche Zusammenarbeit
7.6 Soziale Arbeit in der Schule

8. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Diese Arbeit befasst sich mit den Gedanken Wilhelm von Humboldts zu seinem Bildungsbegriff, inwieweit sein Bildungsideal noch als aktuell bezeichnet werden kann. Ziel ist es dabei nicht die Gesamttätigkeit Humboldts und die spätere Umsetzung seiner Bildungsvorstellungen vollständig wiederzugeben. Vielmehr soll die Bildungsphilosophie Wilhelm von Humboldt in deskriptiver Weise dargestellt werden, um somit einen Einblick in die Wesenszüge der Humboldtschen Denkart zu gewinnen.

Wenn in Deutschland von Bildung und Universitäten gesprochen wird, fällt immer wieder der Name Humboldt. Er war preußischer Resident in Rom, Reformator des preußischen Bildungswesens, Diplomat im Befreiungskrieg und Bevollmächtigter auf dem Wiener Kongress.

Wilhelm von Humboldt hatte ein ganz spezielles Verständnis von Bildung. Der Begriff der Bildung ist im Prozess der Geschichte einem ständigen Wandel unterworfen. Der Mensch soll in der Lage sein über sich hinaus zu streben, um sich in seiner ganzen Wesenseigentümlichkeit darstellen zu können – mit diesen Worten kann man das Ziel Wilhelm von Humboldt beschreiben eine dem Menschen gerecht werdende Bildung zu gestalten.

Um etwas zum Bildungsverständnis von Wilhelm von Humboldt sagen zu können und dies auch richtig zu bewerten ist es notwendig seine Biografie zu betrachten. Der zweite Abschnitt gliedert sich in vier Teile, die Kindheit und Jugend, die Zeit seiner Selbstfindung, sein politisches Wirken und sein Alterruhesitz das Schloss in Tegel. Danach geht es um das Gesellschaftliche Leben zu Humboldts Zeit. In Kapitel vier wird die Reform des preußischen Bildungswesens. Es werden genauer Betrachtet die Schule und die Pädagogischen Angebote der Schulen um 1800, dann die Konkreten Reformen des Deutschen Bildungswesens unter Humboldt.

In Passage fünf beleuchte ich die Ideengeschichtliche Einordnung von Humboldts Bildungsbegriff. Diese Passage unterteile ich in den vorklassischen Bildungsbegriff und in den Klassischen Bildungsbegriff. In der ersten Unterteilung erläutere ich anhand von verschiedenen Blickwinkeln und Zeitabschnitten wie der Bildungsbegriff ausgelegt werden kann. Danach stelle ich den Bildungsbegriff wie Humboldt ihn sah den Bildungsbegriff wie Hegel ihn sah gegenüber und ziehen dann ein Fazit wie er tatsächlich um 1900 aussah.

Im sechsten Teil befasse ich mich dann ausführlicher mit Humboldts Bildungsbegriff und betrachte den Einfluss der griechischen Antike auf Humboldts Bildungsbegriff und wie wichtig die Allgemeinbildung und Menschenbildung für das Individuum ist.

Bildung stellt sich gleichzeitig als aktuelles und als historisches Problem dar. Im Bildungsbegriff sind Vorstellungen von der Gesellschaft und deren Entwicklungen ebenso aufgehoben wie die Vorstellung von den Individuen und deren persönlichen Entwicklungen.

Der letzte inhaltliche Teil beschäftigt sich mit der Jugendhilfe und Schulen. Es wird die Funktion der Schule und die beiden Institution der Jugendhilfe und Schule auf der suche nach einer Chance einer möglichen Kooperation. Des Weiteren stelle ich kurz ein Kooperationsmodell der Schulsozialarbeit als Handlungsfeld der Jugendhilfe vor und Integrationsmöglichkeiten von Soziale Arbeit in der Schule vor.

In meinem Fazit werde ich die Frage beantworten „inwieweit Humboldts Bildungsbegriff in der heutigen Zeit noch Relevanz hat“. Was daran positiv und was daran negativ für das heutige Bildungssystem sein könnte.

2. Das Leben von Wilhelm von Humboldt

2.1 Kindheit und Jugend

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wilhelm von Humboldt wurde am 22. Juni 1767 in Potsdam als Sohn eines preußischen Offiziers geboren. Die Familie des Vaters, des Majors Alexander Georg von Humboldt (1720-1779), stammte aus Pommern[1]. Die Familie väterlicherseits blickte zurück auf eine lange Tradition von Beamten und Offizieren im Dienst der Hohenzollern. Maria Elisabeth von Humboldt heiratete 1766 Major Alexander Georg von Humboldt und brachte eine beträchtliche Mitgift, v.a. das Schloss Tegel, das Familienbesitz der Humboldts wurde, und eine weitreichende europäische Verwandtschaft mit in die Ehe[2]. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor, Wilhelm und Alexander. Die beiden Brüder wuchsen im Schloss Tegel auf, und hatten das Glück, einer der wenigen Familien der preußischen Aristokratie anzugehören, die so wohlhabend war, dass ihnen ein sorgenfreies Leben offen stand. Allerdings bedeutete der frühe Tod des Vaters einen ersten Einschnitt im Leben der Brüder. Die Verantwortung für die Erziehung der Kinder und die Verwaltung des Besitzes trug nun allein die Mutter. Wie andere Kinder aus adligen Familien in der damaligen Zeit, erhielt Wilhelm zusammen mit seinem Bruder von Hauslehrern und Hofmeistern (Oberhofmeister Gottlob Johann Christian Kunth verpflichtete eine Reihe von Hauslehrern, u.a. Joachim Heinrich Campe, den Maler Daniel Chodowiecki und Geheimrat Christian Wilhelm Dohm)[3], die aus den führenden Köpfen der Berliner Aufklärung gesucht wurden, Unterricht in griechischer, lateinischer und französischer Sprache, in Mathematik und Zeichnen. Dies wurde später ergänzt durch Privatvorlesungen in Philosophie, Rechts- und Staatswissenschaften.

Als junge Herren höheren Standes verkehrten der achtzehnjährige Wilhelm und sein jüngerer Bruder Alexander in den Kreisen um Christoph Friedrich Nicolai, Moses Mendelssohn und Johann Erich Biester. Hier setzte man sich in heftigen Diskussionen mit dem Gedankengut und der Philosophie der Aufklärung auseinander. Dagegen kündigten sich im berühmten Salon von Henriette Herz, zu dem die Brüder ebenfalls Zugang fanden, in der Beschäftigung mit Poesie, Literatur und Geschichte die Empfindsamkeit und die Rückwärtsgewandtheit der Romantik an. Erst unter dem späteren Einfluss Schillers und Goethes löste sich Wilhelm von Humboldt weitgehend von Rationalismus und romantischen Strömungen, die beiden gegensätzlichen Einflüsse, die ihn in seiner Jugend prägten[4].

2.2 Humboldts Zeit der Selbstbildung

1787 immatrikulierten sich die Brüder an der Universität in Frankfurt/Oder. Nach einem Semester wechselten sie Ostern 1788 an die Universität Göttingen[5], dem damaligen Zentrum der wissenschaftlichen Aufklärung in Deutschland, wo Wilhelm von Humboldt drei Semester klassische Philologie und Naturwissenschaften u.a. bei dem Physiker und Schriftsteller Georg Christoph Lichtenberg studierte und sich im Eigenstudium mit Immanuel Kant und dessen kritischer Philosophie beschäftigte. Zudem begeisterte er sich für die neuhumanistischen[6] Theorien des Philologen Christian Gottlob Heyne[7] und schloss Freundschaft mit August Wilhelm Schlegel und Friedrich Heinrich Jacobi. Nach dem Studium der Naturwissenschaften und der griechischen, lateinischen und französischen Sprache erhielt er eine Einführung in die Staatswissenschaften und die Philosophie und las die Hauptschriften von Leibniz.

Nach Ende des Studiums im Juli 1789 trat Wilhelm von Humboldt mit seinem früheren Hauslehrer Joachim Heinrich Campe eine Bildungsreise an, die ihn über Brüssel in das von der französischen Revolution bewegte Paris führte. Drei Wochen nach dem Bastillesturm trafen sie am 3. August in Paris ein und wurden unmittelbare Augenzeugen der revolutionären Veränderungen. Humboldts Blick schärfte sich schon zur damaligen Zeit für die Betrachtung der Lebensbedingungen der nichtprivilegierten Gesellschaftsschichten.

Er stellte Überlegungen über den Sinn und Zweck des Staates an[8].

Nach Beendigung seiner Bildungsreise trat Wilhelm von Humboldt im Februar 1790 in Berlin in den preußischen Staatsdienst ein und wurde im selben Jahr zum Legationsrat im Auswärtigen Departement berufen. Bereits im Mai 1791 verließ Humboldt auf eigenen Wunsch wieder den Dienst[9]. Im Juni 1791 heiratete Wilhelm von Humboldt in Erfurt Caroline von Dacheröden, Tochter eines preußischen Kammergerichtsrates, die er während seiner Besuche im Salon von Markus und Henriette Herz kennengelernt hatte.[10] In der Ehe standen sich zwei gleichrangige, vielseitig begabte und starke Persönlichkeiten gegenüber, die sich harmonisch ergänzten. Der Gedankenaustausch zwischen ihnen war relevant für die Entwicklung Humboldts. Humboldt hatte es seiner Frau zu verdanken, dass er viele interessante Leute kennenlernte. Dank des ausgleichenden Charakters und der Gastfreundschaft von Caroline versammelten sich in ihrem Haus immer eine große Zahl von Freunden, Gelehrten und Künstlern[11].

Somit hatte Wilhelm von Humboldt, der sagte, "am Ende brauchen wir den Dienst nicht, wenn er einmal unangenehm würde"[12], seine Ämter nach nur einem Jahr aufgegeben und lebte als Privatier, der viel las und schrieb, ohne sich dabei an größere Themen und Aufgaben zu binden. Bereits 1791 entstand die programmatische Schrift "Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen", die 1792 in Teilen veröffentlicht wurde. Darin beschäftige sich Humboldt zum ersten Mal mit dem Problem des Staates und "stellte dabei in so aristokratischer Weise den Einzelnen über die Gemeinschaft, das Individuum über den Staat, dass sein liberal gemeinter Entwurf wirklichkeitsfremd erscheinen musste, oder, wie J.P. Gooch es formulierte, "his state was only possible in a Community of Humboldts"[13].

1796 starb Humboldts Mutter und hinterließ ein umfangreiches Vermögen, das es ihm ermöglichte, 1797 erneut in die französische Hauptstadt zu reisen, wo er sich mit seiner Frau bis 1801 aufhielt. Hier wollte er seine Studien fortführen, aber auch die gesellschaftliche Entwicklung in Frankreich verfolgen. Er unterhielt Kontakte zu den führenden französischen Politikern und Intellektuellen. Hier lernte Wilhelm den geschickten Umgang mit den verschiedensten Leuten und erfuhr Frankreich als neue Hegemonialmacht. Dies waren wichtige Voraussetzungen für seine spätere politische und diplomatische Laufbahn. Aber er lernte Frankreich nicht lieben; stattdessen begann er gerade nach dem Vertraut werden mit der französischen Nation den deutschen Volkscharakter höher einzuschätzen als bisher, weil er "ein inneres Prinzip des Lebens[14] “ bei den Deutschen erlebte, das er bei den Franzosen vermisste.

Im Mai 1802 wurde Humboldt auf seine Bewerbung hin zum Gesandten Preußens am Heiligen Stuhl in Rom berufen[15], ein Amt im Auftrag des preußischen Staates, das eher kultureller als politischer Art war und ihm erlaubte, bis 1808 in höchst komfortablen Verhältnissen in Rom zu leben.

Zwischen 1803 und 1807 trafen Humboldt mehrere Schicksalsschläge. Er verlor zwei seiner Söhne, im Jahre 1803 seinen ältesten Sohn Carl Wilhelm und im Jahre 1807 seinen zweijährigen Sohn Gustav, und dazu noch seinen von ihm verehrten und guten Freund Schiller[16].

Nach dem Zusammenbruch Preußens 1806 kehrte Wilhelm von Humboldt nach sechs Jahren im Oktober 1808 nach Deutschland zurück, zu einer Zeit, als Frankreich Preußen vollständig besiegt hatte.

Bis hierher und damit in der gesamten ersten Hälfte seines Lebens, hatte Humboldt sich seiner Selbstbildung gewidmet und noch kein hervorragendes oder großes Werk geschaffen. Eine weltweite Anerkennung erreichte erst durch seine Tätigkeit in den nun folgenden Jahren.

2.3 Humboldts politisches Wirken

Im Februar 1809 wurde Wilhelm von Humboldt mit der Leitung der Sektion für Kultus und Unterricht im preußischen Innenministerium beauftragt[17], einen Posten, den anzunehmen er sich nur schwer durchringen konnte. Während seiner Amtszeit leitete er die grundlegenden Reformen des Bildungswesens in Preußen, durch die ein allgemeines und durchgehendes Erziehungssystem von der Elementarstufe über das Neuhumanistische Gymnasium bis hin zur Universität errichtet wurde und allen Schichten mehr Bildungschancen sichern sollte. Das wichtigste Ergebnis von Humboldts Tätigkeit als Sektionschef war im Oktober 1810 die Gründung der Friedrich-Wilhelm-Universität Berlin[18], die er allerdings nicht mehr im Amt miterlebte. Nach Auseinandersetzungen verließ er sein Amt im Sommer und ging als preußischer Gesandter 1811 nach Wien[19]. Dort bewirkte er maßgeblich den Beitritt Österreichs zur Koalition Preußens und Russlands gegen Napoleon 1813. Auf dem Wiener Kongress von November 1814 bis Juni 1815 war er neben dem Staatskanzler Hardenberg der zweite preußische Bevollmächtigte.

2.4 Humboldts Altersmuße in Tegel

Danach zog sich Humboldt wieder ins Privatleben und auf den Familiensitz nach Tegel zurück, wo er sich - nur unterbrochen durch eine Reise nach Paris und London (1828) - bis zu seinem Lebensende sprachwissenschaftlichen Forschungen widmete. Über die Ergebnisse seiner sprachwissenschaftlichen Forschungen hielt er in den Jahren 1820 bis 1829 regelmäßig Vorlesungen vor der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. 1830, ein Jahr nach dem Tod seiner Frau, wurde Humboldt im Sinne einer formellen Aussöhnung durch den König in den Staatsrat wiederberufen, ein Amt, in dem er keinen wesentlichen politischen Einfluss ausüben konnte[20].

Im Alter erkrankte Humboldt an der Parkinson-Krankheit, die ihm die Fähigkeit zum Schreiben und Lesen nahm. Er starb am 8. April 1835 in Berlin-Tegel.

3. Gesellschaft und Leben zu Humboldts Zeit

Während es in Frankreich 1789 zu eine politischen Revolution kam und sich in England der Beginn einer ökonomisch-technischen Revolution anbahnte, nahmen die Repräsentanten Deutschlands aufgrund komplexer historischer Gründe und Zusammenhänge die eigentümliche Wendung zu einer primär geistig-ästhetischen Lebensauffassung und Lebensgestaltung.

Ganz allgemein war Deutschland allein aufgrund seiner partikularstaatlichen Situation für Revolutionen ungeeignet[21]. Daher wurde eine liberale und rationale Gesellschaft wie der europäischen Gesamtentwicklung gemäß nicht als Revolution von unten wie in Frankreich herbeigeführt, sondern zögernd und teilhaft als Reform von oben, wie bereits im Preußischen Allgemeinen Landrecht und später in den Stein-Hardenbergschen Staatsreformen.

Außerdem haben die konfessionellen Wirren und Kriege und die atlantische Handelsverlagerung die wirtschaftliche und soziale Entfaltung des Bürgertums in den deutschen Kleinstaaten und Kleinstädtchen erheblich verzögert. So fanden die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in überraschender Fülle auftretenden produktiven und unabhängigen Geister in Deutschland weder ein herausforderndes politisches Aktionsfeld, noch einen expansionsfähigen wirtschaftlichen Tätigkeitsraum. Ihre Taten blieben Taten im Geist, ihre Werke gehörten der Dichtung, der Musik und der Philosophie an und zielten nicht auf die Veränderung gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse. Im 19. und 20. Jahrhundert hat Deutschland zwar den Vorsprung Westeuropas in der aktiven politischen und technisch-ökonomischen Daseinsbewältigung heftig nachzuholen versucht, aber zum Teil unter Preisgabe dessen, was seine führende Schicht im Zeitalter der Bildung an persönlichen Lebenswerten gewonnen hatte[22].

Wird heute von Goethe und Humboldt gesprochen, dann meist im Zusammenhang mit den Begriffen "Zeitalter der Klassik" oder "Zeitalter des Neuhuma-nismus". Aber das alles ist nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite sehen wir einen großen Teil der Bevölkerung, ca. zwei Drittel, die von den klassischen und liberalen Tönen wenig oder nichts vernehmen, weil sie des Lesens und Schreibens nicht mächtig sind[23]. Verantwortungsbereite Reform und dumpfe Ergebenheit charakterisieren nach Knoll und Siebert den Zeitgeist der Epoche.

Die folgende Charakterisierung des politischen und sozialen Zuschnitts des Jahrhundertbeginns folgt weitgehend der Beschreibung Knolls und Sieberts. Das Bild der kleinstädtischen Residenz, wie es etwa Weimar zu Goethes Zeiten bot, galt für weitaus die meisten deutschen Städte. Die Schichtung des Volkes entsprach der alten ständischen Gliederung: die alte Oberschicht, Grund- und Offiziersadel mit dem Zuwachs des Hofbeamtentums, gruppierte sich um das Fürstenhaus. Die hohe Geistlichkeit war ebenfalls als Stand in den Kammern vertreten.

In Preußens Industrierevieren an Rhein, Ruhr und um Berlin formierte sich die Arbeiterschaft als vierter Stand, wenn auch langsamer als in Paris. Die privilegierten Stände waren nur daran interessiert, den Staat möglichst unbeschränkt für den Monarchen in ihrer Hand zu behalten.

Arbeiter und Bauern waren damit die Unterschicht. Die Bauern waren als gewachsener Stand traditionell königstreu, weniger aus Zufriedenheit mit ihrer Lage als aus Tradition und Gläubigkeit.

Mit dieser prinzipiellen Auffassung wurzelte die liberale Bewegung im klassischen Idealismus und hatte vor allem Wilhelm von Humboldt zu ihrem geistigen Verfechter.

Die Auseinandersetzung zwischen Liberalen und Konservativen vollzog sich also innerhalb der gesellschaftlichen Oberschicht. Darüber stand die Monarchie, die als solche für beide Gruppen außer Frage stand. Das demokratische Prinzip der Französischen Revolution, das Wunschbild der Gleichheit als der politischen Gleichheit aller, war keine eigentliche Forderung des Dritten Standes in Deutschland. Wenn das liberale Bürgertum gegen Mitte des Jahrhunderts das Bestreben zeigte, die Geschichte des Staates mitzubestimmen, so geschah dies im Selbstbewusstsein seiner Bildung und seiner Leistung für das Ganze.

[...]


[1] Vgl. Berglar 1970

[2] Vgl. Berglar 1970

[3] Vgl. Berglar 1970

[4] Vgl. http://aphorismen-archiv.de/autoren/autoren_h/humboldtw.html Stand 30.07.2007

[5] Vgl. Berglar 1970

[6] Neuhumanismus

Als Neuhumanismus wird die Erneuerung der humanistischen Bewegung des Altertums seit etwa 1750 verstanden. Hiermit hängt auch die starke Orientierung zurück zur klassischen Antike zusammen. Seinen Höhepunkt erreichte der Neuhumanismus mit dem Weimarer Klassizismus.

[7] Vgl. Berglar 1970

[8] Vgl. Benner 1995

[9] Vgl. Benner 2003

[10] Vgl. Berglar 1970

[11] http://aphorismen-archiv.de/autoren/autoren_h/humboldtw.html Stand 30.07.2007

[12] http://www.preussen-chronik.de/person.jsp?key=Person_Wilhelm+Freiherr+von_Humboldt Stand 17.07.2007

[13] http://www.preussen-chronik.de/person.jsp?key=Person_Wilhelm+Freiherr+von_Humboldt Stand 17.07.2007

[14] Vgl. Kappstein, zit. In Wang 1996

[15] Vgl. Berglar 1970

[16] Vgl. Berglar 1970

[17] Vgl. Berglar 2003

[18] http://aphorismen-archiv.de/autoren/autoren_h/humboldtw.html Stand 30.07.2007

[19] Vgl. Benner 1995

[20] Vgl. Berglar 1970

[21] Vgl. Benner 1995

[22] Vgl. Richter 1971

[23] Vgl. Knoll & Siebert 1969

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Details

Titel
Wilhelm von Humboldts Bildungsbegriff - Ein Blick auf das heutige Schulsystem und Humboldts Relevanz für die Schulsozialarbeit
Hochschule
Hochschule Hannover
Veranstaltung
Vergessene Bildungskonzepte
Note
1,2
Autor
Jahr
2007
Seiten
41
Katalognummer
V83134
ISBN (eBook)
9783638894791
ISBN (Buch)
9783638894845
Dateigröße
704 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wilhelm, Humboldts, Bildungsbegriff, Blick, Schulsystem, Humboldts, Relevanz, Schulsozialarbeit, Vergessene, Bildungskonzepte
Arbeit zitieren
Michaela Bublitz (Autor:in), 2007, Wilhelm von Humboldts Bildungsbegriff - Ein Blick auf das heutige Schulsystem und Humboldts Relevanz für die Schulsozialarbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83134

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