Beitrag zur Analyse wissenschaftlicher Fachtexte: Zur Mikrostruktur von englischen und deutschen Abstracts

Ein interlingualer Vergleich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

20 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die „Mikrokriterien“
2.1 Textquantität
2.2 Hypotaxen, Parataxen
2.3 Adjektive
2.4 Abkürzungen
2.5 Personalpronomen der 1. Form
2.6 Passive
2.7 Negationen
2.8 Beispiele
2.9 Heckenausdrücke
2.10 Schlüsselwörter
2.11 Fachtermini

3. Tabellarische Auflistung der Ergebnisse

4. Erläuterung der Ergebnisse

5. Fazit

6. Literaturangaben

1. Einleitung

Diese Arbeit stellt eine so genannte Mikrostrukturanalyse wissenschaftlicher Abstracts vor. Der Terminus „Abstract“ wird von der NISO als: „eine gekürzte, akkurate Darstellung des Inhalts eines Dokuments.“[1] definiert. Der Begriff Abstract lässt sich ins Deutsche als „Zusammenfassung“ übersetzen. Dieser Begriff gibt jedoch nur ein beschränktes Bild der Bedeutungsdimension von „Abstract“ wieder.[2]

Als entsprechende Arbeitsgrundlage lag ein Textkorpus von willkürlich ausgewählten Abstracts zu neueren psychologischen Fachtexten zugrunde. Darin waren zehn deutsche und zehn englische Abstracts enthalten, im Folgenden durch die Kürzel E 1 – E 10 sowie D1 – D10 gekennzeichnet.

Im Rahmen dieser Strukturanalyse wurde der Korpus auf seine so genannte „Mikrostruktur“[3] hin überprüft. Mit dieser Bezeichnung sind insbesondere die im Folgenden auch als Mikrokriterien bezeichneten sprachlichen Gestaltungsmittel, die funktionalen textlichen Einheiten und die Quantität ihres Auftretens gemeint.

Die Kriterien, die der Analyse der Mikrostruktur des Abstracts dienen sollen, werden im Folgenden zunächst vorgestellt und ihre jeweilige Wahl begründet. Anschließend folgen die quantitativen Ergebnisse der Untersuchung – tabellarisch zusammengefasst - und daraufhin Erläuterungen und Auswertungen zu den einzelnen Ergebnissen.

2. Die „Mikrokriterien“

Die Auswahl der Untersuchungskriterien fand auf Grundlage unterschiedlicher Fachtextanalysen statt. In diesem Kontext ist insbesondere Naomi Graetz zu nennen. Sie untersuchte 87 Abstracts aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und stellte allgemein eine größere Häufigkeit von z.B. Vergangenheitstempora und Passiva sowie eine größere Seltenheit von Negationen, Abkürzungen, Hypotaxen fest. Abstracts bemühen sich ihrer Ansicht nach um Kürze, vermeiden Wiederholungen, Adjektive, Illustrationen, Details, Beispiele, und Anmerkungen.[4]

Graetz nennt damit zentrale Charakteristika für die Gattung „Abstract“, deren Verwendung in einer sprachkontrastiven Analyse von besonderem Interesse ist. Lassen sich in deutschen Zusammenfassungen ähnliche Auffälligkeiten, sprachliche Stilelemente ausmachen wie dies in englischen Abstracts der Fall ist? Graetz’ benannten Gesichtspunkte werden in der folgenden Darstellung der Mikrokriterien teilweise wieder aufgegriffen.

2.1 Textquantität

Da Abstracts in nur wenigen Sätzen den wesentlichen Inhalt des Bezugstextes wiedergeben, kann evaluativ herausgefunden werden, inwieweit eine quantitative Einheitlichkeit bei interkulturellen Abstracts der Psychologie besteht. Diese ist zunächst auf die allgemeine Anzahl von Wörtern zu überprüfen. Außerdem sind Anzahl der Sätze, sowie der entsprechende Quotient aus beiden Werten: Die Anzahl der Wörter pro Satz von Interesse.

Lassen sich Vergleichbarkeiten innerhalb der quantitativen Struktur von Abstracts formulieren?

2.2 Hypotaxen, Parataxen

Eng mit dem quantitativen Gesichtspunkt ist die Art der Sätze verknüpft.

In Abstractanalysen sind Differenzierungen in verschiedene Arten von Sätzen insofern interessant, als dass grundsätzlich von längeren Satzkonstrukten in Zusammenfassungen ausgegangen werden kann. Der Schwerpunkt liegt in der Konzentration von möglichst viel Information auf möglichst engem Raum, weswegen meist auch von höherer Satzlänge mit entsprechend mehr Satzgefügen ausgegangen werden kann.

Deutlich werden para-, bzw. hypotaktische Satzkonstrukte durch die Verwendung von Konjunktionen und Subjunktionen. Diese Bindewörter können als eindeutige Signale gesehen werden. Im Deutschen lässt sich ein Nebensatz durch die finite Verbstellung erkennen. Komplizierter wird ein Satzkonstrukt in seiner Zuordnung dann, wenn keine solch klaren Signale gegeben sind. Im Englischen sind zudem oft Bestandteile des Satzes, die im Deutschen integriert sind, mit einem Komma abgetrennt.[5] Adverbien (wie „similarly“, „however“, etc.) werden in satzeinleitende Stellung gesetzt und durch ein Komma von dem folgenden Satz abgetrennt. In diesen Fällen, falls keine weiteren Satzteile durch Kommata abgetrennt sind oder auch keine ohne Komma angefügten koordinierten weiteren Hauptsätze angefügt sind, wird der Satz als einfacher Hauptsatz gesehen und in der hypo-/parataktischen Einordnung nicht berücksichtigt.

In englischen Fachtexten sollen im Folgenden nur jene Sätze als Hypo-, Parataxe bestimmt werden, die entsprechend auch in deutscher Übersetzung eine subordinierende bzw. koordinierende Struktur aufweisen.

Im Falle von Sätzen, die durch Semikolon getrennt sind, handelt es sich um parataktische Satzstrukturen. Ein Doppelpunkt ist als Signal für hypotaktische, u.U. auch parataktische Struktur zu sehen.

2.3 Adjektive

Die Zahl der Adjektive ist, bezogen auf Abstracts, insofern interessant, als das sich aus der Anzahl der Adjektive auf die Detailliertheit der in der Zusammenfassung beschriebenen Sachverhalte schließen lässt. Ein Adjektiv hat gemeinhin die Funktion, in attributivischer Stellung das Substantiv näher zu spezifizieren.

Eigentlich sollte in Zusammenfassungen relativ wenig spezifiziert werden - analog zum funktionalen Kern dieser Kurztextgattungen sollte lediglich eine Hinführung und Verknappung des Bezugstextes geboten werden. Von daher kann in den folgenden Analysen eine relativ geringe Anzahl an Adjektiven zu erwarten sein.

2.4 Abkürzungen

Sowohl in deutschen wie auch in englischen Abstracts ist eine geringe Anzahl an Abkürzungen erwartbar. In Zusammenfassungen, die dem Bezugstext vorgestellt sind, sind meist noch nicht die im Text zentral verwendeten Begriffe bekannt, sie werden entsprechend selten als Abkürzungen wieder gegeben.

In höherem Maße können solche Wendungen realisiert werden, die allgemeinsprachliche Gültigkeit in abgekürzter Form besitzen.[6]

2.5 Personalpronomen der 1. Form

Nach Gläser bieten Abstracts „keine Möglichkeit für einen impliziten Dialog zwischen Textautor und Adressat und daher auch kaum für die Verwendung der Pronomen der 1. und 2. Person.“[7] Innerhalb der Korpusanalysen soll nun untersucht werden, ob diese Ansicht auch auf den Korpus psychologischer Abstracts angewendet werden kann. Findet wirklich kein Dialog, kein Ansprechen des Lesers statt? Diese Annahme liegt zumindest in deutschen Abstracts nahe, da sich Zusammenfassungen, die auf wissenschaftliche Texte Bezug nehmen, von einem Stil geprägt sind, der sich durch personale Neutralisierung auszeichnet und Pronomina der ausführenden oder angesprochenen Form sorgfältig vermieden werden.

Inwieweit diese Vermutung zutrifft und wie die Pronomina-Verwendung in englischen Abstracts geartet ist, sollen die folgenden Auswertungen zeigen.

2.6 Passive

Nach Gnutzmann ist das Passiv ein im Deutschen wie im Englischen oft verwendetes Stilmittel, das textsortenspezifisch in die Gattung wissenschaftlicher „Abstracts“ fällt. Die Tendenz in wissenschaftlichen Texten liegt in der Weglassbarkeit der Agenskonstituente, da nicht das Subjekt des Handelns sondern der Handlungsprozess an sich im Zentrum steht.[8]

Als Passive gelten innerhalb der Untersuchungen für englische Texte die klassischen und standardisierten Passivkonstruktionen, d.h.: konjugierte Form des Verbs „to be“, kombiniert mit einer Form des Past Participle (d.h. der Partizip-II-Form) eines Verbs. Im Englischen besteht nur diese Möglichkeit der Passivkonstruktion. Sie ist in den Texten von daher leicht zu ermitteln.

Im Deutschen sehen die Passivkonstruktionen komplexer aus: Neben dem Vorgangs- und Zustandspassiv in klassischer Form mit konjugierten Formen der Verben „werden“ und „sein“, kombiniert mit einer Partizip-II-Form des Verbs, existieren zugleich auch die so genannten Ersatzpassivformen, die zahlreiche Formen annehmen können. Einerseits können sie aus gerundivischen Strukturen „sein+Inf.“[9]. Auch können mit Verbkonstruktionen wie „es gilt“, „es heißt“, oder auch mit Hilfe des Reflexivpronomens passivische Ausdrücke gebildet werden.[10]

2.7 Negationen

Negationen treten nach Ansicht von Graetz[11] in Abstracts äußerst selten auf. Dies soll innerhalb dieser Untersuchungen auf seine Gültigkeit hin überprüft werden.

In Abstracts überwiegt die positive Realisationsform der Sachverhalte. In komprimierter Informationsvermittlung, wie es in Abstracts der Fall ist, ist eher wenig Platz für negierte Sachverhalte, die zur konkreten Informationsvermittlung meist nur peripher beitragen. Diese sind oftmals kompliziertere Darstellungen als gewöhnliche ‚Positivkonstruktionen’ und dehnen den Text zusätzlich. Da es in Abstracts auf eine komprimierte Textform ankommt, kann davon ausgegangen werden, dass die Verwendung von Negationen so weit wie möglich vermieden wird.

[...]


[1] National Information Standards Organization: American National Standard for Writing Abstracts ANSI Z 39.14 Bethisda, Maryland 1979.

[2] Auf die semantischen Differenzen der Termini Abstract und Zusammenfassung soll jedoch nicht weiter eingegangen werden. Der Einfachheit halber werden innerhalb dieser Arbeit beide Begriffe synonym verwendet.

[3] Oldenburg verwendet die Bezeichnung “Makrostuktur”, mit der sie größere inhaltliche Elemente unterhalb der Textebene bezeichnet. Darauf Bezug nehmend wird für diese Arbeit die Bezeichnung Mikrostruktur für die „funktionalen Einheiten des Textes und die Sprachoberfläche“, die kleineren inhaltlichen Elemente oberhalb der Textebene, gewählt.

Vgl.: A. Oldenburg: Abstracts deutscher und englischer wissenschaftlicher Zeichenschriftenaufsätze. Ein inter- und intralingualer Vergleich. In: Fremdsprachen lehren und lernen, Band 25, 1996, S.231.

[4] Vgl.: N. Graetz: Teaching EFL Students to Extract Structural Information from Abstracts. In: J. Ulijn; A. Pugh: Reading for Professional Purposes, Leuven 1985, S.125.

[5] „Similarly, we demonstrated effects of grouping on both implicit and explicit binding of the spatial relations between shapes.” (E6)

[6] Beispielsweise: z.B.; bzw.; e.g.; etc.

[7] R. Gläser: Fachtextsorten im Englischen, Tübingen 1990, S.119.

[8] Claus Gnutzmann: „Abstracts“ und „Zusammenfassungen“ im deutsch-englischen Vergleich: Das Passiv als interkulturelles und teiltextdifferenzierendes Signal. In: Bernd-Dietrich Müller: Interkulturelle Wirtschaftskommunikation, München 1993², S. 366f.

[9] So zum Beispiel: „Der Antrag, der vollständig auszufüllen ist.“ Heidecker: Reader zum Seminar: Grammatik im Fremdsprachenunterricht. SS 2006. S. 221.

[10] „Nun galt es, viele Probleme zu lösen.“ Bzw.: „Der Vorhang öffnet sich.“ Ebd. S.221.

[11] „[…] größere Seltenheit von Negationen, Abkürzungen, Hypotaxen […]“, vgl. Graetz, S.125.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Beitrag zur Analyse wissenschaftlicher Fachtexte: Zur Mikrostruktur von englischen und deutschen Abstracts
Untertitel
Ein interlingualer Vergleich
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Seminar für deutsche Philologie)
Veranstaltung
Fach- und Wissenschaftskommunikation: kulturkontrastiv und interkulturell.
Note
1,5
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V83336
ISBN (eBook)
9783638019064
ISBN (Buch)
9783638920124
Dateigröße
555 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Beitrag, Analyse, Fachtexte, Mikrostruktur, Abstracts, Fach-, Wissenschaftskommunikation
Arbeit zitieren
David Wieblitz (Autor:in), 2007, Beitrag zur Analyse wissenschaftlicher Fachtexte: Zur Mikrostruktur von englischen und deutschen Abstracts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83336

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