Die soziale Deprivation als Folge der Kinderarmut - eine Fallstudie


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Fall X. – Kinderarmut und ihre Folgen

1. Falllösung
1.1. Objektive Kennzeichnung des Verhaltens und der Handlungsweisen
1.2. Erörterung anamnetischer Daten
1.3. Erörterung psychischer Eigenheiten und Handlungsziele der Person X.
1.4. Erklärung der auffälligen Verhaltensweisen durch Bezugnahme auf
soziologische und psychologische Theorien
1.5. Bewertung bisheriger Interventionen
1.6. Kennzeichnung und Begründung denkbarer Interventionsmöglichkeiten

2. Theoretischer Hintergrund
2.1. Soziale Deprivation – Kinderarmut in Deutschland
2.2. Ursachen und Folgen der sozialen Deprivation auf
die Entwicklung des Kindes

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Armut ist schon lange nicht mehr ein Begriff, der nur mit den Entwicklungsländern in Verbindung gebracht werden kann. Auch in Deutschland existiert Armut, von der besonders Kinder und Jugendliche betroffen sind. Nach einer UNICEF-Studie 2005 leben 1,5 Millionen Kinder unter 18 Jahren in Deutschland in relativer Armut, das ist etwa jedes zehnte Kind (http://www.unicef.de/kinderarmut.html Zugriff am 13.08.2007). Aus diesem Grund ist die Kinderarmut in den letzen Jahren als gesellschaftliches Problem und auch als sozialwissenschaftliches Forschungsthema stärker in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit gerückt.

Kinderarmut erstellt in Deutschland nicht ein Bild von hungerleidenden Straßenkindern in zerschlissener Kleidung, sondern bedeutet vielmehr in einer sozial schwachen Familie aufzuwachsen. Nicht nur das Einkommen ist ein Indiz für Armut, denn Kinder aus armen Familien erleben Benachteiligungen in allen Lebenslagen, soziale Ausgrenzung und eine Unterversorgung bei Bildung und Gesundheit.

Viele benachteiligte Familien sind nicht in der Lage ihre Kinder ausreichend zu fördern und zu motivieren, damit sie die Schule erfolgreich beenden. Junge Menschen, die in Armut aufwachsen, haben weniger Möglichkeiten am sozialen und kulturellen Leben teilzunehmen als Gleichaltrige. Für ihre Eltern sind viele Aktivitäten unerschwinglich, obwohl diese gerade die sozialen Fertigkeiten fördern würden.

„Kinderarmut hat viele Gesichter“ – dieser Ausspruch beinhaltet die Vielfältigkeit der Ausdrucksformen, in der sich Armut zeigen kann. Wird in Deutschland über Kinderarmut gesprochen, so schließt es die materielle Armut, aber auch die soziale, emotionale, gesundheitliche und Bildungsarmut ein. (vgl. http://www.beta-diakonie.de/cms/Broschuere-Kinderarmut2.pdf Zugriff am 13.08.2007)

Neben der gesamt körperlich und geistig beeinträchtigten Entwicklung des Kindes, wirkt sich der Zustand der Armut ebenfalls auf die persönliche Entwicklung aus. Diese Fehlentwicklung drückt sich in Form von Verhaltensstörungen aus, welche von der Umwelt beobachtet werden können.

In der vorliegenden Arbeit werden anhand einer Fallbearbeitung unterschiedliche Verhaltensstörungen aufgezeigt. Nach einer tabellarischen Fallerörterung wird auf die soziale Deprivation als eine Folge der Armut intensiver eingegangen. Gerade für Kinder sind Isolation und Ausgrenzung, die das Selbstwertgefühl entsprechend beeinträchtigen, sehr belastend.

Fall X. – Kinderarmut und ihre Folgen

X. wurde im September 1993 als zweites Kind der Familie geboren. Für seinen Vater war es die zweite Ehe. Zum Zeitpunkt seiner Geburt war der Vater 48 Jahre und die Mutter 23 Jahre alt. X.s Schwester ist drei Jahre älter. Die Wohnverhältnisse waren sehr beengt mit zwei kleinen Zimmern, einer Küche und einer Toilette auf dem Hof. Das Haus lag etwas außerhalb des Dorfes, so dass es dort recht einsam war.

Im gleichen Haus wohnten die Großeltern in einer eigenen Wohnung.

Der Vater arbeitete als Schweißer auf dem Bau. Die Mutter war bis zum Schwangerschaftsurlaub als Reinigungskraft tätig.

X.s Mutter hat keine Schulbildung. Sie ist geistig leicht behindert, aber wäre in der Lage gewesen, mit einem geeigneten Partner durchaus selbstständig einen Haushalt zu führen. Die Mutter war als Kind in ein Heim für Psychiatrie gekommen und hat dort die wichtigsten Dinge des täglichen Lebens gelernt.

Zu Beginn der Ehe bemühte sie sich auch sehr, alles richtig zu machen. Hilfe und Anleitung erhielt sie durch die Schwiegereltern.

Eine Zeitlang versuchte sie auch Lesen zu lernen, was ihr jedoch nicht gelang.

Nach der Geburt von X. blieb die Mutter sechs Jahre zu Hause. Dann arbeitete sie bei einem Bäcker als Haushaltsgehilfin für sechs Stunden täglich.

X.s Vater war zu Hause die bestimmende Person. Er trank täglich größere Mengen Alkohol, welche sich im Laufe der Zeit immer mehr steigerten. Er war alkoholkrank. Wenn er getrunken hatte, wurde er oft aggressiv und beschimpfte seine Frau und Kinder häufig auf übelste Art und Weise. Nicht selten schlug er auch zu. Seine Frau erlitt mehrfach Verletzungen in Form von Prellungen und Blutergüssen. Bei solchen Anfällen flüchtete sie und die Kinder zu den Großeltern und suchten dort Schutz.

Dem Jugendamt war die Situation bekannt, es schritt jedoch nicht in entsprechender Weise ein.

Aufgrund der Alkoholsucht des Vaters gab es erheblichen Geldmangel. Der Mutter gelang es nicht, sich zu widersetzen. Sie kaufte den Alkohol und für sich Unmengen an Süßigkeiten. So fehlte nicht selten das Geld für lebensnotwendige Dinge.

Die Großeltern versorgten häufig die gesamte Familie mit Nahrungsmitteln und kauften den Kindern etwas zum Anziehen.

Mit der Zeit vernachlässigte die Mutter dann auch den Haushalt, so dass es zu Hause sehr unsauber und unordentlich war. Auch die Kinder liefen schmutzig und ungepflegt herum. In der gesamten Familie wurde nicht auf Körperhygiene geachtet, was natürlich von anderen Personen wahrgenommen wurde.

X. hatte aber neben diesen Problemen noch damit zu kämpfen, dass er vom Vater vollkommen abgelehnt wurde. Während seine Schwester noch ein gewisses Maß an Zuwendung vom Vater erhielt, wurde er meist als „Idiot“ und „Blödmann“ hingestellt.

Aus diesem Grund hielt sich X. häufig bei seinen Großeltern auf, die ihm ein Gefühl von Liebe und Geborgenheit geben konnten.

X. wurde 1999 in die Grundschule des Dorfes eingeschult. Aufgrund seiner familiären Verhältnisse erfuhr er von den Mitschülern Ablehnung. Es gab oft Hänseleien, auch wurde er von älteren Kindern geschlagen. Daraufhin setzte er sich zur Wehr und reagierte immer mehr aggressiv auf seine Umwelt. Es gelang ihm nicht, Kontakt zu den Mitschülern aufzunehmen.

Nach ungefähr drei Monaten ist X. dann an eine Sonderschule mit Internat gekommen, da er den Anforderungen der Grundschule nicht genügte. An die gleiche Schule ging auch seine Schwester. Obwohl beide im selben Internat waren, blieb ihr Verhältnis zueinander gestört.

Auch in der Sonderschule gelang es X. nicht bzw. kaum, Kontakte zu den Mitschülern herzustellen. Er blieb ein Einzelgänger, der oft unbeherrscht und aggressiv reagierte.

Schulische Erfolge konnte X. auch nur selten erleben. Am Liebsten beschäftigte er sich mit Bastelarbeiten. Dazu suchte er sich die Materialien gern auf Schrottplätzen und der gleichen zusammen. Hierbei war er sehr kreativ und phantasievoll.

Nach dem Auszug der Großeltern aus dem Haus wurde die Situation der Familie immer zugespitzter. X. ist zu dem Zeitpunkt etwa 13 Jahre alt.

Er schließt sich einigen Jugendlichen an. Zusammen werden sie wiederholt straffällig (Autodiebstahl, Sachbeschädigung). Da er noch nicht strafmündig ist, kann gegen ihn nicht strafrechtlich vorgegangen werden. Ungefähr ein Jahr später zieht die Mutter mit X. aus der Wohnung in ein Frauenhaus, nachdem sie wieder massiv geschlagen wurde.

Nach drei Monaten beziehen sie eine Sozialwohnung und erhalten Sozialhilfe. X. geht jetzt auch in diesem Ort zur Förderschule, welche er aber häufig unentschuldigt fernblieb.

Bemühungen der Mutter, ihn vom Besuch der Schule zu überzeugen, schlagen meistens fehl. Sie hat kaum noch Einfluss auf X..

X. wird in diesem Jahr die Förderschule beenden. Er hat noch keine Vorstellungen, wie es danach weitergehen wird.

1. Falllösung

1.1. Objektive Kennzeichnung des Verhaltens und der Handlungsweisen

Ausgangssituation

Persönliche Angaben:

- Alter: etwa 14 Jahre alt
- 1993 als zweites Kind der Familie geboren

Familie:

- drei Jahre ältere Schwester
- für Vater ist es die zweite Ehe
- zum Zeitpunkt der Geburt war X.s Vater 48 Jahre und seine Mutter 23 Jahre alt
- Vater arbeitet als Schweißer auf dem Bau
- vor der Geburt X.s arbeitete die Mutter als Reinigungskraft
- sechs Jahre nach der Geburt arbeitete sie als Haushaltshilfe bei einem Bäcker
- Mutter hat keine Schulausbildung, ist leicht geistig behindert > war als Kind im Heim für Psychiatrie, lernte dort die Grundlagen des Leben
- Großeltern leben in eigener Wohnung im selben Haus
- X. hat gestörtes Verhältnis zur Schwester
- Vater lehnt X. vollkommen ab, für ihn ist er ein „Idiot“ oder „Blödmann“

Schule:

- Zusammenarbeit oder Kontakt von Schule und Familie ist nicht bekannt
- Ausbildungsplatz oder berufsvorbereitende Maßnahmen liegen nicht vor

Handlungsverlauf

Familiäre Entwicklung:

- in der Familie war der Vater die bestimmende Person
- Vater trank täglich größere Mengen Alkohol, die sich mit der Zeit steigerten > er war alkoholkrank
- unter Alkoholeinfluss wurde er oft aggressiv und beschimpfte seine Frau und Kinder
- Vater schlug die Mutter, sie erlitt Prellungen und Blutergüsse > Flucht mit Kinder zu den Großeltern
- das Jugendamt wusste von dieser Situation, schritt jedoch nicht in entsprechender Weise ein
- aufgrund der Alkoholsucht kam es zu erheblichem Geldmangel; Mutter konnte sich nicht widersetzen
- Geld fehlte für lebensnotwendige Dinge; hier halfen die Großeltern, sie kauften Lebensmittel und Kleidung für die Kinder
- mit der Zeit vernachlässigte die Mutter den Haushalt, es wurde unsauber und unordentlich; die Kinder liefen schmutzig und ungepflegt herum, insgesamt wurde nicht auf Körperhygiene geachtet > Ablehnung durch andere Menschen
- zudem erlebte X., dass er vom Vater abgelehnt wurde, aber seine Schwester noch ein gewisses Maß an Zuwendung bekam
- darum hielt sich X. überwiegend bei seinen Großeltern auf; diese gaben ihm das Gefühl von Liebe und Geborgenheit
- nach dem Auszug der Großeltern spitzte sich die Situation immer mehr zu, X. war 13 Jahre alt
- X. schloss sich Jugendlichen an und wurde wiederholt straffällig
- ein Jahr später zog die Mutter, nachdem sie wieder geschlagen wurde, mit X. in ein Frauenhaus
- nach drei Monaten bezog sie eine Sozialwohnung und erhielt Sozialhilfe
- die Mutter hat kaum noch Einfluss auf X.

Schulische Entwicklung:

- 1999 Einschulung in die Grundschule des Dorfes
- aufgrund familiärer Verhältnisse erlebte X. Ablehnung von Mitschülern
- häufig kam es zu Hänseleien, von älteren Schülern wurde X. geschlagen
- X. setzte sich zur Wehr, wurde aggressiv
- es gelang ihm nicht Kontakt zu Mitschülern aufzunehmen
- nach drei Monaten kam X., da er den Anforderungen der Grundschule nicht genügte, in ein Internat mit Sonderschule, in dem bereits die Schwester zur Schule ging (das Verhältnis blieb dennoch gestört)
- in der Sonderschule gelang es X. nicht bzw. kaum Kontakt zu Mitschülern aufzubauen
- er war Einzelgänger, oft unbeherrscht und aggressiv
- X. hat nur selten schulische Erfolge
- er beschäftigte sich am liebsten mit Bastelarbeiten; Materialien suchte er auf Schrottplätzen > hierbei war er sehr kreativ und phantasievoll
- mit 14 Jahren Wechsel auf eine Förderschule
- X. wird Förderschule ohne Vorstellungen für die Zukunft beenden

Eigene Gefühle:

- X. erfährt schon früh als Kind Ablehnung von seinem Vater; er fühlt sich ungeliebt, nur bei seinen Großeltern spürt er Liebe und Geborgenheit
- das soziale Netzwerk bilden die Großeltern; es besteht kaum Kontakt zu anderen Menschen
- X. hat kein soziales Netzwerk zu Gleichaltrigen
- das Gefühl der Ablehnung begleitet ihn durch seine gesamte Kindheit hindurch, indem er auch in der Schule von Mitschülern abgelehnt wird und keinen Kontakt aufbauen kann
- in der Familie sind keine Ressourcen vorhanden:

- Vernachlässigung und unzureichende Versorgung
- negatives Familienklima und Gewalterfahrung
- keinerlei Unterstützung durch die Eltern und Förderung
- sehr belastende Familienbeziehungen
- schlechte materielle Bedingungen und Wohnverhältnisse
- Suchtproblematik
- Einschränkung des Wohlbefindens, da es kaum personale, familiale und außerfamiliare Schutzfaktoren gibt
- in der Schule ist X. unmotiviert und hat auch nach der Schulbeendigung keine Perspektive; Aussichtslosigkeit

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die soziale Deprivation als Folge der Kinderarmut - eine Fallstudie
Hochschule
Universität Rostock  (Institut für sonderpädagogische Entwicklungsförderung und Rehabilitation)
Veranstaltung
Fallstudien zur beruflichen und sozialen Eingliederung von Kindern mit sonderpädagogischen Förderbedarf
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
19
Katalognummer
V83764
ISBN (eBook)
9783638001038
ISBN (Buch)
9783638910699
Dateigröße
444 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Deprivation, Folge, Kinderarmut, Fallstudie, Fallstudien, Eingliederung, Kindern, Förderbedarf
Arbeit zitieren
Rebecca Stabbert (Autor:in), 2007, Die soziale Deprivation als Folge der Kinderarmut - eine Fallstudie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83764

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