Der Bund der Landwirte (BDL) und die völkische Bewegung

Inwiefern trug der BDL zur Verfestigung und Verbreitung der völkischen Ideologie bei?


Hausarbeit, 2004

18 Seiten, Note: 2,4


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Ideologie des BDL
2.1 Wirtschaftspolitische Forderungen
2.2 Bündisches Prinzip
2.3 Harmonistische Theorie
2.4 Mittelstandsideologie

3 Völkische Ideologie
3.1 Rassismus
3.2 Antisemitismus
3.3 Stadtfeindlichkeit
3.4 „Deutsche Heimat“ – das völkische Deutschlandbild

4 Vergleich von völkischer Ideologie und Ideologie des BDL

5 Verbindungen des BDL
5.1 Parteien
5.2 Traditionelle Verbindungen

6 Schlussbetrachtung

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Der Bund der Landwirte wurde 1893 in Opposition zu den Handelsverträgen der Regierung Caprivi gegründet und stieg binnen kurzer Zeit zu einer einflussreichen Massenorganisation auf.

Tabelle 1: Mitgliederzahlen des BDL[1]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Er integrierte große Teile der Landbevölkerung und zum Teil auch städtische Mittelschichten. Der Bund der Landwirte sieht sich vielfältigen Problemen gegenüber. Es gibt eine strukturelle Krise der Landwirtschaft und eine Bevölkerungswanderung in die Ballungsräume, die der Landwirtschaft billige Arbeitskräfte entzieht. Auch verliert der Agrarsektor durch die sprunghafte Industrialisierung in Deutschland deutlich an wirtschaftlicher und damit politischer Bedeutung. Ziel des BDL war es nun, politischen Einfluss geltend zu machen, um die eigene überkommene privilegierte Position möglichst weitgehend zu erhalten. Sein politischer Einfluss resultierte aus der engen Zusammenarbeit mit einigen Parteien, vor allem jedoch den Deutschkonservativen. In dieser Arbeit soll untersucht werden, welche Parallelen und Verbindungen es zwischen dem BDL und der erstarkenden völkischen Bewegung gab und inwiefern der BDL als Katalysator für die völkische Ideologie fungiert haben könnte.

2 Die Ideologie des BDL

Der Ideologie kam im BDL ein hoher Stellenwert zu. Da der Bund verschiedene bäuerliche Schichten und auch Handwerker umfasste und die Macht im Bund bei einer kleinen Gruppe von Großgrundbesitzern lag, mussten die internen Interessenunterschiede durch eine integrative Ideologie überwunden werden. Auch kamen die Mitglieder fast zur Hälfte aus Ostelbien und aus dem westlichen Deutschland, in dem es andere landwirtschaftliche Strukturen gab.

Tabelle 2: Mitglieder aus Gebieten westlich und östlich der Elbe[2]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese räumliche Teilung ist auch daran zu erkennen, dass das Presseorgan des BDL, der „Bund der Landwirte“ seit der Jahrhundertwende Sonderausgaben für die einzelnen Provinzen Deutschlands herausbrachte.

Tabelle 3: Provinzialausgaben des "Bundes der Landwirte" 1905[3]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Was aber ist eine Ideologie? Der Ideologiebegriff selbst ist seit der Umprägung durch Napoleon I. negativ besetzt und umfasst „weltfremde Hirngespinste, dogmatische Gedankenkomplexe, Weltdeutungen mit umfassendem Anspruch und begrenztem Horizont sowie ein interessengebundenes, [politisch] instrumentalisiertes „falsches Bewußtsein“, das sich jedoch als interessenlos – wahr versteht…“[4]. Insofern ist es nötig, Ideologie und konkretes wirtschaftliches Programm zusammen zu betrachten, da diese sich gegenseitig bedingen.

2.1 Wirtschaftspolitische Forderungen

Im Programm von 1893 werden einige grundsätzliche wirtschaftliche Ansichten des Bundes geäußert; in der Folge ist auffällig, dass oft ungenau formuliert wird, um den Handlungsspielraum der Organisation nicht einzuengen. Im ersten Programm finden sich schon die Forderung nach einer Doppelwährung und der Einführung von Landwirtschaftskammern sowie zoll- und steuerpolitische Schutzmaßnahmen für die Landwirtschaft. Der Antrag Kanitz, die Forderung einer Verstaatlichung des Getreidehandels, um die Erzeugerpreise auf hohem Niveau stabil zu halten, kam später hinzu. Hier wurde unter anderem argumentiert, dass stetig steigende Erzeugerpreise „materieller Ausdruck für die fortschreitende Kultur eines Volkes“[5] seien. Priorität hatte in den ersten der Kampf gegen den von Caprivi initiierten Handelsvertrag. Auch Viehimporte sollen unter dem Vorwand der Seuchenkontrolle unterbunden werden.

Die drei „großen Mittel“ des Bundes (Börsenreform, Verstaatlichung des Getreidehandels und Doppelwährung) bilden die wirtschaftspolitische Agitationsgrundlage des Bundes.

Die sozialpolitischen Ziele des Bundes sind oft sehr unklar formuliert, zielen aber darauf ab, die Freizügigkeit von Landarbeitern einzuschränken und die Sozialversicherung für diese abzuschaffen, um eine „mögliche Entlastung der ländlichen Selbstverwaltungsorgane“[6] (was eine steuerliche Entlastung der Grundbesitzer bedeutet) zu erreichen.

Auch in den 1894 beschlossenen Leitsätzen werden keine Maßnahmen vorgeschlagen, um die strukturellen Probleme der deutschen Landwirtschaft zu beseitigen. Vielmehr geht es auch hier im Grunde genommen um die Forderung nach Ausschaltung von Konkurrenten durch Handelshemmnisse und Subventionen. Auch die Industrie wird angegriffen. So soll gegen die so genannte Surrogatindustrie vorgegangen werden, wie auch gegen den Neubau von Verkehrswegen, der den Einzugsbereich der Industrie vergrößern und die Landflucht verstärken könnte.

Es ist zusammenzufassen, dass die wirtschaftliche Programmatik des Bundes darauf abzielte, Konkurrenz auszuschalten, Subventionen zu erhalten und das unternehmerische Risiko an den Staat abzutreten (zum Beispiel durch die staatliche Garantie von festen Erzeugerpreisen). Auch das „Kartell der schaffenden Stände“ von 1913 ist zum Teil die Suche nach Verbündeten für die Restauration der Rolle der Landwirtschaft und ihrer Eliten.

2.2 Bündisches Prinzip

Der Bund der Landwirte empfand sich selbst nicht als Interessenvertretung, sondern in erster Linie als gewachsene Bewegung. Es fällt auf, dass oft an unterbewusste und emotionale Elemente appelliert wird. Hierdurch wurde die Entstehung einer emotionalen Verbindung der Mitglieder angestrebt. Diese emotionale Bindung sollte die Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedern, vor allem auch zwischen der Masse der Mitglieder und den wenigen bestimmenden Großgrundbesitzern, überdecken. Durch die Schaffung eines Treueverhältnisses zum Bund entstand gleichzeitig ein Treueverhältnis zu den Führern des Bundes. Dies widersprach auch bewusst demokratischen Prinzipien[7].

Zeichen des bündischen Prinzips nach außen hin ist eine scharf erfolgende Abgrenzung der eigenen „Bewegung“ von anderen Interessengruppen, die nur Partikularinteressen verträten. Zudem wird ein kompromissloses Freund – Feind Schemata etabliert (sowohl in der Außen – wie auch in der Innenpolitik), in dem politische Gegner regelmäßig zu Staatsfeinden erklärt werden. „Durchgängig in der Agitation des Bundes sind nach verlorenen Wahlen oder Abstimmungen ausschließlich die anderen Parteien (nicht etwa der erklärte Wille der Wähler oder die Interessen anderer Gruppen) schuld: sie werden der Lüge, unlauterer Machenschaften und des Betrugs bezichtigt und die Einstufung ihres Verhaltens reicht von „unfair“ bis „perfid“ und „heimtückisch“.[8]

2.3 Harmonistische Theorie

Obwohl die wirtschaftlichen Forderungen des Bundes jeweils konkrete Absichten verfolgten, gab es doch einen allgemeinen wirtschaftstheoretischen Konsens. Dieser baut auf der Grundlage auf, dass die Landwirtschaft „das erste und bedeutendste Gewerbe, die festeste Stütze des Deutschen Reiches und der Einzelstaaten“ sei und dass von ihrem „Blühen und Gedeihen…die Wohlfahrt aller anderen Berufszweige“[9] abhängig sei. Der oberste Grundsatz einer „nationalen“ Wirtschaftspolitik müsse demnach sein, die „stetige Entwicklung aller Produktivkräfte des Vaterlandes in ihrer gegenseitigen harmonischen Wechselbeziehung“[10] sicherzustellen. Ausdrücklich ausgenommen aus der Klasse der Produktivkräfte ist das „internationale Großkapital“, gegen welches die nationalen Produktivkräfte geschützt werden müssten. Auch müsse sich das Reich um eine „Loslösung des nationalen Wirtschaftslebens aus dem Banne des Weltmarktes mit seinen ruinösen Konjunktur – und Krisenrückwirkungen auf den heimischen Markt“[11] bemühen, womit in erster Linie der Markt gegen die billigeren Produzenten im Ausland gesichert werden sollte.

Die Industrie tritt in der Wirtschaftstheorie des Bundes als Störfaktor auf, da sie der Landwirtschaft Arbeitskräfte entzog, mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen konkurrierende Surrogatstoffe produzierte und durch ihre Einbindung in den Weltmarkt nicht an einer Autarkiepolitik des Reiches interessiert war. Gleichzeitig wandte sich der Bund gegen die wachsenden Städte. Hier wurde vor allem eine Gefährdung der Wehrfähigkeit gesehen[12]. Auch sei eine große Gefahr gegeben, dass junge Leute, die vom Land in die Stadt ziehen, sich „Staatsfeinden“ wie etwa der Sozialdemokratie anschlössen[13]. Diesem sei durch gesetzliche Einschränkungen der Freizügigkeit vorzubeugen.

Die Industriefeindlichkeit des Bundes wurde bewusst einseitig ausgelegt. Man versuchte sich im Zusammenhang mit der angestrebten „Mittelstandspolitik“ mit den großen Industrieverbänden zu arrangieren, während man das Investitions- oder „internationale“ Kapital, welches oft polemisch als das „jüdische Kapital“ bezeichnet wurde, bekämpfte. Hier wurde argumentiert, es gäbe „zwei Arten von Industrie: eine nationale und eine mehr internationale. Jene halten wir für nützlich und berechtigt, diese ist nur in gewissem Grade notwendig und berechtigt.[14] “. Interessanterweise war die Zusammenarbeit vor allem mit dem Centralverband der deutschen Industriellen besonders weit gediehen.

Die harmonistische Theorie des Bundes der Landwirte folgt keiner wissenschaftlichen Systematik; sie ist sehr stark vom Lavieren zwischen den verschiedenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen des Bundes geprägt. Man orientierte sich auch stark an wirtschaftsromantischen Analogien vom Staat als Organismus.

[...]


[1] Zahlen nach: Dieter Fricke (Hg): Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und klein-bürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789-1945). In vier Bänden, Köln 1985.

[2] Zahlen nach: Fri>

[3] Ebd.

[4] Dieter Nohlen (Hg): Kleines Lexikon der Politik, München 2001 ,S.197.

[5] Programm von 1912; zitiert in: Hans-Jürgen Puhle: Agrarische Interessenpolitik und preußischer Konservatismus im wilhelminischen Reich, Bonn/Bad Godesberg 1975, S.78. Ähnlich heißt es schon in den Leitsätzen von 1895: „Der heute geltende Grundsatz des schrankenlosen internationalen Ausgleichs der Getreidepreise auf der Preisbasis der niedrigst entwickelten Kulturvölker bedeutet eine wesentliche Störung der kulturellen Entwicklung unseres Vaterlandes.“

[6] Puhle: Agrarische Interessenpolitik, Seite 74 ( oder auch Anlage 6).

[7] Vgl.: BdL v.15.03.1904; zitiert in: Puhle: Agrarische Interessenpolitik, S.84: Titel:„Der Bund der Landwirte und die Demokratie“: „Wir leben in einem uns aufgedrungenen inneren Kriege. Treue Kameradschaft im Felde aber hat in deutschen Heeren noch niemals den Unterschied zwischen Führern und Mannschaft verwischt, sondern das Band zwischen beiden nur noch mehr gefestigt. Warum sollte es anders sein, wenn es gilt zusammenzustehen zu Schutz und Schirm des vom inneren Feinde bedrohten Kaiserthrones.“

[8] Puhle: Agrarische Interessenpolitik, S.85.

[9] Puhle: Agrarische Interessenpolitik , Seite 78.

[10] Präambel der Leitsätze von 1895; zitiert in: Puhle: Agrarische Interessenpolitik, S.78.

[11] Puhle: Agrarische Interessenpolitik, S.78.

[12] Vgl.: Puhle: Agrarische Interessenpolitik , S.80: „Das [die ‚Landkinder’] ist ein ganzer anderes Soldatenmaterial als die jungen Leute, die die Zeit vom 14. bis 18. Lebensjahr in der großen Stadt oder in der Industrie verlebt haben.“

[13] Vgl.: Puhle: Agrarische Interessenpolitik , S.80.

[14] Deutsche Tageszeitung v. 18.03.1896; zitiert in: Puhle: Agrarische Interessenpolitik, S.104.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Der Bund der Landwirte (BDL) und die völkische Bewegung
Untertitel
Inwiefern trug der BDL zur Verfestigung und Verbreitung der völkischen Ideologie bei?
Hochschule
Universität Osnabrück
Veranstaltung
„Weltpolitik“ im wilhelminischen Deutschland
Note
2,4
Autor
Jahr
2004
Seiten
18
Katalognummer
V84373
ISBN (eBook)
9783638005425
ISBN (Buch)
9783638912747
Dateigröße
573 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bund der Landwirte, BdL, völkische Bewegung
Arbeit zitieren
Magister Artium Andre Budke (Autor:in), 2004, Der Bund der Landwirte (BDL) und die völkische Bewegung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84373

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