Qualität im Deutschen Reisejournalismus

Untersuchung von Qualitätskriterien in der Berichterstattung über Entwicklungsländer in ausgewählten Zeitschriften


Magisterarbeit, 2007

161 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffsdefinitionen
2.1 „Reisejournalismus“
2.2 „Journalistische Qualität“
2.3 „Entwicklungsländer“
2.4 „Reisen“ & „Tourismus“
2.5 „General-“ & „Special-Interest-Zeitschriften“

3 Die Historie des Reiseberichts als Spiegel einer Geschichte des Reisens
3.1 Von der Antike bis in das Mittelalter
3.2 Die Neuzeit
3.3 Entwicklung des Reisejournalismus in Zeiten des modernen Massentourismus

4 Tourismus
4.1 Theoretische Erkenntnisse zum Tourismus
4.1.1 Tourismus als Flucht
4.1.2 Tourismus und Völkerverständigung
4.1.3 Tourismus und die bereiste Kultur
4.1.4 Tourismus und Ökologie
4.1.5 Nachhaltiger Tourismus (oder sanfter Tourismus)
4.1.6 Kritik an der Tourismuskritik
4.2 Tourismus in Entwicklungsländern
4.2.1 Entwicklung und aktuelle Zahlen
4.2.2 Tourismus und wirtschaftliche Entwicklung
4.2.3 Stereotype über Entwicklungsländer und deren Bewohner
4.3 Bemerkung

5 Reisejournalismus heute
5.1 Der Alltag der Reisejournalisten
5.2 Der Markt reisejournalistischer Printmedien
5.3 Journalismus für den Ohrensessel? – Funktionen des Reisejournalismus
5.4 Untersuchungen zum Inhalt reisejournalistischer Printmedien
5.4.1 Auer
5.4.2 Wörgötter
5.4.3 Lentsch
5.5 „Fluchthelfer ins Paradies“ - Die Darstellung des Fremden
5.6 Der Vorwurf der PR-Dienerschaft
5.7 Die Verwendung von Fotografien im Reisejournalismus

6 Qualitätskriterien des Reisejournalismus
6.1 Qualität im Journalismus
6.1.1 Theoretische Ansätze
6.1.2 Ethische Richtlinien
6.1.2.1 Pressekodex
6.1.2.2 Leitlinien des Netzwerks Recherche
6.1.3 Gesetzliche Verpflichtungen
6.2 Qualität in Zeitschriften
6.3 Qualität im Reisejournalismus
6.3.1 Die qualitative Reportage
6.3.2 Die qualitative Nachricht/ Kurzmeldung
6.3.3 Der qualitative Serviceteil
6.3.4 Kriterien aus der Praxis: VDRJ-Wettbewerb „Bester Reiseteil“
6.3.5 Forderungen nach Qualität im Reisejournalismus
6.4 Kriterienkatalog für Qualität im Reisejournalismus

7 Untersuchung
7.1 Erkenntnisinteresse
7.2 Erhebungsinstrument
7.3 Repräsentativität
7.4 Untersuchungsmaterial, -einheiten & -zeitraum
7.5 Kategoriensystem
7.5.1 Kurzmeldungen und Reportagen
7.5.1.1 Vielfalt & Ausgewogenheit
7.5.1.2 Transparenz & Originalität
7.5.1.3 Trennung von redaktionellem Teil und Anzeige
7.5.2 Serviceteil
7.5.2.1 Vielfalt
7.5.2.2 Keine Bevorzugung einzelner Produkte und Anbieter
7.5.3 Fotografien
7.5.3.1 Vielfalt & Ausgewogenheit
7.5.3.2 Transparenz & Originalität
7.5.3.3 Variable Fotofunktionen
7.5.3.4 Stete und variable Verwendung von Bildunterschriften
7.6 Auswertung
7.7 Bemerkung

8 Die untersuchten Medien
8.1 abenteuer und reisen
8.2 GEO Special
8.3 Reise & Preise
8.4 Stern
8.5 Superillu

9 Ergebnisse
9.1 Länder der Berichterstattung
9.2 Reportagen und Kurzmeldungen
9.2.1 Vielfalt
9.2.2 Ausgewogenheit
9.2.3 Sanfter Tourismus
9.2.4 Transparenz & Originalität
9.2.5 Trennung von redaktionellem Teil und Anzeige
9.3 Serviceteile
9.3.1 Inhaltliche Vielfalt
9.3.2 Keine Bevorzugung einzelner Produkte oder Anbieter
9.4 Fotografien
9.4.1 Vielfalt
9.4.2 Ausgewogenheit
9.4.3 Transparenz & Originalität
9.4.4 Variable Bildfunktionen
9.4.5 Stete & Variable Bildunterschriften

10 Zusammenfassung

11 Ausblick

12 Literatur

13 Untersuchte Medien

Anhang

Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen

Tab.1: Unterschiede zwischen Journalismus und Literatur (Blöbaum, 2003, S. 34 ff.)

Tab.2: Auswahl objektiver und subjektiver Qualitäten im Journalismus (Wallisch, 1995, S. 100)

Tab.3: Stereotype über Entwicklungsländer und deren Bewohner (Eigene Zusammenstellung, nach Fischer, 1984; Ritz, 1983; Vorlaufer, 2005; Bertram, 1997b)

Tab.4: Differenzierung sprachlicher Qualität (Schneider, 1982, S. 128)

Tab.5: Thematische Inhalte im Reisejournalismus und ihre Ausprägungen (Eigene Zusammenstellung)

Tab.6: Thematische Fotoinhalte (ohne abgebildete Personen) und ihre Ausprägung (Eigene Zusammenstellung, in Anlehnung an Tabelle 5)

Tab.7: Anzahl der Länder der Berichterstattung gewichtet nach Ländergruppen (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.8: Anteil der länderunabhängigen Themen an der Berichterstattung; Angaben in Prozent (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.9: Verteilung von Reportagen und Kurzmeldungen (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.10: Anzahl behandelter Themen je Themenkomplex (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.11: Ausgewogenheit innerhalb des Themenkomplexes Zielregion; Anagaben in Prozent an der gesamten Berichterstattung (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.12: Ausgewogenheit innerhalb des Themenkomplexes Bereiste; Angaben in Prozent an der gesamten Berichterstattung (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.13: Ausgewogenheit innerhalb des Themenkomplexes Tourismus; Angaben in Prozent an der gesamten Berichterstattung (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.14: Ausgewogenheit innerhalb des Themenkomplexes Touristen; Angaben in Prozent an der gesamten Berichterstattung (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.15: Ausgewogenheitsindex Wortbeiträge (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.16: Berichterstattung „sanfter Tourismus“; Angaben in Prozent an der gesamten Berichterstattung (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.17: Anzahl der Quellen der Reportagen (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.18: Anzahl der Kurzmeldungen-Quellen (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.19: Kumulierte Ergebnisse für Quellenangaben der Wortbeiträge; Angabe in Prozent an der gesamten Berichterstattung (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.20: Produktnennungen; Angaben in Prozent an der gesamten Berichterstattung – In Klammern: Summe der Artikel mit Produktnennungen (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.21: Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins einer Informationskategorie im durchschnittlichen Serviceteil; Angaben in Prozent – In Klammern: Summe der Serviceteile (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.22: Kumulierte Werte der Wahrscheinlichkeit des Erscheinens einer Informationskategorie im durchschnittlichen Serviceteilen (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.23: Anzahl der Nennungen von Reiseveranstaltern in den Serviceteilen; Angaben in Mittelwert und Standardabweichung (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.24: Meist genannte Reiseveranstalter in den Serviceteilen (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.25: Anzahl der Nennungen von Reiseveranstaltern (nach Zuordnung in Konzerne) in den Serviceteilen; Angaben in Mittelwert und Standardabweichung (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.26: Meist genannte Reiseveranstalter in den Serviceteilen (nach Zuordnung in Konzerne) (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.27: Fotos je Wortbeitrag (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.28: Anzahl behandelter Themen je Themenkomplex der Fotoberichterstattung (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.29: Ausgewogenheit der Darstellung der Zielregion im Fotoinhalt ohne Personen; Angaben in Prozent an Summe aller Fotografien (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.30: Ausgewogenheit der Darstellung der Bereisten im Fotoinhalt; Angaben in Prozent an Summe aller Fotografien – In Klammern: Summe der Fotos mit Bereisten (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.31: Ausgewogenheit der Darstellung der Tätigkeit der Bereisten im Fotoinhalt; Angaben in Prozent an Summe aller Fotografien (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.32: Ausgewogenheit in der Darstellung der Kleidung der Bereisten im Fotoinhalt; Angaben in Prozent an Summe aller Fotografien (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.33: Ausgewogenheit der Darstellung des Tourismus im Fotoinhalt ohne Personen; Angaben in Prozent an Summe aller Fotografien (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.34: Ausgewogenheit der Darstellung der Tätigkeiten der Touristen im Fotoinhalt; Angaben in Prozent an Summe aller Fotografien – In Klammern: Summe aller Fotos mit Touristen (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.35: Ausgewogenheit der Darstellung der Kleidung der Touristen im Fotoinhalt; Angaben in Prozent an Summe aller Fotografien (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.36: Gesamt-Index für Ausgewogenheit in Fotografien (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.37: Quellen des Fotomaterials; Angaben in Prozent an Summe der Fotografien (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.38: Foto-Funktionen; Angaben in Prozent an Summe der Fotografien (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.39: Funktionen der Bildunterschriften; Angaben in Prozent an Summe der Fotografien (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.40: Index Variabilität der Bildunterschriften (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Tab.41: Ausprägungen aller Qualitätskriterien (Eigene Darstellung, Untersuchungsergebnisse)

Abb.1: „Magisches Vieleck“ : Kriterien der Qualitätsbewertung (Ruß-Mohl, 1996, S. 103)

Abb.2: „Magisches Vieleck“: Kriterien d. Qualitätsbewertung (Held und Ruß-Mohl, 2005, S. 55)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Untersuchungen zum Reisejournalismus zeichnen ein zum Teil sehr negatives Bild seiner Qualität. Er wird als PR-Journalismus (Schmitz-Forte, 1992; Lentsch, 1988, in Luger, 1990) beschrieben, welcher keinerlei Kritik am Tourismus übt (Luger, 1994a; Kleinsteuber, 1997), fremde Länder durchweg überpositiv als Paradies darstellt (Luger, 1994a), dabei Probleme vor Ort ausblendet (Pichler, 2006; Auer, 1991) und Stereotype gegenüber fremden Völkern verfestigt (Tüting, 1988; Scherle, 2001). Auf der anderen Seite gibt es aber gar keinen Kriterienkatalog für Qualität im Reisejournalismus, an welchem dieser beurteilt werden könnte.

Reisejournalismus schafft beim Leser[1] Raumbilder und somit eine Vorstellung über verschiedene Destinationen (Pichler, 2006, S. 182). Er prägt den Blick auf andere Kulturen, auf andere Länder und andere Menschen. Auch ist er oft erster Kontakt zu einem fremden Ort, und beeinflusst so Einstellungen und Sichtweisen seiner Leser. Qualität im Reisejournalismus ist somit, wie bei jeder Art von Journalismus, von äußerster Wichtigkeit, liefert der Reisejournalismus doch die Möglichkeit andere Kulturen kennen zu lernen und Vorurteile abzubauen. Erstes Ziel dieser Arbeit ist es daher, einen Kriterienkatalog für Qualität im Reisejournalismus aufzustellen. In einem zweiten Schritt sollen Aspekte dieses Katalogs am reisejournalistischen Material untersucht werden. Dabei konzentriert sich die Arbeit auf die Untersuchung von Zeitschriften, da diese bisher von Qualitätsstudien im Reisejournalismus ausgeblendet blieben[2]. Zudem wird die Untersuchung der Qualitätskriterien auf die Berichterstattung über Entwicklungsländer[3] beschränkt. Dies geschieht, weil sich besonders Entwicklungsländer nicht nur geographisch, sondern in erster Linie kulturell und wirtschaftlich stark von Deutschland unterscheiden. Somit thematisiert der Reisejournalismus in diesen Fällen Länder, mit denen der Leser wenig vertraut ist. Daher kann der Einfluss auf die Raumbilder die der Reisejournalismus schafft, im Falle der Berichterstattung über Entwicklungsländer als besonders groß vermutet werden. Schließlich soll die Untersuchung nicht auf die Wortbeiträge innerhalb der reisejournalistischen Berichterstattung beschränkt werden. Vielmehr werden auch Fotografien, welche ein wichtiger Bestandteil des Reisejournalismus sind, sowohl in den Kriterienkatalog als auch in die anschließende Untersuchung einbezogen.

Nach einer Definition der wichtigsten Begriffe dieser Arbeit (Kapitel 2) wird sich Kapitel 3 mit der Geschichte des Reisejournalismus beschäftigen, und somit dessen Ursprünge klären. Kapitel 4 widmet sich dem Objekt der reisejournalistischen Berichterstattung; dem Tourismus. Es erklärt die wichtigsten theoretischen Erkenntnisse über den Fremdenverkehr. Im zweiten Teil des Kapitels (Kapitel 4.2) soll sich speziell mit dem Tourismus in Entwicklungsländern beschäftigt werden. Diesem wird an dieser Stelle gesonderter Platz eingeräumt, da sich die anschließende Untersuchung auf Reisejournalismus über Entwicklungsländer beschränkt. Kapitel 5 wird sich dem heutigen Reisejournalismus widmen. Nachdem Kapitel 5.1 und 5.2 einen kurzen Überblick über den Alltag und den Markt des Reisejournalismus gegeben haben, werden sich Kapitel 5.3 bis 5.6 auf vorangegangene Untersuchungen zum Reisejournalismus konzentrieren und deren Ergebnisse darstellen. Kapitel 5.7 beschreibt Theorien zu Fotografien im Reisejournalismus.

Nach diesem theoretischen Überblick über Reisejournalismus und Tourismus sollen die Erkenntnisse aus den Kapitel 4 und 5 in die Aufstellung von Qualitätskriterien für den Reisejournalismus einfließen. Dies geschieht in Kapitel 6. Da es, wie bereits beschrieben, keinen Kriterienkatalog für Qualität im Reisejournalismus gibt, ist Kapitel 6 kritisch für die anschließende Untersuchung. Reisejournalismus wird hier zuforderst als Journalismus betrachtet, welcher auch dessen Qualitätskriterien unterliegt. Aus diesem Grund zeichnet Kapitel 6.1 die Qualitätsdiskussion im Journalismus nach. Neben theoretischen Konzepten sollen auch ethische und gesetzliche Richtlinien einfließen. Der Beschränkung der anschließenden Untersuchung ist es geschuldet, dass in Kapitel 6.2 Anforderungen an die journalistische Qualität in Zeitschriften vorgestellt werden. Kapitel 6.3 widmet sich schließlich der Qualitätsdiskussion im Reisejournalismus. Aus den Erkenntnissen der Kapitel 4 bis 6.3 soll anschließend, in Kapitel 6.4, ein Kriterienkatalog für Qualität im Reisejournalismus aufgestellt werden.

Einzelne Kriterien dieses Katalogs werden im Anschluss in einer inhaltsanalytischen Studie am reisejournalistischen Material untersucht. Dabei wird auf die Untersuchung von solchen Kriterien verzichtet, welche sich nicht anhand einer Inhaltsanalyse feststellen lassen.

Eine Vorannahme der Untersuchung ist, dass Qualität im Reisejournalismus differenziert betrachtet werden muss und nicht generalisiert werden kann. Die Schlussfolgerung von den Ergebnissen der Untersuchungen über Reisejournalismus in Tageszeitungen auf den gesamten Reisejournalismus erscheinen unzulässig.

Um der großen Heterogenität des Reisejournalismus in Zeitschriften wenigstens annähernd entsprechen zu können, sollen in der Untersuchung fünf möglichst verschiedene Zeitschriften betrachtet werden. Dies schließt sowohl Special-Interest-Zeitschriften zum Thema Reise also auch General-Interest-Zeitschriften[4] ein. Das Erkenntnisinteresse der Arbeit ist somit zum einen die Aufstellung eines Kriterienkatalogs für Qualität im Reisejournalismus, zum anderen die Untersuchung ausgewählter Kriterien dieses Katalogs am reisejournalistischen Material, um so Aussagen über die Qualität der untersuchten Medien treffen zu können. Daneben erhofft sich der Autor, die Ergebnisse der Untersuchung in Teilen mit denen früherer Arbeiten vergleichen zu können.

2 Begriffsdefinitionen

2.1 „Reisejournalismus“

Vorschläge für eine Kategorisierung aller Formen der Reiseliteratur kommen aus der Literaturwissenschaft. Brenner (1989, S. 9) unternimmt hier einen ersten Versuch, indem er der Gattung den Begriff „Reisebericht“ zuordnet. Reiseberichte sind demnach die „sprachliche Darstellung authentischer Reisen“ (ebd.). Dabei räumt er ein, dass dem jeweiligen Autor ein großer Spielraum zwischen Authentizität und Fiktionalität bleibt, welcher in verschiedenen Epochen von verschiednen Autoren unterschiedlich genutzt wurde. Dem Reisebericht stellt er die Reiseliteratur gegenüber, die sich allerdings ausschließlich auf fiktionale Reisen bezieht. Pichler (1994, S. 13 ff.) baut auf diesen Ansatz auf, kritisiert aber zugleich, dass die Begriffe „Literatur“ und „Bericht“ auf der gleichen Ebene benutzt werden. Für ihn ist Reiseliteratur alles Niedergeschriebene zum Thema Reise, und beinhaltet somit den Reisebericht[5]. Das Genre unterteilt er in Reiseliteratur mit und ohne Bezug auf eine reale Reise. Ein Beispiel für „Reiseliteratur ohne Bezug auf eine reale Reise“ sind die Werke Karl Mays. Diese wurden vom Autor zwar immer als Tatsachenberichte verkauft, entsprangen aber einzig seiner Phantasie (ebd., S. 17). Die „Reiseliteratur mit Bezug auf eine reale Reise“ kann mit Brenners Gattungsbezeichnung „Reisebericht“ gleichgestellt werden. In der Typologisierung von Pichler unterteilt sie sich in „literarische Reiseberichte“ (subjektiv-reflektierend bzw. belletristisch), „Reiseberichte im engeren Sinn“ (belletristisch bzw. wissenschaftlich) und „pragmatische Reisebegleiter“. In die letzte Kategorie der pragmatisch orientierten Reisebegleiter sortiert Pichler sowohl Reiseführer als auch den Reisejournalismus. Diese Kategorie zeichnet sich dadurch aus, dass ihr zentrales Anliegen Handlungsanweisungen für Reisende sind. Daneben beinhalten sie aber auch immer wieder belehrende und unterhaltende Formen. Zentraler Aspekt ist aber die Hilfestellung bei der Reisevorbereitung, und nicht etwa das Reflektieren einer realen Reise (ebd., S. 21).

Im Gegensatz zu Pichler, unterscheidet Luger (1994a, S. 59 ff.) in ethnologische, literarische und journalistische Reiseberichte (zu denen er auch Reiseführer zählt). Journalistische Reiseberichte sind laut Luger, „Anleitungen zum richtigen Reisen“ (ebd.). Sie haben eine Dienstleistungsfunktion, durch welche sie sich von den anderen Formen des Reiseberichts unterscheiden.

Beide Einordnungen führen beim Versuch der Abgrenzung des Begriffs Reisejournalismus nicht ans Ziel. Dies liegt in erster Linie daran, dass sich auch im Reisejournalismus Texte finden sollten, die der reinen Unterhaltung bzw. Informationsvermittlung dienen, beides schließen die Typologisierungen von Luger und Pichler aber aus.

Eine inhaltliche Abgrenzung des Reisejournalismus gegenüber anderen Formen des Reiseberichts[6] kann es nicht geben. Zu fließend und überlappend sind die Übergänge zwischen den von Pichler vorgeschlagenen Kategorien.

Blöbaum (2003) schlägt andere, nicht ausschließlich inhaltliche, Merkmale vor, um zwischen Journalismus und Literatur zu unterscheiden (vgl. Tab.1). Seine Unterteilung ist allerdings keinesfalls eindeutig. Mit einer „stark formalisierten“ Ausbildung im Journalismus bezieht er sich auf Journalistenschulen und journalistische Studiengänge (Blöbaum, 2003, S.37), verschweigt allerdings dass der Journalismus ein offener Beruf, ohne vorgeschriebenen Ausbildungsweg ist. Auch die abhängige Beschäftigung und das daraus resultierende sichere Einkommen ist im Journalismus längst kein Standard. Immerhin befinden sich in Deutschland 25 Prozent aller hauptberuflichen Journalisten nicht in einem festen Angestelltenverhältnis (Weischenberg, 2005). Eine ausschließliche Sachlichkeit des Journalismus würde Formen wie die Glosse der Literatur zuzählen, was für die Praxis keinesfalls zutrifft. Auch hat die Reiseliteratur oft denselben Beobachtungshorizont wie der Reisejournalismus, nämlich dann, wenn beide über eine Reise oder eine Destination schreiben. Zudem kann sich Literatur durchaus auf eine sozial verbindliche Wirklichkeit beziehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab.1: Unterschiede zwischen Journalismus und Literatur (Blöbaum, 2003, S. 34 ff.)

Klaus und Lünenborg (2002) kritisieren die Annahme, dass Journalismus reine Informationsvermittlung ist, welcher lediglich Fakten produziert. Nach den Autorinnen ist eine Unterhaltungsorientierung geradezu Vorraussetzung für einen Journalismus, welcher große Publika erreichen möchte (Klaus und Lünenborg, 2002, S. 105). Auf der anderen Seite zieht das Publikum auch aus der Fiktion Informationen (ebd., S. 113). Einzig Blöbaums Zeitdimension scheint somit ein valider Faktor zur Abgrenzung des Journalismus von der Literatur zu sein. Journalismus setzt somit Periodizität voraus[7].

„Die Zurechnung zu Literatur oder Journalismus hängt davon ab, was beobachtet wird, wie beobachtet wird und wer beobachtet.“ (Blöbaum, 2003, S. 25).

Es ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, Reisejournalismus exakt und in seiner Gänze von der Reiseliteratur abzugrenzen. Falls es Wege gibt dies zu tun, muss deren Findung anderen Arbeiten vorbehalten bleiben. Aufgrund einer fehlenden akzeptablen Abgrenzung von Literatur und Journalismus, soll sich an dieser Stelle dem Zitat von Blöbaum angeschlossen werden. Die Frage nach dem „was beobachtet wird“ lässt sich für diese Arbeit mit „Zeitschriften“ beantworten. Diese sind periodisch erscheinende Massenmedien, und erfüllen somit die Anforderungen an journalistische Produkte. Zudem ist diese Arbeit eine kommunikationswissenschaftliche. Dementsprechend ist das „wie“ der Beobachtung zu beantworten mit: „aus der Sicht der Kommunikationswissenschaften“. Auch ihr Autor („wer“) hat ein kommunikationswissenschaftliches Interesse. Laut Blöbaum ist die Journalistik, als Teil der Kommunikationswissenschaften, die „Reflexionseinrichtung“ des Journalismus (Blöbaum, 2003, S. 34). Folglich handelt es sich bei allen in dieser Arbeit untersuchten Medien[8], um journalistische Produkte. Gleiches kann auch über alle anderen Arbeiten gesagt werden, welche sich mit dem Reisejournalismus beschäftigen, und auf welche in dieser Arbeit verwiesen wird.

2.2 „Journalistische Qualität“

„Alle Qualitätswahrnehmung ist subjektiv und es kann keine objektivierbare Qualitätsbeurteilung geben. Ergo wird jeder Einzelne für sich festlegen, was er als Qualität empfindet.“

(Rau, 2005, S. 75)

Legt man der Untersuchung diese, dem Intuitionismus entliehene, Anmerkung Raus zugrunde, so wäre es von Vornherein ausgeschlossen, objektive Qualitätsmerkmale für den Reisejournalismus festzulegen. Glücklicherweise gibt es aber auch andere philosophische Positionen, welche die Möglichkeiten der Beurteilung von Qualität positiver einschätzen.

Der Begriff Qualität bedeutet so viel wie Wert, Beschaffenheit oder Güte (Wallisch, 1995, S. 77). Philosophen wie Locke, Kant oder auch Galilei unterschieden dabei zwischen einer objektiv wahrnehmbaren und einer subjektiv erkennbaren Qualität. Diese Unterscheidung kann man auch ohne weiteres im Journalismus vornehmen (ebd., S. 95). Während die objektive Qualität die materielle Beschaffenheit einer Sache beschreibt und somit problemlos empirisch erfasst werden kann, ist subjektive Qualität höchst interpretativ. Da jeder Mensch die Welt auf seine eigene, subjektive Art und Weise erfährt, beurteilt er auch den Wert einer Sache in Verbindung mit seiner eigenen individuellen Erfahrung (ebd., S. 77). Auf den Journalismus bezogen heißt dies, dass das Empfinden journalistischer Qualität aus Eindrücken erfolgt, die jeder Einzelne in seiner Rolle als Teilnehmer im medialen Kommunikationsprozess erfahren hat (ebd., S. 79). Wallisch (1995, S. 100) stellt folgende Tabelle als Beispiel für objektive und subjektive Qualitäten im Journalismus zur Verfügung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab.2: Auswahl objektiver und subjektiver Qualitäten im Journalismus (Wallisch, 1995, S. 100)

Die subjektive Qualität erhält dann Gültigkeit, wenn sie intersubjektiv nachvollziehbar ist (Wallisch, 1995, S. 96).

Eine Operationalisierung von journalistischer Qualität ist in seiner Gänze kaum möglich. Vielmehr setzt sie sich aus verschiedenen Qualitätskriterien zusammen, wobei es das Ziel sein muss, möglichst viele Qualitätskriterien zu definieren, um so die Gesamt-Qualität einschätzen zu können (Wallisch, 1995, S. 80).

Dabei gibt es nicht den einen festgelegten Qualitätsstandard für journalistische Produkte. Journalistische Qualität lässt sich nicht an einer einzigen Skala ablesen. Eher sind Qualitätsmaßstäbe im Journalismus abhängig von einer ganzen Reihe Faktoren (nach Ruß-Mohl, 1996, S. 102):

- Selbstverständnis der Journalisten (neutraler Vermittler, Anwalt etc.)
- Medium (Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk, Fernsehen etc.)
- Aktualität/ Periodizität (live, stundenaktuell, tagesaktuell, wöchentlich etc.)
- Genre (Nachricht, Reportage, Feature, Kommentar etc.)
- Publikum/ Zielgruppe (Alter, Bildung, Interessen, Einkommen, Schicht etc.)
- Funktionen (Information, Orientierung, Kritik und Kontrolle, Unterhaltung etc.)

Folglich sind Qualitätsstandards in erster Linie für Teilbereiche des Journalismus nicht aber für seinen Gesamtmarkt festzulegen (Rau, 2005, S. 66). Der Reisejournalismus bietet sich hier, genau wie andere Ressorts, an. Dies trifft insbesondere zu, wenn nur eine Mediengattung (in dieser Arbeit: Zeitschriften) betrachtet wird. Darüber hinaus gleichen sich reisejournalistische Produkte im Textgenre (meist Reportagen oder Kurzmeldungen), der Zielgruppe (Reisende, „Ohrensessel-Reisende[9] “) und der Periodizität (höchstens wöchentlich).

Es ist an dieser Stelle weder möglich, Qualität für den gesamten Journalismus, noch für den Reisejournalismus zu definieren. Ein Versuch, Qualitätskriterien für den Reisejournalismus zu bestimmen, erfolgt in Kapitel sechs dieser Arbeit und ist Grundlage für die anschließende Untersuchung.

2.3 „Entwicklungsländer“

Bis zum April 2007 gab es keine international anerkannte Definition des Terms „Entwicklungsländer“. Die Vereinten Nationen veröffentlichen regelmäßig eine Liste der „Least Developed Countries“ (Vereinte Nationen, 2005a). Diese umfasst zurzeit die 50 ärmsten Länder der Welt, schließt dabei allerdings populationsreiche Nationen mit mehr als 75 Millionen Einwohnern aus. Aus diesem Grund erscheint die Klassifizierung der Weltbank (Weltbank, 2006b) am sinnvollsten. Sie unterteilt alle Länder anhand der nationalen Pro-Kopf-Einkommen in „low-income“, „lower-middle-income“, „upper-middle-income“ und „high-income“ Ökonomien.[10]

In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass alle Länder, die nicht zu den entwickelten Ländern zählen, in die Gruppe der Entwicklungsländer fallen. Als entwickelte Länder sieht der Autor dabei nur die Länder der Gruppe der high-income economies an. Dies geschieht deshalb, weil davon ausgegangen wird, dass jede Entwicklung einen Endpunkt bzw. ein Ziel hat. Dieses Ziel stellt in diesem Fall die Maximierung bzw. Erreichung eines gewissen Standards des nationalen Pro-Kopf-Einkommens dar[11]. An dieser Stelle kann man natürlich argumentieren, dass sich das nationale Einkommen immer weiter steigern lässt. Diese Sichtweise würde aber dazu führen, dass es niemals entwickelte Länder geben würde, was eine Klassifizierung für die vorliegende Arbeit schier unmöglich macht. Aus diesem Grund folgt diese Arbeit der Gliederung der Weltbank, und sieht die Länder der Gruppe der high-income economies als diejenigen an, die zurzeit den maximalen Standard des Pro-Kopf-Einkommens erreicht haben. Dieser liegt laut Weltbank bei 10.726 US Dollar[12]. Die Länder der anderen Gruppen werden als Entwicklungsländer betrachtet.

2.4 „Reisen“ & „Tourismus“

Es erscheint durchaus sinnvoll, die Begriffe „Reisen“ und „Tourismus“ genauer zu definieren. Beide werden in dieser Arbeit nicht synonym verwenden. Vielmehr beschreibt der Begriff „Reise“ lediglich einen Ortswechsel. Man bewegt sich vom Bekannten in das unbekannte Fremde, wobei das Motiv keine Rolle spielt. „Tourismus“ (oder „Fremdenverkehr“) ist eine Form des Reisens, jedoch ist hier das Motiv entscheidend. Dabei folgt die vorliegende Arbeit Kaspar (1975, S. 13), welcher „den Fremdenverkehr oder Tourismus als Gesamtheit der Beziehungen und Erscheinungen [definiert], die sich aus der Reise und dem Aufenthalt von Personen ergeben, für die der Aufenthaltsort weder hauptsächlicher und dauernder Wohn- noch Arbeitsort ist“. Tourismus heißt also, dass eine Reise keine gewerblichen Zwecke verfolgt. Auch für Schmitz-Forte ist Tourismus „das Reisen aus Vergnügen“ (Schmitz-Forte, 1995, S. 32). Da der Reisejournalismus nun meistens den Tourismus als Gegenstand seiner Berichterstattung hat, müsste man ihn korrekterweise Tourismusjournalismus nennen (Schmitz-Forte, 1992, S. 3). Er wird hier aber weiter als Reisejournalismus bezeichnen, da sich dieser Begriff durchgesetzt hat.

2.5 „General-“ & „Special-Interest-Zeitschriften“

Die Begriffe General-Interest- und Special-Interest-Zeitschriften sind eher vage Festlegungen. Während General-Interest-Titel dem Namen nach auf ein generelles Interesse bei einem möglichst breiten Publikum stoßen sollen beziehen sich Special-Interest-Titel eher auf spezielle Publika. In dieser Arbeit werden diejenigen Zeitschriften als Special-Interest betrachten, welche sich ausschließlich den Themen Reise und Tourismus zuwenden. Zeitschriften mit einem breiteren Themenangebot gelten als General-Interest-Titel. Im Sinne des Themas der Arbeit, ist es selbstredend, dass sich alle betrachteten General-Interest-Titel mit den Themen Reise und Tourismus auseinandersetzen und regelmäßig über diese in einer eigenen Rubrik berichten.

3 Die Historie des Reiseberichts als Spiegel einer Geschichte des Reisens

„Wenn jemand eine Reise thut, // So kann er was verzählen.“ (Matthias Claudius, in Brenner, 1989, S. 7)

Das Zitat von Claudius zementiert den Zusammenhang zwischen Reisen und dem Berichten darüber. Reiseliteratur ist das Produkt des Reisens (Pichler, 1994, S. 24). Dabei hat sich die Berichterstattung über eine Reise immer auch der Form des Reisens und gesellschaftlichen Konventionen angepasst (Brenner, 1989, S. 7). Die Geschichte der Reiseliteratur ist also eng an die des Reisens gekoppelt. Dabei haben sich bis heute verschiedene Arten des Reiseberichts herausgebildet. Die momentan dominierende Form ist der Reisejournalismus. Er ist der berichtende Partner des Massentourismus unserer Tage und hat seine Wurzeln einmal im literarischen Reisebericht und zum zweiten im Journalismus, hier besonders im Feuilleton (Schmitz-Forte, 1992, S. 5).

Das Reisen war lange Zeit ein Resultat von klimatischen, biologischen und wirtschaftlichen Zwängen. Die Reisen der Nomaden hatten geographische und klimatische Ursachen und auch kriegerischen Expeditionen lag keine Reiselust zu Grunde. Händler hatten in erster Linie wirtschaftliche Interessen (Enzensberger, 1962, S. 186). Von einem Tourismus im Sinne Kaspars kann hier also keine Rede sein.

3.1 Von der Antike bis in das Mittelalter

In der Antike gab es zum ersten Mal eine Loslösung der Reisetätigkeit von ihrer existentiellen Zweckbindung. Erste Formen von Tourismus entstanden im antiken Ägypten und im Römischen Kaiserreich. Zu nennen sind in erster Linie die Reisen zu den Olympischen Spielen sowie Bade- und Vergnügungsreisen in Griechenland, die aber nur den kleinsten sozialen Eliten vorbehalten blieben (Pichler, 1994, S. 28). Im Römischen Reich reiste man vor allem an die italienische Westküste, wo es Hotels und Luxus-Villen gab. Erholungsreisen gingen darüber hinaus nach Griechenland, Rhodos, Kleinasien und Ägypten (Enzensberger, 1962, S. 189 f.). In diesem Rahmen tauchten in Griechenland seit dem dritten Jahrhundert vor Christus die ersten kommerziellen Reiseführer auf. Die so genannten Peregeten beschrieben Länder, Kunstdenkmäler und Merkwürdigkeiten der verschiedenen Reiseziele (Valentin, 1997, S. 27).

Wer als Erfinder der Reiseliteratur gilt, ist nicht überliefert. Obwohl Pichler es als „eurozentrische Literaturgeschichtsschreibung“ ansieht, Homers „Odyssee“ (ca. 850 v. Chr.) als Beginn der Reiseliteratur zu manifestieren (Pichler, 1994, S. 28), wird genau das von den meisten Autoren getan (Schmitz-Forte, 1995, S. 23; Kleinsteuber, 1997, S. 22; Valentin, 1997, S. 27; Petritz, 2003, S. 35). Homers Beschreibung der legendären Stadt Atlantis war dabei reine Fiktion. Es war seine Phantasie über einen Ort, der besser ist als das Bekannte (Kleinsteuber, 1997, S. 22). Schon Homer vermutete also in der Fremde das Bessere, ein Aspekt der Reiseliteratur, der, wie später noch erläutert wird, bis heute im Reisejournalismus überlebt hat.

Auf Grund seiner sachlichen Berichterstattung, wird oft der Grieche Herodot (490-425 v. Chr.) als erster wahrer Reiseberichterstatter angegeben. Herodot verfasste Beschreibungen von fast allen wichtigen Zielen seiner Zeit (Aigner, 1992, S. 11). Dabei waren seine Berichte immer kurz, enthielten aber auch schmückende Anekdoten. In seiner Art als Völkerkundler hatte er besonderes Interesse an der Beschreibung von fremden Völkern und Kulturen, wobei er versuchte dem Fremden das Befremdliche zu nehmen (Valentin, 1997, S. 28).

Die frühen Formen des Tourismus gingen mit dem Römischen Kaiserreich unter. Bis zum Mittelalter reisten vor allem Händler, Kaufleute, Gelehrte, Minnesänger, Gaukler, Schauspieler und Kuriere. Ihren Reisen lagen wirtschaftliche und politische Zwecke zu Grunde. Hinzu kamen unzählige Kriege, hervorgerufen von Völkerwanderungen, Entdeckungs- und Raubzügen sowie religiösen und territorialen Expansionsbestrebungen, welche die Bevölkerung zu Reisen zwangen (Pichler, 1994, S. 29).

Mit Marco Polos Bericht „Il millione“ (1298/99), einer Schilderung seiner Asienreise, begann in der Reiseberichterstattung die Zeit des Mittelalters (Valentin, 1997, S. 28). Der Bericht besticht durch seine Sachlichkeit, die in keiner Weise der zeitgenössischen Tradition der phantastischen Spielmannsdichtungen entsprach. Neben dieser Sachlichkeit streute aber auch Polo Legendenhaftes in seinen Text. Man vermutet heute, dass dies eine Adaption der herrschenden Wirklichkeitsauffassung war (Pichler, 1994, S. 30). Im deutschsprachigen Kulturraum hat die Gattung des Reiseberichts ihre Anfänge in der Mitte des 14. Jahrhunderts zur Zeit der Kreuzzüge und Pilgerfahrten (ebd., S. 29). Pilgerberichte sind dabei die umfangreichste Form mittelalterlicher Reiseliteratur. Sie waren Beiwerk der Pilgerreisen, welche die Pilger bevorzugt nach Rom und Santiago de Compostella, nach der Eroberung Palästinas auch nach Jerusalem, führten (ebd., S. 30). Durch die Eroberung des Heiligen Lands, nahmen auch die Pilgerfahrten, und mit ihnen der Bedarf an Reiseinformationen, zu. Dadurch entstand der Pilgerführer, ein Reiseführer für Pilger. Sowohl Pilgerberichte als auch Pilgerführer entließen den Leser nie aus ihrem traditionellen und religiösen Programm. Persönliche Erfahrungen und empirische Beobachtungen entsprachen nicht ihrem Konzept. Vielmehr basierten sie ausschließlich auf Kenntnisse aus der Bibel und antiken Überlieferungen und spiegelten so die Wirklichkeitsauffassung der Kirche wieder (ebd., S. 31).

3.2 Die Neuzeit

Den Beginn der Neuzeit markieren die großen Entdeckungsfahrten der Spanier und Portugiesen ab dem 15. Jahrhundert, und mit ihnen die Inbesitznahme weiter Teile der Welt (Pichler, 1994, S. 34). Reiseberichte hatten zu dieser Zeit in erster Linie die Aufgabe, den Herrschern und Kirchen den Wert (in Gold und Silber) eines entdeckten Landes zu schildern (Aigner, 1992, S. 11). Auch glichen die Berichte eher Abenteuergeschichten. Sie bestärkten Vorurteile gegenüber fremden Kulturen und sind erstes Zeichen eines Eurozentrismus in der Reiseliteratur. In den wenigen deutschen Berichten über Amerika werden die Eingeborenen oft als Feindbilder dargestellt. Die Neue Welt wird als eine Gegenwelt beschrieben. Diese ist gekennzeichnet vom Mangel an all dem, was die frühneuzeitliche Gesellschaft Europas ausmacht. Diese Darstellungsweise bietet Zweierlei. Sie beschreibt zum einen die Überlegenheit der Entdecker gegenüber den Entdeckten, und legitimiert so jedwedes gewaltsame Vorgehen (Pichler, 1994, S. 35).

Mit dem Humanismus zu Beginn des 16. Jahrhunderts bis hin zur Aufklärung im 18. Jahrhundert hatte das Reisen in erster Linie einen Bildungszweck. Die Doktrin der Kirche wurde Stück für Stück zurück gedrängt. Man wollte die Welt selbst begreifen. Aus diesem Ziel heraus entstand eine mannigfaltige Reiseliteratur. Den Anfang machten die Apodemiken (Pichler, 1994, S.37f.). In der humanistischen Gelehrtenkultur hatten sie die Aufgabe, das Reisen zu methodisieren. Die Gelehrten reisten der Bildung wegen. Die Apodemiken hatten hier weniger die Aufgabe, Sehenswürdigkeiten und Reiserouten zu beschreiben, sondern vielmehr die Theorie des Reisens, Wahrnehmungs- und Verhaltensnormen zu manifestieren. Reisen durften nach Auffassung der Humanisten nicht zweckfrei sein. Sie dienten der Bildung. Nur durch diesen Zweck waren sie gesellschaftlich legitimiert. Reisen zum puren Vergnügen war verpönt. Die Apodemiken thematisierten nicht nur hygienische und ärztliche Ratschläge für das Reisen, sondern diskutieren auch den Sinn von Bildungsreisen. Schließlich gaben sie Anweisungen zum richtigen Beobachten und zur Dokumentation des Beobachteten.

Kavalierstouren bildeten im 16. und 17. Jahrhundert den Abschluss der höfischen Ausbildung von Adligen. Studienreisen vervollständigten die Bildung der Gelehrten (Pichler, 1994, S. 40 ff.). Niederschriften von beiden sind so gut wie nicht bekannt.

Mit dem Reisebericht der Aufklärung, ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, erfuhr das Genre seinen Höhepunkt (Brenner, 1989, S. 283). Der Wunsch die Welt zu begreifen, führte zu einer regen Reisetätigkeit. Zu dieser Zeit entstand auch der Klassiker der deutschen Reiseliteratur: Goethes „Italienische Reise“ (1829). Goethes Werk befreite das Genre erstmals vom Zwang des „roten Fadens“, indem es Briefe und Tagebucheinträge lose zusammenstellte (Valentin, 1997, S. 30). Im Zuge der Aufklärung entwickelten sich zudem die Forschungsreise und der wissenschaftliche Reisebericht, deren bekanntester Vertreter wohl Alexander von Humboldt, mit seinem Bericht über eine Südamerikareise, ist (Pichler, 1994, S. 45).

Während wissenschaftliche Reiseberichte in erster Linie versuchten objektive Erkenntnisse über das Fremde zu vermitteln, entwickelte sich aber auch eine andere Form des Reiseberichts. Dichter bedienten sich vor allem der Südsee als exotische Gegenwelt und nutzten die Darstellung dieser zur Kritik an der zeitgenössischen Zivilisation. Der Nüchternheit und Vernunft der Aufklärung stand eine Utopie gegenüber, die von Palmen, unschuldigen Menschen und einem glückseligen Leben in Frieden und Freiheit träumten (Pichler, 1994, S. 45). Gleichzeitig kam es zu fiktiven Reisebeschreibungen (z.B. Grimmelshausen „Simplicissimus“, 1669), die parodistische Kritik am eigenen Staat übten und ebenfalls in der Ferne eine bessere Welt vermuteten (Valentin, 1997, S. 29). Das Phantasieprodukt des Paradieses in der Ferne, welches bereits in der Antike zu finden war, wird hier erneut deutlich.

3.3 Entwicklung des Reisejournalismus in Zeiten des modernen Massentourismus

Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts war das Reisen beschwerlich und gefährlich. Die Entwicklung des modernen Tourismus ist das Ergebnis der bürgerlichen Befreiungsbewegung, der technischen Fortschritte durch die industrielle Revolution (besonders der Eisenbahn), des Ausbaus der Verkehrsnetze sowie sozialer Errungenschaften wie die Reduzierung der Arbeitszeit und das Steigen der Löhne (Enzensberger, 1958, S. 70). Der Schritt von der Industrie- in die Freizeitgesellschaft ebnete den Weg vom Tourismus zum Massentourismus.

Der moderne Tourismus wurde in England geboren. Nachdem 1804 die erste Dampflokomotive vom Engländer Trevithick gebaut und die erste Bahnlinie 25 Jahre später eröffnet wurde, blieb es Thomas Cook vorbehalten, beides touristisch zu nutzen. Cook organisierte 1841 für 530 Personen eine Gesellschaftsreise per Zug von Leicester nach Loughborough, welche als Geburtsstunde des modernen Tourismus gilt. 1845 eröffnete er in Leicester das erste Reisebüro. 1869 organisierte er die erste Pauschalreise (Aigner, 1992, S. 13 f.). Durch Cook wurde das Produkt Tourismus „genormt, montiert und bezahlbar“ gemacht (Enzensberger, 1962, S. 198). Genormt, indem festgelegt wurde was Sehenswürdigkeiten sind. Montiert, indem Reisen entworfen wurden die den Sehenswürdigkeiten folgen. Bezahlbar, weil sich mehrere Kunden an den Kosten beteiligten. Der Tourismus als Massenprodukt war geboren.

Zur selben Zeit entstanden die modernen Reiseführer. Der Engländer John Murray veröffentlichte 1836 das erste Red Book. Karl Baedeker folgte in Deutschland mit „Die Rheinlande“ im Jahr 1839. Diese neuen Reiseführer wurden zu den Bibeln des Tourismus. Sie beschrieben Sehenswürdigkeiten, empfahlen spezielle Routen und bewerteten Hotels und Restaurants (Enzensberger, 1962, S. 188).

Die Entwicklung des Reisejournalismus begann zaghaft am Anfang des 18. Jahrhunderts. Damals fanden erste Reisebeschreibungen den Weg in die Zeitungen. Diese Entwicklung fand noch vor dem Entstehen des Feuilletons statt. Laut Schmitz-Forte (1995, S. 28) war es die Kölnische Zeitung, die dem Reisebericht zu dieser Zeit eine journalistische Form gab, indem sie einen festen Berichterstatter nach Italien entsandte. Vorher gab es in den Zeitungen eher literarische Reiseberichte, die mehr oder weniger zufällig von verschiedenen Autoren eingeschickt wurden. 1782 erschien die erste deutsche Reisezeitschrift „Der Reisende“ (ebd., S.25).

Inhaltlich waren die Reiseberichte in der Tagespresse bis zum Ende des 18. Jahrhunderts von Belehrungen dominiert. Beim Übergang zum 19. Jahrhundert hielt die Unterhaltung Einzug in den Reisejournalismus (Frey, 1945, in Schmitz-Forte, 1995, S. 25). Da es zuvor nur wenigen Leuten vorbehalten war zu reisen, übernahmen diese auch die Aufgabe, die Daheim Gebliebenen über das Fremde zu informieren und aufzuklären. Mit einem sich entwickelnden Tourismus war es nun einer größeren Anzahl von Leuten möglich, touristisch zu reisen. Eine Belehrung über die Welt war nicht mehr nötig, weil man sie selbst erleben konnte. Um dies zu gewährleisten, musste man die potentiellen Touristen jedoch zum Verreisen animieren. Dies geschah durch die Inkludierung der Unterhaltung in den sich entwickelnden Reisejournalismus, durch welche man den Leser von der Ferne träumen lassen wollte (Groth 1941, in Schmitz-Forte 1995, S. 26).

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erweiterten sich die inhaltlichen Aufgaben des Reisejournalismus erneut. Zur Belehrung und Unterhaltung gesellte sich die Reiseberatung (ebd.,). Alle drei inhaltlichen Formen haben bis heute überlebt.

Am 15. März 1904 erschien in der Vossischen Zeitung die erste Reisebeilage („Für Reisen und Wandern“) einer deutschen Zeitung. Da die Wirtschaft in der Folgezeit durch zwei Weltkriege und eine Weltwirtschaftskrise enorm geschwächt wurde, bediente diese Beilage noch kein Massenpublikum (Aigner, 1992, S. 14).

In Deutschland konnte sich der Trend des Massentourismus erst nach dem zweiten Weltkrieg vollständig durchsetzen. Im Zuge eines wachsenden Wohlstands und einer Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit, war nun ein Großteil der Bevölkerung im Stande touristisch zu verreisen. In den 1950ern entstand ein wahrer Tourismusboom, welcher mit der Tourismusbranche eine neue Industrie auf den Plan rief (Aigner, 1992, S. 14). Zur selben Zeit setzte sich der Reisejournalismus als neues Ressort durch. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung entwickelte sich der Massentourismus und mit ihm ein größeres Publikum für den Reisejournalismus. Diesem Publikum folgte die Wirtschaft. Indem die Tourismusindustrie begann Anzeigen in den Reiseteilen zu schalten, wurde dieses Ressort für immer mehr Zeitungen interessant (ebd.).

Die Hannoversche Allgemeine startete ihren wöchentlichen Reiseteil 1953. Ab dem 16. April 1953 begann die FAZ mit einer täglichen Reiseseite. Insgesamt hatten 1955 96 von 490 Zeitungen in Deutschland einen regelmäßigen Reiseteil (Junge, 1982, S. 30 f.). Dieser Wert erhöhte sich bis 1980, als bereits 93 Prozent aller Zeitungen einen mindestens monatlichen Reiseteil aufwiesen (ebd.).

Ende der 1970er entstanden mit abenteuer und reisen, Traveller’s World und tours die ersten modernen Reisemagazine in Deutschland. Die Großverlage verstanden aber auch in diesem Segment schnell, dass es hier einen potentiellen Anzeigen- und Lesermarkt gab. 1989 starteten daher fast gleichzeitig die Titel Globo (Ringier-Verlag), GEO Saison (Gruner & Jahr) sowie Holiday (Burda) (Benedikt, 1995, S. 15).

Am Anfang des Massentourismus lag ein Großteil der Reiseziele in Europa. Ende der 1980er traten dann vermehrt andere, weiter entfernte Destinationen in den Vordergrund. Höhere Einkommen in den Industrieländern, sinkende Flugpreise und eine globale Vermarktung haben Regionen außerhalb Europas erreichbar gemacht (Scott, 2006, S. 39). Heute ist die Tourismusindustrie einer der wichtigsten Wirtschaftszweige überhaupt und befindet sich weiterhin im Wachstum. Das World Tourism & Travel Council erwartete für 2006 einen weltweiten Umsatz von 6.477 Milliarden US Dollar durch den Tourismus, was einem Anteil am weltweiten Bruttoinlandsprodukt von 10,3 Prozent entspricht (WTTC, 2006). 234,3 Millionen Menschen werden im Tourismus beschäftigt sein; 8,7 Prozent aller Arbeitnehmer auf der Welt (ebd.).

4 Tourismus

Wie in Kapitel 2.4 bereits angesprochen, berichtet der Reisejournalismus in erster Linie über den Tourismus. Aus diesem Grund erscheint es an dieser Stelle der Arbeit notwendig, dem Objekt der reisejournalistischen Berichterstattung Platz einzuräumen. Das folgende Kapitel soll daher, in seinem ersten Teil, einen Überblick der wichtigsten theoretischen Erkenntnisse und Kritikpunkte am Tourismus geben. Im zweiten Teil wird es sich speziell dem Fremdenverkehr in Entwicklungsländer widmen.

4.1 Theoretische Erkenntnisse zum Tourismus

Das Wort „Tourist“ tauchte zum ersten Mal im Jahr 1800 in den Wörterbüchern auf. „Tourismus“ folgte elf Jahre später (Enzensberger, 1962, S. 182). Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Fremdenverkehr setzte aber erst ein, als sich der Massentourismus etablierte. Bis heute hat sich dabei keine umfassende Theorie herausgebildet. Vielmehr beschäftigen sich einzelne Autoren meistens mit spezifischen Feldern innerhalb des Fremdenverkehrs.

4.1.1 Tourismus als Flucht

„Es geht uns alten Europäern übrigens mehr oder weniger allen herzlich schlecht; unsere Zustünde sind viel zu künstlich und kompliziert, unsere Nahrung und Lebensweise ist ohne die rechte Natur, und unser geselliger Verkehr ohne eigentliche Liebe und Wohlwollen. (...) Man sollte oft wünschen, auf einer der Südseeinseln als sogenannter Wilder geboren zu sein, um nur einmal das menschliche Dasein ohne falschen Beigeschmack durchaus rein zu genießen“

(Goethe, 1828, in Bertram, 1997b, S. 101)

In Goethes Ausspruch zeigte sich bereits eine gewisse „Europamüdigkeit“ (Bertram, 1997b, S. 101) und „Paradiessehnsucht“ (ebd.). Mehr als ein Jahrhundert später beschrieb Hans Magnus Enzensberger, einer der ersten der sich Ende der 1950er mit dem Fremdenverkehr wissenschaftlich beschäftigte, den modernen Massentourismus als eine „einzige Fluchtbewegung aus der Wirklichkeit“ (Enzensberger, 1958, S. 701). Dabei ist eine Flucht immer auch Kritik an dem Hinterlassenen (ebd.). Wie im vorherigen Kapitel beschrieben, war die Reise als Selbstzweck bis in das 18. Jahrhundert weitestgehend unbekannt. Die Norm war das Reisen aus existentiellen Gründen, die Ausnahme bildete der Tourismus der Antike. Erst die bürgerliche Revolution injizierte der Gesellschaft einen Drang nach Freiheit. Die englische und deutsche Romantik verlieh dieser Freiheit Bilder, indem sie diese in die Ferne, und hier auf zivilisationsferne, unberührte Landschaften, Folklore und Geschichte, projizierte (ebd., S. 706 ff.). Entdecker und Forscher wurden nun als Reisende gesehen, welche die Gesellschaft verlassen, um Abenteuer, Elementares und Unberührtheit zu erleben. Dieses Privileg der Entfernung aus der eigenen Gesellschaft reklamierte sehr schnell auch das Bürgertum für sich. Es sah es als Menschenrecht an, den Entdeckern in die Freiheit folgen zu dürfen (ebd., S. 710 f.).

Auch Pichler (2006, S. 194) und Weinhäupl (2006, S. 7) stellen den modernen Tourismus als Verlangen nach Glück und Freiheit dar, dessen Ziel die Loslösung von den Zwängen der Gesellschaft ist. Tourismus ist demnach die Flucht aus dem Alltag. Die Touristen suchen nach Abenteuer, Außergewöhnlichem, Fremdem und Exotischem. Das Fremde erfährt seine Faszination aus der Andersartigkeit. Man will Erholung, weil der Alltag Stress ist. Man sucht unberührte Natur, weil diese zu Hause zerstört wird. Das Leben ist eingefahren, weshalb man das Abenteuer sucht. Schließlich sucht man das Glück, welches man in der Heimat nicht gefunden hat und daher in der Fremde vermutet (Bertram 1997b, S. 104). Kurz: In der Fremde wird das Paradies angenommen.

4.1.2 Tourismus und Völkerverständigung

Wie jede Art der Kommunikation, dürfte die Völkerverständigung gerade dort am schwierigsten sein, wo die Unterschiede im Wissen und der Erfahrung sowie in den Werten und Normen zwischen den Kommunikationsteilnehmern am größten sind. Dies trifft vor allem beim Tourismus aus entwickelten Ländern in Entwicklungsländer zu, bei dem die Unterschiede zwischen Reisenden und Bereisten am größten sind.

Frühere Autoren wie Hunziker (1962, in Lüem, 1985, S. 173) und Risch (1966, in ebd.) waren der Meinung, dass Tourismus zur Völkerverständigung beiträgt, und sogar immanent wichtig für diese ist. Aber schon 1965 sagte der Soziologe Georg-Karl von Stackelberg, dass Massentourismus „millionenfach neue Missverständnisse hervorrufen“ wird (vgl. Ossig, 1993, S. 56). Der Grund hierfür besteht darin, dass Touristen in erster Linie in einer eigenen Welt, bestehend aus Hotel, Bar, Strand und Tourbus, eingeschlossen werden. Sie kommen mit der fremden Kultur gar nicht in Berührung. Findet dieser Kontakt dennoch statt, sind die kulturellen Unterschiede zu groß, um sich dem Fremden zu öffnen.

Lüem kennzeichnet drei Voraussetzungen für eine erfolgreiche Völkerverständigung durch den Tourismus (Lüem, 1985, S. 174 f.):

- Touristen müssten sich als Gäste aufführen, die fremde Kultur akzeptieren und versuchen, sich an diese anzupassen.
- Touristen dürfen sich nicht aus einem eurozentrischen Selbstverständnis heraus als kulturell überlegen fühlen.
- Unterschiede müssen von den Touristen als Andersartigkeit und nicht als Unterlegenheit der anderen Seite betrachtet werden.
Diese Voraussetzungen werden laut LÜEM aber nicht erfüllt, da hierzu der Wille und die Fähigkeit fehlen. Folgende Hindernisse gibt es (ebd.):
- Touristen haben meistens nicht die Zeit bzw. Lust, sich mit fremden Kulturen auseinanderzusetzen. Zwei Wochen Urlaub reichen meisten nur, um ein paar Brocken der Sprache aufzuschnappen und darüber hinaus bestehende Stereotypen zu verhärten.
- Bereiste und Reisende haben oft verschiedene Grundbedürfnisse, Werte und Normen (was besonders beim Tourismus in Entwicklungsländern der Fall ist). Auch die Möglichkeiten diese Grundbedürfnisse zu befriedigen sind unterschiedlich groß. Besonders im Falle unterschiedlicher Grundbedürfnisse, Werte und Normen ist ein gegenseitiges Verständnis aber äußerst schwer.
- Sollte sich der Tourist dennoch dem Fremden öffnen, steht er vor dem Problem, aus Gewohnheit das Fremde mit dem Eigenen zu vergleichen, wobei das Bekannte meistens als einzig Richtiges angesehen wird.

Auch Pichler (2006, S. 195) ist der Meinung, dass man das Fremde nie als gleichwertig wahrnimmt, da man es immer nur durch den eigenen, subjektiven, kulturell geformten Blick betrachtet. Dies geschieht auch aus einer gewissen Furcht heraus. Da Menschen in der Regel Angst vor dem Unbekannten haben, werden Klischees geschaffen, welche eine unbekannte Kultur und deren Individuen zu erklären scheinen. Mit dieser Kultur konfrontiert, wird nun versucht, die Klischees zu finden. Der Blick für das Unbekannte wird aus Angst davor verschlossen. Stattdessen wird nach Bestätigung der Vorurteile gesucht, um die vertraute Realität nicht zu zerstören (Luger, 1994b, S. 6).

Die Bedürfnisse von Touristen lassen sich wohl am besten an deren Urlaubsmotiven ablesen. In der jährlichen Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub & Reisen e.V. kam zum Vorschein, dass deutsche Touristen in erster Linie an Entspannung (61%), Auftanken (56%) und Abstand vom Alltag (56%) interessiert sind. Andere Länder (25%) bzw. Einheimische (18%) kennen zu lernen, tauchen erst an Stelle 18 bzw. 22 der Urlaubsmotive auf (Aderhold, 2006, S. 28). Es ist leicht zu sehen, dass das für die Verständigung mit der fremden Kultur enorm wichtige Interesse am Fremden nur spärlich vorhanden ist.

Die von Lüem formulierten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Völkerverständigung können somit in der Regel nicht erfüllt werden. Ziel des Ferntourismus sollte daher vielmehr ein respektvoller Umgang mit den Einheimischen sein (Bertram, 1997b).

4.1.3 Tourismus und die bereiste Kultur

Tourismus ist eine kulturelle Tätigkeit, die sowohl auf den Reisenden als auch auf den Bereisten Auswirkungen hat. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen ist, dass erstere die Wahl haben, ob sie reisen oder nicht. Diese Wahl haben die Bereisten meist nicht. Für sie treffen Tourismusunternehmen bzw. ihre Regierung die Entscheidungen bezüglich des Fremdenverkehrs. Demzufolge sind die Einheimischen einem Kulturwandel ausgesetzt, den sie nicht selbst bestimmen können. Dieser wirkt dafür umso nachhaltiger. Denn begegnen sich Reisende und Bereiste, treffen zwar beide auf verschiedene Kulturen, die Auswirkungen auf die Bereisten sind allerdings um ein Vielfaches größer, da die Reisenden der fremden Kultur meist nur 14 Tage lang ausgesetzt sind (Lüem, 1985, S. 17).

Laut Lüem (1985, S. 58 ff.) führt Tourismus häufig zu einer Akkulturation. Diese findet dann statt, wenn sich Träger verschiedener Kulturen direkt begegnen. Dabei gilt, dass je größer der Unterschied zwischen den aufeinander treffenden Kulturen ist, desto größer sind die möglichen Veränderungen.

Touristen demonstrieren nie ihre gesamte Kultur, sondern immer nur einen Ausschnitt dieser. Die Verpflichtungen und Entbehrungen der Alltagswelt werden im Urlaub nicht präsentiert. Vielmehr wirken Urlauber stets erfolgreich, glücklich, wohlhabend und vergnügt. In den schönsten Wochen des Jahres werden Wohlstand und Müßiggang demonstriert. Das über die letzten zwölf Monate hart verdiente Geld wird in der Reisezeit nur zu gern für Unterhaltung, Restaurantbesuche, Sightseeing und Souvenirs ausgegeben. Man lässt es sich gut gehen. Die Einheimischen vergleichen nun ihre eigene Situation mit der, der Touristen, und bemerken möglicherweise sowohl kulturelle Unterschiede, als auch Ungleichheiten im zur Verfügung stehenden Geld (ebd., S. 68). Die Bereisten werden in diesem Fall versuchen, ihre eigene Lage zu verbessern, indem sie die Urlauber imitieren. Sie beginnen mit der Nachahmung von Äußerlichkeiten und Verhaltensweisen, um der erfolgreicher wirkenden Kultur nahe zu kommen (ebd., S. 70 ff.). Auch das Vergnügen versuchen sie zu kopieren. So belegt Bierwirth (1981, in ebd., S. 72), dass Tunesier immer präsenter in touristischen Vergnügungseinrichtungen werden. Da aber die materiellen Mittel der Einheimischen hierfür oft nicht ausreichen, greifen sie verstärkt zu illegalen Mitteln wie Diebstahl oder Prostitution.

Zu diesen direkten Akkulturationseffekten gesellen sich immer auch indirekte Effekte (Lüem, 1985, S. 77 ff.). Weil Touristen eine potentielle Einnahmequelle für die Bereisten darstellen, versuchen diese sämtliche Bedürfnisse der Reisenden zu befriedigen. Zu diesem Zweck eifern sie Stereotypen nach, welche die Reisenden mit ihnen verbinden. Als Beispiel sei Bugnicourt (1978, in ebd., S. 79) angeführt, welcher darauf aufmerksam macht, dass sich die klassischen Tänze in Afrika zu ordinären Bauchtänzen entwickelt haben. Hierdurch wird die eigene Kultur herabgewürdigt, um an der Touristen Geld zu kommen. Zu einer möglichen Anpassung der Bereisten an die Kultur der Reisenden kommt in diesen Fällen also auch eine Stagnation der eigenen Kultur, indem man Stereotype nachbildet, ohne sich dabei kulturell weiterzuentwickeln.

Lüem (1985, S. 80) argumentiert, dass sich die Neugestaltung der Erwerbstätigkeiten (Herstellung von Souvenirs, Tanzen, Prostitution, Diebstahl etc.) und die Profanisierung der eigenen Kultur tief in die Kultur der Bereisten bohren. Geld gewinnt zudem oft eine völlig neue Bedeutung und steht plötzlich über vielen traditionellen Werten. Durch Migrationsbewegungen schließlich verteilt sich die Akkulturation über das gesamte Kulturgebiet (ebd.).

Vorlaufer (2003, S. 10) ist entgegengesetzter Meinung. Er geht davon aus, dass die Kultur der Bereisten durch den Tourismus gestärkt oder gar wieder belebt wird. Außerdem führt er an, dass die Einnahmen aus dem Tourismus oft der Erhaltung von Kultureinrichtungen, wie Angkor Wat in Kambodscha, zu Gute kommen.

4.1.4 Tourismus und Ökologie

Der Massentourismus hat sich zu einem weltweiten Umweltproblem entwickelt. Dabei sind die negativen Implikationen des Fremdenverkehrs nicht auf die bereiste Natur zu reduzieren, sondern vielmehr räumlich wie zeitlich nicht zu begrenzen (Petermann und Wennrich, 1999, S. 54).

Am Anfang der Urlaubsreise steht die Anreise. Schon hier kommt es zu massiven Umweltverschmutzungen. Der BUND[13] (vgl. Kreisel, Hope, Reeh, 2000, S. 65) nennt den Reisebus als umweltfreundlichstes Verkehrsmittel (gemessen an seinem CO2-Ausstoß). Ihm folgen Bahn und PKW. Das mit Abstand umweltgefährdendste Reisemittel ist das Flugzeug. Die reale Verkehrsmittelnutzung ist dabei eine andere. Laut F.U.R.[14] (F.U.R., 2006b) ist das Auto das beliebteste Reiseverkehrsmittel. Ihm folgt das Flugzeug, welches in den letzten Jahren, dank der starken Zunahme von Auslandsreisen, immer wichtiger für die Urlaubsanreise wurde. Bei den Auslandsreisen ist das Flugzeug bereits das meistgenutzte Reiseverkehrsmittel (F.U.R., 2006a). Die umweltfreundlicheren Verkehrsmittelalternativen Bus und Bahn spielen nur eine untergeordnete Rolle. Durch dieses Reiseverhalten kommt es zu einem starken Ausstoß von Kohlendioxid, welches den Treibhauseffekt verschärft. Dabei nimmt man an, dass der Flugverkehr ungefähr doppelt so stark zum Treibhauseffekt beiträgt wie der Straßenverkehr (Gößling, 1997, S. 93).

Am Urlaubsort angekommen, kommt es zu negativen Auswirkungen des Tourismus auf die örtliche Ökologie. Die für den Tourismus benötigte Infrastruktur führt zu einem enormen Flächenverbrauch. Der Bau von Straßen, Flughäfen, Hotels, Restaurants, Schwimmbädern, Skiliften etc. resultiert oft in einer Zerstörung von Ökosystemen und dem Verlust von Flora und Fauna (Pleumaron, 1997, S. 78 f.). Vor Bali wurden dabei ganze Korallenriffe abgetragen, um Baumaterial für Ferienanlagen zu gewinnen (ebd., S. 74). Durch Überbauung von Stränden mit Gebäuden, Straßen und Uferbefestigungen, kommt es außerdem zu Stranderosionen, die eine Zerstörung von Meeresbiotopen zur Folge haben (ebd.).

Touristen haben in der Regel einen deutlich gesteigerten Wasser- und Energiebedarf. Um diesen zu befriedigen kommt es, besonders in ärmeren Ländern, oft zu Ressourcenverknappungen. Verstärkt wird dieses Problem durch den Fakt, dass Touristen oft in regenarme Regionen reisen und das mit Vorliebe in den trockenen Jahreszeiten (Petermann und Wennrich, 1999, S. 56). Dies kann unter Umständen zu einer Absenkung des Grundwasserspiegels in den betroffenen Regionen führen, welcher wiederum eine Verknappung von Trinkwasser und landwirtschaftlichem Nutzwasser zur Folge hätte. Zudem erhöhen Klimaanlagen den Energieverbrauch um ein Vielfaches (Pleumaron, 1997, S. 78 f.). Der gesteigerte Nahrungsbedarf resultiert oft in einer Überfischung von Küstengewässern.

Die durch den Tourismus erhöhten Abwasser- und Abfallaufkommen können besonders ärmere Regionen oft nicht auffangen. So entstehen willkürliche Müllhalden und es kommt zu einer Einleitung von Abwasser in Flüsse, Seen und das Meer (Petermann und Wennrich, 1999, S. 56). In der Folge sterben Tiere, weil sie sich an Abfällen vergiften oder aber ihre natürlichen Instinkte wegen des Müllverzehrs verlieren (Pleumaron, 1997, S. 76).

Schließlich sind es die touristischen Aktivitäten vor Ort, die zu einer ernsthaften Belastung des Ökosystems führen. So kommt es durch Geländefahrzeuge und Wanderungen zu Bodenerosionen und Trittschäden. Wasserfahrzeuge verschmutzen die Gewässer und führen zu Lärmbelästigungen der Tiere (ebd., S. 78 f.). Unsachgemäßes Ankern und das Abbrechen von Korallen führen zu Schäden an Riffen (ebd., S.75). Die Mitnahme von Souvenirs kann zu einer Verringerung von Pflanzen- und Tierarten führen (ebd. S. 78 f.).

Auf der anderen Seite ist der Tourismus, wie kein zweiter Wirtschaftszweig, darauf angewiesen, Wirtschaft und Umwelt unter einen Hut zu bringen. Laut Vorlaufer (2003, S. 11) gibt es daher auch Beispiele dafür, dass Tourismus den Umweltschutz fördert. So haben Reisende das Bedürfnis nach Sauberkeit und einer intakten Natur. Die Bereisten nehmen dies war, und versuchen auf die Wünsche der Touristen einzugehen. So werden in Simbabwe Tierarten in Nationalparks geschützt, weil sie Touristen anlocken. In Thailand gibt es die modernsten Müllverbrennungsanlagen in den Touristengebieten, nicht etwa in anderen Zentren. Tourismus lebt von einer intakten Natur. Weshalb es die Hoffnung gibt, dass die Tourismuswirtschaft selbst zum Naturschutz beitragen wird. Hierfür gibt es verschiedene Vorschläge für einen nachhaltigen Tourismus.

4.1.5 Nachhaltiger Tourismus (oder sanfter Tourismus)

Der Kerngedanke des vom Österreicher Robert Jung 1980 in der Zeitschrift GEO erstmals vorgestellten Konzepts des „sanften“ Tourismus ist es, die negativen Implikationen des Tourismus, wie in den Kapitel 4.1.2 bis 4.1.4 beschrieben, zu verringern (Müller, 1996, S. 32). Jung unterschied in sanftes und hartes Reisen. Die harte Art des Tourismus ist demnach das schnelle Reisen und das Abarbeiten von Sehenswürdigkeiten, ohne dabei auf die touristische Reise vorbereitet zu sein. Harter Tourismus hat sowohl negative Folgen für die natürliche als auch die soziale Umwelt des Gastlandes und mindert zudem den Erholungswert des Urlaubs. Die Lösung sollte der sanfte Tourismus bieten, welcher sich stärker als andere Formen des Fremdenverkehrs an den Bedürfnissen der bereisten Natur und Kultur orientiert (ebd.). Kristges (1992, in ebd., S. 33) dämpfte allerdings die Erwartungen an den sanften Tourismus, indem er feststellte, dass jede Art des Fremdenverkehrs negative Folgen für soziale und natürliche Umwelt hat. Auch Bertram (1997a, S. 224) kritisiert, dass das Konzept des sanften Tourismus oft stark elitär daher kommt und sich nicht am Erholung und Freiheit suchenden Durchschnitts-Touristen orientiert.

Sanfter Tourismus ist dennoch ein umweltverträglicherer und sozialverantwortlicherer Fremdenverkehr. Ziel ist dabei die Schaffung von Formen des Tourismus, die allen Beteiligten möglichst nutzen und gleichzeitig die ökonomischen (welche in Kapitel 4.2.2 besprochen werden), ökologischen und soziokulturellen Nachteile minimieren (Wörgötter, 1993, S. 27). Hasslacher sieht dabei vier Basiselemente für einen sanften Tourismus (Hasslacher, 1992, S. 35):

- naturnahe Tourismusangebote (z.B. „Urlaub auf dem Bauernhof“; naturkundliche Bildung),
- landschaftlich schonende touristische Erschließung (z.B. Kapazitätsobergrenzen; Umweltverträglichkeitsprüfungen),
- soziokulturelle Verträglichkeit (z.B. Erhaltung und Förderung einheimischer Kultur; keine Entfremdung der Sitten und Bräuche) und
- Einbindung der touristischen Entwicklung in eine eigenständige regionale Entwicklung (z.B. Verhinderung einer monostrukturellen Abhängigkeit vom Tourismus, daher Förderung von Landwirtschaft, Handwerk und Kleingewerbe; stärkere Beteiligung der regionalen Bevölkerung am Tourismus).

Als ein Beispiel für sanften Tourismus sei das von einigen Fluggesellschaften angebotene Rail&Fly-Ticket angeführt. Dieses, im Flugpreis enthaltene Bahnticket, ermöglicht die Anreise zum Flughafen mit der Bahn, dem umweltfreundlichsten Verkehrsmittel (Kreisel, Hoppe, Reeh, 2000, S. 77). Auch Angebote von Bahn- und Busreisen in das europäische Ausland, alternativ zu Reisen mit dem Flugzeug, können als solche Initiativen betrachtet werden (ebd.). Andere Projekte zielen eher auf einen sanften Tourismus im Zielgebiet ab. So kann man die Zahl der Touristen unter Einbeziehung der ökologischen und kulturellen Belastungsgrenzen beschränken. Baulich kann ein landestypischer Stil bevorzugt werden (ebd., S. 80). Ökologische Mindestmaßnahmen wären zum Beispiel eine Verkehrsberuhigung, etwa durch Einkaufsmöglichkeiten vor Ort, Mülltrennung und ausreichende Abfallbeseitigung, Gewässerschutz etc. (ebd., S. 80). Kurz: Alles was den vom Tourismus hervorgerufenen Problemen entgegen wirkt, kann als nachhaltiger bzw. sanfter Tourismus bezeichnet werden.

4.1.6 Kritik an der Tourismuskritik

Ein Großteil der wissenschaftlichen Literatur über den Tourismus sieht diesen durchaus negativ. Wie oben bereits dargestellt, zieht sich die Tourismuskritik von Vorwürfen der Kompensation gesellschaftlicher Zwänge über eine, aus Gründen der Ignoranz, gescheiterte Völkerverständigung bis hin zu den negativen Auswirkungen des Reisens auf Ökologie, Ökonomie und Soziokultur. Dabei verkennt all diese Kritik aber, dass der Tourismus auch positive Ansätze hat.

Tourismus ist für den Reisenden auch Erholung von den Strapazen des Alltags, Spaß und Vergnügen (Bertram 1997a, S. 220). Weiter ist die Flucht nicht das einzige Motiv für eine Urlaubsreise, sondern auch das Interesse an Geselligkeit und Umwelterfahrung (ebd., S. 222). Der Fremdenverkehr erfüllt somit Bedürfnisse der Reisenden wie Entspannung, Geselligkeit und Bildung.

4.2 Tourismus in Entwicklungsländern

Touristische Ziele in Entwicklungsländern verspüren die negativen ökologischen und soziokulturellen Folgen des Fremdenverkehrs am stärksten, was nicht zuletzt an ihrer stärkeren wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Tourismus liegt (Bertram, 1997a, S. 222). Zudem wird die Völkerverständigung zwischen Reisenden und Bereisten durch unterschiedliche Kulturen, Werte und Bedürfnisse erschwert.

4.2.1 Entwicklung und aktuelle Zahlen

Seit den 1970ern nimmt die Zahl der Touristenankünfte in Entwicklungsländern deutlich zu. Betrug sie 1978 noch 27,3 Millionen konnte man 20 Jahre später bereits 189,7 Millionen Besucher verzeichnen. Auch der Marktanteil von Entwicklungsländern am Welttourismus ist in dieser Zeit von elf Prozent auf 30,34 Prozent gestiegen. Allein zwischen 1990 und 1997 wuchsen die Einnahmen der Entwicklungsländer aus dem Tourismus um 9,7 Prozent (Beyer, 2006, S. 132). Für ein Drittel aller Entwicklungsländer ist der Fremdenverkehr die Haupteinnahmequelle (Häusler, 2001, S. 2).

4.2.2 Tourismus und wirtschaftliche Entwicklung

Tourismus ist weltweit ein starker wirtschaftlicher Faktor, was nicht zuletzt die oben genannten Daten zeigen. Für Entwicklungsländer gibt es allerdings auch durchaus problematische Folgen, weshalb die ökologischen Aspekte des Tourismus im Abschnitt der Entwicklungsländer, und somit ausschließlich für diese, betrachtet werden.

Entwicklungsländer verfolgen den Tourismus vorrangig, um ihre Deviseneinnahmen zu erhöhen sowie Arbeitsplätze zu schaffen. Entsprechend sieht die UNCTAD[15] den Fremdenverkehr als wichtigstes Mittel zur Bekämpfung von Armut in den von der UN als Least Developed Countries eingestuften Ländern. Diese sollen denjenigen Staaten nacheifern, welche, wie Thailand, Tunesien oder die Seychellen, das Einkommen ihrer Bevölkerung durch die Investition in den Tourismus bereits erfolgreich anheben konnten (Vorlaufer, 2003, S. 5). Problematisch ist allerdings, dass, je nach Entwicklungsstand eines Landes, fünf bis 80 Prozent der Deviseneinnahmen als „Sickerrate“ wieder aus dem Land ablaufen. Grund sind Importe, welcher es bedarf, um den Tourismus zu entwickeln bzw. die Touristen zu ernähren (Beyer, 2006, S. 132). Dabei sind besonders kleine Länder von hohen Sickerraten betroffen. Allerdings verteilen sich die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr in diesen Ländern auch auf weniger Einwohner, was zur Folge hat, dass die Nettodeviseneffekte pro Kopf oft höher sind als in Ländern mit geringerer Sickerrate (Vorlaufer, 2003, S. 8). Viele Entwicklungsländer haben zudem nicht das nötige Kapital, um eine konkurrenzfähige Tourismusbranche aufzubauen. Daher sind sie gezwungen, internationale Kredite aufzunehmen oder ausländische Investoren zu beteiligen (Beyer, 2006, S. 133).

Die Tourismusbranche schafft mit relativ geringen Investitionen relativ viele Arbeitsplätze (Vorlaufer, 2003, S. 8). Dieses sind allerdings meist nur saisonale und niedrigqualifizierte Positionen mit geringem Lohn (Beyer, 2006, S. 134). Problematisch ist der hohe Anteil von Kinderarbeit im Tourismussektor. Zehn bis 15 Prozent aller weltweiten Arbeitskräfte im Fremdenverkehr sind Kinder (ebd.). Zudem führt Tourismus oft zu einem Preisanstieg. Besonders Preise für Grundstücke und Immobilien steigen rapide. Dadurch erhöhen sich die Lebenshaltungskosten, insbesondere für Einheimische die nicht an der Einkommensentwicklung durch den Tourismus teilhaben (Müller, 1996, S. 33).

Als ein besonders eklatantes Beispiel für negative touristische Implikationen in Entwicklungsländern gilt die Kinderprostitution. Wie Untersuchung der UNICEF zeigen, ist mit einem Anstieg des Tourismus in südlichen Ländern auch die Kinderprostitution gestiegen (Winkler, 2006, S. 247). UNICEF schätzt, dass sich weltweit ca. zwei Millionen Kinder prostituieren. Besonders Armut und geringe Bildungs- und Berufschancen werden als Gründe hierfür angegeben (ebd.). Allerdings ist auch hier zu sagen, dass es längst nicht in allen Entwicklungsländern zu Kinderprostitution durch den Fremdenverkehr kommt.

[...]


[1] Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit beschränkt sich diese Arbeit auf die Verwendung der männlichen Form. Das weibliche Geschlecht ist dennoch stets mitgedacht.

[2] Einzig die Arbeit von Auer (1991) untersuchte mit GEO Special und Holiday zwei Zeitschriften. Schmitz-Forte (1995), Wörgötter (1993), Karnbrock (1983, in Schmitz-Forte, 1992) und LENTSCH (1988, in Luger, 1990) konzentrierten sich ausschließlich auf Tageszeitungen. TÜTING (1988) beschränkte sich auf die Analyse von Reisekatalogen.

[3] Die Bedeutung des Begriffs Entwicklungsländer innerhalb dieser Arbeit wird in Kapitel 2.3 definiert.

[4] Die Bedeutung der Begriffe Special- und General-Interest-Zeitschriften innerhalb dieser Arbeit wird in Kapitel 2.5 definiert.

[5] Diese Definition folgt der generellen Ansicht der Literaturwissenschaft, die sämtliches Schrifttum unter dem Terminus „Literatur“ subsumiert (Pichler, 1994, S. 14).

[6] Ich möchte den Term „Reisebericht“ und nicht die Bezeichnung Pichlers („Reiseliteratur mit Bezug auf eine reale Reise“) verwenden, weil „Reisebericht“ auch von den meisten anderen Autoren verwendet wird.

[7] Dies bestätigen auch Kleinsteuber und Lühmann (2001), die auf die Bedeutung des Wortes „jour“ (Tag) aufmerksam machen, und somit die Periodizität als Merkmal des Journalismus ausmachen.

[8] Gemeint sind wirklich nur die untersuchten Medien. Besonders im geschichtlichen Teil der Arbeit wird nicht strikt zwischen Reisejournalismus und Reiseliteratur getrennt, da eine Unterscheidung in diesem Kontext als unmöglich erscheint.

[9] Der Begriff Ohrensessel-Reisende beschreibt Personen, die nicht real reisen, sondern die Lektüre von Reiseliteratur oder Reisejournalismus nutzen, um die beschriebenen Destinationen in ihrer Phantasie zu besuchen.

[10] Eine erschöpfende Auflistung aller Länder der einzelnen Gruppen befindet sich im Anhang der Arbeit

[11] Bei dieser Argumentation wird von der Klassifizierung der Weltbank ausgegangen. Man könnte auch wie die Vereinten Nationen (Vereinte Nationen, 2005b) davon ausgehen, dass ein entwickeltes Land neben einem hohen Pro-Kopf-Einkommen auch eine gewisse ökonomische Stabilität sowie einen hohen Bildungs- und Gesundheitsstandard braucht, um als entwickelt zu gelten. Diese Faktoren können allerdings als abhängig vom Einkommen einer nationalen Wirtschaft betrachtet werden.

[12] Dieser Wert beschreibt die Schwelle zwischen upper-middle-income economies und high-income economies in der Klassifizierung der Weltbank (Weltbank, 2006a).

[13] Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland

[14] Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V.

[15] United Nations Conference on Trade and Development

Ende der Leseprobe aus 161 Seiten

Details

Titel
Qualität im Deutschen Reisejournalismus
Untertitel
Untersuchung von Qualitätskriterien in der Berichterstattung über Entwicklungsländer in ausgewählten Zeitschriften
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Publizistik- und Kommunikationswissenschaft)
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
161
Katalognummer
V84452
ISBN (eBook)
9783638892858
ISBN (Buch)
9783656206835
Dateigröße
1286 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Qualität, Reisejournalismus, Journalismus, Deutscher Reisejournalismus, Magazine, Presse, Tourismus, Zeitschriften, Entwicklungsländer, Qualitätskriterien, Jouralistische Qualität
Arbeit zitieren
Nico Meissner (Autor:in), 2007, Qualität im Deutschen Reisejournalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84452

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