Konsequenzen der Liberalisierung der deutschen Stromwirtschaft im europäischen Vergleich


Diplomarbeit, 2007

78 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Vorwort

1 Einleitung

2 Entdeckung der Elektrizität und deren Bedeutung heute
2.1 Weltenergiemarktsituation
2.2 Bedeutung des Standortfaktors Energie für die Gesamtwirtschaft

3 Entwicklung und Struktur der Stromversorgung in Deutschland
3.1 Akteure
3.1.1 Erzeuger
3.1.2 Zwischenhändler
3.1.3 Abnehmer
3.2 Versorgungsnetz und Zuverlässigkeit

4 Energieträger für die Stromerzeugung in Deutschland
4.1 Kernenergie
4.2 Braunkohle
4.2.1 Steinkohle
4.3 Erdgas
4.4 Erneuerbare Energiequellen

5 Der Strompreis und seine Entwicklung in Deutschland
5.1 Zusammensetzung des Strompreises
5.1.1 Stromsteuer
5.1.2 Konzessionsabgabe
5.1.3 Abgabe aus dem Erneuerbare Energie Gesetz (EEG)
5.1.4 Abgabe aus dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWK)
5.1.5 Abgabe aus der Mehrwertsteuer (MWst)
5.1.6 CO2-Verschmutzungszertifikate
5.2 Strompreisentwicklung in den ersten Jahren der Liberalisierung (1998-2002)
5.3 Weitere Strompreisentwicklung im Zuge der Liberalisierung ab 2002
5.4 Unbundling
5.5 Wettbewerbsmodelle
5.5.1 Durchleitungsmodell
5.5.2 Poolmodell
5.5.3 Alleinabnehmermodell

6 Wesentliche Änderungen des Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) als Anstoß zur Liberalisierung

7 Liberalisierung des deutschen Strommarktes
7.1 Gewinner
7.2 Verlierer und Gründe
7.3 Zukünftige Entwicklungen am Markt
7.4 Lösungsansätze für mehr Wettbewerb

8 Strommarkt in Europa
8.1 Marktöffnung auf europäischen Strommärkten
8.1.1 Norwegen
8.1.2 Finnland
8.1.3 Österreich
8.1.4 Großbritannien
8.2 Stromhandel in Europa
8.2.1 Strombörsen
8.2.2 Stromexport/-import
8.3 Strompreisentwicklungen
8.4 Zukünftige Entwicklung auf dem europäischen Strommarkt
8.5 Lösungsansätze für einen verbesserten europäischen Strommarkt

9 Zusammenfassung

10 Literaturverzeichnis

11 Internetquellen

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1. Struktur der deutschen Stromversorgung (Heuraux, 2004, S. 41)

Abbildung 2. Versorgungsgebiete der neun Verbundunternehmen 1997
(Heuraux, 2004, S. 46)

Abbildung 3. Versorgungsgebiete der sechs Großen 1999 und der vier Großen 2002
(Heuraux, 2004, S. 47)

Abbildung 4. Markteilnehmer im Stromhandel (Gerke, 2000, S. 24)

Abbildung 5. Verbrauchsanteile nach Kundenkategorien 2003 (Heuraux, 2004, S. 90)

Abbildung 6. Anteile der Energieträger an der Stromerzeugung 2006 (URL: http://www.ag-energiebilanzen.de/daten/inhalt1.php#a7 [11.08.2007])

Abbildung 7. Zusammensetzung Strompreis Tarifkunde

Abbildung 8. Strompreisentwicklung Haushaltskunden 1998-2002 (URL: http://www.e-control.at/portal/pls/portal/docs/123154.PDF [20.08.2007])

Abbildung 9. Strompreisentwicklung der Haushaltskunden in Europa

Tabelle 1. Öffnung der Energiemärkte in Europa, Stand: 2005 (in Anlehnung an Bardt, 2005, S. 32)

Tabelle 2. Import und Export von Strom nach/ von Deutschland im Jahr 2006 (URL: http://www.vdn-berlin.de/stromaustausch2006.asp [29.08.2007])

Tabelle 3. Anteil der Steuerbelastung am Strompreis 2005 (in Anlehnung an Bardt, 2005, S. 38)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vorwort

Im Laufe meines betriebswirtschaftlichen Studiums wurde mir bewusst, dass der Fachrichtung Internationale Wirtschaft mit ihrer Vielfältigkeit, welche die unterschiedlichsten Bereiche beinhaltet, mein höchstes Interesse galt. Durch meine drei Langzeitaufenthalte in den USA und Irland, darunter zwei Auslandssemester, vertiefte sich mein bereits erlangtes Wissen um das Ausland, und dessen wirtschaftliche Verflechtungen mit Deutschland. Der Ausbau von wirtschaftlichen Aktivitäten untereinander und die weltweite Vernetzung im Zuge der Globalisierung machen den Schwerpunkt Internationale Wirtschaft für mich interessant und das Fachgebiet aktuell. Im Zuge meines Studiums entschied ich mich somit konsequenterweise, die Fachrichtung Internationale Wirtschaft weiter zu vertiefen und zu meinem Schwerpunktfach zu machen. Die Anfertigung der Diplomarbeit in dieser Fachrichtung soll mein bereits erlangtes Wissen widerspiegeln und einen erfolgreichen Abschluss meines betriebswirtschaftlichen Studiums darstellen. Aufgrund eines gewandelten Energiemarktes weltweit und seiner ständigen Aktualität halte ich das Thema „Konsequenzen der Liberalisierung der deutschen Stromwirtschaft im europäischen Vergleich“, als ideal für meine Abschlussarbeit in meinem Schwerpunktfach Internationale Wirtschaft.

Für die exzellente und vorbildliche hochschulseitige Betreuung im Rahmen meiner Diplomarbeit danke ich Herrn Prof. Dr. Dietmar Knies von der Fachhochschule Nordhausen.

1 Einleitung

Im Verlauf der vorliegenden Arbeit werden der deutsche Elektrizitätsmarkt sowie einzelne Märkte in Europa dargestellt und die wesentlichen Konsequenzen der Liberalisierung erläutert. Dabei wird besonders auf die Preisentwicklung vor und während der Liberalisierung in Deutschland eingegangen.

Des Weiteren werden mehrere europäische Strommärkte und deren Marktöffnung vorgestellt und der europäische Stromhandel im Allgemeinen behandelt. Eine Betrachtung der Strompreisentwicklungen und mögliche Vorschläge für einen verbesserten Handel auf den europäischen Märkten finden sich in den letzten Kapiteln wieder.

Mit dem Erlass des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts der Bundesregierung im Jahr 1998 wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Liberalisierung auf dem Elektrizitätsmarkt in Deutschland geschaffen. Erst nach diesem Entscheid seitens der Politik kam Bewegung in den Markt. Vor der Liberalisierung wurde die Elektrizität von Gebietsmonopolisten an die Verbraucher verteilt und dadurch der Wettbewerb verhindert. Die Elektrizitätsversorger hatten ihre eigenen, untereinander aufgeteilten Versorgungsgebiete. Mit bestehenden Demarkationsverträgen und gegenseitigen Verpflichtungen der Energieversorgungsunternehmen (EVU) untereinander standen sie nicht in Konkurrenz zu einander. Somit wurde der freie Wettbewerb, wie wir ihn aus anderen Branchen und Bereichen in der Wirtschaft kennen, verhindert. Einen wesentlichen Anteil an der Öffnung des deutschen Strommarkts hatte der Markt für Telekommunikation, der in gewisser Weise als Vorbild für einen wettbewerbsträchtigen Markt galt. Die ähnlichen Strukturen der beiden Märkte Strom und Telekommunikation, beide sind leitungsgebundenen Systeme, lassen Vergleiche zu. Die Gemeinsamkeit und die Vergleichbarkeit der Märkte hatten zur Folge, dass eine Deregulierungsdebatte auch für den Elektrizitätsmarkt in Gang kam. Zudem kam noch fördernd hinzu, dass mit dem Erlass der EG Richtlinie 96/92/EG durch die Europäische Gemeinschaft das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) in Deutschland seine Umsetzung fand. Damit war der gesetzliche Weg für Wettbewerb auf dem Elektrizitätsmarkt geebnet. Ab dem 29. April 1998 war der Markt theoretisch auch für Anbieter aus dem Ausland frei zugänglich.[1]

2 Entdeckung der Elektrizität und deren Bedeutung heute

Zunächst ist auf zwei Begrifferklärungen einzugehen, welche für die Darstellung des Themengebiets „Liberalisierung des deutschen Strommarkts“ unerlässlich sind. Was versteht man unter Strom oder Elektrizität bzw. Liberalisierung?

„Elektrizität bezeichnet die Gemeinsamkeit aller Erscheinungen, die auf ruhende oder bewegte elektrische Ladungen zurückzuführen sind. Elektrische Ladungen bilden stets ein elektrisches Feld. Durch Bewegung elektrischer Ladungen entstehen magnetische Felder.“[2]

„In unserer Marktwirtschaft versteht man unter dem Begriff Liberalisierung die freie Entfaltung der marktwirtschaftlichen Kräfte ohne Behinderung durch staatliche Eingriffe bzw. deren Begrenzung auf ein Mindestmaß“[3]

Wenn man von der Entdeckung der Elektrizität spricht, dann tauchen die Namen von zwei technischen Pionieren in den Geschichtsbüchern auf, die mit ihren Erfindungen maßgeblich an der Entdeckung und Anwendung des elektrischen Stroms beteiligt sind, Werner von Siemens und Thomas Edison.

Aber schon lange vor ihrer Zeit, im Steinzeitalter, kam die Menschheit mit elektrischer Energie und physikalischen Kräften in Berührung. Der Nutzen von Blitzeinschlägen für die Wärmegewinnung und zum Feuermachen wurde sehr schnell erkannt. Dies waren die ersten nützlichen Erfahrungen, die die Menschheit mit elektrischer Energie machte.

Vor ca. 150 Jahren brachte der Erfinder Werner von Siemens mit seiner Innovation den Stein ins Rollen. Werner von Siemens, geboren 1816 in der näheren Umgebung Hannovers und Sohn eines Landwirts, hatte schon früh das Interesse an physikalischen Experimenten für sich entdeckt. Aus finanziellen Gründen schlug Siemens aber zuerst eine Laufbahn im militärischen Bereich ein. Jedoch war sein Interesse für die Wissenschaften Mathematik, Physik und Chemie ungebrochen und so forschte und experimentierte Werner von Siemens in seiner Freizeit eifrig weiter. Das Militär war der ausschlaggebende Antrieb für weitere physikalische Forschungen. Schon bald wurde Siemens zur Ingenieursschule abkommandiert, was seinen Interessen und Fähigkeiten voll entsprach. Der Eifer und das Interesse, mit anderen Studenten an Forschungsprojekten aktiv beteiligt zu sein, nannte Siemens später als einen der Gründe für seine erfolgreiche wissenschaftliche und unternehmerische Laufbahn.

Mit Werner von Siemens‘ Erfindung einer elektrischen Dynamokraftmaschine 1866 konnte erstmals elektrische Energie gewonnen werden und im großen Stil industrielle Verwendung finden.[4] Im Jahre 1881 baute Siemens dann die erste elektrisch angetriebene Straßenbahn in Berlin. Doch spätestens mit der stark verbesserten Version der Glühbirne von Thomas Edison im Jahre 1915 zog der elektrische Strom in den Alltag der Bürger ein. Die bisherigen, mit Gas betriebenen Straßenbeleuchtungen wurden schnell im Laufe der Jahre durch Laternen mit elektrischen Glühbirnen ersetzt. Damit war der Weg frei und der elektrische Strom fand nach und nach mehr Einsatzgebiete in alltäglichen Lebensbereichen.[5]

Schon bald waren elektrische Energie und Maschinen, die mit Elektrizität betrieben wurden, im Haushalt nicht mehr wegzudenken. Neue revolutionäre Erfindungen wie Fernseher und Radio traten in Erscheinung und fanden letztendlich ihren Ursprung durch die Entdeckung von elektrischer Energie. Mit Haushaltsgeräten für die Küche kamen weitere Strom betriebene Maschinen auf den Markt. Elektrischer Strom wurde schon bald zur Normalität im alltäglichen Leben und war daraufhin nicht mehr wegzudenken. Damals, mit den ersten Erfindungen von elektrisch betriebenen Maschinen, galt eine derart betriebene Maschine als Luxus und war nur privilegierten Auserwählten zugänglich.

Heutzutage ist Strom etwas Alltägliches und Normales. Geräte und Maschinen, die mit elektrischer Energie betrieben werden, lassen sich in allen Lebensbereichen wieder finden und ohne den Strom ist ein Leben für uns nicht mehr vorstellbar. Ein Leben ohne den Strom aus der Steckdose wäre zumindest in unserem Kulturkreis unerträglich. Strom bedeutet in erster Linie Lebensqualität. Ohne Strom würden keine Maschinen oder Heizungen funktionieren. Allein die Wasserversorgung wäre ohne Elektrizität nicht durchführbar. Wie es ist ohne Strom zu leben und wie elektrische Energie in unserem alltäglichen Leben verankert ist, merkt man dann erst, wenn ein Stromausfall uns direkt betrifft. Schon wenige Stunden ohne Strom komplizieren unsere Lebensweise in einer Form, dass Vorkehrungen getroffen werden, um im Fall eines Ausfalls möglichst wenig Schaden zu erleiden. Die Zeit ohne Strom stellt oftmals eine Qual dar und wir sehnen uns nach der Wiederinbetriebnahme. Ganz zu schweigen von den wirtschaftlichen Folgen eines Stromausfalls. Heutzutage fügen Stromausfälle der Wirtschaft immense finanzielle Schäden zu.

2.1 Weltenergiemarktsituation

Immer wichtiger werden regenerative Energiequellen für die Energieerzeugung. Fossile Brennstoffe werden in naher Zukunft nicht mehr verfügbar sein. Doch die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen ist weiterhin ungebrochen und erfährt neue Höhen. Bis zum Jahr 2030 wird die Nachfrage nach Erdöl um jährlich 1,3 % steigen. Damit bilden die Energieträger Erdöl, Erdgas und Kohle weiterhin einen großen Anteil am Energiemix weltweit. Trotz unge­bremster Nachfrage nach herkömmlichen Energieträgern befinden sich die regenerativen Energiequellen und Technologien auf einem aufsteigenden Ast. Schon heute nehmen Biomasse, Solar- und Windenergie einen kleinen Anteil am Energiemix weltweit ein. Vor allem wohlhabende Länder setzen verstärkt auf Energie aus sauberen Energieträgern. Laut IEA (International Energy Agency) könnten erneuerbare Energien im Fall eines weiterhin anhaltenden Wachstums einen Anteil von ca. 14% am weltweiten Energiemix ausmachen.[6] Einen großen Beitrag zu weiterem Fortschritt auf dem Gebiet der regenerativen Energiequellen haben die Verpflichtungen von Kyoto geleistet. Mit der Verabschiedung des gleichnamigen Protokolls (Kyotoprotokoll) wurde ein Aktions- und Maßnahmenbündel zum Schutze der Umwelt beschlossen. Mit der Ratifizierung Russlands am 16. Februar 2005 trat das Protokoll in Kraft.[7] Der Weltenergiemarkt hatte seine Hauptakteure bis vor kurzer Zeit hauptsächlich in Mitteleuropa und Nordamerika. Doch schon seit einigen Jahren treten Schwellenländer wie Mexiko, Indien und China immer mehr in den Fokus der Energiepolitik. China mit explosionsartigem Wachstum und der damit verbundenen riesigen Nachfrage nach Energie wird in Zukunft eine existenzielle Aufgabe in der reibungslosen Versorgung mit Energie zu lösen haben. Schwerpunkte werden sein, die Nachfrage nach Energie ausreichend zu decken und mit Zuverlässigkeit gewährleisten zu können. Dabei wird entscheidend sein, welche Strategie die Schwellenländer bei der Planung des Energiemix anwenden.

2.2 Bedeutung des Standortfaktors Energie für die Gesamtwirtschaft

Mitunter ein sehr ausschlaggebender Grund für oder gegen einen Standort der Produktionsstätten eines Unternehmens sind die Kosten für Energie. Hohe Energiekosten eines Landes im internationalen Vergleich können sich negativ auf die Wahl eines Standorts auswirken. Das trifft speziell auf Branchen im produzierenden Gewerbe zu. Produktionsstätten im produzierenden Gewerbe haben bei der Leistungserstellung einen sehr hohen Energieverbrauch. Beispielsweise entfallen in der Metallindustrie bis zu 39% der Gesamtkosten auf den Kostenbereich Aufwendungen für Energie. Deswegen ist eine Entscheidung für oder gegen den Produktionsstandort im Land XY wesentlich abhängig von aktuellen und den prognostizierten zukünftigen Energiepreisen.[8] Der Unternehmer ist immer gewillt am kostengünstigsten zu produzieren, um die Gewinnspanne zu erhöhen. Aus diesem Grund werden meist Standorte gewählt, an denen die bestmöglichen Bedingungen für sein Vorhaben herrschen. Dabei kann auch die Sicherheit, bspw. die Zuverlässigkeit und Qualität der Stromversorgung, eine wichtige Rolle in den Überlegungen der Standortentscheidung einnehmen. Eine Wahl für einen Produktionsstandort, an dem niedrige Strompreise herrschen, kann der entscheidende Wettbewerbsvorteil gegenüber der weltweiten Konkurrenz bedeuten. Der Entschluss eines Unternehmers für oder gegen den Aufbau eines Industriestandortes in einem Land hat große Bedeutung für den betreffenden Arbeitsmarkt. Aus der Tatsache, dass mit Entstehung von Gewerbe und Industrie Arbeitsplätze für die Region geschaffen werden, steht und fällt die Arbeitsmarktsituation mit den Standortentscheidungen der Unternehmen. In gewisser Weise kann man sagen, dass die Energiepolitik der Regierung in einem Land Einfluss auf die Standortplanung von Industrie und Gewerbe haben kann. Ohne die ausreichend vorhandene Verfügbarkeit von Energie kann eine Volkswirtschaft nicht wachsen, deswegen hat die Politik bei der Planung und Steuerung der Energieversorgungsstrategie eine große Mitverantwortung für die Allgemeinheit zu tragen.[9]

3 Entwicklung und Struktur der Stromversorgung in Deutschland

Der überregionalen Stromversorgung in Deutschland gingen viele kleine private Stromerzeuger voraus. Diese Entwicklung einer Vielzahl von Stromproduzenten hatte den Ursprung in der einfachen Logik, dass wer Strom haben wollte, ihn selbst produzieren musste. So entstand eine unübersichtliche Anzahl von Kleinkraftwerken. Die privaten Kleinanbieter betrieben Wasserräder und Dampfmaschinen. Deren Reichweite war zunächst nur von geringem Ausmaß, so dass nur Haushalte und Unternehmen in unmittelbarer Nähe versorgt werden konnten. Somit entstanden automatisch städtische Versorgungsstrukturen und dadurch die ersten städtischen Elektrizitätswerke.[10] Da von den so entstandenen Versorgungsstrukturen in erster Linie die Unternehmen und Gemeinden unmittelbar vor Ort profitierten und der Rest in den Anfängen der Versorgung zunächst leer ausging, wurden nach und nach Überlandzentralen für die ländliche Versorgung gegründet. Diese hatten die Aufgabe, die abseits von Städten angesiedelten Gemeinden mit Elektrizität zu versorgen. Der einzige Unterschied zwischen den Überlandzentralen und den meist privaten Anbietern von Strom in städtischen Bereichen war, dass die Überlandzentralen die Gemeinden mit Wechselstrom versorgten, wohingegen private Anbieter Gleichstrom ins Netz einspeisten.

„Wechselstrom ist Strom, der durch eine Wechselspannung erzeugt wird, die in Abhängigkeit der Zeit ihre Polarität und ihren Spannungswert ändert. Wechselspannung wird in Kraftwerken durch Generatoren erzeugt, deren Rotoren sich fortwährend drehen, wodurch eine Spannung mit wechselnder Polarität und sinusförmigem Verlauf entsteht.“[11]

„Gleichstrom (engl. direct current). Elektrischer Strom mit einer gleich bleibenden Fließrichtung. Unterscheidung zwischen konstantem Gleichstrom (Stromstärke gleich bleibend) und pulsierendem Gleichstrom (Stromstärke ändert sich periodisch). Er wird z. B. von Batterien und Photovoltaikanlagen erzeugt.“[12]

Die Frage ob Gleichstrom oder Wechselstrom hatte Diskussionen und Streitigkeiten ausgelöst. Unternehmer und Firmen, die bereits Patente und Erfindungen auf dem Prinzip des Wechselstroms angemeldet hatten, befürworteten in ihrem Interesse die jeweilige geeignete Stromart, im Sinne ihrer Erfindungen. Somit entschied jedes Versorgungsgebiet für sich selbst, welche Stromart es zur Versorgung einsetzte.[13]

Wie die bereits dargestellte Entstehung der Struktur der Stromversorgung in Deutschland schon erkennen lässt, gestaltete sich auch die Gründung von großen Energieversorgungsunternehmen als höchst kompliziert und komplex. Durch die regionalen und kulturellen Unterschiede der einzelnen Länder bspw. Baden und Württemberg, gestaltete sich ein Zusammenschluss von mehreren regionalen Stromversorgern zu gemeinsamen Überlandzentralen als äußerst schwierig. Dennoch gelang einigen Anbietern der Schritt zu überregionalen Energieversorgungsunternehmen. Bewag, RWE und HEW sind Beispiele aus der Energieversorgungswirtschaft für erfolgreiche Zusammenschlüsse von kommunalen und Überlandversorgungsgesellschaften. Auch die Gesetzgebung des Deutschen Reichs hatte maßgeblichen Anteil an der Entstehung der großen Energieversorgungsunternehmen. Im Land Baden hatte beispielsweise die Regierung großen Anteil an der Entstehungsgeschichte des Badenwerks. Diese beschloss durch Gründung einer Landeselektrizitätsversorgung, das Land Baden flächendeckend mit Elektrizität zu versorgen.[14]

So war die Entstehungsgeschichte der Großversorger auf unterschiedlichste Art und Weise geprägt. Im Land Württemberg hingegen trug die Politik keinen Anteil an der Entstehung von Energieversorgungsunternehmen auf überregionaler Ebene. Die Politik handelte nicht eigeninitiativ, sondern überließ den privaten Unternehmen die Zusammenschlüsse selbst. Was erst als Nachteil in Bezug auf das Vorankommen einer flächendeckenden Stromversorgung aufgefasst wurde, stellte sich bald als großer Vorteil heraus. Durch die gut durchstrukturierten kleinen Stromversorger war es schon nach kurzer Zeit möglich eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. In den zwanziger Jahren stand im Land Württemberg eine flächendeckende Stromversorgung zur Verfügung, wobei ein Blick auf das Nachbarland Baden zeigte, dass die Abdeckung mit Strom erst im Jahre 1937 erreicht wurde.[15]

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die so entstandene komplizierte Struktur der Versorgung in Deutschland mit aktuell ca. 1.000 Stromversorgern, die an den Endkunden ausliefern, auf eigenständiges Handeln der einzelnen Länder zurückzuführen ist[16]. Durch die vorhandene Autonomie der einzelnen Länder, wie in den Beispielen Baden und Württemberg dargestellt wurde, ist ein unüberschaubarer Flickenteppich von Akteuren in der Versorgung entstanden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1. Struktur der deutschen Stromversorgung. Quelle: Heuraux, 2004, S. 41.

3.1 Akteure

Die deutsche Stromwirtschaft unterscheidet zwischen drei Hauptakteuren:

a) überregionale Unternehmen
b) regionale Unternehmen
c) lokale Versorger
a) überregionale Unternehmen

Zu den großen überregionalen Unternehmen zählen die vier Hauptprotagonisten, die mit der Erzeugung, dem Transport und dem Handel mit Strom beschäftigt sind: RWE, EnBW, E.ON, und Vattenfall Europe. Diese vier Unternehmen sind für 80% der erzeugten Elektrizität in Deutschland verantwortlich. Die überregional agierenden Unternehmen beherrschen ca. ein Drittel des Marktvolumens, welches die Belieferung und Bereitstellung an den Endkunden mit beinhaltet. Berücksichtig man die vorhandenen Querbeteiligungen der großen Stromversorger an kleineren Unternehmen, kann von einer Marktherrschaft in einer Größenordnung von 50% ausgegangen werden.[17]

b) regionale Unternehmen

Regionale Unternehmen beherrschen ca. ein Drittel des Marktes und sind an 10% der tatsächlichen erzeugten Menge von elektrischer Energie aktiv beteiligt. Sie setzten sich aus 30 regionalen Unternehmen zusammen, wobei die Anzahl durch Fusionen untereinander zunehmend kleiner wird. Die regionalen Unternehmen sind zu 60% in öffentlicher Hand, der Rest ist in privaten Unternehmensstrukturen organisiert. Mit einer Versorgungskapazität von 30 Millionen Menschen verteilen die regionalen Stromversorger 39% des produzierten Stroms in der BRD.

Die Hauptaufgabe der regionalen Versorger liegt in der Weiterverteilung des angelieferten Stroms der Verbundunternehmen an lokale Abnehmer.[18]

c) lokale Versorger

Die lokalen Versorger verteilen sich auf ca. 850 kommunale Unternehmen. Zu diesen zählen die Stadtwerke, kleine private/regionale Stromverteilungsunternehmen und ein geringer Anteil von Stromerzeugern selbst, der bei 5,6% liegt. Der Marktanteil der lokalen Versorger ist mit einem Drittel identisch wie bei den vorausgegangenen regionalen und überregionalen Unternehmen, wobei der größte Teil des Strommarktes von kleinen und mittleren Stadtwerken mit insgesamt 74% beherrscht wird.[19]

3.1.1 Erzeuger

Nach der Umsetzung der europäischen Binnenmarktrichtlinie, die letztendlich wesentlichen Einfluss auf den Start der Liberalisierung des Strommarktes hatte, waren die Stromkonzerne gezwungen in den Wettbewerb aktiv einzusteigen. Vor der Erlassung des Gesetzes verhinderten Monopolstellungen der Großkonzerne den von der Regierung angestrebten Wettbewerb. Diese Monopolstellungen führten über Jahre hinweg dazu, dass die Großerzeuger ihren Fokus vom Kerngeschäft abwendeten und Anstrengungen und Aufwendungen in Nebentätigkeitsfeldern suchten, um Umsatz in anderen gewinnträchtigen Feldern zu generieren. So waren Großunternehmen in Märkten wie der Telekommunikation, der Abfallentsorgung oder auch der Wasserversorgung aktiv. Die Vernachlässigung des Kerngeschäftes führte letztendlich dazu, dass Kompetenzen und Erfahrungswerte auf dem Gebiet der Stromerzeugung verloren gingen. Nach der endgültigen Öffnung des Strommarktes waren die Erzeuger gezwungen, sich leistungsstarke Partner mit Erfahrungen im Stromgeschäft zu suchen und sich zusammenzuschließen. Unternehmen fusionierten untereinander, um sich besser auf den verschärften Wettbewerb und den dadurch entstandenen Preisdruck einstellen zu können.[20]

Der Trend zu Fusionen ist weiterhin ungebrochen, so dass sich mehrere Erzeuger zusammenschließen um den verschärften Wettbewerbsanforderungen auf dem Strommarkt besser trotzen zu können. Im Zuge der Welle von Fusionen entstanden so die heutigen größten Energiekonzerne Deutschlands. Im südlichen Teil unserer Republik, im Bundesland Baden-Württemberg, schlossen sich im Jahr 1997 die beiden Energiekonzerne Energie-Versorgung Schwaben AG (EVS) und die Badenwerk AG zur neu gegründeten Gesellschaft Energie Baden-Württemberg (EnBW) zusammen, mit dem Ziel, das Bundesland Baden-Württemberg einheitlich mit Strom zu versorgen. Mit dem Beginn der Jahrtausendwende entstand der Stromriese E.ON AG, der sich aus der Fusion der beiden Untenehmen VEBA AG und VIAG AG ergab. Das Unternehmen E.ON ist unter anderem auch international ein Begriff. E.ON ist aktiv im Ausland beteiligt und hauptsächlich im osteuropäischen Raum und in den Beneluxländern anzutreffen. Die traditionsreichen Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke AG (RWE), welche im Jahre 1898 gegründet wurden, folgten dem Trend und fusionierten ebenfalls im Jahr 2000 mit der Westfalen AG (VEW), um sich besser auf die neuen Marktanforderungen einstellen zu können. Vattenfall Europe entstand aus dem schwedischen Großkonzern Vattenfall und drei weiteren Energieversorgern: den Hamburger Elektrizitätswerken (HEW), welche nur die Stadt Hamburg bedienten, den Berliner Bewag, die in der Hauptstadt verbreitet war und den Vereinigten Energiewerken AG (VEAG), die die Versorgung der neuen Bundesländer sicher stellte.[21]

Die Fusionen verhalfen den Energieunternehmen zu einer höheren Machtstellung am Markt. Dank der Zusammenschlüsse der Konzerne ließ sich eine erhöhte Anzahl an Kunden bedienen, diese wiederum profitierten von dem ausgedehnten Versorgungsgebiet.

So minimierte sich die Anzahl der Stromerzeuger auf wenige große Energieerzeuger, die das Versorgungsgebiet heute übersichtlicher erscheinen lassen, das sich aber trotz alledem immer noch als unüberblickbarer Flickenteppich darstellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2. Versorgungsgebiete der neun Verbundunternehmen 1997. Quelle: Heuraux, 2004, S. 46. Abbildung 3. Versorgungsgebiete der sechs Großen 1999 und der vier Großen 2002. Quelle: Heuraux, 2004 S. 47.

3.1.2 Zwischenhändler

Zwischenhändler, so genannte Intermediäre, treten oft in die Vertragslücke zwischen den Abnehmer und den Stromproduzenten. Sie vermitteln, verhandeln und steuern die Weitergabe an den Endverbraucher. Die Intermediäre sind als unterschiedliche agierende Personen im Stromhandel aktiv. Die Strombörse ist ein agierender Intermediär, welche die Vermittlung und das Zustandekommen von Verträgen erst ermöglicht bzw. vereinfacht. Strombroker und Stromhändler gehen hingegen im Vergleich zur Strombörse eigenständige Verträge mit den Stromproduzenten bzw. mit den Endverbrauchern ein und können aufgrund ihrer dadurch gebündelten Nachfrage nach elektrischer Energie erhebliche Preisvorteile generieren. Dabei kann der Stromhändler auf fremden Namen und fremde Rechnung als Makler in Erscheinung treten oder unter eigenem Namen und auf fremde Rechnung als Kommissionär auftreten. In beiden Fällen wird der Intermediär den bestmöglichen Abschluss zu verwirklichen versuchen, um Provisionen zu erhalten. Weitere Aufgaben der Zwischenhändler können Transformationsleistungen beinhalten. Transformationsleistungen im Stromhandel berücksichtigen und passen die Lösgrößenwünsche der Endabnehmer an.[22]

„Die Losgrößentransformation beinhaltet auf der Erzeugerseite die Aufteilung einer hohen Stromerzeugungskapazität (z. B. 1000 MW für ein AKW) auf viele unterschiedliche Losgrößenwünsche, die sich in dem stark schwankenden Tagesverbrauch der einzelnen Endabnehmer widerspiegelt.“[23]

Das Thema Zwischenhändler stand mit Beginn der Liberalisierung weitgehend noch in den Anfängen und besaß daher noch großes Entwicklungspotenzial. Mit Fortschreitung des Liberalisierungsgedankens im Strommarkt traten weitere Broker und Händler dem Handel bei. Momentan bewegt sich eine übersichtliche Anzahl von Brokern auf dem deutschen Markt. Aus diesem Grunde sind die bereits dargestellten Funktionen und Aufgaben der Intermediäre noch lang nicht ausgeschöpft und lassen Raum für Spekulationen in der Zukunft.

3.1.3 Abnehmer

Die Abnehmer von elektrischer Energie werden in zwei große Klassen aufgeteilt. Die Gruppierung unterscheidet sich allein durch die verbrauchte bzw. angeforderte Menge an elektrischem Strom. Die privaten Haushalte, Kleinindustrie und Kleingewerbe werden auch als Tarifkunden bezeichnet. Der Grossteil des produzierenden Gewerbes (Industrien) und Großunternehmer hingegen sind Großabnehmer oder auch Großverbraucher. Diese werden dann nochmals in Sondervertragskunden und Individualkunden unterteilt. Die prozentuale Verteilung der Abnehmerklassen nach dem Verbrauch variiert von Bundesland zu Bundesland und kann daher nur schwer in eine einheitliche Zahl gefasst werden.[24] Dass der Verbrauch nach Kategorien in den sechzehn Ländern prozentuale Unterschiede aufweist, liegt unter anderem daran, dass Regionen unterschiedlich stark industrialisiert sind. Während in ländlichen Regionen wie bspw. Thüringen, Landkreis Nordhausen, die Hauptverbraucher Haushalte sind, zeigen industrielle Regionen eine andere prozentuale Verteilung der Stromabnehmerklassen. Zum Beispiel sind das Ruhrgebiet oder der Süden Deutschlands rund um die Metropole Stuttgart mit ihren großen Unternehmen in der Automobilbranche und deren Zulieferer Regionen, in denen tendenziell prozentual im Verhältnis gesehen mehr Strom an Großabnehmer geht als in strukturschwachen Gebieten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4. Markteilnehmer im Stromhandel. Quelle: Gerke, 2000, S. 24.

Die Verschwendung von Energie durch den Konsumenten geht tendenziell mit einem steigenden Umweltbewusstsein der Bürger zurück, jedoch entwickelt sich der Stromverbrauch gegen diesen Trend zu einer erhöhten Nachfrage nach elektrischem Strom in der Zukunft. Im Jahr 2020 wird der Verbrauch von elektrischer Energie um 13% höher liegen als es 1998 der Fall war.[25]

Die Entwicklung hin zum Mehrverbrauch wird durch verschiedene Faktoren begünstigt. Dazu gehören dramatische Verteuerungen anderer Energieträger wie z.B. Erdgas und Mineralöl, die zudem durch erneute Erhöhungen der Mineralölsteuern noch höher ausfallen können. Der Trend wird durch die weitere Technologisierung des Haushaltes, sprich eine Zunahmen an elektronischen Geräten im Haushalt, verstärkt, denn diese Gerätschaften sind letztendlich ausschlaggebend ein für höheres Verbrauchsmuster.[26]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5. Verbrauchsanteile nach Kundenkategorien 2003. Quelle: Heuraux, 2004, S. 90.

3.2 Versorgungsnetz und Zuverlässigkeit

Das deutsche Stromversorgungsnetz umfasst eine Strecke bestehend aus Kabeln und Leitungen von 1.586.800 Kilometer Länge quer durch die Republik (Stand: 2002).[27] Die Leitungen werden von mehr als einer halben Million Transformatoren gespeist, welche eine jährliche Versorgungsleistung von ca. 635 Mrd. kWh zur Verfügung stellen (Stand: 2006).[28] Trotz dieses riesigen Netzumfangs gilt das deutsche Stromnetz als eines der zuverlässigsten Netzsysteme weltweit. Die Zuverlässigkeit des deutschen Stromnetzes ist vor allem mit der gut ausgebauten Struktur des Netzes und mit seiner ständigen Wartung begründet. Einzelne Ausfälle bzw. Störungen des Erzeugerparks sind daher leicht von anderen Kraftwerken zu kompensieren. Falls doch Kraftwerke und deren Leitungen im Betriebsablauf gestört sein sollten, betreffen diese Ausfälle oft nur eine kleine Anzahl von Bürgern und nicht die ganze Republik. Stromausfälle, die ganze Nationen lahm legen können, wie in Italien am 23. September 2003, sind in Deutschland unvorstellbar.[29] Schon oft berichteten die Medien in der Vergangenheit über stundenlange Stromausfälle, die ganze Teile der USA und andere Länder lahm legten. Oft sind diese Ausfälle durch Naturkatastrophen begünstigt oder lösen diese sogar aus. Hurrikans mit Windgeschwindigkeiten, wie sie bei uns nicht vorkommen, reißen dort Oberleitungen aus ihren Verankerungen und schneiden somit ganze Regionen von der Stromversorgung ab. Mit einer der triftigsten Gründe, wieso unser Netz eine höhere Zuverlässigkeit aufweist als Stromnetze anderer Nationen, ist die Tatsache, dass 70% der Kabel unterirdisch verlegt und somit vor Wind und Wetter geschützt sind. Nur 30% verlaufen überirdisch.[30] In den USA beispielsweise sind alle Leitungen ausnahmslos überirdisch verlegt. Der Großteil der Leitungen wird von einfachen Holzstrommasten getragen. Dass diese Holzmasten keinen Hurrikanen standhalten bzw. den enormen Windgeschwindigkeiten trotzen können, versteht sich dabei von selbst.

Die durchschnittliche Stromausfallquote in Deutschland mit 15 Minuten pro Jahr gehört zu den niedrigsten in Europa. Im Vergleich verbucht unser Nachbarland Frankreich eine Stromausfallzeit von durchschnittlich 57 Minuten pro Jahr. Andere Länder in Europa wie bspw. Italien haben eine noch höhere Ausfallzeit (191 Minuten).[31]

Dass das deutsche Stromnetz über eine sehr hohe Qualität und Zuverlässigkeit verfügt ist auch den ständigen Investitionen zu verdanken. Durch die weitgehende staatliche Kontrolle der Hauptstromnetze in der Vergangenheit waren kontinuierliche Wartungsarbeiten und kostenintensive Instandhaltungen an der Tagesordnung. Andere Stromnetze im Ausland, die weitgehend in privater Hand sind, werden nicht mit dem nötigen Aufwand instand gehalten bzw. weiter ausgebaut.[32] Gründe für die Vernachlässigung der Stromnetze sind in den damit verbundenen hohen Kosten zu sehen, die mit einer regelmäßigen Instandhaltung anfallen. Deshalb wird ein privater Netzbetreiber eine Entscheidung über häufige anfallende kostenintensive Instandhaltungen bei einem momentan funktionstüchtigen Netz kritisch gegenüber stehen und sie auf das Minimum begrenzen.

4 Energieträger für die Stromerzeugung in Deutschland

Eine dauerhafte und zugleich verlässliche Stromversorgung ist für Wirtschaft und Staat existenziell geworden und daher ein unverzichtbares Muss, um deren Fortbestand und weiteres Wachstum zu sichern bzw. zu ermöglichen. Auch die Politik schenkt dem Thema der Energieversorgung höchste Priorität, denn Stromversorgung bedeutet auch ein stückweit Sicherheit und Kontrolle für den Staat.

Um eine langfristige und zuverlässige Energiebedarfsdeckung in unserem Land gewährleisten zu können, ist die Strombedarfsgewinnung der Bundesrepublik Deutschland auf mehrere Säulen verteilt. Die Verteilung auf unterschiedliche Energieträger wird wie bereits angesprochen auch als Energiemix bezeichnet. Der Energiemix ist die anteilshaltige Verwendung von unterschiedlichen Energieträgern für die Erzeugung von Strom. In der Praxis wird dann aus atomarer Kernspaltung und Verbrennung von fossilen Rohstoffen wie Öl, Gas und Kohle Wärmeenergie gewonnen, durch die wiederum Generatoren angetrieben werden, die diese Bewegungsenergie zu elektrischer Energie umwandeln.

Um die riesige Nachfrage nach elektrischer Energie decken zu können (immerhin 411 Milliarden Kilowattstunden, Stand: 2006)[33], werden, wie im Energiemix bereits erläutert, primäre Energiequellen für die Erzeugung von elektrischem Strom verwendet. Um die Sicherheit der Versorgung mit elektrischem Strom zu gewährleisten, wird nicht auf einen einzigen Energieträger gebaut, sondern mehrere Energieträger für die Gewinnung herangezogen. Außerdem könnte ein einzelner Energieträger, wie bspw. fossile Brennstoffe, den Bedarf alleine nicht decken. Die Absicherungsfunktion, die durch die Verwendung mehrerer Energiequellen besteht, kann man mit dem Streuungsrisiko im Wertpapierhandel an der Börse vergleichen. Ein Aktiendepot, in dem der Anleger sein gesamtes Kapital in nur eine Aktie investiert hat, weist ein höheres Risiko auf, das eingebrachte Kapital zu riskieren, als bspw. ein Depot, welches über einen Aktienfonds verfügt. Bei einem Fonds ist das Geld in der Regel quer durch Branchen auf verschiedene Wertpapiere angelegt, und vor Kursschwankungen einzelner Branchen durch den vorhandenen Streueffekt gewappnet.

4.1 Kernenergie

Die Kernenergie gilt als höchst umstritten in der Bevölkerung. Die Sorge ist durchaus begründet. Atomare Katastrophen wie 1986 in Tschernobyl (damals USSR, heute Ukraine) ließen das Vertrauen in die Kernenergie schwinden. Neue Zwischenfälle, wie erst vor kurzem bei dem Brand im Atomkraftwerk in Krümmel, lassen das Misstrauen der Bevölkerung in punkto Sicherheit bezüglich atomaren Anlagen weiter anwachsen. Zu groß ist die Angst eines erneuten Super-Gaus, der die Verseuchung kompletter Landstriche für hunderte von Jahren zur Folge hätte. Lange Zeit galt die Kernenergie als eine saubere, sichere und kostengünstige Methode um elektrische Energie zu gewinnen. Man sprach sogar von: „it `s to cheap to meter[34] was übersetzt aus dem Englischen so viel bedeutet wie: „zu billig um den Verbrauch überhaupt zu messen“. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass die Gewinnung von elektrischem Strom mit Atomkraft ein sehr kostenintensives Verfahren war. Höhe Sicherheitsvorkehrungen bei dem Bau eines Atommeilers und spezielle Sicherheitsbauten, die Umwelteinflüssen (Erdbeben) und gezielten Terroranschlägen standhalten sollen, ließen fixe Kosten für die Fertigstellung unverhältnismäßig ansteigen. Auch die variablen Betriebskosten, unter anderem Kosten für den Transport und die Lagerung atomaren Abfalls, waren weit höher als im Voraus kalkuliert. Dennoch sind 26,3% (Stand: 2006, siehe Abbildung 6) des erzeugten Stroms der Kernkraft zu verdanken. Da die Kernenergie einen Anteil von beinahe einem Drittel am gesamten produzierten Strom ausmacht wäre ein sofortiger Ausstieg aus der Atomenergie unmöglich, weil dieser kurzfristig nicht kompensierbar wäre. Die Bundesregierung plant jedoch langfristig den Ausstieg aus der Kernenergie.[35]

[...]


[1] Vgl. Gerke, 2000, S. 9.

[2] Kraus, 2003, S. 66.

[3] Kuhnle, 2005, S. 61.

[4] Vgl. Lindner, 1985, S. 114ff.

[5] Vgl. Bardt, 2005, S. 5.

[6] Vgl. Kneissl, 2006, S. 239ff.

[7] Vgl. Kneissl, 2006, S. 232f.

[8] Vgl. VDI, 1997, S. 22f.

[9] Vgl. VDI, 1997, S.21ff.

[10] Vgl. Heuraux, 2004, S. 31.

[11] Kraus, 2003, S. 205.

[12] Kraus, 2003, S. 93.

[13] Vgl. Lindner, 1985, S. 189.

[14] Vgl. Heuraux, 2004, S. 32ff.

[15] Vgl. Heuraux, 2004, S. 35.

[16] Vgl. Heuraux, 2004, S. 40.

[17] Vgl. Heuraux, 2004, S. 40.

[18] Vgl. Heuraux, 2004, S. 50.

[19] Vgl. Heuraux, 2004, S. 40.

[20] Vgl. Heuraux, 2004, S. 39.

[21] Vgl. Kuhnle, 2005, S. 25ff.

[22] Vgl. Gerke ,2000, S. 25ff.

[23] Gerke, 2000, S. 25.

[24] Vgl. Heuraux, 2004, S. 90.

[25] Vgl. Prognos AG (Hrsg.), 2000, S. 213.

[26] Vgl. Prognos AG (Hrsg.), 2000, S. 220.

[27] Vgl. Heuraux, 2004, S. 91.

[28] Vgl. URL: http://www.ag-energiebilanzen.de/daten/inhalt1.php#a7 [05.08.2007]

[29] Vgl. Kuhnle, 2005, S. 75.

[30] Vgl. Heuraux, 2004, S. 91.

[31] Vgl. Heuraux, 2004, S. 91.

[32] Vgl. Kuhnle, 2005, S. 72ff.

[33] Vgl.URL: http://www.strom.de/vdew.nsf/id/DE_Leichtes_Plus_beim_Stromverbrauch?open&Highlight [08.08.2007]

[34] Bardt, 2005, S. 16.

[35] Vgl. Bardt, 2005, S. 16ff.

Ende der Leseprobe aus 78 Seiten

Details

Titel
Konsequenzen der Liberalisierung der deutschen Stromwirtschaft im europäischen Vergleich
Hochschule
Fachhochschule Nordhausen
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
78
Katalognummer
V85664
ISBN (eBook)
9783638907415
ISBN (Buch)
9783638907781
Dateigröße
2541 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Konsequenzen, Liberalisierung, Stromwirtschaft, Vergleich
Arbeit zitieren
Jochen Heidner (Autor:in), 2007, Konsequenzen der Liberalisierung der deutschen Stromwirtschaft im europäischen Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85664

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