Sozialpädagogische Aspekte des fragilen-X-Syndroms unter besonderer Berücksichtigung der Familiensituation


Hausarbeit, 2002

31 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Fragiles-X-Syndrom
2.1 Begriffsbestimmung
2.2 Geschichtlicher Überblick
2.3 Erbvorgang des Fragilen-X-Syndroms und genetische Grundlagen
2.4 Präimplantations- und Pränataldiagnostik im Hinblick auf das Fragile-X-Syndrom

3. Pädagogische Relevanz genetischer Ätiologien

4. Äußeres Erscheinungsbild und medizinische Auffälligkeiten von Menschen mit Fragilem-X-Syndrom

5. Psychologische Aspekte von Menschen mit Fragilem-X-Syndrom
5.1 Kognitive Entwicklung und sozial-adaptive Fähigkeiten
5.2 Sprachliche Auffälligkeiten
5.3 Verhaltensmerkmale
5.3.1 Hyperkinetisches Syndrom
5.3.2 Autistische Verhaltensweisen
5.4. Wahrnehmung und Motorik
5.4.1 Sensorische Integration und Störung der Sensorischen Integration
5.4.2 Störung der Sensorischen Integration bei Kindern mit Fragilem-X-Syndrom

6. Lebenssituation von Familien mit geistig behindertem Kind
6.1 Vom ersten Verdacht zur Diagnose Fra(X)-Syndrom
6.2 Situation der Eltern eines Kindes mit Fragilem-X-Syndrom im alltäglichen Zusammenleben
6.3 Situation und Reaktionsformen der Geschwister

7 Interventionsmöglichkeiten
7.1 Frühförderung
7.2 Video-Home-Training

8 Zusammenfassung und Ausblick

9 Literaturverzeichnis

1. Einleitung

"Das Fragile-X-Syndrom gilt als die häufigste erbliche Ursache einer "geistigen Behinderung"[..]." (Sarimski , 2000, S. 234). Dieses Zitat deutet bereits auf die relativ hohe Prävalenz, also die Vorkommenshäufigkeit des Fragilen-X-Syndroms (im folgenden mit Fra(X)-Syndrom abgekürzt) innerhalb der Bevölkerung hin. Um so mehr überrascht es, dass sich die Literatur zu diesem Thema im deutschsprachigen Raum fast ausschließlich auf medizinische Veröffentlichungen beschränkt und pädagogisch-therapeutische Aspekte kaum aufgegriffen werden. Grund hierfür ist wahrscheinlich der geringe Bekanntheitsgrad dieses Syndroms, da dieses erst seit 1992 durch die molekulargenetische Diagnostik eindeutig feststellbar ist, die Forschung auf diesem Gebiet also noch in den Anfängen steckt.

Gerade für die im Bereich der Behindertenarbeit tätigen Sozial-, Heil- oder Sonderpädagogen wäre allerdings ein Grundlagenwissen über diese Behinderungsform und ihre Auswirkungen von Vorteil, da sie so adäquater mit den vom Fra(X)-Syndrom betroffenen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sowie deren Familien arbeiten könnten. In diesem Sinne soll diese Arbeit einen Überblick verschaffen über die (sozial)pädagogischen Aspekte des Fra(X)-Syndroms und insbesondere eingehen auf die Situation von Familien mit einem derart behinderten Kind.

Zu Beginn werden die Ursachen des Behinderungsbildes kurz dargelegt, danach erfolgt ein knapper historischer Überblick über die Entdeckung und Diagnose des Fra(X)-Syndroms. Anschließend werden der Vererbungsvorgang und die genetischen Grundlagen bezüglich dieser Behinderung vorgestellt. Es folgt die Darstellung des Einsatzes von Präimplantations- und Pränataldiagnostik beim Fra(X)-Syndrom sowie ein Exkurs zum Thema der Relevanz genetischer Ätiologien. Im folgenden werden dann die Auswirkungen dieser Ursachen im Bereich des äußeren Erscheinungsbildes, der körperlichen Gesundheit sowie insbesondere der psychologischen Entwicklung vorgestellt. Der anschließende Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Lage der Familien Fra(X)-positiver Kinder. Beschrieben werden u.a. Verarbeitungsprozesse während der Behinderungsbewältigung, die Situation der Eltern im alltäglichen Leben mit dem behinderten Kind sowie Situation und Reaktionsformen vorhandener Geschwisterkinder. Abschließend werden einige der möglichen Interventions- und Förderkonzepte vorgestellt, wobei hier der Schwerpunkt der Darstellung auf denjenigen Interventionsmöglichkeiten liegt, die sich im Tätigkeitsbereich von Sozialpädagogen befinden.

2. Das Fragile-X-Syndrom

2.1 Begriffsbestimmung

Das Fra(X)-Syndrom beruht auf einer Chromosomenaberration, welche eine "Abweichung von der normalen Chromosomenzahl oder strukturelle Abweichungen einzelner Chromosomen (z.B. Chromosomenbrüche)" darstellt (Psychrembel). Beim Fra(X)-Syndrom handelt es sich um eine strukturelle Chromosomenabweichung. Der Name Fragiles-X-Syndrom rührt nämlich daher, dass bei den Betroffenen am langen Arm des X-Chromosoms auf Grund einer Mutation des Erbguts eine brüchige (sprich fragile) Stelle festgestellt werden kann.

Das Fra(X)-Syndrom stellt die zweithäufigste chromosomale Ursache geistiger Beeinträchtigung nach dem Down-Syndrom dar, welches mit einer Häufigkeit von etwa 1:700 auftritt. Die Prävalenz des Fra(X)-Syndroms innerhalb der Gesamtbevölkerung wird je nach Studie auf 1:2000-5000, aber auch auf 1:1000 geschätzt (Vgl. hierzu Sarimski, 1997, S. 113 und Neuhäuser, 1986, S. 60). Wirklich sicher zutreffende Zahlenangaben zu machen erscheint zur Zeit noch unmöglich, da viele Menschen mit Fra(X)-Syndrom bisher nicht diagnostiziert sind.

Die Auswirkungen dieser Chromosomenaberration zeigen sich in einer geistigen Beeinträchtigung, die von leichter Lernbehinderung bis hin zu schwerster geistiger Behinderung führen kann. Darüber hinaus sind bei vielen Betroffenen körperliche Auffälligkeiten, Verhaltensoriginalität sowie Sprach- und Sprechanomalien charakteristisch. Nach U. FROSTER zeigt das Fra(X)-Syndrom bei 60% der Betroffenen "die typische Trias mit leichter bis mittelschwerer geistiger Behinderung, typischer Gesichtsform [und] Makroorchidie (Hodenvolumina > 25 ml)." (Froster, 1997, S. 34 ). Auf die genannten Aspekte wird ab Kapitel 4 näher eingegangen.

2.2 Geschichtlicher Überblick

Der Phänotyp des Fra(X)-Syndroms wurde erstmals im Jahre 1943 von MARTIN und BELL beschrieben, weshalb lange Zeit der Begriff Martin-Bell-Syndrom verwendet wurde. 1969 erbrachte LUBS den ersten zytogenetischen Nachweis eines Fragilen X-Chromosoms, indem er zwei geistig behinderte Brüder sowie deren weibliche Angehörigen untersuchte. Acht Jahre später stellte SUTHERLAND fest, dass die brüchige Stelle am langen Arm des X-Chromosoms nur dann nachzuweisen ist, wenn im Kulturmedium für die Zellanzüchtung zur Chromosomenanalyse keine Folsäure enthalten ist. Es war nun möglich, dieses Syndrom von anderen Formen geistiger Behinderung abzugrenzen. Allerdings konnte die Diagnose nie als absolut sicher gelten, da kleinste Veränderungen des Kulturmediums ausreichten, um die Ergebnisse zu verfälschen. (Vgl. zu diesem Abschnitt Fritz, 1998, S. 8 f. ).

Im Jahr 1992 gelang dann mit der Entdeckung einer Trinukleotidrepeat-Verlängerung im Bereich des Fragilen-X-Gens der Durchbruch[1]: Auf Grund dieser Genveränderung wurde die direkte molekulargenetische Diagnosestellung möglich, so dass die aufwendigen und unsicheren cytogenetischen Untersuchungen überflüssig wurden.(Vgl. Froster, 1997, S. 97).

2.3 Erbgang des Fra(X)-Syndroms und genetische Grundlagen

Der Erbgang des Fra(X)-Syndroms ist nicht klassisch X-chromosomal-rezessiv, wie es beispielsweise bei der Bluterkrankheit der Fall ist: Hier sind "... die Söhne einer Anlageträgerin entweder krank oder gesund. Dass ein gesunder Sohn die Genveränderung an seine Nachkommen weitergeben könnte, ist dabei nicht möglich." (Froster, 1997, S. 52). Bei dem Erbgang des Fra(X)-Syndroms wird die Mutation dagegen zu etwa 20% auch von klinisch unauffälligen Männern, die aber Anlagenträger sind, weitervererbt. Zeugen diese Männer Töchter, so sind diese klinisch unauffällig, es liegt bei ihnen allerdings ein Risiko von 50% vor, einen geistig behinderten Jungen zur Welt zu bringen. Ungewöhnlich ist auch, dass etwa 30% der weiblichen Konduktorinnen (Überträgerinnen) eine leichte bis mittelschwere Ausprägung des Syndrombildes aufweisen. (Vgl. Froster, 1997, S. 52 f.). Diese Abweichungen vom X-chromosomal-rezessiven Erbgang lassen sich damit erklären, dass der für das Fra(X)-Syndrom verantwortliche Gendefekt sowohl als Prä- als auch als Vollmutation vorliegen kann. Das prämutierte Fra(X)-Chromosom muss immer erst eine Generation weiblicher Übertragung durchlaufen, ehe es zur Ausprägung, d.h. zur Ausbildung des klinischen Phänotyps, kommt (Vgl. Goebell, 1995, S. 24).

Die genetische Ursache der Fragilität des X-Chromosoms liegt in der Verlängerung eines CGG-Nukleotidtripletts auf dem langen Arm dieses Gonosoms (Geschlechtschromosom).[2] Diese Genveränderung liegt am Anfang des FMR1-Gens (Fragile X Mental Retardation), welches die Erbinformationen für ein wichtiges RNA-bindendes Protein trägt. In der Normalbevölkerung kommen 5-60 CGG-Nukleotidtripletts vor, bei einer Verlängerung auf 60-200 Tripletts kommt es zu einer Prämutation, die aber die Wirkung des FMR1-Gens nicht behindert und so auch nicht zur klinischen Ausprägung des Fra(X)-Syndroms führt. Liegen allerdings mehr als 200 CGG-Nukleotidtripletts vor, so wird die Wirkung des FMR1-Gens vollständig unterdrückt, das RNA-bindende Protein kann folglich nicht gebildet werden. In diesem Fall spricht man von einer Vollmutation, die klinischen Symptome des Fra(X)-Syndroms kommen zum Ausdruck. (Vgl. Froster/Hegersberg, 1997, S. 111f.)

2.4 Präimplantations- und Pränataldiagnostik im Hinblick auf das Fragile-X-Syndrom

Da das Fra(X)-Syndrom zu den relativ wenigen durch die Präimplantationsdiagnostik (PID) zu entdeckenden Krankheitsbildern gehört und die in der Behindertenarbeit tätigen Sozialpädagogen m.E. über diese Methode informiert sein sollten, wird sie im Folgenden kurz dargestellt, ohne dass jedoch auf die aktuelle ethisch-moralische Diskussion darum näher eingegangen werden kann.

Der Begriff Präimplantationsdiagnostik bezeichnet die Diagnostik an einem in vitro (d.h. im Reagenzglas) gezeugten Embryos, bevor er in den mütterlichen Organismus überführt wird. Dem Embryo werden am dritten Tag nach der Befruchtung Zellen entnommen, deren Erbgut auf das Vorliegen krankeihtsrelevanter Merkmale, in diesem Fall auf die für das Fragile X verantwortliche Genmutation, untersucht wird. Die entnommenen Zellen werden dabei zerstört, ebenso wie Embryonen, die einen entsprechenden Befund aufweisen (Vgl. Cramer, 1991, S. 17 f.). Nur diejenigen Embryonen (max. drei), welche die gesuchte Eigenschaft nicht aufweisen, werden in die Gebärmutter der Frau eingesetzt.

Empfohlen wird die PID primär für Hochrisikopaare, also Paare, bei denen ein hohes Risiko für die Geburt eines erbkranken, chromosomal gestörtem oder genetisch verändertem Kind besteht. Unter diesen Personenkreis fallen eindeutig Paare, in deren Familie das Fra(X)-Syndrom schon einmal auftrat, oder die bereits ein Kind mit Fra(X)-Syndrom zur Welt gebracht haben.

Allerdings ist die PID gemäß dem Embryonenschutzgesetz derzeit in Deutschland noch nicht erlaubt.

Eine legale Methode der genetischen Diagnostik stellt dagegen die Pränataldiagnostik (PND) , d.h. "...die Aufklärung bestimmter genetisch bedingter Krankheiten des ungeborenen Kindes im Mutterleib" dar (Cramer, 1991, S. 14). Die üblichsten Methoden hierbei sind die Amniozentese (Entnahme von Fruchtwasserzellen) und die ab der 8. Schwangerschaftswoche mögliche Chorionzottenbiopsie, bei der aus der Plazenta Chorionzellen entnommen werden. Für die molekulargenetische Untersuchung[3] auf Vorliegen eines Fra(X)-Syndroms eignet sich das letztere Verfahren besser, da in den Chorionzellen wesentlich mehr Zellkerne und folglich auch mehr DNA enthalten sind. (Vgl. Froster/Iwers, 1997, S. 57 f.).

Sowohl der PND als auch der PID muss eine genetische Beratung vorausgehen, um sicherzustellen, dass die Betroffenen ausreichend über Möglichkeiten und Risiken der Methoden informiert sind.

3. Pädagogische Relevanz genetischer Ätiologien

Die heutzutage gängige Praxis von Pädagogen, Therapeuten und anderen in der Behindertenarbeit Berufstätigen besteht darin, die ihnen anvertrauten geistig behinderten Menschen nach dem Grad, d.h. der Schwere ihrer Behinderung einzuteilen, wohingegen die Kenntnis einer bestimmten (genetischen) Ätiologie in den seltensten Fällen die Grundlage für die Arbeit mit den Behinderten bildet.[4] Diese Sichtweise verhindert oft den Blick auf Fortschritte im Bereich der Medizin und Genetik und versperrt die Sicht darauf, dass eine bestimmte Ätiologie möglicherweise das Verhalten des Betroffenen beeinflußt. Natürlich zeigen nicht alle Personen mit dem gleichen genetischen Syndrom auch immer die gleichen Verhaltenscharakteristika, denn zu der genetischen Anlage kommen natürlich immer auch Umwelteinflüsse und Sozialisationsbedingungen hinzu. " Genetisch bedingt ist [also] lediglich eine bestimmte physiologische Reaktionsbereitschaft für Reizgegebenheiten und eine biologische Vulnerabilität (Verletzlichkeit) bei Überforderungen durch Umwelteinflüsse." (Sarimski, 2000, S. 230). Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei Personen mit einem bestimmten Syndrom syndromspezifische Verhaltensweisen auftreten, weitaus größer als bei Menschen ohne dieses Syndrom. (Vgl. Goebell, 1995, S. 12). Es kann eingewendet werden, dass bei verschiedenen Syndromen häufig gleiche Verhaltensweisen auftreten. So kommt es beispielsweise sowohl beim Fra(X)-Syndrom als auch beim Prader-Willi-Syndrom (welches durch den Verlust eines Teils des Chromosoms 15 verursacht wird) zu sprachlichen Perseverationen (Vgl. Kapitel 5.2). Eine genaue Beobachtung fördert aber den unterschiedlichen Charakter dieser perseverierenden Verhaltensweisen zutage: Menschen mit FraX-Syndrom beharren meist auf Themengebieten ihrer persönlichen Interessen, wohingegen das Problem der Perseveration bei Personen mit Prader-Willi-Syndrom eher im Bereich der Nahrungsaufnahme anzutreffen ist. "Der Phänotyp der Verhaltensweisen wird demnach durch variable Ausprägung innerhalb eines Syndroms und die qualitativen Unterschiede zwischen verschiedenartigen Syndromen charakterisiert." ( Goebell , 1995, S. 12). Dies läßt die Schlußfolgerung zu, dass die Kenntnis genetischer Ätiologien und den daraus folgenden potentiellen Verhaltensphänotypen eine gute Grundlage für gezielte, syndromspezifische Interventionsmöglichkeiten bildet. Gerade für Eltern und andere Bezugspersonen bietet dieses Wissen die Chance, den Menschen mit einem genetischen Syndrom besser zu verstehen, adäquater auf sein Verhalten zu reagieren und ihm bestmöglichst zur Ausbildung seiner spezifischen Fähigkeiten zu verhelfen..

4. Äußeres Erscheinungsbild und medizinische Auffälligkeiten von

Menschen mit Fragilem-X-Syndrom

Obwohl viele Menschen mit Fra(X)-Syndrom eine ganze Reiher ähnlicher physischer Merkmale aufweisen, kann nicht allein vom äußeren Erscheinungsbild auf das Vorliegen dieser Behinderungsform geschlossen werden, da es nicht wie beispielsweise bei der freien Trisomie 21 einen spezifischen Phänotyp gibt und die beschriebenen Merkmale zum Teil auch bei anderen Formen von Behinderung auftreten können. Üblicherweise sind die Merkmale bei Männern ausgeprägter als bei Frauen, bei Erwachsenen augenfälliger als bei Kindern.

Besonderheiten im Kopf- und Gesichtsbereich äußern sich häufig in einer schmalen, länglichen Gesichtsform, einem vorstehenden Kiefer mit einem breiten Kinn sowie einer hohen, vorgewölbten Stirn. Besonders auffällig sind meist schon im Kindesalter die großen, oft abstehenden Ohren, wobei allerdings der Ohransatz selbst im Normalbereich liegt. Meist besteht ein allgemein niedriger Muskeltonus, der sich auch auf die Mundmuskulatur auswirkt und so zu einer offenen Mundhaltung führen kann. Desweiteren sind die Gelenke überstreckbar, oft entwickeln sich auch Platt- oder Senkfüße. Die Haut ist in vielen Fällen sehr sensibel, weshalb es zu vermehrten Ekzemen und Allergien kommt. Ferner treten Augenprobleme auf, so etwa zu 59% Presbyopie (Weitsichtigkeit), zu 30% Strabysmus (Schielen) und zu 17% Myopie (Kurzsichtigkeit). Typisches Merkmal bei Männern und teilweise schon bei Jungen ist eine Makroorchidie (Hodenvergrößerung); ob deswegen allerdings auch eine Fertilitätsstörung vorliegt, ist bislang nicht geklärt. Weitere häufig auftretende medizinische Probleme sind besonders im Kleinkindalter wiederholte schwere Mittelohrentzündungen, was bei nicht erfolgender Behandlung zu Hör- und daraus folgend zu Sprachschwierigkeiten führen kann. Desweiteren leiden 15-20% der Menschen mit Fra(X)-Syndrom an epileptischen Anfällen verschiedener Art und unterschiedlich schwerer Ausprägung.

Das Vorliegen eines Fra(X)-Syndroms schließt nicht aus, dass weitere genetische Erkrankungen vorliegen. Diagnostiziert wurde es beispielsweise in Kombination mit dem Down-, aber auch mit dem Klinefelter-Symptom. (Vgl. zu diesem Abschnitt Froster, 1997, S. 32 ff.).

[...]


[1] Diese Trinukleotidrepeat-Verlängerung stellt eine bis dahin unbekannte Mutation dar, die in der Lage ist, sich bei Vererbungsvorgängen immer wieder zu verändern, was die unterschiedliche Ausprägung des klinischen Bildes des Fra(X)-Syndroms in verschiedenen Generationen erklärt. Vgl. hierzu Kapitel 4 und 5.

[2] CGG-Nukleotidtriplett: DNA-Abschnitt, der aus den Basen Cytosin, Guanin und nochmals Guanin besteht.

[3] Eine Methode der molekulargenetischen Diagnostik ist die Southern Blot Analyse, bei der das FMR1-Gen ausgeschnitten und die Länge der CGG-Nukleotidtripletts dargestellt wird. Hiermit lassen sich sowohl prä- als auch vollmutierte Gene identifizieren. Vgl. Froster/Iwers, 1997, S. 55.

[4] Zu Beginn meines FSJs in einer Tagesbildungsstätte erkundigte ich mich nach den Behinderungsursachen der einzelnen Kinder. Wenn ich unbedingt wolle, könne ich in den Akten nachlesen, für unsere Arbeit seien die Diagnosen jedoch völlig irrelevant, bekam ich als Antwort. Was mich wirklich verblüfft hat war, dass die meisten Gruppenleiter bei der Mehrzahl der Kinder nicht wußte (und auch gar nicht wissen wollte), welche Ätiologie für deren Beeinträchtigung verantwortlich ist.

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Sozialpädagogische Aspekte des fragilen-X-Syndroms unter besonderer Berücksichtigung der Familiensituation
Hochschule
Fachhochschule Braunschweig / Wolfenbüttel; Standort Wolfenbüttel  (Standort Braunschweig)
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2002
Seiten
31
Katalognummer
V8629
ISBN (eBook)
9783638155564
ISBN (Buch)
9783638640619
Dateigröße
628 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sozialpädagogische, Aspekte, Berücksichtigung, Familiensituation
Arbeit zitieren
Julja Hufeisen (Autor:in), 2002, Sozialpädagogische Aspekte des fragilen-X-Syndroms unter besonderer Berücksichtigung der Familiensituation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8629

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