Transnationalisierungsstrategien europäischer Automobilhersteller


Diplomarbeit, 2007

76 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

II Abbildungsverzeichnis

III Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise

2 Qualitative Konzepte des internationalen Unternehmens
2.1 Konzept von Perlmutter
2.2 Konzept von Bélis-Bergouignan, Bordenave und Lung
2.3 Konzept von Bartlett und Ghoshal
2.3.1 Multinationales Unternehmen
2.3.2 Internationales Unternehmen
2.3.3 Globales Unternehmen
2.3.4 Transnationales Unternehmen
2.3.4.1 Integriertes Netzwerk
2.3.4.2 Rolle der Tochtergesellschaften
2.3.4.3 Konfiguration der Wertschöpfungsketten

3 Internationalisierungsstrategien europäischer Automobilhersteller
3.1 Ausgangsituation der europäischen Automobilhersteller Anfang der 90er Jahre
3.2 Internationalisierungsstrategien am Beispiel von Renault, Volkswagen und Daimler
3.2.1 Renault
3.2.1.1 Historischer Abriss
3.2.1.2 Wandel des Internationalisierungsprofils in den 90er Jahren
3.2.1.3 Entstehung der Allianz Renault-Nissan
3.2.1.4 Struktur der Allianz Renault-Nissan
3.2.1.4.1 Funktionale Ebenen der Zusammenarbeit
3.2.1.4.2 Regionale Ebenen der Zusammenarbeit
3.2.2 Volkswagen
3.2.2.1 Historischer Abriss
3.2.2.2 Internationalisierungsgeschichte von Volkswagen
3.2.2.3 Wandel des Internationalisierungsprofils in den 90er Jahren
3.2.3 Daimler
3.2.3.1 Historischer Abriss
3.2.3.2 Wandel des Internationalisierungsprofils in den 90er Jahren
3.2.3.2.1 Restrukturierung des Konzerns
3.2.3.2.2 Die Fusion mit Chrysler
3.2.3.2.3 Die Trennung von Chrysler und die Refokussierung auf Mercedes-Benz

4 Bewertung der Internationalisierungsstrategien der europäischen Automobilhersteller
4.1 Produktstrategie
4.2 Produktionsstruktur
4.3 Internationale Marktpräsenz
4.4 Vergleich zur japanischen Automobilindustrie
5 Fazit

IV Literaturverzeichnis

II Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Die Grundidee der Perlmutterschen Typologie

Abb. 2 Typen des internationalen Unternehmens nach Bélis-Bergouignan, Bordenave und Lung

Abb. 3 Typen des internationalen Unternehmens nach Bartlett und Ghoshal

Abb. 4 Das integrierte Netzwerk

Abb. 5 Typische Rollen nationaler Tochtergesellschaften

Abb. 6 Bewertung von Globalisierungs- und Lokalisierungsvorteilen

III Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Der westeuropäischen Automobilindustrie wurden noch Anfang der 90er Jahre nur geringe Zukunftschancen eingeräumt. Die große international vergleichende Studie von Womack et al. „The machine that changed the world“ bescheinigte den europäischen Automobilherstellern eine geringe internationale Wettbewerbsfähigkeit und mangelnde Produktivität.1Im Gegensatz zu den japanischen und amerikanischen Automobilherstellern war der Internationalisierungsprozess der europäischen Hersteller nicht besonders weit voran geschritten. Die europäische Automobilindustrie zeichnete sich durch eine deutliche regionale Fokussierung auf den europäischen Heimatmarkt aus. Sieht man von den Exportstrategien der Premiumhersteller ab, waren die europäischen Automobilhersteller in den wichtigen Absatzmärkten Nordamerika und Japan nicht präsent. Die deutlich gewordenen Defizite im Produktionssystem und die im internationalen Vergleich mangelnde Internationalisierung zwangen die europäischen Hersteller Mitte der 90er Jahre, ihre mit internationalen Aktivitäten verbundenen Unternehmensstrategien grundlegend zu überdenken.

In den vergangenen Jahren jedoch konnten sich vor allem die deutschen aber auch die französischen Automobilhersteller erstaunlich erfolgreich am Weltmarkt behaupten. In diesem Zusammenhang ist ein deutlicher Wandel im Internationalisierungsprofil der europäischen Automobilhersteller feststellbar.

1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise

Ziel dieser Arbeit ist es, die Relevanz von Transnationalisierungsstrategien im Sinne von Bartlett und Ghoshal für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilhersteller anhand von drei untersuchten Unternehmen aufzuzeigen.

Die Arbeit ist in fünf Abschnitte gegliedert. Nach der Einleitung wird im zweiten Kapitel zunächst ein Überblick über drei verschiedene qualitative Ansätze der Internationalisierungsforschung von Perlmutter, Bélis-Bergouignan, Bordenave und Lung sowie von Bartlett und Ghoshal gegeben. Es wird im Speziellen auf den Ansatz von Bartlett und Ghoshal eingegangen. Die Fokussierung liegt hierbei auf dem für diese Arbeit relevanten Typ des transnationalen Unternehmens. Dabei werden die Auswirkungen dieses Unternehmenstyps auf die Wertschöpfungskette, die Tochtergesellschaften und die internen Unternehmensbeziehungen untersucht.

Im dritten Kapitel wird die Ausgangssituation der europäischen Automobilhersteller in den 90er Jahren aufgezeigt. Hierzu folgt zunächst eine Kurzanalyse des Wettbewerbsumfelds in der Automobilindustrie und den daraus resultierenden Anforderungen an die Hersteller. Darauf aufbauend wird gezeigt, welche Motive bei den europäischen Herstellern vorhanden waren, ihre mit den internationalen Aktivitäten verbundenen Unternehmensstrategien grundlegend zu verändern.

In einem weiteren Teilabschnitt werden die Internationalisierungsstrategien dreier ausgewählter europäischer Automobilhersteller vorgestellt. Dabei werden die Unternehmen Daimler, Volkswagen und Renault intensiv betrachtet und der Entwicklungsverlauf ihrer Internationalisierungsstrategien untersucht. Der Schwerpunkt der Untersuchung ist dabei je nach Unternehmen unterschiedlich gesetzt. Bei Volkswagen und Daimler werden die frühen Internationalisierungsaktivitäten des Konzerns ausführlich analysiert, bei Renault liegt der Schwerpunkt der Untersuchung auf der Allianz mit Nissan.

Im vierten Kapitel wird auf den Erkenntnissen des dritten Kapitels aufbauend untersucht, ob die betrachteten Unternehmen vor dem theoretischen Hintergrund des Konzepts von Bartlett und Ghoshal einen qualitativen Wandel in ihrem Internationalisierungsprofil erreicht haben und ob wesentliche Merkmale eines transnationalen Unternehmen feststellbar sind. Diese Untersuchung wird auf Basis der Produktstrategie, der Produktionsstruktur und der internationalen Marktpräsenz durchgeführt. Abschließend wird ein kurzer Vergleich zur Internationalisierung der japanischen Automobilhersteller in den 70er und 80er Jahren vollzogen.

Die erarbeiteten Erkenntnisse werden im anschließenden Fazit zusammengefasst, bewertet und vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen eingeordnet.

2 Qualitative Konzepte des internationalen Unternehmens

Die Betrachtung des Internationalisierungsprofils eines Unternehmens kann durch eine Vielzahl verschiedener qualitativer Konzepte vollzogen werden. Nachfolgend sollen die für diese Arbeit relevanten Konzepte von Perlmutter und von Bélis-Bergouignan, Bordenave und Lung kurz vorgestellt und anschließend intensiv auf das Konzept von Bartlett und Ghoshal eingegangen werden. Die vorgestellten Konzepte sind dabei als idealtypisch zu verstehen, sie spiegeln nicht die Wirklichkeit wieder, sondern sollen ein tieferes Verständnis des internationalen Unternehmens schaffen.

2.1 Konzept von Perlmutter

Eines der ersten qualitativen Internationalisierungskonzepte ist das EPRG-Modell von Howard Perlmutter. Er kritisierte, dass in der bisherigen Literatur der Grad der Internationalität hauptsächlich durch objektive Maßgrößen bestimmt wurde. Daher sah er bei der Veröffentlichung seines Konzepts die Notwendigkeit, nicht nur quantitative Merkmale in der Betrachtung eines internationalen Unternehmens einzusetzen, sondern auch qualitative Dimensionen zu berücksichtigen.2Neben den quantitativen Maßgrößen spielt seiner Meinung nach das Top-Management eine entscheidende Rolle für die Internationalität eines Unternehmens. „The orientation towards foreign people, ideas, resources, in headquarters and subsidiaries and in host and home environments become crucial in estimating the multinationality of a firm.“3

Perlmutter geht in seinem Konzept davon aus, dass die Art der Internationalität von Werten, Einstellungen, Erfahrungen und Erlebnissen, Gewohnheiten und individuellen Vorurteilen beeinflusst wird. So können unterschiedliche Werte und Einstellungen, unterschiedliche Erlebnisse und Erfahrungen, unterschiedliche Gewohnheiten und Vorurteile auch zu unterschiedlichen Arten des internationalen Unternehmens führen. Perlmutter klassifiziert drei Typen des internationalen Unternehmens, das ethnozentrische

(E), das polyzentrische (P) und das geozentrische (G) Unternehmen.4 Diese drei Unternehmenstypen werden später durch den Typ des regiozentrischen (R) Unternehmens ergänzt (vgl. Abb. 1).5

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Die Grundidee der Perlmutterschen Typologie

Quelle: Kutschker / Schmid (2006), S. 288.

Perlmutter weist darauf hin, dass in der Praxis verschiedene Führungskonzepte in einem Unternehmen vorzufinden sind. Seiner Meinung nach gibt es kein einheitliches Entwicklungsmuster für ein internationales Unternehmen, jedoch sieht Perlmutter einen typischen Entwicklungspfad, der von einem ethnozentrischen über ein polyzentrisches und regiozentrisches hin zu einem geozentrischen Unternehmen führt.6

Das ethnozentrische Unternehmen ist durch eine Heimatland-Orientierung geprägt. Die Zentrale dominiert die Tochtergesellschaften und das Heimatland dominiert das Gastland hinsichtlich aller Strategien und Maßnahmen. „This works at home; therefore it must work in your country.”7 Strategische Entscheidungen werden prinzipiell in der Zentrale getroffen, Führungspositionen in den ausländischen Tochtergesellschaften durch Manager aus dem Heimatland besetzt. Der Managementstil aus dem Heimatland wird auch als geeignet für die Gastländer betrachtet.8

Das polyzentrische Unternehmen ist durch eine Gastland-Orientierung geprägt. Die zahlreichen Unterschiede und die verschiedenen Kulturen zwischen Heimatland und Gastland werden akzeptiert. Es wird sich möglichst stark an die lokalen Gegebenheiten angepasst. „We want to be a good local company.“9Entscheidungen werden in den Tochtergesellschaften getroffen, und die lokalen Führungspositionen werden durch einheimische Mitarbeiter besetzt. Dabei wird dem einheimischen Management die Kompetenz unterstellt, am besten am lokalen Markt agieren zu können. Den Tochtergesellschaften wird in ihren Entscheidungen weitgehende Autonomie eingeräumt, solange sie die Zielsetzungen der Zentrale erfüllen.10

Das geozentrische Unternehmen ist durch eine Welt-Orientierung geprägt. Zentrale und Tochtergesellschaften bilden eine weltweite Einheit; es wird versucht, die Unterschiede in einem globalen Ansatz zu integrieren. Das Unternehmen bildet einen unternehmensspezifischen Charakter, welcher sich von den einzelnen Landeskulturen und Eigenheiten der Zentrale und der Tochtergesellschaften löst. Entscheidungen werden sowohl von der Zentrale, als auch von den beteiligten Tochtergesellschaften getroffen. Die Arbeitsteilung der Länder erfordert eine intensive Kommunikation und Vernetzung. Bei der Besetzung der Führungspositionen spielt die Nationalität keine Rolle. Es findet eine weltweite Arbeitsteilung und Spezialisierung auf allen Ebenen statt, nationales Vorgehen tritt in den Hintergrund.11 Dabei wird versucht, über alle Ländergrenzen hinweg Synergieeffekte zu realisieren.12

Das später eingeführte regiozentrische Unternehmen ist durch eine Regionen- Orientierung geprägt. Perlmutter reagierte auf die zunehmende Regionalisierung der Wirtschaft vor allem in Europa und entwickelte das Modell des polyzentrischen Unternehmens weiter. In regiozentrischen Unternehmen wird nicht von einzelnen Ländermärkten ausgegangen, sondern von einzelnen in sich relativ homogenen Ländergruppen. Die Führungskräfte werden aus Ländern der gleichen Region rekrutiert. Auf regionaler Ebene erfolgt die Zusammenarbeit dann auf Basis der geozentrischen Orientierung.13

2.2 Konzept von Bélis-Bergouignan, Bordenave und Lung

Ein aus der neueren Internationalisierungsforschung in der Automobilindustrie resultierender Ansatz, ist der von Bélis-Bergouignan, Bordenave und Lung. Dieser Ansatz betrachtet internationale Unternehmen als eine Art Lernhierarchie und stellt dabei den Aspekt heraus, dass jedes Unternehmen eine spezifische Geschichte als „trajectory“ besitzt, durch welche die Internationalisierungsvoraussetzungen, -ressourcen und -formen vorgeprägt sind.14Der Prozess der Internationalisierung wird dadurch begründet, wie die Unternehmen ihre Fähigkeiten entfalten.

Dabei basiert das Konzept von Bélis-Bergouignan, Bordenave und Lung auf zwei Kriterien, den Prinzipien der hierarchischen Organisation und dem Ausmaß der hierarchischen Kontrolle. Bei der hierarchischen Organisation unterscheiden die Autoren zwischen weltweiter Internationalisierung und Globalisierung. Das Prinzip der weltweiten Internationalisierung zeichnet sich durch die Expansion des Unternehmens über die Grenzen des Stammlands hinaus aus. Die Strukturen des Unternehmens aber bleiben bei der Expansion unberührt. Es existiert eine asymmetrische Beziehung zwischen Zentrum und Peripherie, die Konfiguration ist durch unilaterale Austauschbeziehungen gekennzeichnet. Dagegen ist die Globalisierung analog zur polyzentrischen Orientierung durch multilaterale Austauschbeziehungen gekennzeichnet. Jedes Zentrum besitzt dabei spezifische Ressourcen. Die Konfiguration ist durch einen Lernprozess gekennzeichnet, der die Entwicklung der jeweiligen lokalen Kompetenzen und organisatorischen Fähigkeiten verbessern soll. Je nach Ausprägung der Kriterien der Prinzipien der hierarchischen Organisation und dem Ausmaß der hierarchischen Kontrolle definieren die Autoren vier Konfigurationstypen: „world-wide“, „multidomestic“, „multiregional“ und „transregional“ (vgl. Abb. 2).15

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Typen des internationalen Unternehmens nach Bélis-Bergouignan, Bordenave und Lung

Quelle: Bélis-Bergouignan / Bordenave / Lung (2000), S. 44.

Dabei ist die „world-wide company“ durch eine ausgeprägte hierarchische Kontrolle geprägt. Die räumliche Organisation ist durch eine homogene Firmenstruktur gekennzeichnet. Im Sinne von Perlmutter ist die „world-wide company“ als ethnozentrisch anzusehen. Die Funktionsweise des Unternehmens auf dem Heimatmarkt wird auf die ausländischen Standorte übertragen, die internationale Organisationsstruktur ist eine Kopie der nationalen Organisationsstruktur am Heimatmarkt.16

Die „multidomestic company“ ist durch eine schwache hierarchische Kontrolle und eine heterogene Firmenstruktur gekennzeichnet. Die Produkte des Unternehmens werden den lokalen Gegebenheiten angepasst mit dem Resultat, dass die Produktcharakteristika je nach lokalem Markt sehr stark differenziert sein können. Das Management einer „multidomestic company“ ist sehr dezentralisiert, dennoch behalten die Unternehmen ein Zentrum. Die Tochtergesellschaften sind weitgehend autonom, jedoch besitzen sie keine spezifischen Kompetenzen, welche zum Zentrum transferiert werden könnten. Dabei arbeiten die Tochtergesellschaften parallel, es gibt keine Verknüpfungen untereinander. Die Entscheidungskompetenzen verbleiben in der Zentrale.17

Die „multiregional company“ ist im Gegensatz zu den beiden vorangegangen Strukturen in verschiedene zueinander in Beziehung stehende Regionen aufgeteilt. Die Verschiedenartigkeit der einzelnen Länder und Regionen und die ausgeprägt schwache hierarchische Kontrolle erschweren ein homogenes Management und fördern eine Dezentralisierung der grundlegenden ökonomischen Funktionen des Unternehmens. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, deren Tochtergesellschaften bereits früh eigene Fähigkeiten und Kompetenzen entwickelt haben und somit ihren lokalen Markt autonom verwalten. Diese Autonomie kann zu eigenen, von der Zentrale unabhängigen Produktentwicklungen der Tochtergesellschaften für diesen lokalen Markt führen.18

Die „transregional company“ zeichnet sich durch eine ausgeprägte hierarchische Kontrolle aus. Die räumliche Organisation ist durch eine homogene Firmenstruktur gekennzeichnet. Dabei sind die Kompetenzen regional verteilt, eine große Anzahl von Produkten wird auf verschiedenen Märkten verkauft. Jede Region steuert dazu einen Eigenanteil bei und verfügt über spezifische Kompetenzen. Die strategischen Entscheidungen verbleiben bei der Zentrale. Das Ziel besteht darin, durch die Integration der weltweiten Aktivitäten eine bessere Ausnutzung der Economies of Scale und eine geographische Konvergenz der Märkte zu erreichen.19

2.3 Konzept von Bartlett und Ghoshal

Ein viel zitiertes qualitatives Konzept internationaler Unternehmen ist die von Christopher Bartlett und Sumantra Ghoshal in mehreren Veröffentlichungen vorgestellte Vierer-Typologie.20 Die Identifikation von vier internationalen Unternehmenstypen ist das Ergebnis einer Studie, in welcher neun international tätige Unternehmen untersucht wurden.21

Die Typologie basiert hauptsächlich auf drei Dimensionen: Konfiguration von Werten, Rolle der Auslandsniederlassung sowie Entwicklung und Diffusion von Wissen.22 Für Bartlett und Ghoshal ist die eingeschlagene strategische Ausrichtung Ausgangspunkt ihrer Typologie. Die strategische Ausrichtung hat somit Auswirkungen auf die organisatorischen Charakteristika und die mentalen Einstellungen innerhalb des Unternehmens.

Nach den Studien von Bartlett und Ghoshal ist die strategische Ausrichtung aber nicht unabhängig von der Branche zu sehen. Laut den Autoren entscheidet primär die Branche, welche Internationalisierungsform seitens des Unternehmens gewählt wird. Es wird unterschieden nach Branchen, welche eine Erfordernis zur globalen Koordination und Integration haben und nach Branchen, welche eine Erfordernis nach länderspezifischer Anpassung und Differenzierung haben.23 Diese unterschiedlichen Globalisierungs- und Lokalisierungsnotwendigkeiten beschränken sich aber nicht nur auf die Branche, sondern bestehen sowohl in den unterschiedlichen Funktional- und Aufgabenbereichen als auch in den unterschiedlichen Regionalbereichen.

Neben der Branche sind aber auch die Unternehmensgeschichte und die Unternehmenskultur für die Organisation des Unternehmens relevant. Die Entwicklung der internationalen Geschäftstätigkeit des Unternehmens wird auch entscheidend von dieser „administrativen Erbschaft“ geprägt.24

Bartlett und Ghoshal geben für den Ablauf der Internationalisierung im Gegensatz zu anderen Autoren wie Perlmutter kein zeitliches Internationalisierungsmuster vor. Das heißt, es gibt keine deterministische Abfolge der Internationalisierungsformen innerhalb eines Unternehmens. Es werden unter den bereits genannten Dimensionen nun vier Formen internationaler Unternehmen voneinander abgegrenzt, das multinationale Unternehmen, das internationale Unternehmen, das globale Unternehmen und das transnationale Unternehmen (vgl. Abb. 3).25

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Typen des internationalen Unternehmens nach Bartlett und Ghoshal

Quelle: in Anlehnung an Welge / Holtbrügge (2006), S. 139.

2.3.1 Multinationales Unternehmen

Das multinationale Unternehmen zeichnet sich durch ein Organisationsmodell der dezentralisierten Förderation aus. „Viele Werte, Verantwortlichkeiten und Entscheidungen sind dezentralisiert.“26 Es wird durch ein Portfolio nationaler Einheiten charakterisiert, welche in strategischer Hinsicht weitgehende Autonomie genießen. Durch diese Autonomie soll ein nationales Image aufgebaut werden. Für den Aufbau einer starken lokalen Präsenz ist die Berücksichtigung der nationalen Unterschiede erforderlich.27 Dabei treten die einzelnen Tochtergesellschaften und Auslandsfilialen als eine Art einheimische Akteure in den lokalen Märkten auf. Jede nationale Einheit wird als unabhängiges Unternehmen geführt, welches zum Ziel hat, auf dem jeweiligen nationalen Markt die bestmögliche Position zu erreichen. „Das Management betrachtet die Auslandsfilialen als Portfolio unabhängiger Unternehmen.“28

Die Geschäfte werden durch „informelle Beziehungen zwischen Zentrale und Filiale…“ geführt, welche „…durch einfache Finanzkontrollen“ überlagert werden.29 Die Koordination und Kontrolle findet dabei oft durch persönliche Beziehungen des Top- Managements statt. Die Führungspositionen in den Auslandsfilialen werden häufig mit einheimischem Personal besetzt, um dessen Kenntnisse des lokalen Marktes nutzen zu können. Die einzelnen nationalen Strategien werden optimiert, es wird aber meist auf eine Abstimmung der einzelnen nationalen Strategien verzichtet. Dies führt zu einer hohen Effizienz auf Ebene der Tochtergesellschaften, lässt aber Synergieeffekte zwischen den einzelnen Auslandsgeschäften kaum zu.

Die Struktur des multinationalen Unternehmens ist laut einer Studie von Bartlett und Ghoshal besonders häufig bei europäischen ehemals familiengeführten Unternehmen zu finden, welche bereits in der Vorkriegsperiode zu expandieren begannen.30 Der Einfluss der Besitzverhältnisse war dabei eine entscheidende Voraussetzung für die auf persönlichen Beziehungen und informellen Kontakten beruhenden Organisationsprozesse.

2.3.2 Internationales Unternehmen

Das internationale Unternehmen zeichnet sich durch ein Organisationsmodell der koordinierten Förderation aus. „Viele Werte, Ressourcen und Verantwortlichkeiten sind noch immer dezentralisiert, werden aber durch die Zentrale kontrolliert.“31 Die Kernkompetenzen des Unternehmens sind auf die Zentrale konzentriert. Das internationale Unternehmen wird durch die weitgehende Übertragung von Strukturen, Prozessen und Ressourcen von der Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaften charakterisiert. „Das Management betrachtet die Auslandsfilialen als Anhängsel der Zentrale.“32 Die weltweiten Entscheidungskompetenzen werden von der Zentrale beansprucht und die Tochtergesellschaften hauptsächlich durch Anweisungen und Direktiven gesteuert. Dabei ist das Ziel die Nutzung von Wissen und Fähigkeiten der Zentrale. Dies wird durch weltweite Diffusion und Anpassung erreicht.33 Das zentralisierte Führungskonzept wird meist durch die Entsendung von Stammhausdeligierten, welche die Verfolgung der strategischen Ziele der Muttergesellschaft sicherstellen sollen, unterstützt. Dabei ermöglichen „…die formalen Planungs- und Kontrollsysteme des Managements … eine engere Verbindung zwischen Zentrale und Filialen.“34

Dem internationalen Unternehmen liegt die Vorstellung der klassischen Produktlebenszyklustheorie von Vernon zugrunde. Bestimmte Produkte werden erst im Heimatmarkt eingeführt, dann in weitere Industrieländer und schließlich in die Schwellenund Entwicklungsländer transferiert.35 Diese Strategie wurde vor allem von USamerikanischen Unternehmen in den 60er und 70er Jahren erfolgreich angewandt, tritt aber zunehmend in den Hintergrund.

Die Organisationsstruktur weist Ähnlichkeiten mit der des multinationalen Unternehmens auf. Die Auslandsfilialen des internationalen Unternehmens sind jedoch in höherem Maß auf den Transfer von Wissen aus der Zentrale angewiesen.36 Darüber hinaus beruhen die Beziehungen zwischen der Zentrale und den Filialen stärker auf den formalen Systemen und Kontrollen und die Filialen des internationalen Unternehmens genießen weniger Autonomie als die der multinationalen Unternehmen.37

[...]


1Vgl. Womack / Jones / Roos (1990).

2Vgl. Perlmutter (1969), S. 10.

3Perlmutter (1969), S. 11.

4Vgl. Perlmutter (1969), S. 12.

5Vgl. Heenan / Perlmutter (1979), S. 17 ff.

6Vgl. Perlitz (2000), S. 138.

7Perlmutter (1969), S. 12.

8Vgl. Perlmutter (1969), S. 11-12, Heenan / Perlmutter (1979), S. 17-20.

9Perlmutter (1969), S. 13.

10Vgl. Perlmutter (1969), S. 12-13, Heenan / Perlmutter (1979), S. 20.

11Vgl. Perlmutter (1969), S. 13-14.

12Vgl. Heenan / Perlmutter (1979), S. 17 ff.

13Vgl. Heenan / Perlmutter (1979), S. 20.

14Vgl. Bélis-Bergouignan / Bordenave / Lung (2000), S. 41.

15Vgl. Bélis-Bergouignan / Bordenave / Lung (2000), S. 42.

16Vgl. Bélis-Bergouignan / Bordenave / Lung (2000), S. 42-44.

17Vgl. Bélis-Bergouignan / Bordenave / Lung (2000), S. 43-44.

23Vgl. Bartlett (1989), S. 429, Bartlett / Ghoshal (1990), S. 128.

24Vgl. Bartlett (1989), S. 432.

25Vgl. Bartlett / Ghoshal (1990), S. 92.

31Bartlett / Ghoshal (1990), S. 76.

32Bartlett / Ghoshal (1990), S. 76.

33Vgl. Bartlett / Ghoshal (1990), S. 32.

34Bartlett / Ghoshal (1990), S. 76.

35Vgl. Vernon (1966), S. 190-207.

36Vgl. Bartlett / Ghoshal (1990), S. 75.

37Vgl. Bartlett / Ghoshal (1990), S. 32.

Ende der Leseprobe aus 76 Seiten

Details

Titel
Transnationalisierungsstrategien europäischer Automobilhersteller
Hochschule
Universität zu Köln
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
76
Katalognummer
V87004
ISBN (eBook)
9783638003964
ISBN (Buch)
9783638911504
Dateigröße
1153 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Transnationalisierungsstrategien, Automobilhersteller
Arbeit zitieren
Sebastian Mittler (Autor:in), 2007, Transnationalisierungsstrategien europäischer Automobilhersteller, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87004

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