Konzepte der Jungenarbeit


Referat (Ausarbeitung), 2006

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Was Jungenarbeit leisten muss
2.1 Unsicherheiten beim Heranwachsen
2.2 Sozialisation
2.3 Sexuelle Identität

3. Leitbild Männlichkeit
3.1 Braucht Jungenarbeit ein Leitbild Männlichkeit?
3.2 Wie kann/soll ein solches Leitbild aussehen?
3.3 Die Bedeutung von Arbeit für dieses Leitbild
3.4 Die Bedeutung von Sexualität für dieses Leitbild

4. Jungenarbeit im Geschlechterkampf
4.1 Jungenarbeit als Methode der Mädchenarbeit
4.2 Jungenarbeit als Reaktion auf den Feminismus
4.3 Jungenarbeit als Instrument im Geschlechterkampf

5. Jungenarbeit in der Praxis
5.1 Wo findet sie (nicht) statt?
5.2 Wer initiiert sie?
5.3 Wer führt sie (nicht) durch?
5.4 Arbeitsprinzipien der Jungenarbeit
5.5 Wieso fällt die praktische Umsetzung so schwer?

Literaturverzeichnis

1. Vorwort

„Als besonders problematisch erwies sich die

Erhebung in den neuen Bundesländern, da eine

Vernetzung und personelle Verflechtung außerhalb

der Ministerien nicht zu erkennen war. Allerdings

reagierten auch manche der Befragten mit einem

ungläubigen: „Jungenarbeit gibt’s auch?“.“

(Munding, BzgA (Hg.) 1995, S.34)

Tatsächlich blickt die Jungenarbeit auf eine lange Tradition zurück. Als sehr markantes Beispiel lässt sich das Dritte Reich heranziehen, in welchem in Form der Hitlerjugend quantitativ hoher Aufwand in diesem Bereich betrieben wurde (vgl. Achterwinter, Sturzenhecker (Hg.) 1996, S.14). Jungenarbeit im Sinne der Sozialen Arbeit, welche frei von jeglichen Ideologien oder Dogmen betrieben wird, steckt allerdings noch immer in den Kinderschuhen, obschon der Grundstein dafür bereits in den Jahren 1986 – 1988 gelegt wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurde ein Modellprojekt in Nordrhein-Westfalen durchgeführt, welches einen geschlechtsbezogenen Bildungsansatz in der außerschulischen Bildung evaluierte und als Ausgangspunkt der Jungenarbeit in Deutschland gewertet werden kann (vgl. Bentheim u.a. 2004, S.59). Trotz vereinzelter Projekte, welchen oftmals feministische Motive zugrunde lagen, konnte sich eine flächendeckende, konstante Jungenarbeit bis dato nicht in Deutschland etablieren. Viel eher wurde Jugendarbeit im Allgemeinen zumeist stärker dem männlichen Geschlecht zugeschrieben, was gleichermaßen die Jungenarbeit als überflüssig erscheinen ließ und der Mädchenarbeit zur Legitimation gereichte. Lediglich in Teilbereichen konnte ein entsprechendes Angebot für Jungen entwickelt und umgesetzt werden. Die Gründe dafür wurden sowohl beim Klientel, als auch bei den Pädagogen und den Initiatoren gesucht, was zur Folge hatte, dass eine große Auswahl an vermeintlich Schuldigen entstand, welchen je nach politischer und / oder fachlicher Haltung der Vorwurf, die Jungenarbeit zu blockieren, gemacht werden konnte. Dieser contra-produktive, und oft sehr monokausal orientierte, Umgang mit der „Schuldfrage“ vermag auch heute noch darüber hinwegzutäuschen, dass Perspektiven, welche sich auf den Geschlechterkampf stützen, die Probleme der Jungen selbst nicht nur aussparen, sondern das Klientel als „Waffe im Geschlechterkampf“ zu missbrauchen.

2.1 Unsicherheiten beim Heranwachsen

„Nach außen – z.B. in den Medien, in Politik, Wirtschaft, Verwaltung,

Institutionen – werden Männer nach wie vor oft als das ‚starke Geschlecht‘

dargestellt. Diese Präsentation entspricht häufig nicht dem individuell-emotionalen

Empfinden: Hier fühlen sich viele Jungen und Männer unsicher und schlecht

mit ‚Männlichkeit‘ ausgestattet...“ (Bentheim u.a. 2004, S.31f

„Wann ist ein Mann ein Mann?“ fragt Herbert Grönemeyer nicht ohne Grund, wie zahlreiche Publikationen, welche sich mit der Sozialisation von Männern beschäftigen, bestätigen. Längst nicht jeder männliche Erwachsene kann diese Frage für sich beantworten. Kann demnach von Jugendlichen erwartet werden, eine Antwort auf diese Frage parat zu haben? Kann die männliche Sozialisation unter diesen Voraussetzungen überhaupt noch gelingen? Wenn dem so ist – ist das „Erfolgsrezept“ übertragbar und für alle Jungen und jungen Männer anwendbar? Die Frage der eigenen Identität kommt keinesfalls aus, ohne den Aspekt der Sexualität mit einzubeziehen. Auch in diesem Bereich treten enorme Unsicherheiten beim männlichen Geschlecht auf. Speziell der Bereich der sexuellen Identität ist überladen von statusbezogenen Barrieren und Rollenkonflikten, die häufig unlösbar scheinen. In Anbetracht des hohen Stellenwertes von Sexualität – vor allem in der Pubertät – zeigt sich in vielen Fällen eine entsprechend hohe psychische Belastung der betroffenen Jungen. Individuelle Strategien, mit dieser Problematik umzugehen, sie vielleicht sogar zu bewältigen, können unter Jungen nicht weitervermittelt werden, ohne die „ungeschriebenen Gesetze der Männlichkeit“ – in diesem Fall das vermeintliche Verbot, über Probleme und Gefühle zu sprechen – zu brechen, was die entworfene Lösungsstrategie wiederum nichtig erscheinen ließe, da sie den neu aufgetretenen Statusverlust nicht zu verhüten in der Lage gewesen wäre.

Dieses Dilemma legt das kritische Hinterfragen dieses Männlichkeitsbildes nahe. Bedeutet das möglicherweise, dass ein neues Leitbild Männlichkeit vonnöten ist? Kann dem Klientel ein weniger problembehaftetes Bild von Männlichkeit diktiert werden? Wer könnte dazu in der Lage sein und wer könnte es überhaupt entwerfen? Wäre es überhaupt möglich, ein solches Leitbild zu entwerfen, ohne die positiven Aspekte des alten Bildes von Männlichkeit mit einzubeziehen oder aber diese sinnvoll in das neue Leitbild Männlichkeit zu integrieren? Würde ein solches Leitbild überhaupt von den Jungen angenommen?

Bei der Diskussion, wie Jungenarbeit auszusehen habe und wie sie durchzuführen sei, werden, dominiert von zwei Pespektiven – der männlichen und der weiblichen bzw. feministischen –, viele unterschiedliche Meinungen geäußert. So versucht das feministische Lager, die Jungenarbeit zu nutzen, um die Mädchenarbeit zu fördern, wobei die neuere Männerbewegung teilweise Tendenzen zeigt, zum Gegenschlag auszuholen, um die Errungenschaften der Frauenarbeit zu relativieren. Die Jungenarbeit und mit ihr das Klientel wird auf diese Weise zur Waffe im Geschlechterkampf und scheinbar gibt es nur eine Interessengruppe, welche ungefragt bleibt: Die Jungen.

2.2 Sozialisation

„Mit ‚männlicher Sozialisation‘ sind mithin die Prozesse gemeint,

durch die ein männlich geborenes Kind in unserer Gesellschaft

als Mann handlungsfähig wird.“ (Bentheim u.a. 2004, S.31)

Der Begriff der Sozialisation ist für jeden Menschen, ganz gleich welchen Geschlechts, welcher Herkunft und welchen Alters von großer Bedeutung. Speziell bei Jungen jedoch gilt es – ob der gehäuft auftretenden Widersprüche und Schwierigkeiten bei der Sozialisation – besonders aufmerksam nach potentiellen Fehlerquellen zu suchen und durch gezielte Prävention und methodische Reaktion ein Scheitern der Sozialisation zu verhindern. Die Frage, wie eine gelungene, männliche Sozialisation zu funktionieren hat, lässt sich jedoch keineswegs durch die Vorlage eines Patentrezeptes beantworten. Viel eher sind auch erwachsene Männer, welche doch viel weiter fortgeschritten sein sollten in ihrer eigenen Sozialisation, ebenso von Identitätsproblemen betroffen wie die Jugendlichen, denen es zu helfen und denen es Vorbild zu sein gilt, selbst. „Jungen sollen heute gleichzeitig ‚echte‘ und ‚neue‘ Männer sein. Sie sollen Klischees annehmen und gleichzeitig überwinden, von denen sie oft nicht einmal wissen, wie sie es überhaupt einmal erfüllen könnten“ (Bentheim u.a. 2004, S.32). Diese widersprüchlichen Anforderungen stellen für erwachsene Männer mitnichten eine geringere Herausforderung dar als für die Jungen, in deren Sozialisation ein sehr wichtiger Faktor die Möglichkeit zur Orientierung an männlichen Vorbildern ist. Da die männlichen Vorbilder im direkten Umfeld oftmals nicht präsent genug sind, um ihre Funktion als Vorbild wahrzunehmen, bzw. viele Sozialisationsinstanzen (Primärversorgung, Kindergarten, Schule) überwiegend durch weibliche Bezugspersonen abgedeckt werden, wird diese Problematik später häufig zum Konfrontationsgegenstand männlicher Pädagogen, welche sich dann möglicherweise sowohl von den Identitätsproblemen der Jungen, als auch von den eigenen ungelösten Identitätsproblemen konfrontiert sehen. „Die Unsicherheit der Pädagogen, persönliche Beziehungen zu ihren Adressaten einzugehen, trifft bei Jungen auf deren Sehnsucht nach Vaterfiguren und erwachsenen Männern, die ihnen Partner bei Orientierungssuche und Selbstentwicklung sein könnten“ (Bentheim u.a. 2004, S. 88). Daraus wird ein gewisses Gefahrenpotential ersichtlich, dass Sozialisationsdefizite durch die defizitären Vorbilder weitervermittelt werden.

2.3 Sexuelle Identität

„Vieles, was sich um Sexualität dreht, bleibt den Männern vorbehalten:

Bordelle, Sexshops, sexuelle Übergriffe, sexuelle Gewalt und Diskriminierung,

sogenannte Sexualverbrechen, Pornographie, Werbung, Sexfilme, Kontakt-

anzeigen, das Erobern und Verführen usw.“ (Mending, BzgA (Hg.) 1995)

Die männliche Sexualität befindet sich stets in der Gefahr, auf vermeintliche oder tatsächlich vorhandene negative Aspekte reduziert zu werden. Andererseits gebietet der Wunsch nach Anerkennung unter gleichaltrigen oftmals eben die Fixierung oder gar übertriebene Darstellung solcher negativer Aspekte. Sexismus, Diskriminierung von Homosexuellen, der offene Umgang mit Pornographie, etc. stoßen mancherorten auf Empörung, werden von anderen wichtigen Bezugspersonen jedoch mit Statusgewinn honoriert. Die Bedeutung von Sexualität und Männlichkeit im sexuellen Sinne wird deutlich, wenn man die unter Jungen gebräuchlichen Schimpfwörter auf ihren Hintergrund prüft. Die meisten Beleidigungen zielen darauf ab, die Männlichkeit des Gegenübers in Frage zu stellen und / oder appellieren an die Homophobie des Gegenübers (vgl. Achterwinter, Sturzenhecker (Hg.), 1996, S.13). Diese verbalisierte Form männlichen Sexualverhaltens bezieht sich jedoch mitnichten nur auf Geschlechtsgenossen. Auch weibliche Jugendliche, welche irgendwie den Ärger eines Jungen auf sich ziehen, werden häufig durch die Verwendung eines stark sexualisierten Wortschatzes beleidigt.

„Es scheint als diene den männlichen Jugendlichen Sexualität als unverzichtbares Medium, als Vehikel von Kommunikation und Kontaktaufnahme. Daß dabei nicht selten andere Jungen und Mädchen gekränkt, verschreckt und beleidigt werden, läßt den Schluß zu, daß solche Jungen nicht gerade vor Selbstbewußtsein strotzen und dies durch solche Akte der Entwertung anderer zu verdecken suchen.“ (Munding, BzgA (Hg.) 1995, S.26)

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Konzepte der Jungenarbeit
Hochschule
Hochschule Koblenz (ehem. FH Koblenz)  (Sozialwesen)
Veranstaltung
Schwerpunktseminar Erziehungssystem - Konzepte der Jugendarbeit im Umbruch
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V87173
ISBN (eBook)
9783638013772
ISBN (Buch)
9783638917209
Dateigröße
425 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit erhebt weniger den Anspruch, den modernen Gender-Diskurs aufzugreifen, sondern bezieht sich eher auf die Entstehung dieses Diskurses und versucht durch das Aufzeigen dieser Entwicklung ein Verständnis dafür zu schaffen, wie die Wissenschaft überhaupt an den gegenwärtigen Punkt gelangte, um das Verstehen modernerer Positionen und Arbeitsansätze überhaupt zu ermöglichen.
Schlagworte
Konzepte, Jungenarbeit, Schwerpunktseminar, Erziehungssystem, Konzepte, Jugendarbeit, Umbruch
Arbeit zitieren
Timo Arnold (Autor:in), 2006, Konzepte der Jungenarbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87173

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