Eltern zwischen autoritärer und antiautoritärer Erziehung. Kindererziehung in der modernen Gesellschaft


Seminararbeit, 2006

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Begriffserklärung
2.1 Autoritäre Erziehung
2.2 Antiautoritäre Erziehung

3. Erziehung im Wandel – Ursachen und Folgen

4. Autoritative Erziehung – allgemeine Definition
4.1 Entwicklungsfördernde und –hemmende Erziehung
4.2 Autorität und Präsenz

5. Schlusswort

Literaturverzeichnis

„Erziehe dich selbst,

bevor du Kinder zu erziehen trachtest“

(Janusz Korczak)[1]

1. Vorwort

Die Erziehung der Kinder ist seit jeher eine schwierige Angelegenheit. Doch ist sie in der heutigen Zeit durch gesellschaftliche Einflüsse noch schwerer als jemals zuvor.

Kinder sollen sich frei entfalten können, glücklich und zufrieden sein – selbständige, freundliche Menschen also, die sich ihrer Grenzen bewusst sind. Doch wie können Eltern dies erreichen?

Von früheren Erziehungsstilen geprägt, sind sich viele Eltern heute einig, dass ihre Kinder anders aufgezogen werden sollen als sie selbst erzogen wurden. Doch dies setzt Eltern unter Druck bzw. führt dazu, dass sie viel mehr Fehler machen, als ihnen bewusst ist.

Liberale Erziehungsstile wie der Antiautoritäre oder der Partnerschaftlich-demokratische tragen dazu bei, dass Kindern keine Grenzen gesetzt werden, oder dass sie durch die Verwöhnung, die ihnen ihre Eltern zuteil werden lassen, anderen Menschen, Tieren und auch Gegenständen zu wenig Wertschätzung entgegenbringen.

Doch dass auch der autoritäre Stil nicht der Richtige sein kann, dass wissen viele Eltern noch aus eigener Erfahrung.

Kinder brauchen Liebe, Wärme, Verständnis – aber ebenso auch klare Regeln und Grenzen. Demzufolge also eine Mischung aus autoritärer und antiautoritärer Erziehung.[2]

Welche Vorzüge die zwei „Extrem“-Erziehungsstile aufweisen und wie eine mögliche Alternative aussehen könnte, darauf will ich in dieser Arbeit näher eingehen.

Im zweiten Kapitel werde ich ganz allgemein auf die autoritäre und antiautoritäre Erziehung eingehen. Das dritte Kapitel soll näher erläutern, dass Wandels in der Kindererziehung stattgefunden haben, warum diese stattgefunden haben und welche Folgen diese Wandels mit sich bringen. Das vierte Kapitel handelt von der möglichen Alternative – der autoritativen Erziehung und ihren Erscheinungsformen.

2. Begriffserklärung

2.1 Autoritäre Erziehung

Nach Erich Weber ist mit Autorität die Beziehung zwischen dem Autoritätsträger und dem Autoritätsempfänger gemeint. Hierbei hat der Autoritätsträger eine partielle Überlegenheit gegenüber dem Autoritätsempfänger, die von diesem auch als solche anerkannt wird. Die Anerkennung kann durch Zwang, Einsicht oder Vertrauen erfolgen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Grundmodell der Autorität

Im pädagogischen Kontext ist die Frage nach dem Ziel des Autoritätsträgers relevant. Will dieser seine Überlegenheit konservieren oder will er sie durch intentionale Lernhilfe abbauen?

Der autoritäre Erziehungsstil ist gekennzeichnet durch den Versuch des Autoritätsträgers, seine Überlegenheit zu konservieren - die Machtsicherung steht hier also im Vordergrund. Dies gelingt ihm durch hochgradig dirigistisches Verhalten. Widerstand wird durch gezieltes Einsetzen von Verständnislosigkeit, Irreversibilität und/oder Geringschätzung im Keim erstickt. Intentionale Lernhilfe wird demzufolge nicht gegeben.[3]

Bei dieser Art der Erziehung herrscht innerhalb der Familie oder der Lehrer-Schüler-Beziehung eine Hierarchie, bei der die Eltern bzw. die Lehrer die Ranghöchsten und die Kinder die Rangniedrigsten sind.

Autoritäre Eltern erziehen mit kühler Distanz und straffer Disziplin, dem Kind wird keine Entscheidungsfreiheit zugestanden.[4]

Das Problem bei diesem Erzieherverhalten ist zusätzlich, dass sich diejenigen, die autoritär erzogen wurden, nach dem sogenannten Radfahrerprinzip verhalten:

„Nach oben buckeln und nach unten treten“.

Dies führt dazu, dass sich jene Menschen z.B. im Job ihren Vorgesetzten unterwerfen, zuhause aber den autoritären Part übernehmen und ihre Kinder somit ebenfalls nach diesem Stil erziehen.

- Autoritäre Erziehung reproduziert folglich autoritäres Verhalten.

Autoritäre Erziehung fand in extremer Form während des Zweiten Weltkrieges statt. Wichtige pädagogische Namen sind in diesem Kontext Ernst Krieck und Alfred Bäumler.

2.1 Antiautoritäre Erziehung

Bei dem antiautoritären Erziehungsgedanken wird davon ausgegangen, dass sich ein Kind ohne Erziehung am sinnvollsten entwickelt. Einflüsse von Außen sollen so weit wie möglich auf ein Mindestmaß beschränkt werden.

"[...] Zentrale Erziehungsziele der antiautoritären Erziehung sind die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Kindes, die Förderung seiner psychischen Unabhängigkeit, die Übernahme von Verantwortung für sich selbst und die Unterstützung seiner Konflikt- und Kritikfähigkeit. Dies soll dadurch geschehen, dass der Bedürfnisbefriedigung und den Erfahrungsmöglichkeiten der Kinder kaum Einschränkungen gesetzt werden, die Übermacht des Pädagogen abgebaut wird und die Kinder durch Selbstbestimmung ihre Bedürfnisse regulieren."[5]

Bei diesem Erziehungsstil steht also die Freiheit und Entwicklungsautonomie des Kindes im Vordergrund. Grenzen und Regeln werden hier als mehr oder weniger entwicklungshemmend angesehen.[6]

Jedoch wird bei diesem Stil nicht die Autorität im Allgemeinen abgelehnt, sondern lediglich die autoritäre Erziehung, die mit dem Missbrauch von Macht einhergeht.

Erzieher und Kind sind bei der antiautoritären Erziehung gleichgestellt. Die Eltern und/oder Lehrer haben die Aufgabe, negative Einflüsse vom Kind fernzuhalten. Sie sind dazu da, dem Kind Situationen zu schaffen, in denen es spielend lernen kann und Platz für seine Phantasien hat. Was jedoch das Kind lernen soll, hat der Erzieher nicht zu bestimmen – die Entscheidungskompetenz liegt allein beim Kind.[7]

Die philosophischen Wurzeln der antiautoritären Erziehung liegen bei Jean-Jacques Rousseau. Er war Befürworter der kindlichen Selbstregulation und Verfechter des kindlichen Glückes, dass er in der Freiheit des Kindes begründet sah.

„Ein schlecht unterrichtetes Kind ist von der Vernunft weiter entfernt als eines, dass gar nicht unterrichtet worden ist. Ihr seid beunruhigt, wenn es seine ersten Jahre mit Nichtstun verbringt! Ist Glücklichsein denn nichts? Den ganzen Tag springen, spielen, laufen, ist das nichts? [...]“[8]

3. Erziehung im Wandel – Ursachen und Folgen

Ein erster Wandel weg von der streng-autoritären Erziehung hin zur antiautoritären Erziehung hat sich Ende der 70er Jahre vollzogen.

Nach den Wirren des Zweiten Weltkrieges wurde von den Menschen in Deutschland eine enorme Aufbauleistung erbracht, die Bundesrepublik erfuhr einen gewaltigen wirtschaftlichen Aufschwung. Dieser Aufschwung und seine Folgen erfuhren in den Anfängen der 60er Jahre eine kritische Auseinandersetzung. Laut Ansicht der Intellektuellen verhinderte die Fixierung auf den wirtschaftlichen Wohlstand eine geistige und moralische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialistischen Gedankengut, eine Abkehrung von den autoritären Gesellschaftsstrukturen war demzufolge nicht möglich. 1968 wurde diese Kritik an der Gesellschaft von der Studentenbewegung zugespitzt und durch Demonstrationen an die breite Öffentlichkeit gebracht. Jegliche Form von Autorität wurde als fragwürdig eingestuft, dies betraf besonders die Erziehungsinstitutionen. Bisherige Erziehungskonzepte wurden abgelehnt und neue Maximen formuliert. Dies war die „Geburtstunde“ der antiautoritären Erziehung.[9]

Diese Form der antiautoritären Erziehung jedoch war eine kurzlebige Erziehungsbewegung. Schon bald verlor der Begriff „Antiautorität“ an Bedeutung.[10] Stattdessen ist inzwischen oft die Rede von einem partnerschaftlich-demokratischen Erziehungsstil, der sich jedoch ebenfalls durch die Gleichstellung von Eltern und Kind auszeichnet.

Wie zu Anfang schon erwähnt, ist die Frage nach der richtigen Erziehung in der heutigen Zeit schwierig. Erschwerend kommt hinzu, dass Erziehung nicht mehr nur Angelegenheit der jeweiligen Familie ist, sondern zunehmend auch die der Politik und Gesellschaft. Wo es früher Sache der Eltern war, ihre Kinder nach eigenem Ermessen zu erziehen, so sprechen heute andere Familienmitglieder, Lehrer und Nachbarn mit, werden aufmerksamer und schalten bei Auffälligkeiten die zuständigen Behörden ein, dies verhindert in vielen Fällen eine stark autoritäre Erziehungseinstellung und schützt die Kinder vor Gewalt.

Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.[11]

Diese und eine Vielzahl anderer Gründe führten dazu, dass moderne Eltern genau wissen, was sie nicht wollen – nämlich ihre Kinder autoritär erziehen. Sie wollen in der Erziehung nichts falsch machen, ihren Kindern keinen Schaden zufügen – und die Konsequenz daraus ist, dass nicht mehr erzogen bzw. gerade deswegen „falsch“ erzogen wird.[12]

Zudem sorgt die steigende Zahl der Alleinerziehenden für gravierende Erziehungsfehler. Laut dem Statistischen Bundesamt gab es im Jahr 2005 in Deutschland 2,6 Millionen Alleinerziehende, dass sind mehr als drei Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung. Davon waren 87 Prozent Mütter und 13 Prozent Väter.[13]

Diese gesellschaftliche Entwicklung hat enorme Auswirkungen auf die Kindeserziehung. Viele dieser alleinerziehenden Mütter sind aufgrund der finanziellen Belastung ihrer Situation berufstätig und haben deshalb ihren Kindern gegenüber ein schlechtes Gewissen. Die Zeit die diese Mütter mit ihren Kindern verbringen können ist sehr gering und daher auch sehr wertvoll. Demzufolge soll diese auch „Qualitätszeit“ sein, d. h., Konflikte werden – so weit wie möglich – vermieden. So werden Kinder verwöhnt und lernen keine Grenzen kennen.[14] Oder aber sind Mütter in solchen Situation schlichtweg überfordert und haben weder die Kraft noch die Zeit sich so um die Kindeserziehung zu kümmern wie sie es eigentlich sollten.

Aber ebenso wie Mütter machen auch Väter viele Fehler. Väter, die von ihren Kindern getrennt leben, wollen dass ihre Kinder in der kurzen Besuchszeit, die ihnen zur Verfügung steht, Spaß haben. So bemühen sie sich um ein abwechslungsreiches und interessantes Freizeitprogramm – Hausaufgaben, Problemgespräche sowie Erziehungsfragen werden häufig außen vor gelassen.[15]

Auch der Rückgang der Geburtenziffer trägt zu Fehlern in der Erziehung bei. Kinder wachsen zunehmend ohne Geschwister auf und werden daher von ihren Eltern angehimmelt.

Die eben genannten Ursachen für einen liberalen und von wenig bis keinerlei autoritären Aspekten geprägten Erziehungsstil haben gravierende Folgen für Kinder und ihre Erziehung. Das selbstverantwortliche Handeln der Kinder wird von den „Über-Eltern“ begrenzt; Selbständigkeit und Autonomie sind Fremdwörter in solchen Familien.[16] Durch den fehlenden Umgang mit Geschwistern sind es diese Kinder nicht gewöhnt zu teilen. Weder ihr Spielzeug noch die Liebe und Aufmerksamkeit ihrer Eltern. Sie werden verwöhnt und legen daher geringe Wertschätzung anderen Menschen gegenüber an den Tag.

Aggressive, uninteressierte, unkonzentrierte und undisziplinierte Kinder zieht man heran, wenn man ihnen nicht die nötigen Grenzen setzt, ihnen keinen Respekt vor Mitmenschen lehrt, sie sich selbst überlässt. Unverantwortliche, unmündige Kinder bekommt man, wenn man Kinder „verhätschelt“.

[...]


[1] Siehe Tschöpe-Scheffler (2004), S. 10

[2] Vgl. Nuber (2004), S. 3

[3] Vgl. Handout2 zum Seminar „Autorität und Erziehung“ im SS 06, zusammengestellt von Dr. phil. Boeser

[4] Vgl. http://www.hausarbeiten.de/faecher/hausarbeit/paa/21953.html

[5] Siehe Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hrsg.) (2002), S. 44

[6] Vgl. http://www.ju-niedersachsen.de/index.html?politik/index.html&http://www.ju-niedersachsen.de/politik/ standpunkte/nr1999-10/erziehungsrevolution.htm

[7] Vgl. http://www.hausarbeiten.de/faecher/hausarbeit/paa/21953.html

[8] Siehe März (1982), S. 118f.

[9] Vgl. http://www.familienhandbuch.de/cmain/f_Aktuelles/a_Erziehungsfragen/s_1720.html

[10] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Antiautorit%C3%A4re_Erziehung

[11] Siehe BGB §1631 „Inhalt und Grenzen der Personensorge“, Absatz (2)

[12] Vgl. Zangerle (2004), S. 16

[13] Siehe http://www.destatis.de/presse/deutsch/pk/2006/mikrozensus_2005i.pdf

[14] Vgl. de Jong (2004), S. 24

[15] Vgl. Paulus (2004), S. 58

[16] Vgl. Rogge (2004), S. 12

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Eltern zwischen autoritärer und antiautoritärer Erziehung. Kindererziehung in der modernen Gesellschaft
Hochschule
Universität Augsburg
Veranstaltung
Autorität und Erziehung
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
19
Katalognummer
V88567
ISBN (eBook)
9783638043717
ISBN (Buch)
9783638942980
Dateigröße
791 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eltern, Erziehung, Kindererziehung, Gesellschaft, Autorität, Erziehung, Autoritative Erziehung
Arbeit zitieren
Melanie Bilzer (Autor:in), 2006, Eltern zwischen autoritärer und antiautoritärer Erziehung. Kindererziehung in der modernen Gesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88567

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