Wechselwahl. Messverfahren und Erklärungsansätze


Seminararbeit, 2008

13 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Messinstrumente der Wahlforschung – Wie wird instabiles Wahlverhalten gemessen?
2.1 Aggregatdaten als Messinstrument
2.2 Individualdaten als Messinstrument
2.2.1 Die Recallmethode
2.2.2 Die Panelmethode

3 Erklärungsansätze für instabiles Wahlverhalten
3.1 Der soziologische Ansatz – Dealignment als Hauptursache
3.2 Der sozialpsychologische Ansatz – Das Ann-Arbor Modell
3.3 Der rationalistische/politische Ansatz – Die Gelegenheitsstruktur des Wählens

4 Fazit

Literatur

1 Einleitung

Diese Arbeit widmet sich dem Thema der Wechselwahl (im Folgenden auch Volatilität). Unter Wechselwahl verstehen wir im Folgenden, wenn ein Wähler zwischen zwei, oder mehreren Urnengängen seine Wahlentscheidung ändert. Dazu zählt auch, wenn er zwischen dieser Änderung einmal überhaupt nicht wählt.

Schon seit einiger Zeit nimmt die Wählerwanderung laut unterschiedlicher Umfrageanalysen stetig zu. Insbesondere nach der Wiedervereinigung ging der Trend nach oben, da Ostdeutsche meist instabiler Wählen als Westdeutsche. Dieser aufsteigende Trend erhöht selbstverständlich auch das Forschungsinteresse an dieser Sache.

Aufgrund dieser anscheinend wachsenden Bedeutung der Wechselwähler, trägt diese Arbeit verschiedene Ansätze zusammen, die zur Erklärung wechselnden Wahlverhaltens beitragen sollen: Was sind die Ursachen für eine Wählerwanderung? Welche Motive hat der Wähler, seine Wahlentscheidung zu ändern?

Bevor auf die einzelnen Argumentationsmuster eingegangen wird, werden in der Arbeit verschiedene Messverfahren dargestellt, mit denen Wechselwahl gemessen werden kann. Das ist notwendig, da zunächst die Probleme auf der empirischen Analyseebene klargestellt werden müssen, bevor man sich auf die Interpretationsebene begibt. Denn Wechselwahl ist weder ein leicht zu interpretierendes, noch ein leicht zu messendes Phänomen. Die Frage, welche Lösungs- und Erklärungsversuche am brauchbarsten sind, versucht diese Arbeit zu beantworten.

2 Messinstrumente der Wahlforschung – Wie wird instabiles Wahlverhalten gemessen?

2.1 Aggregatdaten als Messinstrument

Auf der ersten Ebene wird unterschieden zwischen Messverfahren, die mit Aggregatdaten arbeiten und Messverfahren, welche Individualdaten verwenden. Erstere haben den Vorteil, dass die zu analysierenden Daten in der Regel leicht zugänglich sind, da es sich hier meist um die amtliche Wahlstatistik handelt. Ein mögliches Verfahren, das mit Aggregatdaten arbeitet, ist der Volatilitätsindex, der das wechselnde Wahlverhalten darstellt. Er setzt sich wie folgt zusammen:

V=

Der Volatilitätsindex (V i), oder auch „Pedersen-Index“ genannt, berechnet sich, indem die Stimmanteile einer Partei von zwei Wahlen (pit1, pit2) miteinander subtrahiert und durch zwei dividiert werden. Ist der Wert ungleich Null, kam es laut dem „Pedersen-Index“ zu einer Stimmenverschiebung.

Problematisch für die Analyse wechselnden Wahlverhaltens ist allerdings, dass diese Stimmenverschiebungen auch andere Gründe haben können: Der „Pedersen-Index“ sowie alle Verfahren, die mit Aggregatdaten arbeiten, berücksichtigen nicht die Vielschichtigkeit der individuellen Prozesse (Nichtwahl, Migration, demographische Entwicklungen, Wechselwahl), welche letztlich Ursache für eine Stimmenverschiebung sind. Das führt schließlich zu einer Fehlschlussproblematik bei der Verwendung von Aggregatdaten, da hier von der Aggregat- auf die Individualebene geschlossen wird (Vgl. Bürklin/Klein 1998, 35).

Des Weiteren blendet diese Methode gegenseitige Wechselströme aus. Der Volatilitätsindex zeigt schließlich nur die Summe der Wähler, welche die Partei „verlassen“ haben und wie viele Stimmen die Partei gewonnen hat. Somit suggeriert diese Methode eine niedrigere Wechselaktivität und ist demzufolge unzureichend für die Analyse wechselnden Wahlverhaltens (Vgl. Schoen 2005, 368ff.).

2.2 Individualdaten als Messinstrument

2.2.1 Die Recallmethode

Methoden, welche sich dem Instrument der Individualdaten bedienen, sind zwar aufwendiger, jedoch um ein Vielfaches aussagekräftiger, zumindest was die Untersuchung der Häufigkeit von Wechselwahl angeht. Hier sind die Forscher auf Umfragewerte angewiesen. Unterschieden wird dabei zwischen den so genannten Recall-Umfragen und den Paneluntersuchungen. Erstere bestehen aus lediglich einem Interview pro Befragtem, bei dem der Interviewer nach der aktuellen sowie nach den vorangegangenen Wahlentscheidungen fragt. Der Befragte muss sich also an seine frühere Wahlentscheidung zurückerinnern.

Dabei muss der Wahlforscher – wie es bei Umfragen üblich ist – mit fehlerhaften Antworten rechnen. Diese können zufälliger oder systematischer Natur sein: Entweder der Befragte gibt aufgrund seines schlechten Erinnerungsvermögens ohne Absicht eine falsche Antwort (zufällig), oder er gibt absichtlich eine falsche Antwort (systematisch). Eine systematische Fehlantwort kann unterschiedliche Gründe haben. Möglicherweise erscheint dem Befragten ein stabiles Wahlverhalten attraktiver, weshalb er angibt, immer die gleiche Partei gewählt zu haben. Oder der Befragte weiß, dass eine von ihm getätigte Wahlentscheidung sozial unerwünscht ist (Nichtwahl, Wahl einer extremistischen Partei, etc.) und macht deshalb eine absichtlich falsche Angabe (Vgl. Schoen 2005, 372ff.). Oder aber der Befragte ist sich seines schlechten Erinnerungsvermögens bewusst und gibt dennoch eine Antwort, da er nicht zugeben möchte, sich an seine letzte Wahlentscheidung nicht mehr erinnern zu können, da dieses Zugeständnis einen politikverdrossenen Eindruck beim Interviewer hinterlassen könnte.

Letztlich führt diese Fehlerquote zu einem Ergebnis, das eine eher geringere Wählermobilität vermuten lässt, als beispielsweise Ergebnisse, welche eine Paneluntersuchung hervorgebracht haben (Vgl. Schoen 2005, 372f.).[1]

2.2.2 Die Panelmethode

Eine Paneluntersuchung wird über einen längeren Zeitraum durchgeführt, da hier der Teilnehmer zu jeder zu untersuchenden Wahl separat befragt wird. Es werden also mindestens zwei Befragungen durchgeführt. Bei der Auswertung aller Antworten kann dann festgestellt werden, wie viele der Befragten instabil gewählt haben.

Um ein genaues Bild der Wechselaktivität der Wähler festzuhalten, ist es allerdings notwendig mindestens drei Wahlgänge in eine Paneluntersuchung mit einzubeziehen. Nur so könne auch der Wechselwähler erfasst werden, der eine „Zwischenstation“ eingelegt hat, also zwischen dem Wechsel von Partei A zur Partei B bei einer Wahl überhaupt nicht gewählt hat (Vgl. Rattinger 2007, 37).

Wie bei der Recallmethode muss allerdings auch bei der Panelmethode mit einer gewissen Fehlerquote gerechnet werden. Hier spielt vor allem die „Panelmortalität“ (Schoen 2005, 372) eine wichtige Rolle. Dadurch, dass eine repräsentative Paneluntersuchung über mindestens drei Wahlgänge durchgeführt wird – in Deutschland sind das immerhin acht Jahre – kommt es vor, dass Umfrageteilnehmer, die bei der ersten Befragungswelle noch dabei waren, bei der zweiten oder dritten Befragung aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr zur Verfügung stehen, sei es aus Desinteresse, Todesfall, Migration, etc. Das kann, je nach Ausmaß, zu Repräsentativitätsproblemen führen.

[...]


[1] Zwischen 1994 und 1998 lag die Wechselrate im Westen nach der „Recallmethode“ bei 20,9 Prozent und nach der „Panelmethode“ bei 31,6 Prozent. Im Osten lag sie nach der „Recallmethode“ bei 31,2 Prozent und nach der „Panelmethode“ bei 40,4 Prozent (Vgl. Schoen 2005, 374).

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Wechselwahl. Messverfahren und Erklärungsansätze
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Wahlverhalten (Wahlbeteiligung und Wahlentscheidung) in der BRD
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
13
Katalognummer
V90247
ISBN (eBook)
9783638044851
ISBN (Buch)
9783638941976
Dateigröße
415 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wechselwahl, Wahlverhalten, Wahlentscheidung)
Arbeit zitieren
Lukas Hermann (Autor:in), 2008, Wechselwahl. Messverfahren und Erklärungsansätze, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90247

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